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Großbritannien, die Trauminsel der Marktwirtschaft: Zero hours contract

Dossier

GB: No to zero hoursDie konservative Regierung behauptet, es beträfe nur eine kleine Minderheit, unabhängige Organisationen haben recherchiert, dass über eine Million Menschen unter diversen Formen des “Null Stunden Vertrags” beschäftigt sind. Was keineswegs heisst, dass sie nicht arbeiten müssen – ganz im Gegenteil. Sie bekommen in der Regel von Woche zu Woche mitgeteilt, wieviel, wann (und oft genug auch: wo) sie arbeiten müssen – dafür gibt es auch keine Krankenversicherung, Urlaub anteilig zur Beschäftigung. Rund 38% von ihnen, so ergab die Untersuchung des Chartered Institute of Personnel and Development (CIPD) arbeiten im Durchschnitt mehr als 30 Wochenstunden und betrachten sich als Vollzeitarbeitende. Wobei die (aktuell eher vorsichtigen) BefürworterInnen des infamen Gesetzes wenig originell die ach so nötige Flexibilität, die vor allem im Dienstleistungssektor nötig sei, beschwören. Das Bürgertum hat die Person (das Individuum, das Subjekt, was auch immer) erfunden – und nimmt es jetzt wieder. Flexible Arbeitskraft ist stattdessen gefragt. Siehe dazu weitere Informationen:

  • Labour kneift mal wieder und will Null-Stunden-Verträge nicht vollständig verbieten – für britische Gewerkschaften nicht verhandelbare rote Linie New
    Überarbeitete Vorschläge erlauben es Arbeitnehmern, sich für eine Null-Stunden-Option zu entscheiden, was zu Befürchtungen über unangemessenen Druck seitens der Arbeitgeber führt
    Die Labour-Partei sieht sich mit Kritik konfrontiert, weil sie ein Schlupfloch plant, das es Arbeitnehmern ermöglichen würde, im Rahmen von Null-Stunden-Verträgen zu arbeiten, obwohl sie sich für ein vollständiges Verbot dieser Verträge ausgesprochen hat. Die Partei von Keir Starmer bereitet sich darauf vor, Einzelheiten ihres Versprechens bekannt zu geben, die Arbeitnehmerrechte zu überarbeiten, falls sie an die Macht kommt – ein Kernstück ihrer frühen Pläne für die Regierung, aber Gegenstand heftiger Lobbyarbeit von Unternehmen.
    Die Labour-Partei hat wiederholt versprochen, Null-Stunden-Verträge zu verbieten, bei denen ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine Mindestanzahl von Arbeitsstunden zu leisten. Nach den überarbeiteten Plänen der Labour-Partei sollen Arbeitgeber zwar verpflichtet werden, einen Vertrag auf der Grundlage regulärer Arbeitszeiten anzubieten, die Arbeitnehmer können sich jedoch für einen Nullstundenvertrag entscheiden. Dieser Schritt hat Befürchtungen über ein Machtungleichgewicht ausgelöst, das die Arbeitgeber ausnutzen könnten, um die Arbeitnehmer unter Druck zu setzen und sie dazu zu bringen, unsichere Löhne und Arbeitszeiten zu akzeptieren.
    Die Gewerkschaft IWGB, die Beschäftigte in der Gig-Economy vertritt, befürchtet, dass alles, was über ein vollständiges Verbot hinausgeht, Raum für Ausbeutung lassen würde. „Arbeitnehmer sind oft gezwungen, schlechte Bedingungen und prekäre Verträge in verschiedenen Sektoren zu akzeptieren, weil sie verzweifelt sind und ein extremes Machtungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Großbritannien besteht“, sagte der Generalsekretär der Gewerkschaft, Henry Chango Lopez. „Dieses Machtungleichgewicht würde durch die neuen Vorschläge fortbestehen.“ (…)
    Die Gewerkschaft Unite forderte die Labour-Partei auf, sich ausdrücklich an die bereits gemachten Zusagen zu halten und innerhalb von 100 Tagen nach der Machtübernahme entsprechende Gesetze zu erlassen. (…)
    Andere Gewerkschaften und der TUC sind bereit, die derzeitige Version des neuen Abkommens zu akzeptieren, das, wie Starmer versprochen hat, nicht verwässert“ werden soll. Beamte sagten jedoch, sie würden keine weitere Abschwächung der Vorschläge tolerieren, für die einige Unternehmensgruppen Lobbyarbeit betrieben haben. Paul Nowak vom TUC sagte, das neue Abkommen sei dringend notwendig und fügte hinzu: „Wir erwarten von Labour, dass sie in den ersten 100 Tagen ein Beschäftigungsgesetz vorlegen“.
    Unison, die größte britische Gewerkschaft, sagte, dass nur „ausbeuterische Bosse“ etwas von den Änderungen zu befürchten hätten. „Eine Konsolidierung der versprochenen Maßnahmen ist in Ordnung, aber eine Verwässerung des Inhalts nicht“, sagte ein Sprecher.
    Es wird davon ausgegangen, dass die Labour-Partei ein Dossier für die Umsetzung des neuen Abkommens fertigstellt, in dem die ursprünglichen Vorschläge des Grünbuchs und die auf dem National Policy Forum (NPF) vereinbarten Änderungen, einschließlich der Nullstundenregelung, zusammengefasst sind. Die angeschlossenen Gewerkschaften haben den Vorschlägen zugestimmt, mit Ausnahme von Unite, die sich bei der NPF-Abstimmung der Stimme enthalten hat.
    Sharon Graham, die Generalsekretärin von Unite, sagte: „Wenn Labour sich nicht ausdrücklich zu dem bekennt, was sie bereits zugesagt haben, nämlich dass der neue Vertrag für die Arbeitnehmer in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit vollständig umgesetzt wird, dann ist eine rote Linie überschritten.
    „Das Versprechen der Labour-Partei, den Gewerkschaften ein einfaches Zugangsrecht und einen vereinfachten Weg zur Anerkennung und damit zum Verhandlungsrecht zu geben, ist der Lackmustest für Unite. Das ist politisch nicht verhandelbar
    .“…“ engl. Artikel von Jessica Elgot und Richard Partington vom 1.5.2024 im Guardian online externer Link („Labour’s ‘new deal for workers’ will not fully ban zero-hours contracts“, maschinenübersetzt)
  • Null Stunden. Null Leben – ein britisches Tagebuch
    Das geheime Tagebuch eines Nullstundenbeschäftigten – gibt ein bisschen Einblick und Einfühlmöglichkeiten in die Situation der fast zwei Millionen Menschen in GB die mit Nullstundenverträgen arbeiten und leben müssen. Was die Fürsprecher des Kapitalismus vermutlich die Krönung der Flexibilität nennen würden, würde der Volksmund wohl eher „Behandeln wie ein Stück Scheiße“ nennen. „Zero time, zero life. The secret diary of a zero hours worker“ von Niki Barnett-Henry am 20. April 2015 bei counterfire externer Link ist für jede/n der englisch lesen kann ein kurzes, aber wichtiges Lektüreangebot. Siehe dazu auch (zum Teil ältere) Berichte über Unternehmen, die sich besonders mit Nullstundenverträgen hervor tun:

  • Neuer britischer Mindestlohn: 6,70 Pfund. Nullstunden-Arbeitsverträge: 1,8 Millionen
    Laut dem Statistischen Büro des UK sind es inzwischen 1,8 Millionen Menschen, die sogenannte Nullstunden Arbeitsverträge haben: Keine Arbeit da, keine Kohle, deswegen wenn gefragt stets bereit (sein müssend) – was kapitalistische Ideologen an Unis und in Redaktionen dann Flexibilität nennen (und bestimmt gibt es auch noch sieben Leute, die das toll finden, so zu arbeiten) ist in der gesellschaftlichen Realität die totale Verfügbarkeit, in der individuellen Realität – Stress pur und wenig Kohle. Nützt es dann auch wenig, wenn tatsächlich mal der Mindestlohn erhöht wird – liegt mit umgerechnet 9,10 Euro (etwa) sogar noch über dem in Teutonien. Von 6,50 auf 6,70 Pfund – das sei dann auch die gewaltigste Erhöhung seit 2007 wird in der Meldung „UK – Low pay commission recommends 3% increase in minimum wage“ am 24. Februar 2015 bei Staffing Industry externer Link unterstrichen. Siehe dazu weitere Informationen zu Nullstundenverträgen:

    • „1.8 million zero-hours jobs“ – Meldung bei Worker’s Liberty am 25. Februar 2015 externer Link wobei hervorgehoben wird, dass die Zahl der Jobs binnen eines Jahres von 1,4 auf 1,8 Millionen stieg – wozu gewusst werden sollte, dass diese Jobs von 697.000 Menschen ausgebügt werden (2,3% aller Beschäftigten) gesteigert von 586.000 im Vorjahr. Mit einer kleinen Rechnung lässt sich schlussfolgern, dass die Menschen im Durchschnitt etwa drei solcher Jobs haben (müssen)
    • Der Artikel Zero-hours contracts cover more than 1m UK workers externer Link von Simon Goodley and Phillip Inman am 05. August 2013 befasst sich mit dieser Untersuchung und speziell mit der Handelskette Sports Direct, die 20.000 ihrer 23.000 Beschäftigten unter diesen schweinischen Bedingungen ausbeutet. Hunderte von Kommentaren zum Artikel zeigen, dass in ein Wespennest gestochen wurde
    • People want jobs, not zero hours – TUC externer Link von Pete Murray am 12. August 2013 bei Union News UK über die Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes TUC zur Entwicklung des Arbeitsmarktes (worin, laut Autor, vor allem kritisiert wird, dass das Wachstum der Beschäftigung nahezu ausschliesslich aus prekären Jobs bestehe). Über den Anspruch auf totale Verfügbarkeit wird zumindest hierin nichts ausgesagt
  • Starke Zunahme von Nullstundenverträgen in Großbritannien
    In Großbritannien boomt der Nullstundenvertrag. Angepriesen als eine neue Form der Flexibilisierung ist dies der vorerst letzte Schritt zur Ausbeutung der Menschen im Niedriglohnsektor. Vereinbart wird bei Nullstundenverträgen der Stundenlohn, der Arbeitnehmer steht auf Abruf bereit, erhält aber keine Garantie, dass er überhaupt arbeiten darf und etwas verdient. Der Arbeitgeber sichert sich ab, flexibel ist nur der virtuelle Arbeitnehmer, der auf Arbeit und Entgelt hoffen muss und während der vereinbarten Zeiten, womöglich den ganzen Tag, zur Verfügung steht. Auch wenn die Abrufarbeitnehmer kein geregeltes oder gar kein Einkommen haben, so fallen sie für die Regierung praktischerweise doch aus der Arbeitslosenstatistik heraus, schließlich besitzen sie ja einen Arbeitsvertrag…Artikel von Florian Rötzer auf Telepolis vom 12.03.2014 externer Link. Siehe dazu:

  • Global consistency from Sports Direct externer Link von Owen Tudor am 08. August 2013 bei Stronger Unions (TUC) worin die Geschäftspraktiken von Sports Direct Thema sind – und die Besitzverhältnisse des Unternehmens (das auch gegen das Sicherheitsabkommen in der Textilindustrie in Bangladesh ist) – neben der Tatsache, dass der Gründer einer der reichsten Männer im UK ist, ist zu erwähnen, dass ein früherer EU Komissar im Vorstand ist…
  • Zero tolerance for zero-hour contracts!! externer Link – das elektronische Bulletin des National Shopstewards Network vom 07. August 2013 befasst sich sowohl ausführlich mit dem Thema (wieviele sind betroffen, wer nutzt diese Art Verträge zur Ausbeutung – etwa der Buckingham Palace und diverse Regierungsstellen) als auch, und vor allem, mit dem Widerstand dagegen, der nicht zufällig vor allem von Jugendgruppierungen organisiert wird
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=42164
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