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„Deli Chalo“: Indiens Hauptstadt von Kleinbauern belagert

8. Dezember 2020: „Delli Chalo“: Indiens Hauptstadt von Kleinbauern belagert Während die indische Regierung verzweifelt versucht, per leerer Versprechungen den im ganzen Land sich ausbreitenden Bauernprotest einzudämmen (neben ihrer üblichen Reaktion mit Polizeigewalt und Willkürjustiz), toben ihre diversen Partei-Provinzfürsten gegen die Bauern. War die letzte Kampagne der Regierung Modi gegen demokratische Kräfte noch unter der Losung des Kampfes gegen den Terrorismus versteckt worden (Stichwort „urbane Naxaliten“), so geht das mit dem „urban“ in diesem Fall ja schlecht. Also beschwören die politischen Vertreter der RSS-Banden (die seit ihrem Mord an Ghandi die säkulare indische Verfassung bekämpfen) „Khalistan“, die sozusagen ländliche Terrorismus-Variante eines naxalitischen Separatisten-Staates – und hetzen natürlich gegen alles, was irgendwie oppositionell erscheint. Und lassen zugleich den Gouverneur von Delhi von ihrer Polizei unter Hausarrest stellen, weil er die protestierenden Bauern willkommen hieß. Was die Bauern nicht daran hinderte, eine historische Mobilisierung zu erreichen, der „Deli Chalo“ wurde an diesem 8. Dezember 2020 vollzogen, die Hauptstadt war blockiert. Siehe dazu fünf aktuelle Beiträge über den Aktionstag, seine landesweite Unterstützung und die weiteren Perspektiven der Auseinandersetzung – sowie den Hinweis auf unseren vorherigen Beitrag zur Bauernmobilisierung in Indien:

„Keine Landwirte, kein Essen“ von Natalie Mayroth am 08. Dezember 2020 in der taz online externer Link berichtet von den Aktionen und ihren Hintergründen unter anderem: „… Mit ihnen blockieren weitere TeilnehmerInnen am Dienstag in ganz Indien Straßen und Schienen. Sie fordern die Rücknahme der Agrarreformen. „Keine Landwirte, kein Essen“ ist ihr Leitspruch. Auch Verwandten des Biobauern Anurag Randhawa aus der Nähe der nordindischen Millionenstadt Amritsar sind in Delhi. „All die Probleme, die wir seit Jahren haben, sind jetzt hochgekommen“, sagt Randhawa. Gerade kleinen Bauern fehle es an Maschinen zur Bewirtschaftung, sodass sie die Felder vor der neuen Saat abbrennen müssen. Doch das Misstrauen gegenüber den Neuerungen wächst, seitdem sie im September unter Protest im Parlament durchgewinkt wurden. Die Deregulierung kommt Privatfirmen zugute. An sie Land zu verpachten, soll verschuldeten Kleinbauern kurzzeitig helfen. Ob es allerdings eine Sicherheit für die eigentlichen Besitzer gibt, ist ungewiss. Die Verunsicherung ist groß. Randhawa weiß, wer Richtung Hauptstadt gezogen ist, ist von der Landwirtschaft abhängig und viele sind aufgebracht. Die Regierung habe sie nicht mit einbezogen bei ihren neuen Gesetzen. Premier Narendra Modi von der hin­du­nationalistischen BJP erklärte, man könne das neue Jahrhundert nicht mit Gesetzen aus dem vergangenen gestalten. Fünf Verhandlungen zwischen Zentralregierung und Bauernvertretern scheiterten bereits. Landwirtschaftsminister Narendra Singh Tomar (BJP) verteidigt die Agrarreform als „Game Changer“. Genau davor haben die Bauern Angst: dass künftig Großkonzerne die Spielregeln angeben und Preise drücken, wenn sie direkt mit Abnehmern verhandeln und staatliche Großmärkte mit ihren Garantiepreisen als Zwischenschritt wegfallen. Der landesweiten Streik am Dienstag unterstützen zahlreiche Gewerkschaften. Die Lebensmittelgroßmärkte sowie einige Geschäfte blieben geschlossen. In Punjab wurden unter anderem Mautstationen blockiert. „Wo immer die Bauerngewerkschaft stark ist, versperren sie den Weg zu vom Multikonzern Reliance (zugehörig zu Adani) betriebenen Tankstellen und Supermärkten“, sagt Anurag Randhawa. Neben den benachbarten Agrarstaaten Haryana und Punjab ziehen andere Bundesstaaten nach, vor allem jene, die in Opposition zur Zentralregierung (BJP) stehen wie West-Bengalen, Maharashtra oder Telangana. Delhis Regierungschef Arvind Kejriwal (AAP), der dem Streik Unterstützung zusagte, wurde am Dienstag nach Aussagen seiner Partei von der Polizei unter Hausarrest gestellt. Die Protestierenden hoffen, dass sie mit der Unterstützung durch den Generalstreik am Mittwoch bessere Karten haben, um in neue Verhandlungen zu gehen…“

