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Die indische Regierung hat Kaschmir in ein Gefängnis verwandelt: Auf dem Weg zum Staat des Hindu-Fundamentalismus ist die Verfassung der Feind

Speak Up! Sozialer Aufbruch und Widerstand in IndienUnter begeisterten Aufmärschen und Bekundungen der RSS-Basis hat die indische Rechtsregierung den Artikel 370 der indischen Verfassung abgeschafft und damit den Sonderstatus von Kaschmir beseitigt. Und während in Kaschmir selbst der Notstand herrscht und Soldaten das Straßenbild bestimmen, bekundet der Regierungschef seinen nationalistischen AnhängerInnen, man habe nun, nach 70 Jahren endlich ein nationales Ziel verwirklicht. Nun endlich könne Kaschmir sich richtig entwickeln, verspricht er, wem auch immer, eine bessere Zukunft – und geht dabei darüber hinweg, dass die Gegenwart Kaschmirs auch nicht schlechter war, als in „seinem“ Bundesstaat Gujarat, dem Modell aller neoliberalen Fanatiker in Indien. Womit er aber auch deutlich macht, dass es um mehr geht, als um einen Schritt, um einen Paragrafen der Verfassung, den man abschaffen wollte. Das Ziel seiner Partei BJP, nach dem enormen Wahlsieg vor einigen Monaten offener und massiver verfolgt als vorher, ist es den Willen der faschistoiden Massenbewegung RSS umzusetzen und die indische Verfassung zu beseitigen, um einen hinduistischen Staat zu haben. Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung „Die Abschaffung des Sonderstatus von Kaschmir und die Ziele der RSS“ vom 16. August 2019:

„Die Abschaffung des Sonderstatus von Kaschmir und die Ziele der RSS“

„Zwangsvereinheitlichung in Indien“ von Peter Sturm am 15. August 2019 bei der Deutschen Welle externer Link ist ein Kommentar, in dem unter anderem unterstrichen wird: „… Am indischen Unabhängigkeitstag sprach Modi davon, dass Indien nun endlich „eine Nation“ mit „einer Verfassung“ werden könne. So etwas klingt in einem derart diversen Land irgendwie bedrohlich. Was genau schwebt Modi wohl vor? In Kaschmir bekommen die Menschen gerade eine Vorstellung davon, was es heißt, in Modis Nation zu wohnen. Sie haben ihre Autonomie mit einem Federstrich verloren. Es ist naheliegend, dass sich vor allem die Muslime nun diskriminiert fühlen, ungeachtet aller Positiv-Botschaften über Wohlstand und eine goldene Zukunft, die ihnen aus Delhi entgegenschallen. Man sollte das Vergangene nicht idealisieren. Auch der jahrzehntelange Autonomiestatus hat Kaschmir keinen Frieden gebracht. Aber er war doch ein wichtiges Signal an die muslimische Bevölkerung. Nun wird alles mit Zwang vereinheitlicht. Es steht zu befürchten, dass viele Menschen den Traum Modis und der Hindu-Nationalisten mit dem Leben bezahlen müssen. Pakistan, der andere Spieler im Kaschmir-Konflikt, empört sich über Modis Handstreich. Aber Ministerpräsident Imran Khan gibt sich verbal gemäßigt. Er weiß, dass sein Land militärisch dem Nachbarn nicht gewachsen ist. Wenn er nun dunkel die Gefahr einer „Reaktion“ in der muslimischen Welt beschwört, sagt er einerseits die Wahrheit. Andererseits ist das aber ein durchsichtiger Versuch, sich, sein Land und dessen Geheimdienste schon vorsorglich von jeder Verantwortung freizusprechen, falls es wieder blutige Terroranschläge geben sollte...“

„Volk unter Arrest“ von Hasnain Kazim am 14. August 2019 beim Spiegel online externer Link hält zu Repression und internationalem Echo unter anderem fest: „… In Kaschmir patrouillieren jetzt Tausende Soldaten auf den Straßen, noch mehr als bisher. Hier und da kommt es zu Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen. Demonstranten werfen Steine, Soldaten schießen mit scharfer Munition in die Menge. (…) Doch der Konflikt scheint die Welt ungerührt zu lassen, weltweit wird kaum darüber berichtet. Zunächst einmal liegt das daran, dass Indien, nach eigener Definition „weltgrößte Demokratie“, die Region von der Außenwelt komplett abschneidet. Informationen sind kaum zu bekommen, Journalisten sind in Kaschmir unerwünscht, sie dürfen dort nicht einreisen. Bisher dort tätige Reporter wurden aufgefordert, Kaschmir zu verlassen…“

„Indian troops fire tear gas as mass protests erupt in Srinagar“ am 09. August 2019 bei Al Jazeera externer Link war nur die erste von sehr vielen Meldungen über Repressionsmaßnahmen nach dem Einmarsch der Armee in Kaschmir – hier gegen Protestdemonstrationen in der Hauptstadt der Region, und auch über zahlreiche Protestaktionen gab es viele weitere Nachrichten.

