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Der historische Kampf der Bäuerinnen und Bauern gegen die kapitalistische Agrarreform der indischen Rechtsregierung

Dossier

Wenn etwa ein Faschist wie Mussolini eine „Carta dell‘ Lavoro“ auf den Weg brachte, die dazu diente, die ArbeiterInnen-Bewegung qua Sozialpolitik und einem voll bürokratisierten Gewerkschaftsapparat ins System zu integrieren, so haben sie diese Option eben heute nicht mehr, denn sie müssen – ja, müssen – einen neoliberalen und antisozialen Kurs steuern. Genau so, wie sie es jetzt in Indien mit den neuen Agrargesetzen pflichtschuldig getan haben und es weiterhin tun wollen. Nur eben, dass sie damit auf die Überlebens-Interessen eines enormen Teils der indischen Gesellschaft frontal aufprallen – eines Sektors zudem, der beständig neue Kampfformen entwickelt und der nicht so extrem, wie etwa immer noch weitgehend die Gewerkschaftsbewegung, an jenen politischen Parteien orientiert ist. Siehezum Kampf gegen die neuen Agrargesetze in Indien aktuelle und eher theoretische Hintergrundbeiträge:

  • »Marsch auf Delhi« 2024 in Indien: Tränengas auf protestierende Bäuerinnen und Bauern und bereits 5 Todesfälle New
    • Traktorparade und Knüppelgarde: Bauern blockieren nach Todesfall Highways vor Indiens Hauptstadt
      Indiens protestierende Bauern harren auf ihrem »Marsch auf Delhi« vorerst bis Donnerstag etwa 200 Kilometer nördlich der Hauptstadtmetropole aus. Mit Traktorparaden blockierten sie am Montag mehrere Highways unweit des Protestcamps an der Grenze der Bundesstaaten Punjab und Haryana sowie im Westen von Uttar Pradesh unweit der Stadtgrenze Delhis. Damit greift nun auch der Samyukta Kisan Morcha (SKM) ein – jener Dachverband, der die vorigen, ein Jahr andauernden Bauernproteste 2020/21 organisiert hatte. Organisator des »Marsches auf Delhi«, der am 13. Februar gestartet war, ist die abgespaltene SKM-non-political.
      Inzwischen sind vier Verhandlungsrunden zwischen den Protestierenden und der Regierung unter Premier Narendra Modi von der hindunationalistischen und neoliberalen Bharatiya Janata Party (BJP) gescheitert. (…) Kritisiert wird die fortgesetzte Polizeigewalt gegen die Protestierenden, die fast ausschließlich von den Sicherheitskräften im ebenfalls von der BJP regierten Unionsstaates Haryana ausgeht, während das oppositionell regierte Punjab den Protestzug ungehindert ziehen ließ. Mehrfach wurden von Haryana aus Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt, etliche Verletzte waren zu beklagen. Nachdem es vorige Woche einen weiteren Todesfall gegeben hatte, mittlerweile soll es der fünfte seit Beginn des Marsches sein, hatten sich die Organisatoren zu einem vorübergehenden Verbleib am derzeitigen Standort an der regionalen Grenze beider Teilstaaten entschlossen. Dass die Polizeigewalt aber weitergeht, illustrierte ein Fall am Sonntag, als ein einzelner Bauer durch Beamte von seinem Traktor gezerrt und so schwer zusammengeschlagen wurde, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste
      ….“ Artikel von Thomas Berger in der jungen Welt vom 27.02.2024 externer Link
    • Indien: Polizei schießt Tränengas auf protestierende Bauern
      Tausende Bauern auf einem Protestmarsch nach Neu-Delhi fordern Festpreise für Ernteerträge. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei starb mindestens ein Mensch.“ Video vom 22.2.24 der Zeit online auf youtube externer Link
    • Die Macht der hundert Millionen Bauern
      „Auch im bevölkerungsreichsten Staat der Welt demonstrieren die Landwirte, sie könnten sogar die Wahlen in zwei Monaten mitentscheiden. Aber kann die Opposition von den neuen Protesten profitieren? (…) Ihren Protestzug Ende der vergangenen Woche hatten die Bauern etwa 200 Kilometer vor Delhi gestoppt, um noch einmal zu verhandeln. Es kam zu ersten Zusammenstößen mit der Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein und bauten Barrikaden auf. Nun geht es weiter. So wie vor zweieinhalb Jahren soll es diesmal auf keinen Fall eskalieren, denn Premierminister Narendra Modi und die regierende Bharatiya-Janata-Partei (BJP) sehen sich bereits auf der Siegerstraße für eine dritte Amtszeit. (…) Die Bauern sind eine Macht in Indien, viel größer als in Deutschland, denn es sind viel mehr. Bis zu 40 Prozent der indischen Bevölkerung sollen in der Landwirtschaft arbeiten. Das sind eine Menge potenzielle Wähler, in dem mit 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Land der Welt. (…)Nach zwei Tagen Bedenkzeit lehnten die Bauernverbände am Montag ab. Die Vorschläge der Regierung wichen zu weit von den Forderungen der Landwirte ab, was auf mangelnde Ernsthaftigkeit bei den Verhandlungen in der Frage hindeute…“ Artikel von David Pfeifer, Bangkok, vom 20. Februar 2024 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • »Marsch auf Delhi« 2024 in Indien: Bauern protestieren erneut für höhere Abnahmepreise, doch anders als 2021, bei gleicher Repression
