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Indiens Regierung zeigt sich „entsetzt“ über die vielen jugendlichen Opfer des Fabrikbrandes in Delhi – und baut Sicherheitsvorschriften weiter ab…

Indien: Fabrikbrand in Delhi im Dezember 2019„… Bei einem Großbrand in einer indischen Fabrik sind nach Behördenangaben mindestens 43 Menschen ums Leben gekommen. Zudem wurden mehr als ein Dutzend Verletzte in Krankenhäuser gebracht, die meisten von ihnen mit Rauchgasvergiftungen, wie ein Feuerwehrsprecher der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagmorgen sagte. Das Feuer war in einem dicht besiedelten Viertel der Millionenmetropole Neu Delhi ausgebrochen. Bei den meisten Opfern handelt es sich den Angaben zufolge um Arbeiter, die auf verschiedenen Stockwerken des Fabrikgebäudes geschlafen hatten und im Morgengrauen von den Flammen überrascht wurden. Die Brandursache war zunächst unklar. (…) Unfälle und Brände in indischen Fabriken gibt es immer wieder, da Sicherheitsstandards häufig missachtet werden. Mangelhafte Brandschutzvorrichtungen, fehlende Notausgänge und veraltete Elektrik sind keine Seltenheit, die Opferzahlen dadurch oft hoch. Erst im September kamen bei mehreren Explosionen in einer Chemiefabrik im Westen des Landes mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben, die Zahl der Verletzten lag um ein Vielfaches höher..“ – aus der dpa-Meldung „Mehr als 40 Tote bei Brandkatastrophe in Neu Delhi“ vom 08. Dezember 2019 externer Link (hier bei der FR online) – die (überflüssigerweise) noch vermeldet, ein gewisser Herr Modi zeige sich „entsetzt“ über die Katastrophe… Siehe dazu vier weitere aktuelle Beiträge über die Brandkatastrophe und ihre Opfer, einen Bericht über gewerkschaftliche Proteste und einen Hintergrundbeitrag über die Arbeitsgesetzgebung der Regierung Modi:

„Delhi fire tragedy: 13, 14…minors among dead as norms go up in smoke“ am 09. Dezember 2019 bei der Times of India externer Link meldet, dass unter den Todesopfern 13 oder 14 Jugendliche seien, und dokumentiert die Aussagen von Angehörigen, die nach 13 und 14 jährigen Jungs suchen – oder suchten. Dabei wird auch ein Aktivist einer Kinderschutzorganisation zitiert, der darauf hinwies, dass sie erst genau zwei Wochen zuvor 45 Jungs in diesem Alter aus einer Fabrik in der Nähe geholt hätten. Arbeit unter 14 ist in Indien verboten, bis 18 gelten – eigentlich – besondere Sicherheitsvorschriften – weswegen der Titel der Meldung ja auch lautet „Wenn sich die Vorschriften in Rauch auflösen…“

„New Delhi factory fire: Relatives speak of sorrow and pain“ von Akash Bisht am 11. Dezember 2019 bei Al Jazeera externer Link ist eine ganze Reportage über Gespräche mit Angehörigen von Opfern – meist aus dem Bundesstaat Bihar, grob 1.000 Kilometer von Delhi entfernt. Weswegen auch mehrere Betroffene davon berichten, dass sie vor dem jeweiligen Krankenhaus geschlafen haben, bis sie die Informationen über den Zustand ihrer – auch wenn erwachsen, in der Regel sehr jungen – Angehörigen bekamen, weil sie kein Geld für eine Übernachtung hatten – und auch keines für die Rückreise. Die Menschen, die dabei zu Wort kommen sind, wenn nicht ebenfalls aus Bihar, alle aus nördlichen Bundesstaaten Indiens – und oft Saisonbeschäftigte in der Landwirtschaft ihres Heimatstaates.

„43 workers killed in Delhi factory fire“ am 11. Dezember 2019 bei IndustriAll externer Link meldet unter anderem, dass die Fabrik illegal gewesen sei, nicht einmal angemeldet. (Obwohl bei den vielen Todesopfern und den noch mehr Verletzten schon allein aus dieser Summe sich ergibt, dass das keine Hinterhof-Klitsche war – insgesamt schliefen über 100 Arbeiter dort, die Fabrik produzierte unterschiedliche Waren von Spielzeug bis zu Papier – und war immerhin vierstöckig). Es wird darin auch berichtet, dass sich der „Werkseingang“ in einer engen Gasse befand, so dass die Feuerwehr Probleme hatte, den Brandort überhaupt zu erreichen. Und es war auch genau ein einziger Eingang – und eben auch Ausgang… Es gibt Entschädigungszahlungen von Landes- und Bundesregierung, und gegen die festgenommenen Besitzer ist ein Verfahren wegen Totschlags eingeleitet worden.

„How many workers must lose their lives before government wakes up, kin of fire victims ask“ von Arun Kumar am 10. Dezember 2019 bei Peoples Dispatch externer Link stellt diesen neuerlichen massenhaften Tod in die Kontinuität vieler solcher Ereignisse, die insbesondere seit Anfang 2018 zugenommen hätten. Und jedes Mal begleitet worden seien, von Versprechungen, die Kontrollen künftig besser zu organisieren und die entsprechenden Behörden besser auszustatten – was noch nie geschehen sei. Die Regierung Delhis habe noch nicht einmal einen ansatzweisen Überblick über die Zahl solcher Fabriken im Bereich ihrer Zuständigkeit.

„Factory fire in Delhi kills at least 43, unions demand resignation of labour minister“ von Akhil Kumar am 14. Dezember 2019 bei The Wire externer Link berichtet von gewerkschaftlichen Protesten nach der Brandkatastrophe. So organisierte der Gewerkschaftsbund All India Central Council of Trade Unions (AICCTU) eine Demonstration zum Sitz des Ministerpräsidenten (Delhi hat den Status eines Bundestaates) und forderte den Rücktritt des Arbeitsministers, 11 Gewerkschaften organisierten einen Protest am Unfallort.

„Labour Law deregulation in India“ im Sommer 2019 beim Internationalen Gewerkschaftsbund ITUC externer Link ist eine Broschüre, die dokumentiert – und kritisiert – die Arbeitsgesetzgebung der Modi-Regierung (die ja angeblich entsetzt über das neue Feuer war), die einen kontinuierlichen Abbau sowohl der Rechte der formal beschäftigten Belegschaften, als auch der Sicherheitsvorschriften, die für alle gelten, darstelle. Das Ziel der Regierung Modi ist es, mehr „ausländische Investoren“ ins Land zu holen – und die klagen oft, Indien sei so sehr „bürokratisch“. Im ausführlichen Text werden eine ganze Reihe solcher Abbau-Maßnahmen dokumentiert.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=159423
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