„Kashmir Caged: Fact Finding Report“ am 14. August 2019 bei Countercurrents externer Link ist der Bericht einer nach Kaschmir gereisten Delegation. Vom 9. bis 13. August 2019  bereisten Kavita Krishnan, Communist Party of India (Marxist-Leninist), Maimoona Mollah, All India Democratic Women’s Association (AIDWA) und Vimal Bhai, National Alliance of People’s Movements (NAPM) Kaschmir und beobachteten – ausführlich. Die zahlreichen Bemerkungen zu alltäglichen Beobachtungen nach der militärischen Besetzung fassen sie in der Überschrift zusammen: „Kaschmir in Ketten“.

„Domestic and migrant workers hit hard by abrogation of Article 370 in Kashmir“ von Arun Kumar am 14. August 2019 bei Peoples Dispatch externer Link ist ein Beitrag über die Lüge Modis von der besseren Zukunft für Menschen in Kaschmir nach seinem Piratenakt: Die Mindestlöhne in Kaschmir waren bisher höher, als die der meisten anderen indischen Bundesstaaten – und höher als die Regierung gerade für Indien verfügt hatte…

„RSS/BJP Rulers Have Shamed Sardar Patel by Guillotining Article 370“ von Samshul Islam am 10. August 2019 bei Countercurrents externer Link ist ein Beitrag über den „Lehrplan“ an den zahlreichen Schulen, die der RSS quer durchs Land betreibt – die behaupten lassen, der gerade abgeschaffte Artikel 370 der Verfassung, der den Sonderstatus von Kaschmir regelte, sei das Werk von Nehru gewesen (der Intimfeind der Rechtsradikalen InderInnen) und der damalige Innenminister Patel sei dagegen gewesen, was der Autor konkret widerlegt – wichtig, weil Patel ebenfalls ein gläubiger Hindu war, allerdings weit davon entfernt, ein Safran-Faschist zu sein.

„«La fin du statut spécial du Cachemire est le dernier acte d’un long processus»“ von Tirthankar Chanda am 11. August 2019 bei RFI externer Link ist ein Beitrag, der nachzeichnet, wie diese Verfassungsänderung keineswegs plötzlich kam, sondern am – vorläufigen – Ende eines Prozesses steht: Die im Gespräch befragte Wissenschaftlerin Charlotte Thomas zeichnet darin die gesamte Politik der Hindunationalisten nach, die insbesondere den Sonderstatus von Kaschmir von Beginn an bekämpft haben, wie sie es auch mit der nichtreligiös definierten Indischen Republik taten – und tun. Das politische Programm eines hinduistischen Staates ist und bleibt ein Kernpunkt ihrer politischen Strategien.

„Militarising Minds, Hindutvaising the Nation“ am 03. August 2019 bei Kafila externer Link – also noch vor der aktuellen Annexion Kaschmirs – ist ein Beitrag über die Eröffnung einer neuen Schule (Bildungszentrum) der RSS – die diesmal ganz offiziell als Militärschule eingeweiht wurde. Was das erste Mal ist, obwohl es bereits mehrere solche Zentren gab, die sich der militärischen Ausbildung widmeten. Insgesamt betreiben die RSS in Indien mehr als 20.000 Schulen und Bildungszentren, in denen der „Kampf für die Hindutva“ – also dem hinduistischen Staatsgebilde, das sich insbesondere gegen Moslems, Christen und Kommunisten wendet – gelehrt wird…

„Not Just 370, Federal Constitution a Target Too!“ am 14. August 2019 bei Newsclick India externer Link ist ein Beitrag, in dem unterstrichen wird, dass es eben nicht nur um einen oder zwei Artikel der indischen Verfassung gehe: Diese definiere Indien als säkularen Staat, was die gesamte Verfassung durchziehe. Und genau das sei es, was die RSS und ihre BJP-Partei abschaffen wollen – und müssen, wenn sie ihr Programm des exklusiven Hindu-Staates realisieren wollen.

„Protest Flyer – Stand with Kashmir“ am 11. August 2019 bei sanhati externer Link dokumentiert, ist ein Protestflyer verschiedener nichtreligiöser oppositioneller Gruppierungen gegen die Abschaffung des Artikels 370 und den Einmarsch der indischen Armee. Darin wird nicht nur der staatliche Terror angeprangert, wie er in den letzten Tagen organisiert wurde, sondern auch die entsprechenden politischen Ziele der RSS angeprangert.

„India: The meaning of Kashmir“ von Ali Ammar Jan am 10. August 2019 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist der Beitrag eines pakistanischen Linken, der Annexion und Einmarsch ebenso kritisiert, wie auf der anderen Seite pakistanische Versuche, Kaschmir „für sich“ zu reklamieren. Er weist dazu vor allem darauf hin, dass sehr viele Menschen in Kaschmir sich zwar für eine Unabhängigkeit sowohl von Indien, als auch von Pakistan eingesetzt hätten, kaum welche aber für irgendeinen Anschluss.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153139
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