    „… Schon am Dienstag wurde bei der Niederschlagung der Proteste auch Tränengas eingesetzt. Mindestens 60 Verletzte soll es laut Informationen der Times of India bereits gegeben haben. Die Teilnehmer der Protestaktion kommen in erster Linie aus den beiden Unionsstaaten Haryana und Punjab, die als Indiens Kornkammern gelten. Aber auch aus der bevölkerungsreichsten Region Uttar Pradesh, östlich an Delhi angrenzend, haben sich Traktoren auf den Weg in die Metropole gemacht. Noch hat der Marsch »Delhi Chalo« längst nicht die Dimension der rund ein Jahr währenden Massenproteste, die das Land 2020/2021 erschüttert hatten, erreicht. Aber der Zeitpunkt des Aufruhrs ist gut gewählt. Im Mai oder April sollen Parlamentswahlen stattfinden. Premierminister Narendra Modi von der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) strebt eine dritte Amtszeit an. Bisher gilt ein Erfolg als wahrscheinlich. Zentrale Forderung der Bauern ist eine Erhöhung des garantierten Abnahmepreises (Minimum Support Price) für 23 landwirtschaftliche Erzeugnisse. Auch ein Schuldenerlass steht erneut auf ihrer Agenda. Der Unmut der Landwirte entzündete sich vor allem daran, dass seitens der Politik wenig für die Verbesserung ihrer Lage getan wurde, seit die großen Proteste vor etwas mehr als zwei Jahren beendet wurden. Dabei steht ihre Bedeutung für die Ernährungssicherheit von mittlerweile mehr als 1,4 Milliarden Menschen in Indien außer Frage. Zudem sind die Exporte von Nahrungsmitteln, vor allem Reis, ein Stützpfeiler der indischen Wirtschaft. Weil alle Versuche, die beiden Seiten erneut an den Verhandlungstisch zu bringen, scheiterten, stehen die Zeichen seit Dienstag auf Eskalation. Nach dem letzten großen Aufruhr hatte sich die Modi-Regierung im November 2021 gezwungen gesehen, eine Reform des Agrarsektors zu stoppen. Wochenlang hatten Zehntausende Bauern die Hauptstadt regelrecht belagert. Sie erfuhren breite Solidarität aus anderen Kreisen der Gesellschaft. Gegen diesen Widerstand waren Gesetze, die eine Öffnung der Branche für Kapitalmarktspekulationen bedeutet hätten, nicht durchsetzbar. Die damalige Stärke der Bauern lag in ihrer Einigkeit: Rund 40 große Organisationen hatten sich in Dachverbänden zusammengetan, das Spektrum reichte von wohlhabenden Landwirten aus der oberen Mittelschicht über Kleinbauern bis hin zu Tagelöhnern. In der Zwischenzeit hat sich nun aber der größte Dachverband SKM gleich mehrfach gespalten. Und die Fraktion, welche die neuerlichen Proteste maßgeblich initiiert hat, trägt in Klammern den Zusatz »non political«. Andere Splittergruppen aus der vormaligen Einheitsfront sind bisher explizit nicht mit von der Partie. Während landesweit kleinbäuerliche Strukturen dominieren, sind Großbetriebe aus Haryana und Punjab nun abermals die wichtigste Triebkraft der Proteste. Viele sind hoch verschuldet, die Folgen des Klimawandels schmälern ihre Ernteerträge. Ein heraufgesetzter Mindestabnahmepreis würde da ihre finanziellen Risiken zumindest etwas minimieren. Wichtige Oppositionsparteien, darunter die einst regierende Kongresspartei (INC) sowie die in Delhi und Punjab regierende Aam Aadmi Party (Partei des kleinen Mannes) unterstützen die Forderungen, die auch Handlungsempfehlungen einer Fachkommission entsprechen, welche nach dem Ende der vorigen Proteste von der Regierung eingesetzt worden war.“ Artikel von Thomas Berger in der jungen Welt vom 15. Februar 2024 externer Link („Nächster »Marsch auf Delhi«“), siehe auch:

    • Bauernproteste in Indien: Betonbarrikaden gegen Traktoren
      „Drohnen überfliegen die Versammelten. Sie werfen Tränengas auf demonstrierende indische Land­wirt:innen. Tausende Bäuerinnen und Bauern ziehen seit Dienstag mit Traktoren in Richtung der Hauptstadt Delhi. Gespräche in Nordindien zwischen Bauerngewerk­schaften und der Regierung scheiterten kurz davor, Verbände riefen da­raufhin zum „Marsch nach Delhi“ auf. Kilometerlang stauen sich nun ihre Kolonnen an den Grenzübergängen. Einige versuchen, ihr Ziel per Zug zu erreichen, doch fast alle Protestierenden stoßen auf Hindernisse. Die Regierung hat schwere Straßenbarrikaden aus Beton und Stacheldraht errichtet. Polizei und Paramilitärs sind im Großeinsatz, um die Hauptstadtgrenzen zu sichern. Dabei scheuen sie vor Gewalt nicht zurück, Schlagstöcke und Wasserwerfer kommen zum Einsatz. Das Chaos wirkt sich bis nach Delhi aus, wo es zu massiven Verkehrsstaus kommt. Pendler steckten fest. Zu heftigen Zusammenstößen kommt es zudem 200 Kilometer von Delhi entfernt an der Grenze Shambhu, die die Bundesstaaten Punjab und Haryana miteinander verbindet. Beide zählen wegen ihrer ausgedehnten Landwirtschaft zu den sogenannten „Brotkorbstaaten“ Indiens. Die