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Pushbacks in der Ägäis: Deutsche Marine drückt Auge zu – Frontex macht mit

Dossier

Kampagne: Push Back Frontex! Gegen eine neue Dimension des Sterbenlassens auf See„Dass die deutsche Marine nicht eingreift, wenn die griechische Küstenwache Boote mit Geflüchteten unbrauchbar macht und über die Seegrenze in die Türkei zurückschiebt, ist Beihilfe zu sogenannten Pushbacks. Die Bundesregierung bricht damit das Völkerrecht. Sie ist auch mitverantwortlich für alle Opfer dieser todbringenden europäischen Flüchtlingspolitik in der Ägäis (…) Die Ägäis ist wohl der am besten überwachte Abschnitt des Mittelmeers, allein Frontex setzt dort zur Abwehr unerwünschter Migration ein Dutzend Schiffe ein, die Bundespolizei neben zwei Patrouillenbooten außerdem einen Hubschrauber. Es ist dort aus meiner Sicht unmöglich, die zahlreichen Verletzungen des Völkerrechts durch griechische Behörden zu übersehen. (…) Die Regierung in Athen verletzt die Europäische Menschenrechtskonvention. Ein Abbruch der Frontex-Missionen in Griechenland ist unausweichlich…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 11. August 2020 externer Link zur Antwort des Bundesministeriums der Verteidigung auf die Schriftliche Frage externer Link zu beobachteten „Push backs“ in der Ägäis und zur Aussetzung und Ausbau von Frontex-Missionen. Siehe dazu:

  • Illegale Pushbacks: EU-Bürgerinitiative gegen „dreckigen und rassistischen Grenzschutz“ benötigt eine Million Unterschriften New
    „… Eine aus Italien kommende „Europäische Bürgerinitiative“ fordert die Einhaltung des Verbots von Folter und unmenschlicher Behandlung an den Außengrenzen der EU. Hintergrund der Petition seien die vielen dokumentierten Fälle von Gewalt gegen Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen und auch an Landesgrenzen innerhalb der Europäischen Union, sagte Mitinitiatorin Maria Cristina Francesconi am Freitag in Berlin. Schutzsuchende würden von der EU-Grenzpolizei an Einreisen in die EU gehindert oder mit sogenannten illegalen Pushbacks wieder zurückgeschoben. Eine „Europäische Bürgerinitiative“ sei ein Mittel der direkten Demokratie auf EU-Ebene. Im konkreten Fall müssen bis zum 10. Juli eine Million Menschen aus der EU die Initiative mit dem Titel „Stopborderviolence – Artikel 4: Folter und unmenschliche Behandlungen an den europäischen Grenzen stoppen“ mit ihrer Unterschrift unterstützen, um in Brüssel Erfolg zu haben, sagte Francesconi. Dann muss sich die EU-Kommission mit der Initiative beschäftigen. Bislang gibt es nur 12.000 Unterschriften. (…) Ein 2020 erschienenes „Schwarzbuch Pushbacks“ habe allein bis dahin über 12.000 derartige Fälle an den EU-Außengrenzen dokumentiert, sagte Harald Glöde von Borderline Europe. Das illegale Vorgehen gegen Schutzsuchende werde aber regelmäßig von den EU-Regierungen negiert und gedeckt. So soll es nach Glödes Einschätzung der Abschreckung dienen, zum Beispiel Menschen ertrinken zu lassen. Die Straflosigkeit der Täter führe wiederum dazu, dass diese immer brutaler und rücksichtsloser agierten. „Das passiert auch in unseren Namen und mit unseren Steuergeldern“, mahnte Glöde. Mittlerweile gebe es einen Gewöhnungseffekt, beispielsweise an „angebliche Schiffsunglücke“. Zugleich grabe sich das Narrativ der Gefahr durch sogenannte „illegale Migration“ in die Gesellschaft ein: „Deshalb ist es wichtig, jetzt ‚Stopp‘ zu sagen.“ (…) Die heute in Dresden lebende Iranerin Parvin A. kennt das aus eigenem Erleben und spricht von einer „dreckigen und rassistischen Grenzschutzpolitik Europas“. Die junge Frau wurde nach eigenen Angaben auf ihrer Flucht aus dem Iran sechsmal von griechischen Grenzern in die Türkei zurückgeschoben, dabei schwer misshandelt und rechtswidrig inhaftiert. „Alles war geheim, wir wurden nicht mal angehört und auch nicht bürokratisch registriert, obwohl das unser Recht ist“, berichtete A.. An der Grenze seien Menschenrechte für Menschen wie sie wertlos. Es zähle nur die Rasse. Seit sechs Jahren sei sie auf der Suche nach Schutz, sagte A., die nach eigener Aussage vor dem klerikal-faschistischen Mullah-Regime im Iran flüchten musste: „Vergleichen sie das mal der Situation der Ukraine-Flüchtlinge.“ Europa müsse einen anderen Weg finden, mit seinen Grenzen umgehen, „ohne Gewalt und Pushbacks“.“ Meldung vom 21. Januar 2024 von und bei MiGAZIN externer Link zu Stopborderviolence – Artikel 4: Folter und unmenschliche Behandlungen an den europäischen Grenzen stoppen externer Link
  • FragDenStaat und Sea Watch klagen vor dem Gericht der Europäischen Union gegen Frontex 
    • Sea-Watch vs. Frontex
      Am heutigen Mittwoch findet die Anhörung im Fall Sea-Watch gegen Frontex vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg statt. Die zivile Seenotrettungsorganisation hatte im April 2022 Klage erhoben. Zuvor hatte die Grenzagentur Anfragen im Zuge der Informationsfreiheitsverordnung abgelehnt. Die Freigabe der zurückgehaltenen Informationen soll beweisen, dass Frontex an Menschenrechtsverletzungen im Mittelmeer beteiligt ist. Konkret bezieht sich Sea-Watch auf den Fall eines völkerrechtswidrigen Pullbacks vom 30.07.2021, der vom Aufklärungsflugzeug Seabird sowie dem Rettungsschiff Sea-Watch 3 bezeugt wurde. (…) Wie von den Organisationen Human Rights Watch und Border Forensics aufgezeigt, muss davon ausgegangen werden, dass Frontex dieses illegale Abfangen ermöglicht hat. (…) Mit Unterstützung der Organisation FragDenStaat hat Sea-Watch deshalb Klage gegen Frontex vor dem Gericht der Europäischen Union erhoben…“ Meldung vom 11.10.2023 bei Sea-Watch externer Link, siehe auch:
    • Hintergründe zum Fall bei Border Forensics und Human Rights Watch externer Link
    • FragDenStaat und Sea Watch klagen gegen Frontex: Europäisches Gericht verhandelt zu geheimer Kooperation mit Libyen
      Artikel von Matthias Monroy vom 11.10.2023 in ND online externer Link
    • Sea Watch und FragDenStaat: Menschenrechte gegen Frontex
      Artikel von Matthias Monroy vom 11.10.2023 in ND online externer Link
  • Pushbacks in der Ägäis: Beobachtung von Grenzbeamten in Griechenland behindert – Initiative »Mare Liberum« löst sich unter Vorwürfen an die EU auf 
    Seit 2018 kreuzte das Schiff »Mare Liberum« in der östlichen Ägäis an einer zentralen Migrationsroute über das Mittelmeer. Die jeweilige Crew beobachtet gezielt das Agieren von griechischen Grenzbehörden bei Ankunft von Booten mit Geflüchteten an Bord – und hat wiederholt das illegale Zurückdrängen von Menschen auf türkisches Territorium beziehungsweise Seegebiet dokumentiert. (…) Doch diese Arbeit wurde durch immer neue Auflagen und Repressalien vonseiten der griechischen Behörden zunehmend verunmöglicht. Und so hat der Verein Mare Liberum, der das Schiff 2018 von der Organisation Sea-Watch gekauft hatte, jetzt seine Selbstauflösung bekannt gegeben. Wie Mare Liberum am Dienstag mitteilte, wurden die Aktivisten einerseits durch Vertreter lokaler Sicherheitsbehörden auf der griechischen Insel Lesbos und andererseits durch die Gesetzgebung der rechtskonservativen Regierung in Athen gezielt blockiert.
