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Wo die (neoliberalen) Rechten in Italien regieren – sterben besonders Viele

Streikaufruf für Betriebsschliessungen wegen Corona in Italien„… Bei uns gibt es die Arbeitsmedizin im ambulanten wie im stationären Bereich nur auf dem Papier, nicht in der Wirklichkeit. Die Gesundheitsvorsorge wurde auf ein Minimum reduziert, Arbeitsmediziner sind Freischaffende, sie arbeiten für Arbeitgeber, die sie jederzeit vor die Tür setzen können, das ist mir auch selbst passiert. Die Gesundheitsämter haben nur noch eine Aufsichtsfunktion. Auch in den Krankenhäusern sind die von der WHO vorgegebenen allgemeinen Vorsorgemaßnahmen nur Literatur für Studenten im Fach Präventivmedizin. So konnte es kommen, dass 12 Prozent des Gesundheitspersonals selber infiziert wurde, eine ganz schlimme Situation, da werden die krank, die die Bevölkerung heilen sollen. Die Lage der Beschäftigten im Gesundheitswesen ist überall dramatisch. Masken des Typs FFP3 oder FFP2 gibt es ganz wenige. Die Richtlinien des Innenministeriums sehen vor, dass in den Krankenhäusern Schutzanzüge und Masken nur für die bereitstehen, die positiv getestete Corona-Patienten behandeln, alle anderen, auch solche, die die Kranken in die verschiedenen Fälle einteilen, müssen sie nicht tragen, sie müssen nur Abstand halten. Das ist verrückt, weil sich auf diese Weise viele Beschäftigte anstecken. Am 16.März gab es 1674 infizierte Gesundheitsarbeiter in den Krankenhäusern, heute, am 16.Mai, ist ihre Zahl auf 2000 gestiegen. Von den Hausärzten nicht zu reden. Der nationale Ärzteverband und der der Lombardei haben getrennt voneinander ein überaus kritisches Kommuniqué an die Regierung geschickt, in dem sie darauf hinweisen, dass der Mangel an Schutzvorrichtungen aus einem Personal, das heilen soll, Virenschleudern macht. Das ist ganz übel…“ – aus dem Beitrag „Öffentlich-Privat (ÖPP) im Gesundheitssystem – Das abschreckende Beispiel der Lombardei“ am 01. Juni 2020 in der SoZ externer Link (Ausgabe 6/2020) – die Übersetzung eines Interviews mit dem Arbeitsmediziner Vittorio Agnoletto von Sara Zanisi am 16.Mai 2020 für die Onlinezeitung Officina Primo Maggio, worin im Anschluss das ganz besondere Wirken der rechten lombardischen Regionalregierung Thema ist. Siehe dazu auch einen Beitrag über die besonders tödlichen Altenheime in der Lombardei:

  • „Covid-19: Ausgelieferte Altenheime“ von Teseo La Marca am 03. Juni 2020 bei telepolis externer Link zu den Opfern in den Altenheimen der rechten Hochburg Lombardei unter anderem: „… Im Vergleich zu anderen Staaten ist der Anteil der Covid-19-Toten in italienischen Pflegeheimen auffallend hoch. Besonders dramatisch ist die Situation in den norditalienischen Regionen. Während verlässliche landesweite Daten der zentralen Gesundheitsbehörde ISS noch immer ausstehen, lassen die Zahlen auf Gemeindeebene auf ein böses Gesamtbild schließen. Im Einzugsgebiet Mailands waren nach Abflachen der ersten großen Infektionswelle Ende April von insgesamt 13.645 Heimbewohnern 2219 Personen mit Covid-19 (871) oder ungetestet mit Covid-19-ähnlichen Symptomen (1348) gestorben. Das ist jeder sechste Heimbewohner. Ein Aufenthalt im Altenheim also als russisches Roulette? Insgesamt starben von Ende Februar bis Ende April 27 Prozent der Mailänder Heimbewohner – anstatt der üblichen zehn bis zwölf Prozent in früheren Vergleichszeiträumen. 