Hauptforderungen der Bauern sind ein gesetzlich verankerter Mindestpreis für rund 20 landwirtschaftliche Erzeugnisse – zum Beispiel für Linsen und Zuckerrohr. Derzeit gilt der Mindestpreis vor allem für Reis und Weizen, der aber nur 7 Prozent der Landwirte Indiens zugutekommt. Ein neuer Mindestpreis soll Planungssicherheit bieten, außerdem sollen Polizeiverfahren gegen die Teilnehmenden der großen Bauernproteste von 2020 und 2021 eingestellt werden. Damals gelang es nach Monaten, umstrittene Agrargesetze zu verhindern. Allerdings blieben die Probleme in der indischen Landwirtschaft. Sie umfasst fast ein Fünftel der Wirtschaftsleistung, rund zwei Drittel der indischen Bevölkerung lebt davon. Die Landwirt:innen kämpfen gegen klimabedingte Ernteausfälle, Inflation, Preisschwankungen und schlecht ausgebaute Lager. (…) „Wir haben versucht, eine Lösung zu finden“, sagte Gewerkschaftsführer Sarwan Singh Pandher. Da die Regierung aber noch immer kein Angebot im Interesse der Landwirte gemacht habe, werde der Protest weitergehen. Pandher verurteilte am Mittwoch das harte Vorgehen gegen die Bäuerinnen und Bauern. In den vergangenen Wochen tauchten in den sozialen Medien Videos auf, in denen verzweifelte Bauern ihre Ernte vernichten, da sie auf dem Markt zu wenig Geld erhalten. Nachfrage und Preise schwanken in Indien immer wieder und führen regelmäßig zu kleinen Protesten. Die aktuellen Aufmärsche haben nun das Potenzial, eine Sprengkraft zu entfalten, die Premierminister Narendra Modi (BJP) in Bedrängnis bringen könnte…“ Artikel von Natalie Mayroth vom 14. Februar 2024 in der taz online externer Link
  • Protest geht weiter. Indiens Bauern führen Demonstrationen gegen Regierung auch nach Rücknahme der Landwirtschaftsgesetze fort
    In Mumbai hat am Freitag der Bauerndachverband Samyukta Kisan Morcha (SKM) eine Kundgebung abgehalten. Etwa 50.000 Menschen feierten in der indischen Metropole die angekündigte Rücknahme der neoliberalen Landwirtschaftsgesetze durch die hinduationalistische Regierung. Am 19. November hatte Premier Narendra Modi das bekanntgegeben. Die erkämpfte Kehrtwende der Regierung ist für die Bewegung der Bauern und Arbeiter sowie für die linke Opposition von großer Bedeutung, und auch das Parlament stimmte am Montag für die Rücknahme. Jedoch ist Modi ein Taktiker, der die Gesetze durchaus zu einem späteren Zeitpunkt erneut einführen könnte. Die Bauernverbände protestierten auch deshalb noch zwei Wochen lang weiter: Wie die Tageszeitung The Hindu berichtete, sagte Rakesh Tikait, Sprecher der Bauernorganisation Bharatiya Kisan Union (BKU), am vergangenen Donnerstag, dass der Protest erst dann beendet werde, wenn die Gesetze endgültig zurückgezogen würden. Zudem haben die Landwirte noch weitere Forderungen an die Regierung…“ Artikel von Silva Lieberherr und Awanish Kumar, Mumbai, in der jungen Welt vom 30.11.2021 externer Link
  • Indiens Bauern bleiben hartnäckig. Nach einjährigem Protest zieht die Regierung die Agrarreform zurück. Aktionsbündnis will noch mehr 
    Höflich in der Form, knallhart in der Sache war die E-Mail, die das Bündnis aus diversen Bauernverbänden und Gewerkschaften Samyukta Kisan Morcha an Premierminister Narendra Modi am Sonntag schickte. Darin wird der Regierungschef nachdrücklich zu neuen Verhandlungen aufgefordert: »Sie haben uns gebeten, nach Hause zu gehen. Auch wir wollen gern zu unseren Familien heimkehren, wenn die ausstehenden Fragen geklärt sind. Wenn Sie das auch wollen, sollten Sie umgehend die Gespräche mit der Samyukta Kisan Morcha über deren sechs Punkte wieder aufnehmen. Bis dahin wird die Morcha ihre Bewegung fortführen«, heißt es in dem Schreiben. Mittlerweile ein Jahr dauern die Bauernproteste an, die damit die bisher längsten in der Landesgeschichte sind. (…) Ganz wichtig ist den protestierenden Bauern, dass das System des Mindestabnahmepreises von der Regierung auch in Zukunft garantiert wird. Zu ihren erwähnten sechs Forderungen gehört außerdem eine Kompensationszahlung an die Familien jener etwa 700 Menschen, die im Laufe der Widerstandsaktionen ums Leben gekommen sind, sowie die Einstellung aller Gerichtsverfahren, die gegen Protestbeteiligte angestrengt wurden. Außerdem geht es um die Entlassung von Ajay Kumar Mishra, Staatsminister im Innenministerium. Ein Wagen aus dessen Fuhrpark war am 3. Oktober in eine Gruppe protestierender Farmer gefahren, von denen vier sofort ums Leben kamen – insgesamt forderte der Vorfall in Lakhimpur Kehri im Unionsstaat Uttar Pradesh acht Todesopfer. Der Staatsminister gab zu, dass das Auto ihm gehört. Er stritt aber den Vorwurf ab, dass sich in dem Wagen sein Sohn Ashish Mishra befunden habe. Dieser wurde in Untersuchungshaft genommen und verhört. Wegen der Brisanz des Verfahrens hat sich sogar der Oberste Gerichtshof Indiens eingeschaltet, der sich regelmäßig über die Ermittlungsfortschritte in dem Fall informieren lässt. Schon jetzt dürfen die nun seit einem Jahr anhaltenden Proteste als historisch eingestuft werden. Nicht nur deren Zeitdauer und damit die Hartnäckigkeit der zeitweise bis zu 300 000 Beteiligten allein rund um Delhi ist bislang beispiellos, sondern auch der Zusammenhalt innerhalb der breiten Aktionsfront…“ Artikel von Thomas Berger vom 23.11.2021 in ND online externer Link
