»
Irak »
»
»
Iran »
»
»
USA »
»

Nicht erst nach dem ausgeführten Mordbefehl Trumps hat der Krieg im Irak bereits begonnen

Buch: Kleine Geschichte der Kriegsgegnerschaft. Friedensbewegung und Antimilitarismus in Deutschland von 1800 bis heute„… Die Probleme des Mittleren Ostens können weder durch Nationalismus, Konfessionalismus und den Sexismus des patriarchalen Systems noch durch die kapitalistische Moderne gelöst werden. Die kapitalistische Moderne zerstört durch ihr profitorientiertes, individualistisches und liberales Denken die Gesellschaft und ihre Werte. Nur die gesellschaftliche Demokratie auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Freiheit der Unterschiedlichkeiten bietet einen Lösungsweg. Die historisch gewachsene gesellschaftliche Struktur des Mittleren Ostens akzeptiert keinen anderen Lösungsweg.“ Die KCK warnt in ihrer Erklärung, dass die Interventionen der regionalen Mächte und der Kräfte der kapitalistischen Moderne für eine Verschärfung der Krise sorgen und noch mehr Leid herbeiführen werden. Das Attentat auf Soleimani und al-Muhandis sei Ausdruck einer bevorstehenden noch schwereren Zeit für die Bevölkerung. Die KCK erklärt, dass die Angriffe darauf abzielten, die Menschen in der Region blind für einen Weg in die Demokratie und die Freiheit zu machen und sie gegeneinander aufzubringen versuchen. Dies sei aber auch durch den US-Angriff bisher nicht gelungen. Insofern stellten diese Angriffe einen Angriff auf alle Völker der Region dar. Die KCK sieht keinen anderen Lösungsweg als eine wirkliche Demokratisierung. Es sei falsch, von diesen Kräften eine Lösung zu erwarten; ohne eine Intervention der Bevölkerung im Sinne einer Lösung könne kein Frieden und auch keine Stabilität in die Region einziehen…“ – aus der „Erklärung der KCK zum Tod von Soleimani“ die am 06. Januar 2020 bei der ANF externer Link dokumentiert wurde. Siehe dazu vier weitere aktuelle Beiträge, darunter ein weiterer Widerstands-Aufruf aus den USA und ebenfalls ein weiterer Beitrag zur Frage, wie gegen die US-Regierung protestieren, ohne das iranische Regime zu verteidigen und ein Beitrag zur Entwicklung im Irak und der Situation der dortigen Massenprotest-Bewegung, die weiterhin demonstriert und weiterhin von Milizen beschossen wird – sowie den Hinweis auf unsere vorige Materialsammlung zum Thema:

  • „Kein neuer Krieg in der MENA-Region“ am 07. Januar 2020 bei der Rosa Luxemburg-Stiftung ist ein Kommentar von Ingar Solty externer Link, worin unter anderem unterstrichen wird: „… Wer die Regime-Change-Politik des Westens kritisch sieht, kann sauber gegen sie argumentieren, ohne die attackierten Regimes zu beschönigen: Der «wertorientierte» Regime-Change-Interventionismus ist nicht nur grundsätzlich doppelmoralisch, wenn er den IS und den Iran militärisch konfrontiert, aber das enge Bündnis mit Saudi-Arabien pflegt, das nach außen mit deutschen Waffen einen fürchterlichen Krieg im Jemen führt und wo nach innen die gleichen islamfundamentalistischen Gesetze gelten wie im selbsternannten IS-Kalifat, oder wenn der Westen mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger auf Chinas Politik in Hongkong zeigt, aber gleichzeitig über die Menschenrechtsverbrechen des westlich unterstützten Putsches in Bolivien oder die Menschenrechtsverbrechen der verbündeten Regierungen Chiles und Frankreichs gegen die inneren Sozialproteste schweigt, oder wenn der Westen Russland für die Annexion der Krim angreift (die im Übrigen als Vorgeschichte die westliche Konfrontation hatte), aber zugleich dem NATO-Partner Türkei in ihrem fürchterlichen Angriffskrieg gegen die kurdischen Autonomiegebiete in Nordsyrien und ihre faktische Annexion freie Hand lässt. Die «moralische» Außenpolitik kaschiert letztlich nur knallharte realistische Interessenpolitik. Entscheidend ist aber, dass die westliche Regime-Change-Politik immer auch an ihren eigenen, nur vorgeschobenen ideellen Ansprüchen scheitert. Wie der britische Historiker Eric Hobsbawm in «On Empire» schrieb: «Es gibt in der Geschichte keine Abkürzungen.» Im Irak, in Afghanistan und vor allem in Libyen sind erstens die Verhältnisse nach den Kriegen des Westens heute eher schlimmer – gewaltvoller und ärmer – als vorher, zweitens ist der Hass auf den Westen in der MENA-Region und die damit verbundene Gefahr von terroristischen Anschlägen durch Islamisten infolge dieser Kriege nur größer geworden, drittens ist die Zahl der Menschen auf der Flucht durch diese Kriege auf den höchsten Stand seit 1945 angeschwollen (und mobilisiert so im Westen die extreme Rechte), und viertens muss man sich nur einmal vorstellen, was an Entwicklungspolitik möglich gewesen wäre, was für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung hätte getan werden können, wenn schon die USA alleine für den „war on terror“ 6,4 Billionen (!) US-Dollar ausgegeben haben – von den wenigstens 800.000 unmittelbaren Kriegstoten ganz zu schweigen. Hinzu kommt fünftens: Die Kriegspolitik des Westens stabilisiert die Regimes, die er von seinem hohen Ross herab kritisiert: Putin säße ohne die westliche Konfrontation nicht so fest im Sattel, weil seine innenpolitische Popularität durch die Rentenkürzungen von 2018 arg gelitten hat und nur die Bedrohung von außen ihn politisch stabilisiert, und weil auch das iranische Regime sich durch die US-Bedrohung von außen zu festigen versteht….
  •  „Soleimani-Tötung spaltet den Irak“ von Kersten Knipp am 07. Januar 2020 bei der Deutschen Welle externer Link folgt natürlich in der Wortwahl Regierungsvorgaben, weist aber dennoch auf die wichtige Entwicklung hin, die allerdings aus dem eigenen Bericht nicht so eindeutig hervor gehen, wie behauptet: „… Die gezielte Tötung von Ghassem Soleimani galt der politischen Führung des Iran. Im Irak zeigen sich jetzt seine Auswirkungen. Dort spaltet er die Gesellschaft – so tief, dass es erste Tote zu beklagen gibt. In der Provinz Dhi Kar im Süden des Landes protestierten am Sonntag mehrere Menschen gegen eine symbolische Beerdigung des iranischen Militärführers. Als sie ihrem Unmut Ausdruck verliehen, schossen Bewaffnete in die Gruppe und töteten zwei von ihnen, berichtet ein Augenzeuge, der anonym bleiben wollte, dem Internet-Magazin „Al-Monitor“. Im Gegenzug brannten die Demonstranten ihrerseits das Hauptquartier der Volksmobilisierungseinheiten nieder, die der Regierung des Iran nahestehen. Auch in Basra demonstrierten Bürger gegen eine symbolische Beerdigung. Sie gehörten zu einem Protestcamp, dessen Bewohner in den letzten Wochen gegen den Einfluss aus Teheran auf die irakische Politik auf die Straße gegangen waren. Daraufhin setzten Teilnehmer eines Trauerzugs für Soleimani die Zelte der Gegner in Brand. Die Situation im Irak hat sich massiv verschärft, sagt Tim Petschulat, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Amman. Vor allem hätten sie die seit Oktober 2019 anhaltenden Proteste gegen den Einfluss des Iran nahezu vollständig zum Verstummen gebracht, ebenso wie die Forderung nach einer Reform des politischen Systems im Irak. „Die Straßenproteste im Irak sind seit dem Drohnenanschlag praktisch tot. Sie gehören der Vergangenheit an.“…“
  • „Der Krieg hat längst begonnen“ von Fabian Goldmann am 07. Januar 2020 in neues deutschland online externer Link kommentiert die Entwicklung und ihre Vorgeschichte unter anderem so: „… Für die iranische Bevölkerung hat der Krieg längst begonnen. Nicht mit einem US-amerikanischen Drohnenanschlag am 3. Januar 2020, sondern mit einer Rede des amerikanischen Präsidenten am 8. Mai 2018. Nur Empörung und Proteste erregt dieser Krieg hierzulande kaum. Denn statt spektakulärer Angriffe durch Predator-Drohnen und Cruise-Missiles sind es Dekrete und Verordnungen, die leise Tod und Leid über die iranische Zivilbevölkerung bringen. (…) Wo früher Belagerungswaffen und Kriegsschiffe für Blockaden nötig waren, schafft Washington es heute, ein Land auszuhungern, ohne einen Schuss abzugeben. Infolge der US-Sanktionen sank das iranische Wirtschaftswachstum von plus zwölf Prozent im Jahr 2016 auf minus zehn Prozent im Jahr 2019. Die Ölexporte und damit die wichtigste Einnahmequelle des Landes am Persischen Golf gingen um rund 90 Prozent zurück. Innerhalb nur eines Jahres verlor die iranische Währung mehr als 80 Prozent ihres Wertes. Vom Preisanstieg betroffen sind vor allem Produkte des täglichen Bedarfs. Schon wenige Wochen nach Beginn der Sanktionen berichteten iranische Medien, dass sich der Preis für Babywindeln verdoppelt habe, nachdem Fabriken wegen Rohstoffmangel die Produktion einstellen mussten. Es blieb nicht bei Windeln: Von einer jährlichen Preissteigerungsrate von 52 Prozent für Verbrauchsgüter berichtete die Weltbank im Oktober 2019. Viele Menschen, die vor zwei Jahren noch zur Mittelschicht gehörten, leben heute infolge der US-amerikanischen Sanktionen in Armut...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160316
nach oben