    Unter anderem sorgte eine Gesetzesänderung im September 2021 für Protest bei der NGO. Seit der Neuregelung bestehen laut Mare Liberum neben einer Registrierungs- und Zertifizierungspflicht für Organisationen im Kompetenzbereich der Küstenwache hohe Strafen, sollten Crewmitglieder Anweisungen der Behörden nicht unmittelbar befolgen. Sämtliche Versuche, gegen das Gesetz vorzugehen, seien gescheitert, heißt es in der Auflösungserklärung des Vereins. »Das gehorsame Ausführen jeden Befehls des Verlassens von Tatorten ist mit dem Ansinnen unserer Menschenrechtsbeobachtung nicht vereinbar«. Um die persönliche Sicherheit der für den Verein Aktiven nicht zu gefährden, sehe man sich gezwungen, die Arbeit als Verein einzustellen, heißt es in einer Pressemitteilung. Nach der Gesetzesverschärfung hatte Mare Liberum die Beobachtungsarbeit zunächst von Land aus fortgesetzt. Das Schiff wurde mittlerweile der Zusammenland gUG übergeben, welcher dieses nun unter dem Namen Mare*Go führt. Laut Angaben auf der Website von Mare Liberum soll auch Mare*Go an den EU-Außengrenzen zum Einsatz kommen.
    Der Verein erhob einmal mehr schwere Vorwürfe gegen die EU-Regierungen. »Weder die Bundesrepublik noch andere EU-Regierungen setzen sich mit ernstzunehmendem Nachdruck für die menschenrechtskonforme Behandlung Geflüchteter an den EU-Grenzen ein...“ Artikel von Moritz Aschemeyer vom 02.05.2023 in ND online externer Link
  • Bericht des Antifolterkomitees: Europarat prangert illegale Pushbacks von Geflüchteten an 
    „… Polizisten, die Asylsuchende mit Schlagstöcken verprügeln; Grenzwächter, die Menschen in Flüsse stoßen; Küstenwächter, die Flüchtende auf wackelige Rettungsflöße setzen, sie aufs Meer hinausziehen und dann aussetzen. So beschreibt das Antifolterkomitee des Europarats die Lage an Europas Grenzen. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht hat die Organisation bewusst einen Schwerpunkt auf sogenannte Pushbacks gelegt – illegale Aktionen, bei denen staatliche Beamte Menschen auf der Flucht zurück über die Grenze zwingen, ohne ihr Anliegen zu prüfen. Schutzsuchenden wird so systematisch die Chance auf einen Asylantrag genommen. Die Pushbacks gäben großen Anlass zur Sorge, schreiben die Experten. Während der Beobachtungsmissionen habe man von Migranten »viele glaubwürdige Anschuldigungen über vorsätzliche körperlicher Misshandlung durch Polizei und Grenzschutzbeamte« erhalten, die Ärzte der Delegation hätten die Verletzungen untersucht und bestätigt. Das Komitee habe die Berichte zudem auf weitere Weisen verifiziert. (…) Es ist nicht das erste Mal, dass die Antifolter-Experten des Europarats aufgrund der Pushbacks Alarm schlagen. In der Vergangenheit kritisierte das Komitee unter anderem Kroatien. Bei einer Mission hatten die Experten an der Grenze zu Bosnien und Herzegowina unter anderem ein Notizbuch gefunden, in dem Grenzbeamte offenkundig die Pushbacks inoffiziell notiert hatten. (…) Obwohl die Experten des Europarats nun in ihrem Jahresbericht keine einzelnen Staaten an den Pranger stellen, ist ihre Ausarbeitung bemerkenswert. Das Komitee habe Pushback-Praktiken entlang aller wesentlichen Migrationsrouten nach Europa untersucht, heißt es. Dazu zählen die Routen über das Mittelmeer, die Westbalkanroute sowie ausdrücklich auch der Weg über Osteuropa. Ihr Fazit: »Es ist offensichtlich, dass solche illegalen Pushback-Praktiken an mehreren Grenzen in Europa stattfinden.« (…) Die Autoren schreiben von »typischen Hundebissen« an Gliedmaßen, bisweilen würden Grenzschützer absichtlich ihre Pistolen in der Nähe der Körper der Geflüchteten abfeuern – oder sie nackt zurück über die grüne Grenze treiben. Die Handys der Migranten würden entweder beschlagnahmt oder zerstört. Die informelle, oft stundenlange Haft vor einem Pushback könne zudem eine Form von menschenunwürdiger Behandlung darstellen.“ Artikel von Steffen Lüdke vom 30. März 2023 im Spiegel online externer Link, siehe den engl. Bericht des Antifolterkomitees externer Link
  • Die Rolle von Frontex im Grenzregime: Europas Zielkonflikt 
    Grenzen dicht halten und gleichzeitig die Menschenrechte wahren. An diesem Auftrag scheitert Frontex regelmäßig, wie interne Dokumente zeigen. (…) Ermittelt wird auch von anderer Seite: Am Freitag berichtete der Spiegel, dass die EU-Antibetrugsbehörde OLAF einmal mehr gegen Frontex – und dabei nun auch gegen die Interimsdirektorin Aija Kalnaja ermittelt. Die Grenzschutzagentur ist, typisch für Sicherheitsbehörden, notorisch intransparent. Seit Jahren aber verschaffen sich Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und NGOs über Informationsfreiheitsgesetze interne Frontex-Dokumente. Die NGO Frag den Staat (FDS) hat nun rund 4.100 dieser Dokumente in einer Datenbank zusammengeführt und verschiedenen Medien, darunter die taz, zugänglich gemacht. Die interessanten Stellen sind vielfach geschwärzt, doch in ihrer Gesamtschau zeigen die Dokumente, welchen Logiken die Frontex-Führung folgt. Und dass die eigenen Frühwarnsysteme – das „Konsultativforum“ und die Grundrechtsbeauftragte – trotz ihrer völlig unzureichenden Ausstattung ihre Aufgabe immer wieder erfüllt haben. Doch die Agentur hatte andere Prioritäten als Menschen- und Flüchtlingsrechte. (…) Dass die EU ihr eigenes Recht an ihren Grenzen nicht durchsetzt und die eigenen Institutionen nicht konsequent zu dessen Einhaltung verpflichtet, ist eine der großen Krisen des Rechtsstaats in Europa. Dabei kann die Kommission bei Menschenrechtsverstößen Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Und das deutsche Bundesinnenministerium etwa kann von sich aus prüfen, ob Frontex-Einsätze der Bundespolizei beendet werden müssen, wenn die nationalen Grenzpolizeien gegen das EU-Recht verstoßen. Doch auf eine entsprechende Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Clara Bünger antwortete die Bundesregierung am Donnerstag, sie sehe „keinen Anlass für einen Rückzug deutscher Beamtinnen und Beamten aus dem Frontex-Einsatz in Griechenland“.“ Umfangreicher Artikel von Christian Jakob und Bernd Kasparek vom 17.12.2022 in der taz online externer Link
  • Brutalste Gewalt gegen Menschen: Das »Schwarzbuch Pushbacks« Teil 2 dokumentiert die unverändert furchtbaren Zustände an den Außengrenzen der EU 
    Allein der Umfang dieses Werks ist erschreckend. Das am Donnerstag in Brüssel veröffentlichte »Schwarzbuch Pushbacks« umfasst vier dicke Bände. Auf mehr als 3600 Seiten kommen hier rund 1600 Betroffene zu Wort und berichten, wie sie geschlagen, getreten, gedemütigt und willkürlich festgehalten wurden, bevor man sie illegal über eine Grenze zurückschob. Diese Vorfälle ereigneten sich nicht etwa in arabischen Folterstaaten, sondern an den Außengrenzen der EU, teilweise auch in den Mitgliedsstaaten selbst. Da wurden Migrant*innen ohne Schwimmwesten von der griechischen Küstenwache in Schlauchboote verfrachtet und auf hoher See ausgesetzt. Kroatische Grenzbeamt*innen schossen zwei zwölfjährigen Geflüchteten ins Gesicht. Immer wieder wurden Menschen, die in der EU Asyl suchten, gewaltsam abgeschoben, bevor sie einen Antrag stellen konnten. Zusammengetragen wurden die Vorfälle vom Border Violence Monitoring Network (BVMN), einem Zusammenschluss von 40 NGOs, die europaweit Geflüchtete unterstützen und gewalttätige Übergriffe dokumentieren.