  • Wie Farmer_innen die indische Regierung besiegten. Ein Jahr der Proteste demonstrieren die Effektivität von Horizontalität und Direkter Aktion
    In dem folgenden Bericht beschreibt Pranav Jeevan P den Konflikt zwischen den Farmer_innen und der rechten Regierung von Premierminister Narendra Modi, den Charakter der von den Farmer_innen initiierten Bewegung und die Mittel, mit denen sie den Sieg errungen haben. (…) Weder die Propaganda der Konzernmedien noch die staatliche Repression oder die Angriffe des regierungsfreundlichen Mobs konnten die Landwirt_innen unterdrücken. Die Proteste wurden zu einer der größten konzern- und regierungsfeindlichen Massenbewegungen der Welt, die den Konzern-Regierung-Nexus als Feind der Freiheit, des Wohlergehens und der Selbstbestimmung der übrigen Bevölkerung Indiens entlarvte. Selbst wenn die parlamentarische Opposition gegen das herrschende Regime schwach ist, die Justiz zu den Ungerechtigkeiten, denen die Menschen ausgesetzt sind, schweigt und die Bürokratie den Unterdrücker_innen dient, um den Weg für weitere Ausbeutung zu ebnen, können Massenbewegungen immer einen Weg finden, diese Systeme der Unterdrückung zu besiegen. Die Landwirt_innen konnten diese massiven Proteste monatelang aufrechterhalten, und zwar aus zwei Gründen: Selbstorganisation und Dezentralisierung. Kein einzelner Anführer hatte das Kommando über die Proteste; auf Versammlungen, an denen alle Bauerngewerkschaften teilnahmen, wurden alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Die Teilnahme von Frauen und landlosen Arbeiter_innen trug dazu bei, ihre Anliegen anzusprechen und eine einheitliche Front zu schaffen, die über die üblichen Bruchlinien der indischen Gesellschaft hinaus ging. Dies wiederum förderte Diskussionen über die in der indischen Gesellschaft vorherrschende Diskriminierung aufgrund der Kaste und Gender und über andere unsoziale Gesetze wie die Aufhebung von Artikel 370 (der die Souveränität von Jammu und Kaschmir aufhob), die Geldentwertung, das Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz (CAA), die neue Bildungspolitik (NEP), die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die ausufernde Privatisierung, die steigenden Preise für Treibstoff und lebenswichtige Güter, sowie über Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise. Der Kampf gegen die Landwirtschaftsgesetze wurde schnell zu einem Kampf gegen all die verschiedenen Formen der Unterdrückung, mit denen die Menschen in Indien heute konfrontiert sind, da die Protestierenden ein Bewusstsein für andere soziale und politische Probleme entwickelten, die das Land plagen. Dies führte dazu, dass die Gewalt der Polizei, die Propaganda der Medien und die Nachlässigkeit der Justiz genauer unter die Lupe genommen wurden und die Demonstrierenden Politiker_innen und Bürokrat_innen für ihr Handeln zur Rechenschaft zogen. (…) Die Methoden, die die Demonstrierenden angewendet haben, waren ebenso beispiellos wie revolutionär. Die Farmer_innen marschierten zunächst nach Delhi, wo sie sie Stadtgrenzen auf den Autobahnen besetzten. Es fanden Rail Roko (Stoppt die Züge) Proteste statt, bei denen die Farmer_innen Züge anhielten und Reisende auf die Bedeutung der Proteste hinwiesen. (…) Nach und nach ermöglichten diese Formen der Selbstorganisation die Einrichtung weiterer Versorgungseinrichtungen: Zelte, solarbetriebene mobile Ladestationen, eine Wäscherei, eine Bibliothek, medizinische Stände und eine zahnärztliche Versorgung. Gleichzeitig achteten die Landwirt_innen darauf, dass sich keine der politischen Oppositionsparteien ihre Proteste zu eigen machte. (…) Die Farmer_innen blockierten die Autobahnen nach Delhi durch den strengen Winter, die Sommermonate und sogar durch die tödlichen Wellen der Pandemie. Sie riefen im ganzen Land zu Streiks auf. Sie gaben nicht auf, selbst als Dutzende von ihnen durch Kälte, Hitze und COVID-19 starben. (…) Dieser Sieg widerlegt den Mythos, dass wir eine zentralisierte Befehlskette mit Anführenden an der Spitze und kopflosen Gefolgsleuten an der Basis brauchen, damit eine groß angelegte Organisierung erfolgreich ist. Alle diese Proteste waren führerlos: Die Teilnehmenden haben selbst einen Konsens über das weitere Vorgehen erzielt. Wenn Menschen selbst Entscheidungen treffen und sich in kleinen Gemeinschaften abstimmen und sich gegenseitig helfen, entstehen die stärksten Formen kollektiver Macht und Solidarität. Die Tatsache, dass diese Proteste dank der kollektiven Organisation und Zusammenarbeit so vieler Menschen über einen so langen Zeitraum erfolgreich waren, zeigt uns, dass wir uns selbst organisieren und Gemeinschaften ohne von außen auferlegte Institutionen schaffen können — dass wir keine autokratische Bürokratie und autoritäre Regierungen brauchen, die Macht konzentrieren und Menschen unterdrücken…“ Bericht von Pranav Jeevan P am 19.11.2021 bei CrimethInc. externer Link