„Farm law protests: Sixth round of talks cancelled, says farmer leader after meeting with Amit Shah“ am 08. Dezember 2020 bei Scroll.in externer Link ist eine ausführliche Chronologie des Tages der Belagerung Delhis mit zahlreichen einzelnen Meldungen über Ereignisse dabei, die beendet wird mit der Verkündung der Bauern-Koordination die (im obigen Beitrag noch erwähnten) neuen Gespräche mit der Regierung seien gestrichen worden – die Gespräche waren ohnehin umstritten und ein Teil der Organisationen, die den Protest tragen, hatte sie bereits grundsätzlich abgelehnt (siehe dazu den Verweis am Ende auf unseren Beitrag vom 07. Dezember). Die jetzige „finale Absage“ kam zustande, nachdem die Rechtsregierung am Abend nochmals betont hatte, ihre Gesetze zugunsten des Agrarkapitals wurden keinesfalls zurück genommen (wozu es im Verlauf der letzten Tage ebenfalls sehr unterschiedliche Stellungnahmen der Rechten gegeben hatte).

„NAPM Supports The Bharat Bandh On 8th December“ am 07. Dezember 2020 bei Countercurrents externer Link dokumentiert die Stellungnahme der NAPM (National Alliance of People’s Movements) – des wichtigsten Netzwerkes von NGO und Initiativen in Indien – mit dem die Koordination des NAPM den Aktionstag der Kleinbauern und vor allem auch die Blockade Delhis ausdrücklich unterstützt und nochmals unterstreicht, dass auch in Indien die Rechten heute zutage von ihren kapitalistischen Hintermännern gezwungen würden, Neoliberalismus sowohl zu praktizieren, als auch zu predigen, obwohl ihre gesellschaftliche Basis zum Teil ebenfalls darunter zu leiden habe. Diese Gesetze, so das Statement der NAPM unterstelle 86% des kultivierten Landes in Indien unter die direkte Kontrolle des Agrarkapitalismus…

„Working Class from Kolkata, where Bharath Bandh is being observed“ am 08. Dezember 2020 beim Gewerkschaftsbund CITU externer Link (Facebook) berichtet von den Solidaritätsaktionen mit der Belagerung Delhis in Kolkata (einst: Kalkutta) mit zahlreichen Fotos – und steht hier als Beispiel sowohl für die gewerkschaftliche Solidarität mit den Bauernorganisationen – die gemeinsame Plattform der größeren 10 Föderationen Indiens hatten in einer gemeinsamen Erklärung zu diesen Solidaritätsbekundungen aufgerufen, was auch zahlreiche andere Gewerkschaftsverbände, wie etwa der parteiunabhängige NTUI getan hatten – und gleichzeitig auch als Beispiel für die zahlreichen Berichte über Aktionen, die eben nicht in und um Delhi stattfanden, sondern quer durch das ganze Riesenland…

„Thousands Protest in London Against India’s Farm Laws, Several Arrested“ am 07. Dezember 2020 bei The Wire externer Link berichtet, dass Modi neben den faschistoiden RSS-Banden im eigenen Land noch zahlreiche andere Freunde anderswo hat: Etwa Scotland Yard, das bei einem großen Solidaritätsprotest in London, vor allem von der indischen Community organisiert, zahlreiche Menschen festnahm. Rechte Regierungen halten halt zusammen, zumal sich sicher britische Nahrungskonzerne auch das eine oder andere profitable Geschäft versprechen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182903
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