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Urteil gegen die Mörder von Berta Caceres: Das wird nicht dazu führen, dass die Frage der Verantwortung des Regimes in Honduras nicht mehr gestellt wird

Dossier

Ihr habt die Waffen, ich habe das Wort - Berta Caceres„… Gut dreieinhalb Jahre nach der Ermordung der bekannten honduranischen Umweltschützerin Berta Cáceres sind vier Täter zu jeweils 50 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Drei Mittäter müssen für 30 Jahre in Haft, wie ein Gericht in der Hauptstadt Tegucigalpa entschied. (…) Die Umweltschützerin setzte sich für die Rechte der Lenca-Indianer ein. So führte sie auch die Proteste der Ureinwohner gegen den Bau des Wasserkraftwerks „Agua Zarca“ durch das Unternehmen Desarrollos Energéticos (Desa) an. Für ihr Engagement war die vierfache Mutter mit dem renommierten Goldman-Umweltpreis ausgezeichnet worden. Das UN-Umweltprogramm verlieh ihr posthum den Preis „Champion of the Earth“. Der Mord an Cáceres hatte international Empörung ausgelöst. Unter den Verurteilten sind neben den vier Auftragsmördern auch Desa-Manager Sergio Rodríguez und Desa-Sicherheitschef Douglas Bustillo als Drahtzieher. Dem inhaftierten Unternehmensboss David Castillo soll in einem gesonderten Verfahren der Prozess gemacht werden...“ – aus der Meldung  Lange Haft für Mörder von Berta Cáceres“ am 03. Dezember 2019 bei der Deutschen Welle externer Link – zu der noch ein kurzes Video gehört, in dem die Tochter der Ermordeten unterstreicht, dass dies längst noch nicht alles gewesen sein kann – und darf. Siehe dazu weitere Beiträge zum Hintergrund:

  • Mordfall Berta Cáceres in Honduras: „Ein erster Schritt in Richtung Gerechtigkeit“ New
    „… 22 Jahre und sechs Monate Gefängnis für den ehemaligen Geschäftsführer des honduranischen Energieunternehmens Desarrollos Energéticos SA (Desa), David Castillo, lautet der Urteilsspruch der ersten Strafkammer des Obersten Gerichtshofes in Tegucigalpa am Montag. Castillo, Ingenieur und ehemaliges Mitglied des militärischen Geheimdienstes, wurde vor fast einem Jahr als Mittäter des Mordes im März 2016 an der bekannten Aktivistin für indigene Rechte, Berta Cáceres, verurteilt. Die Festlegung und Verkündung des Strafmaßes war jedoch immer wieder verzögert worden (amerika21 berichtete). Victor Fernández, Anwalt der Nebenklage, würdigte das Urteil als „kleinen Sieg“ und ersten Schritt auf einem langen Weg zur Gerechtigkeit. Das juristisch mögliche Strafmaß habe zwischen 20 und 25 Jahren betragen, das Gericht habe einen Mittelweg gewählt. Castillo, der sich seit knapp viereinhalb Jahren in Haft befindet, muss zwei Drittel seiner Strafe verbüßen, er kann also in gut zehn Jahren freikommen. Der von Berta Cáceres mitgegründete Zivile Rat der indigenen und Volksorganisationen von Honduras (COPINH) zeigte sich unzufrieden mit dem Urteil: Es erfülle die Erwartungen der indigenen Lenca-Gemeinden an ein gerechtes Urteil nicht, heißt es in einer ersten Pressemitteilung. Der Rat beklagt zudem, dass die Staatsanwaltschaft immer noch nicht gegen die Hinterleute des Verbrechens ermittelt und fordert vom Staat weiter umfassende Maßnahmen in Richtung Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantien dafür, dass sich ein derartiges Verbrechen nicht wiederholen könne. Miriam Miranda, Koordinatorin der afroindigenen Garífuna-Organisation Ofraneh und langjährige Weggefährtin von Berta Cáceres, äußerte sich gegenüber amerika21 erbost und entsetzt über das Strafmaß. Bertha Zúniga, Tochter von Berta Cáceres und Nachfolgerin als Vorsitzende des COPINH, betonte bei einer Pressekonferenz am Montag, dass nach über sechs Jahren zähen Ringens mit der Justiz ein Etappenziel erreicht und die Möglichkeit für einen noch weit schweren Kampf eröffnet sei: die strafrechtliche Verfolgung der Auftraggeber des Mordes an Berta Cáceres wegen ihres Widerstandes gegen das Wasserkraftwerk Agua Zarca…“ Beitrag von Andrea Lammers vom 22. Juni 2022 bei amerika21 externer Link
  • „Zu spät und zu wenig“ von Carmela Negrete am 04. Dezember 2019 in der jungen welt externer Link zum Urteil: „… In einer Erklärung von ihnen heißt es, es gebe genügend Beweise, um weitere Involvierte zu verfolgen. Sie verlangten, dass eine unabhängige Kommission eingerichtet wird, um die Täter vor Gericht zu bringen. »Berta, unsere Schwester, wird weiterhin ein Symbol des Kampfes sowie der Hoffnung bleiben, für die Territorien, in denen der Kampf zur Verteidigung des Lebens fortgesetzt wird, und deren Bewohner von dieser Diktatur verfolgt und kriminalisiert werden.« Für sie ist das Urteil »ein erster Riss in der Mauer der totalen Straflosigkeit«, das auf die »Zähigkeit des Kampfes des COPINH, der Familie und der internationalen Solidarität« zurückgeht. Der Rat und die Familie kritisieren seit Jahren, dass sie vom Prozess ausgeschlossen waren und die Anklage von der Staatsanwaltschaft übernommen wurde. Sie vermuten, dass dadurch wichtige Hinweise und Zeugenaussagen vor Gericht verhindert werden sollten. (…) David Castillo Mejías, ehemaliger Geheimdienstoffizier sowie CEO von Desa, gilt ebenfalls als mutmaßlicher Anstifter des Mordes und soll in einem gesonderten Prozess verurteilt werden. Laut einem von der Staatsanwaltschaft veröffentlichten internen Chatverlauf soll Castillo bis zu 500.000 Lempira, umgerechnet etwa 18.000 Euro, an die Mörder bezahlt haben. Gegen den Desa-Chef läuft zudem ein Verfahren wegen Bestechung, Amtsmissbrauch und Dokumentenfälschung in Verbindung mit der Genehmigungen für den Bau von »Agua Zarca«. An dem Projekt waren auch die deutschen Konzerne Voith und Siemens beteiligt. Nachdem der Mord an Cáceres und die Repressionen gegen die indigenen Lenca international für Empörung gesorgt hatten, zogen sich die Unternehmen von dem Projekt zurück…“
  • „Kriminalisierung von Umwelt-Protesten in Honduras“ von Ulrike Bickel am 16. September 2019 bei amerika21.de externer Link verweist unter anderem auf die Kontinuität der Verfolgung: „… Nur zwei Tage nach dem Besuch einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu Unternehmen und Menschenrechten in Honduras sind im Departamento Colón die beiden Umweltaktivisten Roberto Antonio Argueta Tejada und José Mario Rivera ermordet worden. Die Mission hatte die Empfehlung ausgesprochen, Verteidiger von Umwelt- und Landrechten besonders zu schützen. Diese seien aufgrund ihrer Opposition gegen ökonomische Projekte zur Ausbeutung ihrer Territorien massiv bedroht. Die beiden Ermordeten waren aktiv im Widerstand gegen das Tagebauprojekt Guapinol der Bergbaufirma Inversiones los Pinares, das von Anfang an starke Konflikte in der Region ausgelöst hatte, weil es ökologische Schäden anrichtet sowie nach Aussage der Anwohner die Flüsse Guapinol und San Pedro verschmutzt und ihre Trindwasserversorgung gefährdet. Bereits 32 Personen wurden aufgrund ihres Widerstands bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, darunter der jetzt ermordete Argueta Tejada…“
  • „Honduras: Was ist eigentlich eine Banenrepublik?“ von Amelie Lanier am 25. Oktober 2019 im Untergrundblättle externer Link zum Charakter des Staates Honduras unter anderem: „… Der Bananenanbau- und Export entwickelte sich zunächst klein-klein – viele kleine und mittlere Landbesitzer kultivierten die Bananen und brachten sie irgendwie mit Last- und Zugtieren und über Flüsse an die Häfen der Atlantikküste, wo sie auf Schiffe geladen wurden, die Richtung USA, genau: nach New Orleans fuhren. Die Zentralisierung kam zunächst über den Handel. Ausgehend vom Eisenbahnbau und der Not, die Eisenbahn auszulasten, entstand 1899 die United Fruit Company und der Vorläufer der Standard Fruit Company, beide in New Orleans. Um den Transport voranzubringen und so die Lieferwege schneller und sicherer zu machen, setzten sie auf die Eisenbahn. Die beiden Handelsgesellschaften finanzierten den Eisenbahnbau entlang der Karibikküste. Da Honduras nichts zahlen konnte, erhielten die Obstexport-Firmen grosse Territorien zum Gebrauch unentgeltlich überlassen, auch wenn es dort bereits Bananenpflanzer gab. Die konnten gehen. Ebenso erhielten die US-Firmen Steuer- und Abgabenfreiheit. Für entsprechende Zahlungen verzichteten also verschiedene honduranische Präsidenten ab 1900 praktisch auf Teile ihres Territoriums. Dafür stellten gewisse Zahlungen der Obstfirmen eine Konstante für die Alimentierung diverser Regierungen dar, die Kooperation florierte. Damals entstand, zumächst nur für Honduras, der Begriff der Bananenrepublik: Damit werden Staaten bezeichnet, deren Regierungen Land und Leute an Privatunternehmen verkaufen und daraus ihre Einkünfte beziehen. Die Souveränität dieser Staaten gleicht also der eines Art Hausmeisters, oder Forstverwalters, der die ausländischen Unternehmen in sein Haus oder auf sein Jagdgebiet lässt und dafür entlohnt wird. Auch der Gewaltapparat solcher Staaten ist auf die Sicherung dieses Geschäftsmodells abgestellt. Den Bananenarbeitern gelang es im Verlaufe eines 1954 durchgeführten Streiks nur deshalb, den Obstfirmen einige Zugeständnisse abzuringen, weil das honduranische Militär damals damit beschäftigt war, beim Sturz des Präsidenten des Nachbarlandes mitzuhelfen…“

Siehe zuvor im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=158590
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