  • Sieg gegen Modi. Indiens Premier rudert zurück: Bauern feiern Erfolg gegen Deregulierung des Agrarsektors 
    „Indiens hindu-nationalistischer Premierminister Narendra Modi hat am Freitag angekündigt, die von ihm angestrebte Deregulierung des Agrarsektors aufzugeben. Der Beschluss seiner Regierung erfolgt nach fast einem Jahr intensiver Proteste von Landwirten im ganzen Land. Die Aufhebung der Gesetze soll in der nächsten Parlamentssitzung, die Ende dieses Monats beginnt, erfolgen. Er appellierte an die immer noch demonstrierenden Bauern, nach Hause zurückzukehren. Der Bauerndachverband Samyukta Kisan Morcha (SKM), der mehr als 40 Organisationen vertritt, begrüßte in einer Presseerklärung die Entscheidung, »alle drei bauernfeindlichen, unternehmensfreundlichen schwarzen Gesetze aufzuheben«. Man werde »warten, bis die Ankündigung rechtskräftig wird«. SKM erinnerte allerdings auch noch einmal daran, dass die Zentralregierung unter Modi für den »vermeidbaren« Tod von fast 700 Landwirten und Aktivisten verantwortlich ist, die im vergangenen Jahr bei den Protesten ums Leben kamen. Zudem gebe es laut SKM seitens der Regierung immer noch keine Antworten auf einige wichtige Forderungen der Bauern, darunter die gesetzliche Garantie des Mindestpreises für alle landwirtschaftlichen Produkte. Auch ein Gesetz, das die Erzeugung und Verteilung von Strom privatisieren soll, sei noch nicht aus der Welt. Rakesh Tikait, ein prominenter Anführer der Landwirtebewegung, erklärte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dass »die ­Agitation nicht sofort eingestellt wird«. (…) Die drei Landwirtschaftsgesetze hätten den indischen Agrarsektor für den Eintritt privater Unternehmen geöffnet. Nach dem neuen System hätten die Landwirte ihre Erzeugnisse außerhalb des staatlich regulierten Marktes, auf dem ihnen ein ­Mindestpreis für ihre Erzeugnisse garantiert wird, direkt an ein privates Agrarunternehmen verkaufen ­können. Die Landwirte machen jedoch geltend, dass dadurch der staatlich regulierte Markt wegfallen würde und sie der Preissetzungsmacht der großen Konzerne ausgeliefert wären. Die Abschaffung des staatlich regulierten Ankaufs würde auch zum Zusammenbruch des öffentlichen Verteilungssystems führen, das die Armen Indiens mit billigen Lebensmitteln versorgt. Fast 800 Millionen Menschen in Indien sind auf dieses System angewiesen, und sein Scheitern könnte zu einer unsicheren Ernährungslage im Land führen…“ Artikel von Satyajeet Malik in der jungen Welt vom 20. November 2021 externer Link

  • Zehntausende Bäuer:innen legen bei Groß-Streik am 27.9. den indischen Verkehr lahm – unterstützt durch Arbeiter:innen und Studierende 
    Seit mehr als 10 Monaten campen zehntausende Bäuer:innen auf den Hauptverkehrsstraßen rund um die indische Hauptstadt Neu-Delhi. Sie protestieren gegen drei Landwirtschaftsgesetze der Regierung von Premierminister Narendra Modi, welches große Agrarkonzerne bevorzugen soll. Nun haben diese an einem landesweiten Streiktag in vielen indischen Bundesstaaten wichtige Autobahnen blockiert und Bahngleise besetzt. Zum Streik („Bharat-Bandh“) am Montag hatten Bäuer:innenverbände aufgerufen. Er begann um 6 Uhr und endete um 16 Uhr. Die Wirkung des Bandh war laut Indian Express am stärksten in Delhi, Punjab, Haryana und im Westen von Uttar Pradesh, dem Zentrum der Farmproteste, sowie in großen Teilen von Kerala, Bihar, Jharkhand, Westbengalen und Odisha zu spüren. Allein in Punjab und Haryana sollen an mehr als 350 Orten Proteste organisiert worden sein. Pendler:innen hatten Schwierigkeiten beim Überqueren der Stadtgrenzen, insbesondere der Grenze zwischen Delhi und Gurgaon. In der Landeshauptstadt blieben die Märkte jedoch geöffnet und die Geschäftstätigkeit weitgehend unbeeinträchtigt, trotz des Verkehrsgewühls durch Straßenblockaden durch Demonstranten und Sicherheitskontrollen durch die Polizei. Andernorts konnten viele Arbeiter:innen wegen der Blockaden nicht zur Arbeit. Pankaj Sharma, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer, sagte: „Ich weiß nicht, warum die Regierung das Problem der Landwirte nicht regelt. Viele konnten wegen des Protests ihre Arbeitsplätze nicht erreichen.“ Die Landwirt:innen wurden auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt: In Delhi protestierte ein Teil der Gewerkschaften und zivilgesellschaftlicher Gruppen bei Jantar Mantar. Organisationen wie der All India Central Council of Trade Unions (AICCTU), das Center of Indian Trade Unions (CITU), die All India Kisan Sabha, die Janwadi Mahila Samiti und der United Trade Union Congress (UTUC) nahmen an dem Protest teil und erhoben ebenfalls ihre Stimmen gegen andere Themen als die der Landwirt:innen…“ Bericht mit Bildern am 28. September 2021 von und bei Perspektive Online externer Link
