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Auch in der ersten Oktoberwoche 2019 – und nach dem Generalstreik in der letzten Septemberwoche: Erneuter Aufruf zum Generalstreik auf Haiti

Haiti: 10 Jahre MINUSTAH – es ist genug!„… Haitis Hauptstadt bewegt sich heute in einer gespannten Erwartung. Alle haben am Vormittag eingekauft und sind am Nachmittag zu Hause geblieben. Es gab nur wenige Barrikaden. Als müsste man für den morgigen landesweiten Generalstreik die Kräfte sammeln. Nachdem der Präsident Jovenel Moïse vorgestern Nacht um halb Zwei eine Rede gehalten hat, die die Kolleg*innen der Migrationsplattform für Repatriierte und Geflüchtete als „eine Kriegserklärung gegen uns“ interpretierten, kamen heute vorsichtige Zeichen der Deeskalation. Zwei Regierungsvertreter, die als Mitorganisatoren des Massakers im Elendsviertel von La Saline im November letzten Jahres gelten, sind zurückgetreten. Wie es heißt aus „persönlichen Gründen“. In der Sache des schießwütigen Senators, dessen Bild um die Welt ging, erklären juristische Kreise in Haiti gar: Wenn jemand eine so offenkundige Gesetzesverletzung begangen habe, könne ihn laut haitianischem Gesetz jeder festsetzen. Tatsächlich wäre die Aufhebung der Immunität des Senators und die juristische Aufarbeitung der Ereignisse in La Saline ein erster Schritt wider die Straflosigkeit, die hier vor allen Dingen für die Privilegierten gilt, während die Armen oft jahrelang ohne Urteil im Gefängnis sitzen und auf einen Gerichtsprozess warten. Aber das alles, so die Historikerin Suzy Castor, sei längst nicht mehr genug. Es müsse einen politischen Ausweg aus der totalen Blockade geben, die nicht mehr zu ertragen sei. Sie wertet es als positives Zeichen, dass dies immer mehr Kreise in Haiti verstehen…“ – aus dem Beitrag „Vor dem Generalstreik in Haiti“ von Katja Maurer am 27. September 2019 bei medico international externer Link – der vierte und (bisher) letzte einer kleinen Reihe von Beiträgen über die aktuellen Entwicklungen auf Haiti (mit Links zu den ersten drei Beiträgen auf der Seite). Zur aktuellen Entwicklung auf Haiti siehe auch einen Beitrag zum erneuten Aufruf zu einem Generalstreik auch in der ersten Oktoberwoche, einen Bericht über politische Reaktionen auf den Generalstreik letzter Woche, einen Hintergrundbeitrag zu einem der zahlreichen Brennpunkte sozialer Probleme – dem Gesundheitswesen – sowie den Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge zu den langandauernden Massenprotesten auf Haiti:

  • „Wut, Angst und Verzweiflung: Massive Krise in Haiti“ am 04. Juli 2019 bei Ärzte ohne Grenzen externer Link zur Situation insbesondere des haitianischen Gesundheitswesens unter anderem: „… Am 23. Juni hat eine Gruppe von 20 bewaffneten Männern an einer Straßensperre einen unserer Krankenwagen angehalten. Unser Team war mit einer Schwangeren auf dem Weg ins Krankenhaus. Sie wurden mit vorgehaltener Waffe bedroht und gezwungen, umzukehren. Am selben Tag wurde ein Patient beim Verlassen unserer Notfallambulanz in Martissant erschossen. Es passierte direkt vor dem Haupteingang, wo ein Schild mit der Aufschrift „Keine Waffen” hängt. Die zunehmende Gewalt in Haiti beeinflusst sowohl die Arbeit unserer Teams als auch das gesamte Gesundheitssystem. Den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen fehlt es an Geld, Ausrüstung und Personal, insbesondere an Ärztinnen und Ärzten. Ohne Hilfe können sie den aktuellen Zustrom an Patientinnen und Patienten nicht bewältigen. Zudem kann sich das medizinische Personal aufgrund der Sicherheitsprobleme nicht frei bewegen, was den Transport von Blutkonserven, Medikamenten und Ausrüstung erschwert. „Durch die Krise hat sich die unzureichende medizinische Versorgung weiter verschlechtert. Vermutlich ist auch die Zahl der Todesfälle angestiegen“, sagt Lindis Hurum. „Es fehlen inzwischen auch essentielle Dinge wie Sauerstoff und Strom. Zudem kommen immer mehr Menschen zu uns, die kein Geld für die Behandlung in privaten Krankenhäusern haben. Alle Anzeichen einer Krise liegen vor.“ Unser Standort in Martissant ist eine von wenigen Notaufnahmen, die rund um die Uhr geöffnet sind. Wir haben 26 Betten und stabilisieren dort Menschen, die sich in Lebensgefahr befinden, bevor wir sie in Einrichtungen bringen, die größere chirurgische Kapazitäten haben. „Wir arbeiten Tag und Nacht, um Leben zu retten. Unser Personal steht unter enormem Stress,” sagt Samira Loulidi, Koordinatorin des Zentrums. „Das hier ist kein Krankenhaus. Wir sind auf ein funktionierendes Weiterleitungssystem angewiesen, um Schwerverletzten eine weitergehende medizinische Versorgung zu ermöglichen.“ „Inzwischen müssen wir unser Glück immer mehrmals versuchen und zwei, drei Krankenhäuser anfragen, bevor wir eine Lösung für die Patientin oder den Patienten finden. Nicht selten dauert es noch länger. Manchmal klappt es gar nicht. Es fehlt auch immer irgendetwas: Personal, Blutkonserven oder Medikamente. Wie soll man unter diesen Umständen eine ausreichende Gesundheitsversorgung garantieren? Es ist einfach unerträglich!“ In dieser schwierigen Lage tun wir alles, was wir können, um die medizinischen Bedürfnisse der Menschen zu decken. Wir unterstützen sie dabei, die sozialen Spannungen, die Gewalt und den Mangel an medizinischer Versorgung in ihrem Land zu überstehen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155219
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