4205 Personen, also ein Drittel aller Heimbewohner, waren bis Ende April in Mailand und Umgebung infiziert. Zum Vergleich: In Österreich, wo die Covid-19-bezogene Sterberate in der gesamten Bevölkerung mehr als drei Mal tiefer als in Italien liegt, waren nach Hochrechnungen der bisher durchgeführten Tests in Pflegeheimen Anfang Mai nur zwei Prozent der Bewohner infiziert. Dass die italienischen Heime dem Virus offenbar völlig ausgeliefert waren, hängt mit gravierenden politischen Fehlentscheidungen zusammen. Während aktuell in zahlreichen italienischen Staatsanwaltschaften die Ermittlungen gegen regionale Entscheidungsträger laufen, zeichneten Forscher der mailändischen Universität Bocconi bereits am 30. April in einer Studie ein recht klares Bild der Ursachen für die Misere. Am 9. März, als Premierminister Giuseppe Conte einen landesweiten Lockdown verhängte, gab es noch keine Richtlinien für die Altenheime, geschweige denn Schutzmaterial wie Masken und Schutzanzüge für das Heimpersonal. Bei der Verteilung des vorhandenen Materials dachte man nicht daran, Pflegeheime zu priorisieren. So absurd es auch klingt: Als bereits Schulen und Universitäten geschlossen waren, standen die Heime für die Besucher noch immer offen. Einige Altenheime verpflichteten ihr Personal damals, sich privat Schutzausrüstung zu besorgen, und arbeiteten auf eigene Faust Sicherheitsmaßnahmen aus. Andere Heimverwalter führten hingegen die Untätigkeit der Politik ad absurdum und verboten dem Personal kategorisch, Schutzausrüstung wie FFP-Masken zu tragen – angeblich, weil sie anderswo dringender gebraucht würden. Angestellte, die gegen die Anordnung protestierten, wurden entlassen. So geschah es im Pio Albergo Trivulzio, ausgerechnet in jenem Heim, das 1992 bereits in den Korruptionsskandal verwickelt war, der Italiens erste Republik zu Fall brachte und unter dem Schlagwort „Mani Pulite“ in die Geschichte einging. Der Leiter des Altenheims hatte damals „auf Kommission“ Aufträge an Reinigungsfirmen vergeben. Der Korruptionsfall löste anschließend eine Kettenreaktion an Ermittlungen aus, an deren Ende ein diabolisches Netz aus Korruption und Vetternwirtschaft, das abgesehen von den Kommunisten alle großen Parteien Italiens durchzog, offengelegt wurde. Aber das war noch nicht genug. Zum Versagen der nationalen Regierung und einzelner Heimverwaltungen gesellte sich Anfang März eine fatale Entscheidung der lombardischen Regionalregierung, die eine Verlegung „leichter“ Covid-19-Patienten aus überfüllten Krankenhäusern in Pflegeheime mit freien Zimmern veranlasste. So nahm die Ausbreitung des Virus in den Heimen erst richtig an Fahrt auf. Aufgrund solcher Fehler müssen sich der lombardische Präsident Attilio Fontana und der Gesundheitslandesrat Giulio Gallera aktuell vor der Staatsanwaltschaft Bergamos verantworten. Zu den Ermittlungspunkten gehört auch das Versäumnis, frühe Infektionsherde wie die Gemeinden Nembro oder Alzano nicht rechtzeitig isoliert zu haben. Bei der ersten Anhörung am 29. Mai beschränkten sich Fontana und Gallera, darauf hinzuweisen, dass auch die nationale Regierung in Rom eine solche Schließung veranlassen hätte können. Ähnlich im Wortlaut auch der Kommentar Matteo Salvinis, der seinen Parteifreunden umgehend zur Seite sprang: „Fontanas Anhörung ist eine Schande. Dann müsste man auch gegen Giuseppe Conte ermitteln“, sagte Salvini…“
  • Siehe zum Thema zuletzt am 11. Mai 2020: Der Politikwechsel in Italien: In Zeiten der Epidemie ist die Hauptsache Gehorsam
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173547
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