  • [Indien] Wiedererstarkte Bewegung: Anliegen der Bauern bleiben ungehört. Magere Preiserhöhung befördert Proteste 
    „Seit Anfang September haben die Bauernproteste in Indien wieder an Fahrt aufgenommen. Angesichts des bereits seit über einem Jahr andauernden Widerstands Zehntausender auf den Straßen rund um Neu-Delhi gegen drei neue Agrargesetze gibt sich die Regierung weiter unnachgiebig. Als sich die Proteste Ende August zum ersten Mal jährten, gab es vor Ort eine zweitägige nationale Versammlung mit rund 1.500 Delegierten von Bauern-, Arbeiter-, Studenten- und Frauenorganisationen. Es wird als großer Erfolg der Bewegung angesehen, dass sie diese Gruppen zusammenbringt. Die Verhandlungen mit der Zentralregierung blieben bislang erfolglos. (…) Daher ist es wenig erstaunlich, dass die Proteste vielerorts mittlerweile wieder erstarken. Insbesondere in den Bundesstaaten Punjab, Haryana und Uttar Pradesh, in denen große Bauern- und Gewerkschaftsbewegungen eine lange Tradition haben. In Haryana starb am 29. August ein Demonstrant an den Folgen eines Schlagstockangriffs durch die Polizei. (…) Das heizte die Proteste in Haryana noch einmal an, die Polizei ging unvermindert hart dagegen vor. (…) Auch im Bezirk Muzaffarnagar im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh gab es am vergangenen Sonntag eine Kundgebung mit etwa 500.000 Teilnehmern. Organisiert wurde die Demonstration von der Bharatiya Kisan Union (BKU), einer Gewerkschaft, die sich vorwiegend aus Bauern und Arbeitern der Kaste Jat zusammensetzt. (…) Wichtig sind die Proteste in Uttar Pradesh auch, weil Yogi Adityanath, ultrarechter Ministerpräsident des Bundesstaats und wichtiger Vertreter der BJP, für die neuen Agrargesetze verantwortlich ist. Hinzu kommen die dort Anfang kommenden Jahres anstehenden Wahlen. Die Demonstranten kündigten an, dass sie ihren Protest so lange fortsetzen würden, bis Adityanath bei der Abstimmung gestürzt werde. »Wir müssen die spaltende Politik dieser Regierung überwinden«, forderte der BKU-Anführer Naresh Tikait gegenüber der Zeitung The Hindu am vergangenen Sonntag.“ Artikel von Silva Lieberherr und Bhakti G. in der jungen Welt vom 11. September 2021 externer Link
  • Scheitert Modi an den neuen Agrargesetzen? Indiens Bauern führen eine Kampagne zur Abwahl der Modi-Regierung 
    „Neben der Corona-Pandemie ist der Kampf der Bauern gegen die Gesetze zur Agrarreform die größte Her­ausforderung für die Regierung von Narendra Modi, seit sie 2014 an die Macht kam. Seit einem halben Jahr kommen sie nicht zum Erliegen. Über vierzig Bauernorganisationen haben jetzt eine Kampagne zur Abwahl der Regierung gestartet, die bis zu den nächsten Wahlen zum Unterhaus 2024 dauern soll. Die Agrarreformgesetze, die während des Lockdowns durch das Unter- und das Oberhaus gepeitscht wurden, haben zunächst eine Protestwelle und nun diese Kampagne ausgelöst. ­Modis Bharatiya Janata Party (BJP) besteht darauf, dass diese Gesetze notwendig sind, um ein veraltetes System der landwirtschaftlichen Produktion zu modernisieren. Die Landwirte sehen in ihnen jedoch eine Bedrohung ihrer Existenz. Seit der Marktöffnung Anfang der 1990er Jahre sind die indischen Bauern zunehmend der globalen Konkurrenz ausgesetzt, was eine massive Verschuldungsspirale ausgelöst und mehrere hunderttausend von ihnen in den Selbstmord getrieben hat. Schon vor dem Amtsantritt von Premierminister Narendra Modi 2014 wurden die Bauern in Sonntagsreden umgarnt, gleichzeitig die staatliche Unterstützung für sie aber immer weiter abgebaut. Mit den neuen Agrargesetzen, gegen die sich die aktuellen Proteste richten, soll nun auch noch der garantierte Mindestpreis für viele wichtige Agrarprodukte abgeschafft werden. Die Bauern sollen künftig ihre Lebensmittel «frei» verkaufen dürfen. Die Profiteure dieser Deregulierung werden Supermarktketten und andere Aufkäufer sein, die z.B. in Deutschland die Preise für die Produzenten immer weiter drücken. Die neuen Agrargesetze entsprechen auch den Forderungen der EU, die seit Jahren den Entwurf eines Freihandelsabkommens mit Indien in der Schublade liegen hat. (…) Seit Ende November 2020 kampieren hunderttausende Bauern, hauptsächlich aus Punjab, Haryana und dem westlichen Uttar Pradesh, in den Außenbezirken von Delhi und blockieren die Hauptstraßen in die Hauptstadt. Sie fordern die Aufhebung der neuen Agrargesetze. Zur