    Es ist bereits die zweite Auflage. Die erste erschien 2020 und umfasste nur zwei Bände. »Das zeigt doch, wie sehr sich die Situation an den Außengrenzen verschlechtert hat«, erklärt Hope Barker vom BVMN-Netzwerk. Ein wichtiger Grund dafür seien die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die so erzwungene Abwesenheit der NGOs habe »zu einem beispiellosen Anstieg brutalster Gewalt gegen Menschen geführt«. Laut Schwarzbuch hätten Grenzschutzbeamt*innen in 13 Ländern damit begonnen, »grausame Abschreckungstaktiken anzuwenden, wie zum Beispiel Schläge, Rasieren der Köpfe, erzwungenes Entkleiden, sexuelle Übergriffe und Hundeangriffe«. (…) Obwohl die EU-Behörde [Frontex] selbst zahlreiche Fälle dokumentierte, in denen etwa griechische und maltesische Behörden Geflüchtete auf offener See aussetzten, hatte das keine Folgen für Athen und Valletta. Dass sich die Situation an den Außengrenzen verbessern könnte, glaubt niemand. Im Gegenteil: Auf dem EU-Westbalkan-Gipfel, der in dieser Woche im albanischen Tirana stattfand, war Migration ein großes Thema. Die EU-Vertreter machten deutlich, dass die Beitrittsperspektiven für Staaten wie Bosnien-Herzegowina oder Nordmazedonien von der Bekämpfung der illegalen Migration abhängig seien. (…) Denn gleichzeitig verweigerte man Rumänien und Bulgarien den vollständigen Zugang. Hier blockiert unter anderem Österreich, weil laut Bundeskanzler Karl Nehammer zu viele »unregistrierte Migranten« über beide Länder nach Österreich kämen. Wer also keine systematischen Pushbacks vornimmt, wird auch kein Clubmitglied – so die klare Botschaft an beide Aspiranten…“ Artikel von Fabian Lambeck vom 09.12.2022 im ND online externer Link („Brutalste Gewalt gegen Menschen“) zum

  • Rechtsbrüche an den EU-Grenzen: Warum der SPIEGEL den Frontex-Untersuchungsbericht veröffentlicht  Systematische Rechtsbrüche, verschleiert von Frontex-Beamten: Ermittlungen des europäischen Antibetrugsamts OLAF legen offen, was Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen angetan wird. Lesen Sie den vertraulichen Bericht im Wortlaut.
    20 Zeugenbefragungen, monatelange Ermittlungen, mehr als 120 Seiten Untersuchungsbericht: Das europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF hat gründlich gearbeitet. Die Ermittler durchsuchten die Büros der damaligen Frontex-Führung um Fabrice Leggeri, sie sahen WhatsApp-Nachrichten ein und E-Mails. Der OLAF-Bericht führte im Frühjahr 2022 zum Rücktritt von Frontex-Chef Leggeri. Aber was die Ermittler enthüllt haben, geht weit über Fragen von individueller Schuld hinaus. Obwohl es nicht das Hauptziel der Ermittlungen war, legt der Bericht schonungslos offen, wie griechische Grenzschützer in der Ägäis Geflüchtete auf aufblasbaren Rettungsflößen auf dem Meer aussetzen, damit sie von ihrem Recht auf einen Asylantrag keinen Gebrauch machen können. Zahlreiche Medien, darunter der SPIEGEL, haben die illegale Praxis längst nachgewiesen, die griechische Regierung diffamiert die Berichte dennoch als »Fake News«. Zugleich zeigt der OLAF-Bericht, wie die europäische Grenzschutzagentur Frontex sich bei diesen beispiellosen Menschenrechtsverletzungen zur Komplizin gemacht hat (…) Und obwohl nach der Lektüre klar sein müsste, dass es sich bei den Pushbacks um »schwerwiegende oder anhaltende Rechtsverstöße« handelt, zog Frontex sich nicht aus den gemeinsamen Operationen zurück, wie es Artikel 46 der Frontex-Regularien vorsieht. (…) Im Juli hat der SPIEGEL gemeinsam mit Lighthouse Reports erstmals über den Inhalt des Berichts geschrieben externer Link. Nun veröffentlicht der SPIEGEL den OLAF-Bericht gemeinsam mit »FragDenStaat«  im genauen Wortlaut. Der Bericht ist von großem öffentlichem Interesse: Er bietet den Europäern die bis heute beste Grundlage, um zu debattieren, wie Asylsuchende an ihren Grenzen behandelt werden sollen. Die Geheimniskrämerei um den Report dient in erster Linie dazu, eine solche Diskussion nicht aufkommen zu lassen. Führende griechische Beamte geben bis heute an, den Bericht nicht gelesen zu haben. Der zuständige EU-Kommissar Margaritis Schinas will nicht sagen, ob er sich über die schweren Vorwürfe informiert hat. Und die Frontex-Interimsdirektorin Aija Kalnaja tut bis heute unwidersprochen so, als ob ihre Agentur sich an alle Regeln gehalten hätte. (…) Juristen der NGO »front-LEX« haben auf Basis des Berichts bereits eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eingereicht…“ “ Artikel von Giorgos Christides und Steffen Lüdke vom 13.10.2022 im Spiegel online externer Link zum OLAF-Untersuchungsbericht externer Link

  • Frontex finanziert und vertuscht griechische Pushbacks 
    „Der nach wie vor geheime Bericht der EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) über Frontex konnte von verschiedenen Medien und Organisationen gelesen werden (…). „Darin wird detailliert aufgezeigt, dass Griechenland Pushbacks begeht, Frontex sie finanziert und vertuscht – einige unglaubliche Perlen sind darin zu finden. Der Bericht bestätigt alle unsere Berichte – und fügt wichtige Details hinzu, die auf privaten Nachrichten beruhen. Anstatt die Pushbacks zu verhindern, deckten Leggeri und sein Team Griechenland, belogen das EU-Parlament und verschwiegen, dass Frontex sie finanziert.“ (Steffen Lüdke) Die deutsche Außenministerin Baerbock hat heute in Griechenland nach einem Besuch der Grenzschutzagentur Frontex am Hafen von Piräus erklärt, sie wolle die Vorwürfe gegen Frontex klären. (…) Steffen Lüdke: „Der Bericht umfasst 129 Seiten und wurde im Februar vorgelegt. Die Öffentlichkeit in der EU hat keinen Zugang, obwohl ihr Geld für illegale Zwecke verwendet wird. In dem Bericht werden unverhohlene Eingeständnisse gemacht: „Auf der Grundlage des Bildes und der Informationen, die wir hatten, und der Bilder, die wir sahen, herrschte innerhalb der Agentur die allgemeine Überzeugung, dass wir mit ‚illegalen Pushbacks‘ konfrontiert wurden, die die Führungsebene jedoch vertuschen wollte.“ „Die griechische Küstenwache habe „das Leben der Passagiere ernsthaft gefährdet“, erklärten die Beamten und bezogen sich dabei auf einen Vorfall vom August 2020, als ein schwaches Beiboot in Richtung Türkei geschleppt wurde, was von einer Frontex-Luftaufnahme festgehalten wurde. Frontex zog daraufhin sein Überwachungsflugzeug zurück, um nicht Zeuge weiterer Grundrechtsverletzungen zu werden. (…) Solche Ereignisse wiederholten sich, schrieben die Beamten im August. „Es wird immer schwieriger, damit umzugehen.“ Die Vorfälle stellten ein „enormes Reputationsrisiko“ für die Agentur dar. OLAF dokumentiert auch, wie Frontex-Beamte sich selbst zensieren, um den Zorn ihrer griechischen Gastgeber nicht zu provozieren: „Vorfälle wurden nicht über offizielle Kanäle gemeldet, da die von Frontex entsandten Mitarbeiter Vergeltungsmaßnahmen der griechischen Behörden befürchteten…“ Meldung von georgbrzoska vom 28. Juli 2022 bei der griechenlandsolidarität externer Link, zu den Push backs siehe auch unser Dossier: Griechische Migrationspolitik (mit Syriza) – und Nachfolgern
