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Indigene Massenblockaden in Guatemala fordern den Rücktritt der Regierung: „So lange bewegt sich hier gar nichts mehr“

Einer der wesentlichen Gründe für die Explosion der Massenproteste in Guatemala im November 2020: Die vorherige Explosion der Armut...„… Die Demonstrationen in Guatemala gegen die Regierung von Präsident Alejandro Giammattei und den Kongress reißen nicht ab. Wie bereits am vergangenen Wochenende gingen auch jetzt wieder Tausende in mehreren Städten des mittelamerikanischen Landes „gegen die Korrupten“ auf die Straße. Die Wut der Protestierenden hatte sich zunächst vor allem gegen die Verabschiedung des Haushaltsplanes 2021 gerichtet, der eine enorme Neuverschuldung und Kürzungen im Bereich Gesundheit und Bildung sowie die Erhöhung der Mittel für Privatunternehmen und für die Abgeordneten vorsah. Obwohl der Kongress das Budget inzwischen suspendiert hat, „um die Regierbarkeit des Landes und den sozialen Frieden zu gewährleisten“, gehen die Proteste weiter. Die Abgeordneten haben laut Gesetz bis zum heutigen Montag Zeit, einen neuen Haushalt zu beschließen. Tun sie das nicht, bliebe der von diesem Jahr in Kraft. Gegenüber dem britischen Sender BBC sprachen viele Demonstrierende von „allgemeinem Überdruss“ angesichts der Situation im Land und „der Regierungsführung der politischen Klasse mit Giammattei an der Spitze“. Die Zustimmungswerte des Präsidenten sind seit seinem Amtsantritt zu Beginn dieses Jahres deutlich zurückgegangen. Seine Regierung steht schon länger in der Kritik. Ihr wird neben Korruption vorgeworfen, nicht genügend Mittel für die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit bereitzustellen. Auch der Umgang mit der Covid-19-Pandemie wird kritisiert. Selbst Vizepräsident Guillermo Castillo hatte am 20. November Giammattei öffentlich aufgefordert, „zum Wohle Guatemalas zurückzutreten“…“ – aus dem Beitrag „Proteste in Guatemala gegen die Regierung halten an“ von Michael Kohli am 30. November 2020 bei amerika21.de externer Link über die Anti-Regierungsstimmung vor allem in den Städten Guatemalas. Siehe im aktuellen Überblick dazu zwei weitere aktuelle Beiträge zu einer Rechtsregierung in der Krise durch die Massenproteste – und zwei Beiträge über die indigene Mobilisierung zu Straßenblockaden in den Provinzen, einen Hintergrundbeitrag, sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zur Rebellion in Guatemala:

„»Der Haushalt ist nicht das einzige Problem«“ am 01. Dezember 2020 in der jungen welt externer Link ist ein Interview von Thorben Austen mit Carlos Barrios von den »Vereinigte Revolutionäre Guatemala« (URNG), worin dieser zur aktuellen Lage unter anderem ausführt: „… Nach den Protesten vom 21. November hatte der Kongress in der Nacht zum Montag die Rücknahme des umstrittenen Haushaltes beschlossen und versprochen, ihn noch mal zu überarbeiten und dann dem Kongress zur erneuten Abstimmung vorzulegen. Für viele Personen war damit das primäre Ziel der Proteste erreicht. Andere Organisationen haben eine klarere Perspektive darauf, dass der Haushalt nicht das einzige Problem ist. Ihnen geht es um eine neue Verfassung und einen plurinationalen Staat. Das erschreckt die Regierung und die Oligarchie, daher die Aktionen mit eingeschleusten Provokateuren, um ihre Gesetze durchzusetzen. Zudem hat vermutlich die Polizeigewalt Menschen davon abgehalten, an diesem Sonnabend erneut zu demonstrieren. [2015 stürzte die Regierung von Otto Pérez Molina nach großen Massenprotesten. Die folgenden Wahlen gewann mit James »Jimmy« Morales erneut ein Vertreter der Rechten. Glauben Sie, dass die Bewegung dieses Mal das Potential für grundlegendere Veränderungen im Land hat?] Die Bewegung hat Klarheit, aber es fehlt ihr an Kraft. Das System wird vom »Pakt der Korrupten«, von der Oligarchie kontrolliert. Veränderungen von innen sind notwendig, durch linke Abgeordnete, progressive Richter etc., die mit den sozialen Bewegungen außerhalb der Institutionen kooperieren. Da braucht es die Einheit der sozialen Bewegungen. Das fällt uns in Guatemala derzeit noch schwer“.