Zeit ist deren Umsetzung lediglich durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Januar vor­übergehend ausgesetzt. Seit März läuft nun die Kampagne «Besiegt die BJP!». Vorgestellt wurde sie erstmals anlässlich der Wahlen im Bundesstaat Westbengalen im Presseclub von Kolkata. «Wir haben ­beschlossen, die Staaten zu besuchen, in denen Wahlen stattfinden, und den Bauern und dem einfachen Volk zu sagen, dass die Politik der Modi-Regierung dieses Land zerstören wird», sagt Balbir Singh Rajewal von der Bharatiya Kisan Union, der größten Bauernvereinigung Indiens. «Wir sind nicht hier, um irgendeine politische Partei zu unterstützen. Unsere bescheidene Bitte ist: Wählt eine Partei eurer Wahl, aber nicht die BJP, bitte erteilt der BJP eine Lektion.» Rajewal wirft der Modi-Regierung auch die unzulängliche Bekämpfung der Corona-Pandemie vor und macht sie für die vielen Corona-Toten verantwortlich…“ Beitrag von Dominik Müller aus SoZ Nr. 07/2021 externer Link
  • Neues aus aus Indien über die Bauernbewegung, die Covid-Pandemie und die Auswirkungen auf die Arbeiterkämpfe 
    Wir hatten kürzlich ein interessantes Treffen mit GenossInnen aus Indien über die Bauernbewegung, die Covid-Pandemie und die Auswirkungen auf die Arbeiterkämpfe. Die Genossen sprachen kurz über die historische Entwicklung der „Bauernbewegungen“ in Indien als Kontext, in dem die jüngsten Kämpfe einen Sinn ergeben. Während die traditionelle Bauernbewegung des frühen 20. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre Landreformen und Landumverteilung forderte, konzentrierte sich die ‚Neue Bauernbewegung‘ ab den 1970er Jahren auf die Frage von Subventionen und Marktpreisen, Zugang und Schutz. Viele Organisationen der ‚New Farmers Movement‘ waren gegen Mindestlohnerhöhungen für Landarbeiter. Die aktuelle Bewegung, bei der es zwar um eine gesetzliche Marktreform geht, wurde von kleineren Landwirten angeführt und bezog sich oft auf die Arbeiter und deren Situation. Während die zweite Covid-Welle die Massenproteste in Delhi zum Erliegen gebracht hat, gehen die lokalen Aktionen weiter. (…)  Viele Arbeiter spüren den Druck von beiden Seiten: Seit dem Beginn der Krise 2016 sind die industriellen Arbeitsplätze prekärer geworden; und das neue Gesetz macht die Einkommen der Landwirte prekärer (viele Arbeiter sind immer noch mit der ländlichen Welt verbunden). Die Covid-Krise und die zeitweilige Verdrängung aus der Stadt zurück aufs Land haben diesen Engpass für alle sichtbar gemacht. Kein Wunder, dass die Regierung die Gesetzesreform verschoben hat – denn es besteht die große Gefahr, dass die „Bauern“-Bewegung die breitere städtische Arbeiterklasse weiter anstecken würde…“ Aus „Notes from a meeting with comrades in India“ am 15 Jun 2021 bei Angry Workers of the World externer Link, siehe ebd. vom 14.6.2021: The Great Pause – Seven interviews on Covid with workers in India externer Link
  • Indische Landwirte gegen Neoliberalismus 
    Das Ausmaß, die Intensität und die Hartnäckigkeit der andauernden Proteste der indischen Bauernschaft haben lokal und weltweit beträchtliche Aufmerksamkeit erregt, und die Proteste werden weithin als eine der bedeutendsten jüngsten Widerstandsbewegungen gegen die Machenschaften der Konzernmacht und die Interessen des Großkapitals gefeiert. Der Autor beginnt mit dem unmittelbaren Auslöser für die Wut der Bauernschaft, skizziert dann einige Kernelemente des breiteren strukturell-ökonomischen Kontextes der allgegenwärtigen landwirtschaftlichen Not und skizziert schließlich einige zentrale Merkmale der Bewegung und der Auseinandersetzung mit einer Regierung, die dem aggressiven Neoliberalismus anhängt. Abschließend heißt es im Artikel: Es ist kaum verwunderlich, dass die Bewegung in ihren Forderungen unerbittlich ist. Mehr als 400 Bauern haben allein an den Grenzen Delhis seit Beginn des Sit-Ins ihr Leben verloren: für die Regierung ist das nicht mehr als eine kalte Leichenzählung! Der Kampf gegen die Landwirtschaftsgesetze wird wahrscheinlich ein langer und zermürbender sein, und die Bauern scheinen entschlossen zu sein, einen solchen Weg zu gehen… So die Zusammenfassung des umfangreichen Artikels „Indian Farmers Against Neoliberalism“ von Praveen Jha vom 28. Mai 2021 in The Bullet externer Link des kanadischen socialist project
  • Seit 78 Tagen demonstrieren Bauern in Indien gegen die Reformen zur Liberalisierung des Agrarsektors. Hier Bilder einer massiven Demonstration in der Stadt Jagraonam 12. Februar 2021 im Twitter-Kanal von Blxck Mosquito externer Link ist ein Videobericht aus dem Bundesstaat Punjab (einem der Zentren der Widerstandsbewegung, in dessen ungefährer Mitte Jagraon liegt) – ein Videobericht über den ersten dort organisierten Mahapanchayat (eine der neu entwickelten Organisationsformen, siehe den folgenden Beitrag zur Erläuterung).