  • Machbarkeitsstudie über die Schaffung eines unabhängigen Menschenrechtsmechanismus an den EU-Außengrenzen 
    PRO ASYL hat heute gemeinsam mit Politiker*innen verschiedener Parteien im Europäischen Parlament eine Studie vorgestellt, in der die Schaffung eines unabhängigen Überwachungsmechanismus des Grenzschutzes an den EU-Außengrenzen angeregt wird. Ziel ist es, die von Grenzschützern verübten Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten mithilfe eines neu zu schaffenden Konsortiums zu dokumentieren, um diese in einem nächsten Schritt ahnden zu können. „Der Rücktritt von Frontex-Chef Fabrice Leggeri vergangene Woche hat einmal mehr deutlich gemacht, wie viel beim Thema europäischer Grenzschutz im Argen liegt“, sagt Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL. „Wir zeigen heute Möglichkeiten auf, wie die externe Kontrolle des Grenzschutzes, die es bislang nicht gibt, aussehen müsste.“ Die Studie wurde herausgegeben und finanziert von PRO ASYL, dem Europarat, von politischen Fraktionen im Europäischen Parlament sowie von einzelnen Europa-Abgeordneten aus drei der sieben politischen Gruppen. Bei der Vorstellung war auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson anwesend…“ Pressemitteilung vom 4.5.2022 bei Pro Asyl externer Link zur engl. Studie externer Link , siehe auch:

    • »Wir brauchen einen gemeinsamen europäischen Rechtsschutz an den Grenzen«
      Geflüchtete werden in Ländern wie Griechenland und Kroatien häufig Opfer von rechtswidrigen Pushbacks. Heute wird eine von PRO ASYL mitherausgegebene Studie veröffentlicht, in der Wege für eine Kontrolle des Grenzschutzes an den EU-Außengrenzen vorgeschlagen werden. Markus Jaeger, Koordinator der Studie, erklärt, was dafür nötig ist.
      An Europas Außengrenzen werden durch Pushbacks systematisch die Menschenrechte verletzt; zahlreiche Berichte verdeutlichen das. Nur: Diese Menschenrechtsverletzungen werden kaum geahndet, die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen. Woran liegt das? Der erste Grund für die schlechte Behandlung von Schutzsuchenden und die Straflosigkeit liegt darin, dass die Opfer nicht wohlgelitten sind. Mit der Ausnahme von Menschen aus der Ukraine werden Flüchtlinge nicht gern gesehen in Europa. (…) Der zweite Grund für das rechtswidrige Verhalten von Grenzschützern ist ein Mangel an Überwachung. Es gibt derzeit keine von den Regierungen unabhängige, andauernde und funktionierende Kontrolle dessen, was an den EU-Außengrenzen geschieht. Das ist eine anormale und gefährliche Situation…“ Interview vom 04.05.2022 bei Pro Asyl externer Link
  • EU-Gericht angerufen: Klage gegen Frontex wegen Verwicklung in möglichen Pullback-Fall – Einschlägige Belege gibt die EU-Grenzschutzagentur nicht heraus 
    „… Die Rettungsorganisation Sea-Watch hat beim Gericht der EU in Luxemburg Klage gegen Frontex eingereicht. Sie will die Herausgabe von Informationen zu einem Fall erzwingen, bei dem die EU-Agentur an einem völkerrechtswidrigen Pullback auf dem Mittelmeer beteiligt gewesen sei, erklärte Sea-Watch am Donnerstag in Berlin. Dabei sollen Bootsflüchtlinge nach Libyen zurück gezwungen worden sein. Der Vorfall ereignete sich demnach am 30. Juli 2021 in der maltesischen Such- und Rettungszone. (AZ: T-205/22) Das Boot in Seenot mit rund 20 Menschen an Bord sei „durch die sogenannte libysche Küstenwache abgefangen und nach Libyen zurückgeschleppt“ worden, so die Organisation. Dabei hätte ihr eigenes Schiff „Sea-Watch 3“ die Menschen retten und gemäß dem Völkerrecht an einen sicheren Ort bringen können. Vor dem Abfangen sei eine Frontex-Drohne wiederholt nahe dem Seenotfall gewesen. Frontex habe die Herausgabe von Informationen dazu verweigert. (…) Die libyschen Internierungslager für Migranten sind laut den UN und Menschenrechtsorganisationen gefährlich. Die Menschen sind Misshandlung, Hunger, sexueller Gewalt und grauenhaften Lebensbedingungen ausgesetzt. Viele Flüchtlinge wagen die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer, um den Lagern zu entkommen. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bereits mehr als 600 Menschen auf dieser Fluchtroute gestorben. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weitaus höher.“ Meldung vom 28. April 2022 von und bei MiGAZIN externer Link
  • Zurückgedrängt, ausgesetzt, ins Wasser geworfen: Im vergangenen Jahr gab es in der Ägäis über 10 000 Pushbacks von Geflüchteten – Konsequenzen fehlen 
    „Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr: Menschen, die aus afrikanischen und arabischen Ländern versuchen, in der Europäischen Union Schutz zu suchen, werden regelmäßig und brutal davon abgehalten, Grenzen zu überqueren oder werden wieder zurück auf Territorien außerhalb der EU gedrängt. Obwohl das illegal ist, hat sich die Anzahl der dokumentierten Pushbacks im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 kaum verändert. »Wir gehen von über 10 000 Menschen aus, die von Griechenland zurückgedrängt wurden«, sagt Saskia Berger von Mare Liberum zu »nd«. Sie ist Mitautorin des am Donnerstag veröffentlichten Pushback Reports 2021. (…) »Der Zugang zu regulären Asylverfahren in Griechenland wird für Geflüchtete immer schwieriger«, sagt Berger. Außerdem werden Unterstützer*innen weiter kriminalisiert, vieles könne daher unbemerkt passieren. Bekannt wurde Mare Liberum dennoch, dass fast 5000 Menschen 2021 auf Rettungsinseln in türkischen Gewässern zurückgelassen wurden. Seit vergangenem Jahr werde außerdem verstärkt beobachtet, dass Menschen im Zuge von Pushbacks von griechischen Behörden in der Nähe der türkischen Küste einfach ins Wasser geworfen würden. (…) Laut Bericht werden die Geflüchteten bei fast allen Pushbacks von Griechenland in die Türkei von der griechischen Küstenwache, Polizei oder Militär ihrer Besitztümer, ihres Geldes, ihrer Papiere beraubt. Einige Zeug*innen berichten von sexuell übergriffigem Verhalten der Beamten sowie Gewalt bis hin zu Folter. (…) Die Organisation kritisiert, dass den ausführenden Organen der griechischen Küstenwache und Frontex keine realen Konsequenzen drohten. Statt Pushbacks zu verfolgen, wachse das Bestreben mehrere EU-Mitgliedsstaaten, Pushbacks zu legalisieren. Auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, warnte zuletzt davor, dass sich die illegale Zurückweisung von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen zu verfestigen drohe. »Letztlich sind sichere Fluchtwege die einzige Möglichkeit die Gewalt und das Sterben an den EU-Außengrenzen zu verhindern«, sagt Berger. Pushbacks dürften auf keinen Fall als legitimes Mittel des EU-Grenzschutzes akzeptiert werden. »Solange die EU keine wirklichen Anstrengungen unternimmt, diese Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, zu ahnden und zu verhindern, braucht Griechenland dringend einen unabhängigen Überwachungsmechanismus an seinen Grenzen«, sagt Berger.“ Artikel von Ulrike Wagener vom 21. April 2022 in Neues Deutschland online externer Link
