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Rumänischer Bauarbeiter in England: „Wenn ihr mich um meinen Lohn betrügt…“

haus_hertfordshire_neaguBauarbeiter in #Hertfordshire wird nicht bezahlt. Reisst die Häuser, die er mit errichtet hat, mit Bagger wieder ein. Sagt zu Nachbarn: „Ich bin nicht gefährlich, ich wurde nur nicht bezahlt.“ Bester Typ. Freiheit für Daniel Neagu!“ – so die Meldung am 14. August 2018 im Twitter-Kanal des Lower Class Magazin externer Link über den besonderen Protest des rumänischen Bauarbeiters gegen den Lohnbetrug des Bauunternehmens McCarthy and Stone, der fünf von ihm mit gebaute Häuser – jedes mit einem Wert von 800.000 Pfund Sterling angegeben – wieder einriss… Siehe dazu:

  • Wut am Bau: Mit einer Gruppe von Arbeitern baute Daniel Neagu Einfamilienhäuser im Norden Londons auf. Dann zerstörte er sie. Nun sitzt er im Gefängnis New
    Daniel Neagu wurde für seine Arbeit auf einer Baustelle nicht bezahlt. Auch fünf Menschen, die er angeheuert hatte, wurden um ihren Lohn geprellt. Neagu fand das ungerecht und stieg noch einmal auf den Bagger. Jetzt sitzt er im Gefängnis.
    Es beginnt mit zwei Rissen. Einer oberhalb des Fensters, einer in der Backsteinmauer unterhalb. Dann stürzt die Wand ein. Die Regenrinne fällt zu Boden, Balken brechen heraus, Mauersteine kullern auf den Boden. Bis hierhin sind gerade einmal zehn Sekunden vergangen. Die Schaufel des türkisfarbenen Baggers setzt erneut an. Sie schlägt gegen die Fenster, setzt am Dachgeschoss an, reißt dann die Fenster im Ganzen heraus. Die Kamera schwenkt eine Straße entlang, nimmt fertige und halb fertige Häuser ins Visier. Zeitweise ist eine Stimme zu hören. Ein Mann, offenbar der Filmende, sagt: »Du musst es genau so niederreißen, wie du es auch gebaut hast.« Und weiter: »Das ist, weil du mich nicht bezahlt hast. Mich und meine Jungs. Das hier sollte dir eine Lehre sein.« Es ist ein Jahr her, dass der Bauarbeiter Daniel Neagu, ein heute 31-jähriger Rumäne, mehrere Einfamilienhäuser in einem kleinen Ort nördlich von London zerstörte, die er gerade selbst gebaut hatte, und sich dabei filmte. Noch auf der Baustelle wurde er festgenommen. Im März dieses Jahres wurde das Urteil gesprochen: vier Jahre Haft. »Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe«, sagt Neagu heute. »Aber ich hatte keine andere Wahl.« Er steht zu dem, was er getan hat. Im Prozess plädierte er auf schuldig. Doch er ist auch selbst ein Opfer: Nach dem Job auf der Baustelle war er plötzlich um 15 000 Pfund ärmer. Neagu sitzt seit seiner Festnahme im Gefängnis, seit Mai in Maidstone südlich von London. Die Ausländerquote hier liegt bei nahezu 100 Prozent. Die meisten Häftlinge werden nach Absitzen ihrer Strafe abgeschoben
    …“ Reportage von Johanna Treblin vom 28.09.2019 beim ND online externer Link, siehe daraus auch: „… Er spricht schnell und redet sich in Rage. Verwunderlich ist das nicht: Ein Kollege hatte ihn öffentlich beschimpft, ihn um seinen Lohn betrogen zu haben. Daraufhin hagelte es Drohungen – auch gegen seine Familie. Laut Neagu geht die Geschichte so: Er lebt seit 2015 in England, arbeitet seitdem auf dem Bau, hat auch ein eigenes kleines Unternehmen gegründet. Jim F. von der Firma Fenton rief ihn an und fragte, ob er einen Job übernehmen könne, er sei ihm empfohlen worden. Der Lohn war gut, höher als in der Baubranche üblich, samstags sollte es noch mehr Geld geben. F. fragte, ob er eine Gruppe von Arbeitern zusammentrommeln könne, um die Arbeit schneller zu schaffen. Das tat Neagu. Neun Stunden sollten sie am Tag arbeiten, meistens seien es elf gewesen. »Wir haben Überstunden gemacht, wir haben sonntags gearbeitet«, sagt Neagu. »Wach gehalten haben wir uns mit Kaffee und Red Bull.« (…) Tatsächlich gab es auch nach der dritten Woche kein Geld. F. sagte zu Neagu, es gebe Probleme mit den Auszahlungen bei der Bank. Neagu bat ihn, doch wenigstens die Hälfte des Geldes zu zahlen. Das tat er nicht. Stattdessen beleidigte er ihn. »Er hat mich diskriminiert, mich einen Zigeuner geschimpft!«, erzählt Neagu ein Jahr später in Maidstone. (…) Parallel versuchte Neagu, das Geld zusammenzubekommen, um die Kollegen, die er angeworben hatte, auszubezahlen. Einem vermachte er als Bezahlung sein Auto. Er leerte sein Bankkonto, trieb Schulden ein, die andere bei ihm hatten. Bis auf 300 Pfund habe er alle Löhne bezahlt. Auch Hafiz bestätigt, dass Neagu ihm seinen Lohn vollständig bezahlt hat. (…) Neagu ging auch zur Polizei. Wegen des Geldes und wegen der Drohungen. Er wollte F. anzeigen. »Jim hat mein Leben in Gefahr gebracht!« Doch die Polizei nahm keine Anzeige auf. »Wenn es um einen Streitwert von über 5000 Pfund geht, braucht man auf jeden Fall einen Anwalt, wurde mir gesagt. Den konnte ich mir nicht leisten.« Neagu verließ die Wache. Enttäuscht. »Ich bin nur ein einfacher Arbeiter. Ich kenne meine Rechte in England nicht.« Neagu traute sich kaum noch auf die Straße. Seine Adresse war bekannt, er dachte, gleich kommt jemand und verprügelt ihn. Als er auch noch Angst um seinen Vater bekam, wusste er nicht mehr weiter. Da fuhr er zur Baustelle. Fünf Häuser zerstörte er mit dem Bagger. Er nahm alles mit einer Headcam auf, »um Aufmerksamkeit auf die Ungerechtigkeiten zu lenken, die Ausländern in England widerfahren«, sagt er später. Irgendjemand rief die Polizei. Noch auf der Baustelle wurde er verhaftet. Das Video gab er der Polizei. (…) Bei guter Führung wird die Haftzeit halbiert. Dann hätte Neagu nur noch ein Jahr abzusitzen. Er geht davon aus, dann nach Rumänien abgeschoben zu werden. Das stört ihn nicht. Mit Großbritannien ist er fertig, lieber will er nach Italien zurück. Dort hatte er mehrere Jahre gelebt, bevor er zu seinen Eltern und seiner Schwester nach England ging. In Großbritannien verdiene man mehr, aber der Lebensunterhalt sei viel teurer. Und: »In Italien habe ich immer schnell Hilfe bekommen, wenn ich mal Ärger mit einem Auftraggeber hatte.« In Großbritannien hat er die nicht.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136081
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