„Oficialismo no consigue los votos para ratificar de urgencia la prórroga del estado de Calamidad“ von Irving Escobar am 02. Dezember 2020 bei Prensa Libre externer Link ist eine Meldung, die die Krise der regierenden Rechtskoalition deutlich macht: Nicht genügend Stimmen im Parlament, um den Ausnahmezustand wegen der Epidemie zu verlängern…

Pueblo Maya K’iche de Totonicapán junto a la alcaldía indígena de 48 Cantones, saldrá a las carreteras para exigir la renuncia del presidenteam 02. Dezember 2020 im Twitter-Kanal von Prensa Comunitaria externer Link meldet aus der südlichen Provinz Totonicapan den Beschluss der indigenen Organisationen, mit Straßenblockaden den Rücktritt der Regierung zu fordern – was die Ausweitung der Proteste auf die Provinzen deutlich macht und für die indigenen Organisationen immer auch verbunden ist mit den Armee-Massakern an ihnen in der Vergangenheit der Militärdiktatur

„Guatemala. Pueblos indígenas exigen la renuncia del presidente y los parlamentarios“ von Andrés Cornejo am 30. November 2020 bei kaosenlared externer Link berichtet einerseits von der Blockade der Interamericana in Solala und unterstreicht dabei, dass die indigenen Organisationen diese Aktionen gegen die Regierung, das Parlament und die Verfassung durchführen – und für eine neue, plurinationale Verfassung.

„Aufstand der Bohnenfresser“ von Knut Henkel am 03.Dezember 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 49/2020) zur sozialen Situation, die die aktuelle Explosion hervor gebracht hat unter anderem: „… Seit dem 21. November vergeht kein Tag ohne Proteste, Straßenblockaden im Landesinneren und Demonstrationen in vielen der größeren Städte. Trotz der Covid-19-Pandemie gehen die Menschen auf die Straßen, um gegen die Regierung unter dem konservativen Präsidenten Alejandro Giammattei zu protestieren. Anlass war, dass am 18. November das Parlament in kürzester Zeit einen sehr einseitigen Haushaltsentwurf mit Rekordvolumen verabschiedet hatte, drei Tage später wurde das Parlamentsgebäude angezündet. »Natürlich ist der Protest gegen den Haushalt der Auslöser. Doch es geht um viel mehr«, meint Samayoa. Inzwischen hat das Parlament den Entwurf zurückgezogen, der hohe Investitionen in privat kontrollierte Infrastruktur vorgesehen hatte. Michael Mörth berät eine Menschenrechtskanzlei in Guatemala-Stadt. Er fasst einige der Kritikpunkte zusammen, die gegen den zurückgezogenen Haushaltsentwurf vorgebracht wurden: »Im Haushalt wird kaum Geld für die Folgen der beiden Hurrikane Eta und Iota bereitgestellt. Das ist genauso ein Kritikpunkt wie die Unterfinanzierung der Programme gegen Unterernährung. Das kostet Menschenleben.« Anfang dieses Monats wütete Eta in Mittelamerika, kurz darauf Iota, in Guatemala starben Dutzende Menschen. Der Unternehmerverband CACIF kritisierte den Haushaltsentwurf, weil teure Projekte wie der Autobahnbau an der Pazifikküste nicht im Etat des Bauministeriums, sondern separat aufgeführt wurden. »Da soll sich systematisch bereichert werden, so wird der Korruption Tür und Tor geöffnet, denn jeder Abgeordnete hält für seine Zustimmung die Hand auf«, kritisiert Mörth. Das sehen viele Guatemaltekinnen und Guatemalteken ähnlich. Parolen wie »Raus mit den Korrupten« untermauern das. Seit Wochen sinken die Zustimmungswerte für Giammattei, der eine neoliberale Politik verfolgt. Viele werfen ihm vor, nicht gegen Korruption vorzugehen. Seit seinem Amtsantritt im Januar häufen sich die Berichte über Korruptionsdelikte. Mörth sagt: »Giammattei galt immer als korrupt und er hat vom ersten Tag an Korruption ermöglicht. Seit April des Jahres häufen sich die Enthüllungen über Korruption, 140 Millionen Quetzales (umgerechnet rund 15 Millionen Euro, Anm. d. Red.) verschwanden im Ministerium für Infrastruktur, die Bevölkerung ist empört, weil Giammattei der Korruption ihren Lauf lässt, und er greift anders als so mancher Vorgänger zur Repression.«...“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182644
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