  • Die Anstalt vom 1. Februar 2022: „Schnuppertag Grenzmanagement“ 
    Beim „Schnuppertag Grenzmanagement“ in der Frontex-Zentrale lernt das Anstaltsensemble, wie man zweifelhafte Machenschaften ins rechte Licht rückt…“ Siehe Video der Sendung und Einzelclips externer Link beim ZDF aund auch den Faktencheck zur Sendung vom 1. Februar 2022 externer Link
  • Frontex-Skandal: Europas Grenzen sind ein rechtsfreier Raum
    Der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex hat Menschenrechtsverstöße vertuscht. Trotzdem ziehen die EU-Staaten offenbar keine Konsequenzen – sie dulden damit den permanenten Rechtsbruch. Es gibt ganz offensichtlich zwei Arten, den aktuellen Bericht des EU-Parlaments über Europas Grenzschutzagentur Frontex zu lesen. Entweder so, wie fast alle Expertinnen und Experten, Journalistinnen und Journalisten, Juristinnen und Juristen, und überhaupt jeder, der über die Vorgänge in der Ägäis auch nur ein wenig Bescheid weiß. (…) Oder aber man interpretiert den Bericht so, wie Leggeri selbst. Dessen Agentur twitterte vergangenen Donnerstag: »Frontex heißt den Bericht der Prüfgruppe willkommen und dessen Schlussfolgerungen, die bekräftigen, dass es keine Beweise gibt, dass die Agentur in Menschenrechtsverstöße involviert ist.« Wenn es noch einen Beleg bedurfte, wie weit sich die Beamtinnen und Beamten in der Frontex-Zentrale in Warschau von der Wirklichkeit entfernt haben, wie sehr sie von dem Missmanagement und der Verantwortungslosigkeit, die dort um sich greifen, die Augen verschließen, dann hat ihn die Agentur mit ihrer Reaktion auf den Bericht des Europaparlaments selbst erbracht...“ Analyse von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 17.07.2021 beim Speiegl online externer Link, siehe auch:
  • Untersuchungsbericht des Europaparlaments: Frontex wusste von Menschenrechtsverletzungen – und tat nichts
    Monatelang haben EU-Parlamentarierinnen und Parlamentarier SPIEGEL-Enthüllungen zu illegalen Pushbacks von Flüchtlingen in der Ägäis untersucht. Der Bericht ist eine Abrechnung mit Frontex-Direktor Leggeri – er soll belastendes Material vernichtet haben. (…) Der Bericht der Arbeitsgruppe, den der SPIEGEL vorab einsehen konnte, liest sich wie eine Abrechnung mit Leggeri. Er zeichnet das Bild eines Direktors, der sich für die Einhaltung von Menschenrechten an den EU-Außengrenzen kaum interessiert und alles tut, um Verstöße zu vertuschen. Auf 17 Seiten listen die Abgeordneten seine Verfehlungen auf. Frontex habe öffentliche Berichte über Menschenrechtsverletzungen an den EU-Grenzen generell abgetan, heißt es im Report. Auch auf interne Informationen über mutmaßliche Rechtsbrüche habe die Agentur nicht angemessen reagiert. Leggeri ignoriere die Stellungnahmen und Anfragen seiner Grundrechtsbeauftragten und des sogenannten Konsultativforums. Diese sollen eigentlich dafür sorgen, dass die Agentur die Rechte von Asylsuchenden achtet…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 15.07.2021 beim Spiegel online externer Link
  • Griechenland: Push-Backs gegen Menschen auf der Flucht haben System 
    „Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt, wie Folter, Misshandlungen und rechtswidrige Push-Backs durch Grenzbeamt_innen die griechische Grenzpolitik prägen. Schutzsuchende werden sogar bis zu 700 Kilometer von der griechisch-türkischen Grenze entfernt aufgegriffen und in die Türkei abgeschoben. Amnesty International fordert zudem die EU-Grenzschutzagentur Frontex auf, ihre Operationen in Griechenland auszusetzen, da sie ihrer Pflicht nicht nachkommt, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. (…) Der englischsprachige Bericht „Greece: Violence, lies and pushbacks“ dokumentiert, wie die griechischen Behörden illegale Push-Backs an Land und auf See durchführen. Er konzentriert sich vor allem auf rechtswidrige Operationen der Grenzpolizei zwischen Juni und Dezember 2020 in der Region Evros und am gleichnamigen Fluss, der die griechisch-türkische Grenze bildet. Im Februar und März 2020 drängte Griechenland als Reaktion auf die einseitige Öffnung der Landgrenze durch die Türkei Schutzsuchende gewaltsam zurück. Die neue Untersuchung zeigt, dass weiterhin Menschenrechtsverletzungen begangen werden und zu einer fest verankerten Praxis geworden sind. (…) In den meisten Fällen lag bei den berichteten Gewalttaten ein Verstoß gegen das internationale Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung vor. Einige Vorfälle kamen aufgrund ihrer Schwere und der erniedrigenden oder strafenden Absicht auch Folter gleich. (…) Zudem adressiert Amnesty International Frontex. Vilmar sagt: „Die Grenzschutzagentur hat die Pflicht, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Wenn Frontex das nicht gelingt, müssen ihre Operationen in Griechenland beendet werden. Alle Menschen, mit denen wir gesprochen haben, wurden aus Gebieten zurückgedrängt, in denen Frontex eine große Anzahl von Mitarbeiter_innen hat. Die Agentur kann daher nicht behaupten, sie wisse nichts von den Misshandlungen, die wir und viele andere Organisationen dokumentiert haben.“…“ Pressemitteilung vom 23. Juni 2021 von und bei Amnesty Deutschland externer Link mit Link zum englischen Originalbericht, siehe auch:

    • „Erdrückende Beweislage“. EU-Abgeordneter fordert Konsequenzen aus Frontex-Untersuchung