  • „Explained: What is leading to massive gatherings at mahapanchayats; what is its relevance“ von Sukhbir Suwach am 13. Februar 2021 beim Indian Express externer Link ist ein Beitrag, in dem ausführlich erläutert ist, was die sogenannten Mahapanchayats sind –eine weitere ganz neue Organisationsform, die die Bauernverbände nach der Traktoren-Parade am Tag der Republik (Delhi Chalo) und den landesweiten Straßenblockaden am übernächsten Wochenende danach (Chaka Jam) nun ebenfalls entwickelt haben. Auch die Mahapanchayats finden nun bereits landesweit statt –zunächst wurden sie in Haryana, Uttar Pradesh und Rajasthan organisiert und haben sich von diesen drei Budesstaaten aus landesweit verbreitet. Die sind am ehesten vergleichbar mit Dauer-Teach-Ins und sind sowohl dafür geeignet, zunehmend mehr prominente Unterstützung für den Widerstand gegen die Gesetze und die Repression zu mobilisieren, wie etwa zahlreiche Kricket-Stars und Bollywood-SchauspielerInnen, als sie auch immer neue Schichten von Bäuerinnen und LandarbeiterInnen in vorher nicht da gewesener Zahl mobilisieren, in allen Bundesstaaten, in denen sie bisher organisiert wurden und werden – und deren Zahl wächst weiterhin sozusagen täglich an.
  • „Govt of India ‚treating‘ its own citizens as enemies. But who will win the war?“ von Sandeep Pandey, Harleen Sandhu ud Rahul Singh Rana am 14. Februar 2021 bei Counterview externer Link befasst sich mit dem „Krieg“, den die Regierung gegen die Bauern führe, und stellt die Frage, wer den wohl gewinnen wird. Die „Kriegsführung“ zeige sich aktuell vor allem an der Verfolgung jener Journalisten, die darüber berichtet hatten – und dies weiterhin tun – dass die BJP eben (erfolglos) versucht habe, den faschistischen Mob gegen die Bauern zu mobilisieren, was überall zurück geschlagen worden sei und damit auch die Propaganda gegen die angeblichen Gewalttaten während der Traktoren-Parade in Delhi (vor allem die Erstürmung des roten Forts mit einer Fahne der Sikkhs) zum Scheitern brachten. Es wirke auf die eigenen Anhängerinnen und Anhänger nicht besonders mobilisierend, so die Autoren, wenn die BJP im Zusammenhang mit der „fremden Fahne“ nun versuche, sich als Verteidigerin der Republik zu profilieren, nachdem sie jahrelang gegen diese nicht nur gehetzt habe, sondern auch qua kommunaler Mobilisierung ihre Fundamente angegriffen habe und teilweise bereits demontiert.
  • „India’s Peasantry under Neoliberal Rule“ war die Doppelnummer 66/67 vom Mai 2017 der Zeitschrift Aspects of Indian Economy externer Link und hatte im Prinzip genau das heute so aktuelle Thema. Unter anderem etwa in dem Kapitel „Fairy Tales about Foreign Investment“ (Märchen über ausländische Investitionen), worin genau die heute von der Regierung benutzte Argumentation kritisiert wird, der zufolge die neuen Gesetze eben genau solche Investitionen (endlich) anziehen würden, weswegen sie eben unumgänglich seien. Schon damals richtete sich die inhaltliche Kritik vor allem darauf, dass es vor allem eben „inländische“ Investoren seien, die dadurch Vorteile hätten, mit anderen Worten, dass damals eine Politikrichtung kritisiert wurde, die, wie die heutige Politik es konkret umsetzt, in Wirklichkeit im Dienste des Agrarkapitals stehe.
  • „Radical Socialist Statement on the Farmers‘ Struggle: A Second Wind“ am 08. Februar 2021 bei Radical Socialist externer Link ist ein Beitrag, der sich vor allem mit der organisierten Repression und den zahlreichen erfolglosen Repressionsversuchen der BJP, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch (und vor allem) im Bundesstaat Uttar Pradesh (wo der faschistische Frontmann der BJP Chefminister ist, der Yogi Adityanath), einem der Zentren des Widerstandes. Die Landesregierung hat hier sowohl die Polizei (mit Tränengas und Schlagstöcken) mobilisiert, als auch die Behörden (die das Lager der Bauern von der Strom- und Wasserversorgung abschnitten) und schließlich seinen RSS-Mob (der an einigen Orten mit mehreren Hundert Angreifern die Bauern überfallen wollte, allerdings mit für die Faschisten eindeutig negativem Ergebnis). Insgesamt wird in dem Beitrag vor allem unterstrichen, dass die BJP dazu übergegangen sei, einen regelrechten Krieg gegen die Bauern zu führen, inklusive diverser Zwangsmaßnahmen gegen mediale Berichterstattung, die nicht der Regierungslinie folgt.
  • „Farmers continue to burn flame of Resistance against Neo-Fascism“ von Harsh Thakor am 13. Februar 2021 bei Countercurrents externer Link ist ein Artikel, der vor allem darauf verweist, dass es auch politische Differenzierungen innerhalb der Widerstandsbewegung gibt – und dass etwa die Bharatiya Kisan Union, ursprünglich keineswegs eine besonders radikale Organisation und eher einst BJP-nahe, die eben die genannten Mahapanchayats organisiert, seitdem und seit ihrem harten Statement gegen die Repression in Delhi beträchtlich an Einfluss gewonnen hat und sich zunehmend radikalisiert und die BJP inzwischen als eine neofaschistische Kraft kritisiert und bekämpft.

Zum Kampf der BäuerInnen und LandarbeiterInnen in Indien von vielen Berichten zuletzt: „Ein Wochenende, an dem drei Stunden lang in ganz Indien gar nichts ging: Straßenblockaden der Bäuerinnen und Bauern im ganzen Land“ am 09. Februar 2021  im LabourNet Germany

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=186465
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