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Generalstreik und Proteste gegen Entführungen und Gewalt in Haiti

Dossier

Haiti in Revolt„In Haiti sind tausende Menschen dem Aufruf zu einem Generalstreik gegen die wachsende Kriminalität und Gewalt im Land gefolgt. In der Hauptstadt Port-auch-Prince blieben Schulen und Geschäfte geschlossen, auch der öffentliche Nahverkehr war betroffen. In einigen Vierteln wurden Barrikaden errichtet und Reifen in Brand gesteckt. Anlass für den Protestaufruf war die jüngste Entführung von 16 US-Bürgern und einer Person aus Kanada. Diese waren am Samstag in der Hauptstadt-Region von einer polizeibekannten bewaffneten Gruppe verschleppt worden. Haiti befindet sich in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Im Juli war in dem von großer Armut geprägten Karibikstaat Präsident Moïse ermordet worden. Die Hintergründe sind bis heute ungeklärt.“ Meldung vom 19. Oktober 2021 beim Deutschlandfunk externer Link, siehe dazu:

  • Haitis Protest ist eine Absage an die herrschende Klasse. Das letzte, was Haiti in dieser Krise braucht, ist ein weiterer Eingriff von außen New
    „Seit Juli 2018 kommt es in Haiti immer wieder zu Protesten auf den Straßen. Auch die Pandemie hat die Demonstrationen nicht gestoppt. (…) Der Zorn gilt unter anderem Banken und NGOs, darunter auch katholische Hilfsorganisationen. Die Demonstrierenden sprühten »Nieder mit [den] USA« auf deren Gebäude, plünderten und brannten diese teilweise nieder. Das kreolische Wort »dechoukaj« – Entwurzelung – das erstmals 1986 in den Demokratiebewegungen Verwendung fand, ist zum Schlagwort der Proteste geworden. (…) Um die aktuelle Protestwelle zu verstehen, muss man sich vier Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit Haitis bewusst sein. Erstens führte die Destabilisierung des Landes nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 und zuvor dem zweiten Putsch gegen Aristide (2004) zur faktischen Zerschlagung des haitianischen Staates. Die Core Group nutzte diese schwerwiegenden Probleme in Haiti, um eine Vielzahl westlicher NGOs auf die Insel zu bringen, die den haitianischen Staat zu ersetzen schienen. (…) Zweitens haben die rechtswidrigen US-Sanktionen gegen Venezuela das PetroCaribe-Programm zum Erliegen gebracht, das Haiti zwischen 2008 und 2016 vergünstigte Öllieferungen und somit Überschüsse in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar beschert hatte. Diese Gelder waren eigentlich für den haitianischen Staat bestimmt, verschwanden aber auf den Bankkonten der Eliten. Drittens versuchte das haitianische Parlament 2009, den Mindestlohn auf der Insel auf 5 US-Dollar pro Tag zu erhöhen. Doch die US-Regierung intervenierte zugunsten der großen Textil- und Bekleidungsunternehmen. (…) Viertens: Der amtierende Premierminister Ariel Henry betont gerne, er sei ein Neurochirurg und kein karrieristischer Berufspolitiker. Allerdings gehörte Henry im Sommer 2000 der Gruppe an, die letztlich die Convergence Démocratique (CD) bildete und den Aufruf zum Sturz der demokratisch gewählten Regierung von Aristide lancierte. (…) Für die Menschen in Haiti könnten sich die Chancen und Möglichkeiten erhöhen, wenn sich nun die Gewerkschaften einbringen. Es bleibt abzuwarten, ob die Gewerkschaften und ähnliche Organisationen – beispielsweise Studierendengruppen, die inzwischen wieder als wichtige Akteure im Land auftreten – es schaffen, die Wut auf den Straßen in eine dynamische Bewegung für den Wandel kanalisieren können.“ Artikel von Vijay Prashad in der Übersetzung von Tim Steins vom 9. November 2022 in Jacobin.de externer Link
  • Streik aus Protest gegen Gewaltwelle: Kliniken in der Hauptstadt von Haiti bleiben zum 2. Mal im Mai geschlossen  Mehrere Krankenhäuser der Hauptstadt Haitis, Port-au-Prince, haben von Donnerstag bis Samstag ihre Dienstleistungen beschränkt oder sind vollständig geschlossen geblieben externer Link. Dies geschah auf Initiative der Pädiatrischen Gesellschaft Haitis. Der Streik war eine Protestaktion gegen die Unsicherheit und Gewalt im Land, die mit der Entführung eines Kinderarztes Anfang des Monats einen weiteren Höhepunkt erlebte. Es ist externer Link bereits die zweite Schließung in diesem Monat. An dem Streik beteiligten sich Fachgesellschaften, Gemeindepfleger, öffentliche und private Krankenhäuser sowie Kliniken. Ziel sei es, von den staatlichen Behörden das Recht auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit einzufordern. Man wolle lediglich „Menschen in Ruhe und Frieden [medizinisch] behandeln“. Staatliche Stellen bekräftigten wiederum, der Gewalt Einhalt gebieten zu wollen. Am Donnerstag schossen externer Link Sicherheitskräfte in Port-au-Prince auf Demonstrierende. Dabei sei scharfe Munition verwendet worden. Die Protestierenden hatten zuvor eine Straße mit brennenden Reifen blockiert. Die Demonstration richtete sich ebenfalls gegen die anhaltende Gewalt im Land. Die Anzahl der Entführungen durch kriminelle Banden nimmt seit der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 (amerika21 berichtete externer Link) stetig zu…“ Beitrag von Christian Betov vom 22.05.2022 bei amerika21 externer Link („Kliniken in der Hauptstadt von Haiti bleiben geschlossen“)
  • Haiti: Streik im Gesundheitswesen nach Entführung von zwei Ärzten 
    Am Montag begannen die Beschäftigten im Gesundheitswesen in Haiti mit einem dreitägigen Streik gegen die unhaltbaren Lebens- und Arbeitsbedingungen. Aktueller Anlass ist die Entführung von zwei Ärzten durch kriminelle Banden. Es streiken Ärzte und Pflegekräfte im staatlichen als auch im privaten Gesundheitssektor, nur Notfall-Ambulanzen blieben geöffnet. Die Regierung von Präsident Henry stellt nicht die notwendigen Mittel für das Gesundheitswesen zur Verfügung, gleichzeitig explodieren Gewaltkriminalität und Entführungen. Viele Haitianer fliehen Richtung USA, allerdings schickt die US-Küstenwache sie zurück auf die Insel.“ Meldung vom 16.03.2022 in den Rote-Fahne-News externer Link
  • Tauziehen um die Macht
    „Der umstrittene haitianische Interims-Premierminister Ariel Henry hat sich am 11. Oktober mit Menschenrechtsorganisationen in Verbindung gesetzt, um drei mögliche Kandidat*innen für die Wahlkommission Haitis CEP (Conseil Electoral Provisoire) zu benennen, nachdem die vorherigen Mitglieder entlassen worden waren. Die Neubildung des CEP ist der erste Schritt für die geplanten Wahlen, deren Datum indes noch nicht feststeht. Zuvor möchte der aktuelle Staatschef jedoch über eine neue Verfassung abstimmen lassen und eine Verfassunggebende Versammlung einberufen. (…) Dennoch nimmt der zivilgesellschaftliche Druck zu, zunächst eine Übergangsregierung zu fordern und ein Kontrollorgan einführen. Erst wenn die staatlichen Strukturen gestärkt seien, seien Wahlen möglich. (…) Nach einer Stärkung staatlicher Strukturen sieht es ohnehin nicht aus. Ebenfalls am 11. Oktober wurden mehrere Straßen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince blockiert, während bewaffnete Gruppen erneut den Stadtteil Martissant im Süden der Hauptstadt belagerten. Im Stadtteil Montagne Noire wurden Barrikaden aus Reifen und anderen Gegenständen errichtet, nachdem laut Medienberichten mindestens fünf Anwohner*innen entführt worden seien. Auch am Viadukt von Delmas blockierten Anwohner*innen eine der wichtigsten Zufahrtsstraßen der Stadt. In Martissant wiederum stoppten Bewaffnete den Verkehr und durchsuchten die Fahrzeuge. Am Vortag hatte „Izo“, Anführer der Bande Village de Dieu angekündigt, die Durchfahrt durch dieses Gebiet zu stoppen, in der auch der Justizpalast liegt. Außerdem verbindet die Straße die Hauptstadt mit den südlichen Departments Sud-Est, Sur, Nippes und Grand Anse, die letzten drei wurden von dem vergangenen Erdbeben mit über 2.200 Toten besonders schwer getroffen. Auf der Nationalstraße 1 bei Gonaïves haben wiederum Lastwagenfahrer den Verkehr blockiert. (…) In jüngster Zeit wurde in Haiti ein signifikanter Anstieg an Entführungen und Morden registriert, die mutmaßlich auf Kosten von kriminellen Banden gehen. Diese Gewaltspirale hat dafür gesorgt, dass über 19.000 Menschen ihre Häuser verlassen mussten. Die Banden in der Hauptstadt haben die von ihnen kontrollierten Gebiete ausgeweitet. Die Polizei hat sich ihnen nicht entgegenstellt, trotz Beteuerungen der Regierung, den Frieden im Land wieder herstellen zu wollen. Mitte September hatte Premierminister Ariel Henry versprochen, die Banden in den Armenvierteln Martissant, Cité Soleil, Bas Delmas oder Bel Air bekämpfen zu wollen. Bisher allerdings ohne jeglichen Erfolg.“ Bericht vom 11. Oktober 2021 beim Nachrichtenpool Lateinamerika (NPLA) externer Link
  • Siehe auch vom März 2021: Soziale Ursachen der politischen Proteste in Haiti
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=194444
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