      Das Ergebnis der Untersuchungen zu illegalen Pushbacks in der Ägäis ist nach Auffassung des Grünen-EU-Abgeordneten Marquardt eindeutig. Die Beweislage über systematische Menschenrechtsverletzungen sei erdrückend und Frontex sei Teil des Problems. (…) Hauptverantwortlich seien die griechischen Behörden, die Zufluchtsuchende zum Beispiel in türkische Gewässer zurückschleppten oder ohne Motor auf See zurückließen. Frontex habe etwa durch Aufklärungsflüge immer wieder daran mitgewirkt. Andererseits werde Frontex selbst von den Griechen zunehmend schlechter eingebunden. „Man versucht Frontex aus den konkreten Menschenrechtsverletzungen rauszuhalten, damit es weniger Nachweise über die Rechtsbrüche gibt.“ Marquardt führt das unter anderem darauf zurück, dass manche Bedienstete im Frontex-Hauptquartier in Warschau gegen solche Praktiken seien. „Sie haben uns auf diplomatische Weise gesagt, sie finden das schlimm.“ Und vor Ort in der Ägäis habe sich beispielsweise einmal ein dänisches Frontex-Schiff geweigert, für die Griechen einen Pushback durchzuführen. Insgesamt herrsche bei der Agentur jedoch eine „Kultur der Verschleierung“. Die meisten der 27 EU-Länder in ihrem Aufsichtsgremium seien zudem nicht an einer Änderung der Praktiken an der EU-Außengrenze interessiert…“ Beitrag von Phillipp Saure vom 24.06.2021 beim MIgazin externer Link
  • Klage gegen Frontex eingereicht. Nichtregierungsorganisationen klagen im Namen von Asylsuchenden 
    Drei Nichtregierungsorganisationen haben im Namen von zwei Asylbewerbern eine Klage wegen Menschenrechtsverletzungen gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Die Betroffenen, ein unbegleiteter Minderjähriger und eine Frau, seien auf der griechischen Insel Lesbos »gewaltsam zusammengetrieben, angegriffen, ausgeraubt, (…) kollektiv ausgewiesen und schließlich auf Flößen ohne Wasser, Nahrung oder Navigationsmöglichkeit auf dem Meer ausgesetzt worden«, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Organisationen am Dienstag. Die Betroffenen seien zudem bei ihrem Versuch, Asyl in der EU zu beantragen, Opfer weiterer sogenannter Pushbacks geworden, teilten die Organisationen Front-Lex, das Progress Lawyers Network sowie die griechische Gruppe der Menschenrechtsorganisation Helsinki Monitor mit…“ AFP-Meldung vom 26.05.2021 in ND online externer Link
  • Illegale Pushbacks vor griechischen Inseln: Wie Seehofer die Aufklärung im Frontex-Skandal behindert 
    Der deutsche Innenminister Horst Seehofer erschwert die Aufarbeitung der illegalen Pushbacks in der Ägäis. Das geht aus einer internen E-Mail des Innenministeriums an den Verwaltungsrat der europäischen Grenzschutzagentur Frontex hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. In dem Schreiben spricht sich Seehofers Haus dagegen aus, eine neue Arbeitsgruppe zu schaffen. Sie soll nach dem Willen einiger EU-Staaten und der Kommission weiter untersuchen, ob Frontex in Rechtsverstöße verwickelt ist. Das deutsche Innenministerium will das offensichtlich verhindern…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 17.04.2021 im Spiegel online externer Link, siehe dazu:

    • Thread von Erik Marquardt am 17.4.21 auf Twitter externer Link: „Mir wurde eine interne Mail zu den Menschenrechtsverletzungen bei #Frontex geleaked, die sehr belastend für Seehofer und das Bundesinnenministerium ist. Offensichtlich hat das Bundesinnenministerium den deutschen Bundestag belogen und versucht die Aufklärung zu behindern. In der Antwort auf eine grüne parlamentarische Anfrage behauptete die Bundesregierung Ende März selbst nicht für die Aufklärung der Menschenrechtsverstöße von Frontex zuständig zu sein, sich aber bei Frontex für eine Aufklärung einzusetzen. Doch nur 3 Tage später schreibt das Bundesinnenministerium eine interne Mail an den Verwaltungsrat von Frontex und erklärt die Untersuchungen für „finished“, obwohl es viele ungeklärte Fälle gibt. Das BMI versucht hier die Einsetzung einer Gruppe zur Aufklärung zu verhindern…“
  • Pushbacks in der Ägäis: Mehr als hundert Flüchtlingsboote bei Frontex-Einsätzen zurückgestoßen 
    Die griechische Küstenwache schleppt systematisch Geflüchtete aufs offene Meer zurück, Frontex hilft dabei. Eine interne Statistik der EU-Grenzschutzagentur verdeutlicht das Ausmaß der Rechtsbrüche. Bei Einsätzen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex in der Ägäis haben griechische Einsatzkräfte seit März vergangenen Jahres 132 Flüchtlingsboote »abgefangen«. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkenabgeordneten Ulla Jelpke hervor. Die Bundesregierung bezieht sich ihrerseits auf eine bislang nicht öffentliche Frontex-Statistik…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 10.04.2021 im Spiegel online externer Link
  • Frontex: Bundesregierung will Push-backs nicht selbst aufklären 
    „… Bundesregierung ist zwar ihr Dienstherr, will die Aufklärung aber Frontex überlassen. Seit Monaten gibt es Berichte, dass die griechische Küstenwache an der Grenze Migrantinnen und Migranten zurück in türkische Gewässer drängt, obwohl die Genfer Flüchtlingskonvention und das Europarecht das verbieten. (…) Nun hat ZEIT ONLINE erfahren, wie viele deutsche Polizistinnen an der Frontex-Operation Poseidon auf den griechischen Inseln beteiligt waren und sind: 359 im Jahre 2019, 382 im Jahr 2020, und im Jahr 2021 bisher 37 deutsche Polizisten. Ob einzelne oder mehrere dieser Beamten an möglichen Push-backs beteiligt waren oder solche Vorkommnisse beobachtet haben, ist nicht bekannt. Ihr Dienstherr, die deutsche Bundesregierung, übernimmt auch keine eigenen Anstrengungen, das herauszufinden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Luise Amtsberg hervor, die ZEIT ONLINE exklusiv vorliegt. (…) „Die Bundesregierung geht davon aus, dass alle an Frontex-Einsätzen Beteiligten sich an die Grund- und Menschenrechte sowie das Verbot des Non-Refoulement (Rückschiebung von potenziell Asylberechtigten, Anm. d. Red.) halten“, heißt es in dem Dokument. Bei möglichen Verstößen verlässt die Regierung sich darauf, dass Frontex sich selbst darum kümmert. „Frontex-Einsatzkräfte unterliegen den Meldeverpflichtungen, die sich aus den Operationsplänen ergeben“, schreibt die Regierung. „Darüber hinaus haben deutsche Einsatzkräfte jederzeit die Möglichkeit, etwaiges Fehlverhalten mitzuteilen.“ (…) Das Berichtssystem beruht allerdings auf der Kooperation und Gewissenhaftigkeit der Einsatzkräfte, die laut Bundesregierung dazu „angehalten“ sind, Zwischenfälle auch wirklich zu melden. Verfassen sie keinen Bericht über die Kollegen der jeweiligen Grenzpolizei und legt auch die betroffene Person keine Beschwerde ein, bleibt der Vorfall undokumentiert. Wie viele solcher SIPs 2019 und 2020 verfasst wurden, darüber liege der Bundesregierung keine Erkenntnis vor, teilt sie mit…“ Artikel von Lenz Jacobsen und Johanna Roth vom 3. April 2021 in der Zeit online externer Link
  • Wegen illegaler Pushbacks: EU-Parlament verweigert Bestätigung des Budgets von Frontex 
    „… Die europäische Grenzagentur Frontex soll griechische Pushbacks von Geflüchteten in der Ägäis geduldet und sogar vertuscht haben. Die Vorwürfe, die unter anderem durch SPIEGEL-Recherchen ans Licht kamen, arbeitet Frontex nur schleppend auf. Nun hat das Europaparlament gehandelt – und die Entlastung des 2019-Budgets von der Grenzagentur verweigert. Abgeordnete des Europaparlaments verweisen auf mehrere Verstöße von Frontex gegen die Menschenrechte – und auf das Versäumnis, diesbezüglich rechtzeitig 40 Grundrechtsbeobachter einzustellen. »Die Transparenz in der Agentur lässt zu wünschen übrig«, heißt es in der Mitteilung des Europaparlaments. »Frontex muss viel aufarbeiten, um Vertrauen wieder herzustellen«, sagte der grüne Europaabgeordnete Bas Eickhout aus den Niederlanden. (…) Die Grenzagentur gehört zu den größten Behörden in der EU, 2019 erhielt sie ein Budget in Höhe von 310 Millionen Euro. Für die kommenden Jahre ist eigentlich ein weiterer Anstieg der Summe geplant. Sollte es Frontex nicht gelingen, bis zum drittel Quartal dieses Jahres die Pushbacks im Sinne der Europaabgeordneten aufzuarbeiten, könnte die Versammlung die Billigung des Haushaltsplans für 2019 nachträglich in einem Entlastungsverfahren komplett ablehnen. So ein Fall war bisher nicht vorgekommen. Das Entlastungsverfahren ermöglicht es dem Europäischen Parlament und dem Rat, die EU-Kommission politisch für die Ausführung des EU-Haushalts verantwortlich zu machen. Das Parlament entscheidet auf Empfehlung des Rates, ob die endgültige Genehmigung der Kommission zur Ausführung des EU-Haushalts in einem bestimmten Jahr erteilt wird oder nicht. Wenn dies gewährt wird, führt dies zur formellen Schließung der Konten des Instituts für ein bestimmtes Jahr.“ Meldung vom 24. März 2021 beim Spiegel online externer Link
  • Skandal um griechische Pushbacks: Verwaltungsrat verweigert Frontex-Chef die Entlastung
    „Was wusste Frontex von den Pushbacks im Mittelmeer? Das Kontrollgremium der Agentur schreckt davor zurück, Rechtsverstöße klar zu benennen. Doch die Kritik an Frontex-Chef Leggeri ist harsch. (…) Am Freitag wird eine Arbeitsgruppe des Frontex-Verwaltungsrates ihren Untersuchungsbericht vorlegen. In dem Report, den der SPIEGEL gelesen hat, spricht der Verwaltungsrat Frontex ausdrücklich nicht von den Vorwürfen frei. Zugleich üben die Autoren harsche Kritik an den Strukturen der Organisation und an Leggeri selbst. (…) Aus dem Untersuchungsbericht geht nun hervor, dass Frontex die Pushbacks selbst detailliert dokumentiert hat. Interne Unterlagen zu den untersuchten Vorfällen zeigen, dass die griechische Küstenwache Flüchtlingsboote stoppt, mitunter in hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbeifährt, die zum Teil völlig überfüllten Boote Richtung Türkei schleppt und die Menschen dann auf dem Meer aussetzt. Der Bericht weist auch nach, dass die Frontex-Führung davon Kenntnis hat. Entsprechende Überwachungsbilder wurden live ins Hauptquartier der Agentur gestreamt. Die griechischen Behörden baten Frontex wiederholt darum, die Aktionen nicht aus der Luft zu beobachten. Wenn europäische Grenzbeamte im Frontex-Einsatz Rechtsverletzungen melden wollten, führte das innerhalb der Agentur zu Widerstand. Ein Frontex-Mitarbeiter versuchte, die Meldung einer schwedischen Crew zu erschweren. (…) Der Rat schreckt allerdings davor zurück, diese Rechtsverletzungen klar zu benennen. Im Bericht werden die Frontex-Informationen einem Sammelsurium von Ausreden der griechischen Regierung gegenübergestellt. (…) Erklären lässt sich diese merkwürdige Herangehensweise durch die Struktur der Arbeitsgruppe. Die Untersuchung war nicht unabhängig. Im Verwaltungsrat sind vor allem die EU-Mitgliedsstaaten vertreten, die den Großteil der Frontex-Grenzbeamten stellen. Der Arbeitsgruppe gehören Repräsentanten Deutschlands, Frankreichs, Griechenlands, Ungarns, Norwegens, Rumäniens, Schwedens, der Schweiz und der EU-Kommission an. Auch die griechische Regierung hat also an dem Report mitgeschrieben. Zu einem gewissen Grad ermittelte die Agentur gegen sich selbst…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 4. März 2021 beim Spiegel online externer Link
  • Vorwurf der Menschenrechtsverletzung: EU startet Untersuchung gegen Frontex 
    „… Die vom Innenausschuss eingesetzte Frontex-Prüfgruppe hat vier Monate Zeit, um Zeugen und Expertinnen zu befragen. Dann müssen die 14 Abgeordneten dem Parlament ihren Bericht über mögliches Fehlverhalten der EU-Grenzschützer vorlegen. Ein zentraler Punkt dabei sind die sogenannte Pushbacks in der Ägäis, das illegale Zurückdrängen von schutzsuchenden Menschen, erzählt Erik Marquardt. Er gehört für die Grünen der Untersuchungsgruppe an. (…) So teilt Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, auf Anfrage schriftlich mit: „Bereits jetzt ist für uns klar, dass Exekutivdirektor Leggeri seinen Posten räumen muss, nachdem er bei der Aufklärung der zahllosen und schwerwiegenden Vorwürfe ein verheerendes Verhalten gegenüber dem Parlament an den Tag gelegt hat. Die längst bekannten und schwerwiegenden Verwicklungen in Menschenrechtsverletzungen sollten dafür bereits genügen.“ Dazu kommen Berichte über einen möglichen Betrugsfall, massive Probleme der internen Verwaltung, Günstlingswirtschaft und Mobbing sowie verheimlichte Lobbytreffen mit der Rüstungsindustrie. Viele Parlamentarier würden deshalb gern die gesamte Führungsspitze der Grenzschutzagentur auf den Prüfstand stellen.“ Beitrag von Matthias Reiche vom 23. Februar 2021 bei tagesschau.de externer Link
  • Pushback-Skandal: Rechtsanwälte wollen Frontex-Chef Leggeri vor Gericht bringen 
    „… Ein Team von Anwälten möchte die europäische Grenzschutzagentur Frontex rechtlich dazu zwingen, sich aus der Mission in der Agäis zurückzuziehen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das der SPIEGEL einsehen konnte. Die Gruppe um die Rechtsanwälte Omer Shatz, Iftach Cohen und Anastasia Ntailiani erhebt in dem Schreiben schwere Vorwürfe gegen Frontex-Chef Fabrice Leggeri. »Frontex macht sich mitschuldig an der griechischen Politik, schutzbedürftige Migranten auf dem Meer auszusetzen«, sagt Shatz. Die illegalen Pushbacks in der Ägäis, die der SPIEGEL gemeinsam mit Recherchepartnern mehrfach dokumentiert hat, bezeichnet er als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«; es handele sich um illegale Ausweisungen, Folter und potenziellen Mord. (…) Leggeri ist nach Artikel 46 der Frontex-Regularien dazu verpflichtet, Missionen zu beenden, wenn er von schwerwiegenden und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen erfährt. Nach Ansicht von Shatz erfüllen die systematischen Pushbacks diese Definition. Er und seine Kolleginnen und Kollegen haben Leggeri nun schriftlich aufgefordert, die Mission in der Ägäis zu beenden. Falls er das nicht tut, wollen sie vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ziehen…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 15. Februar 2021 im Spiegel online externer Link
  • Flüchtlingsboote zurückgedrängt: Bericht über massive Menschenrechtsverletzungen in der Ägäis 
    „Schläge, Drohungen und Aussetzen auf dem Meer: Die Organisation mare liberum hat erschütternde Anschuldigungen zusammengetragen, wie schutzsuchende Menschen auf dem Weg in die EU von Sicherheitskräften behandelt worden sein sollen – auch ein Fall mit deutscher Beteiligung ist bekannt geworden. Die Menschenrechte von Flüchtlingen in der Ägäis werden einem Bericht zufolge systematisch verletzt. Im vergangenen Jahr sei eine massive Eskalation im Umgang mit den Menschen auf der Flucht zu verzeichnen gewesen, erklärte die Organisation Mare Liberum am Donnerstag in Berlin. Allein von März bis Dezember 2020 seien mehr als 9.700 Fliehende gewaltsam in die Türkei zurückgedrängt und damit ihres Rechts auf Asyl beraubt worden. Neben der griechischen Küstenwache sei die europäische Grenzschutzagentur Frontex hauptsächlich für die sogenannten Push-backs verantwortlich, heißt es in dem Bericht der Organisation, die im östlichen Mittelmeer den Umgang mit Flüchtenden beobachtet. Auch Schiffe unter Nato-Kommando hätten sich daran beteiligt. Mare Liberum gesteht ein, dass das Ermitteln der Vorfälle schwierig ist und es immer wieder voneinander abweichende Informationen gibt. „Die dem Bericht zugrundeliegenden Zahlen sind daher als Annäherung an die tatsächlichen Zahlen zu verstehen.“ Bei den von Mare Liberum dokumentierten erzwungenen Ausweisungen seien in einigen Fällen sogar Flüchtlinge zurückgedrängt worden, die bereits griechischen Boden erreicht hätten, heißt es in dem Bericht. Auch viele Kinder seien unter den Opfern dieses illegalen Vorgehens. In den meisten Fällen würden die Schlauchboote der Schutzsuchenden zerstört und Gewalt gegen die Menschen ausgeübt. „Diese Push-backs sind keine Einzel- oder Extremfälle europäischer Abschottung, sondern vielmehr der gegenwärtige und alltägliche ‚Modus Operandi‘ an einer EU-Außengrenze“, erklärte Paul Hanewinkel, einer der Autoren des Berichts. (…) Dem Bericht zufolge war auch die deutsche Bundespolizei an einem Push-back im August beteiligt. Angehörige der Bundespolizei hätten ein überfülltes Schlauchboot gestoppt und die Menschen nicht gerettet. Stattdessen hätten sie das Boot an die griechischen Behörden übergeben, die die 40 Menschen an Bord anscheinend in die Türkei zurückgedrängt hätten…“ Beitrag vom 12. Februar 2021 bei MiGAZIN externer Link
  • Der Frontex-Skandal: Menschenrechtsverstöße an Europas Grenzen [Frontex-Beamter berichtet]
    „Wie tief ist die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Frontex, in illegale Zurückweisungen schiffbrüchiger Geflüchteter verstrickt? Insider behaupten, dass die EU-Grenzschutzagentur Berichte über sogenannte Pushbacks verschleppe. Außerdem lasse Frontex die griechische Küstenwache gewähren, wenn diese Flüchtlingsboote wieder auf das offene Meer schleppe, anstatt die Menschen zu retten. „Ich schäme mich, Teil des Systems zu sein, das Menschen entrechtet, statt Recht durchzusetzen“, sagt ein deutscher Frontex-Beamter.“ Video des Beitrags von Ulrich Stoll und Lina Verschwele externer Link (7 min, Video verfügbar bis 11.02.2022) in der Sendung Frontal 21 vom 09.02.2021, siehe dazu:

    • Ein deutscher Bundespolizist beschreibt, wie die BPol sich in der Ägäis verhält. Illegale Push-Backs seien notwendig und werden verharmlost: Gerettete würden ja nicht sagen, dass sie Asyl suchen. Also schaut auch die deutsche Bundespolizei bewusst weg…“ Thread von Julian Pahlke vom 9.2.21 externer Link
  • Frontex außer Kontrolle – Illegale Pushbacks von Flüchtlingen konnten bislang nicht gestoppt werden. Das liegt auch an der mangelnden Kontrolle der Grenzschutzagentur
    „Seit geraumer Zeit mehren sich die Vorwürfe über mögliches Fehlverhalten der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Im Zentrum der Kritik stehen vor allem die völkerrechtswidrigen Pushbacks (Wo bleibt die Luftbrücke für gestrandete Flüchtlinge?). Angesichts der neusten Berichte erscheint eine strengere Kontrolle über die Aktivitäten von Frontex unabdingbar. Im Schatten der Corona-Pandemie gehen die Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen ungehindert weiter. An die stetigen Berichte über das herrschende Elend in Flüchtlingscamps, etwa in Bosnien oder Griechenland, scheint man sich ohnehin längst gewöhnt zu haben. Bei vielen scheint das bereits zu einer gewissen Gleichgültigkeit geführt zu haben. Doch systematische Menschenrechtsverletzungen, die mittlerweile zum Alltag an den europäischen Außengrenzen gehören, sollten uns alle etwas angehen (Keine Waffen für Frontex). (…) Die Zahl der illegalen Pushbacks hat laut Mitarbeitern des UN-Flüchtlingshilfswerks in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Problematisch ist diese rechtswidrige Praxis, weil nach dem völkerrechtlichen Prinzip der Nichtzurückweisung (Non-Refoulment) jeder Mensch das Recht hat, in einem anderen Staat Zuflucht vor Menschenrechtsverletzungen zu finden, indem ein Asylantrag gestellt werden kann. (…) Neben den Vorwürfen über Pushbacks stehen auch die Ermittlungen der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF gegen Frontex wegen Belästigung und Fehlverhalten im Raum. In dieser Gemengelage scheinen sich die Vorbehalte gegenüber Frontex nur zu verstärken. (…) Kritische Beobachter fordern daher schon seit geraumer Zeit mehr Aufklärung und Kontrolle von unabhängigen Instanzen. Diesbezüglich könnte die Einbindung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Europäischen Parlament in die Kontrolle der Aktivitäten von Frontex ein geeignetes Mittel sein, um eine wirksame parlamentarische und demokratische Kontrolle herzustellen. Gleichzeitig dürfen die bestehenden Kontrollmechanismen, wie etwa das Amt der Grundrechtebeauftragten nicht weiter außer Acht gelassen werden. (…) Viele Abgeordneten pochen auf eine dauerhafte Überwachung der Arbeit von Frontex, die zukünftigen Verstößen gegen Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit vorbeugen soll.“ Beitrag von Katharina Sophie Hübener vom 7. Februar 2021 bei Telepolis externer Link – siehe auch:

    • PRO ASYL zum Frontexskandal: Totalabriss statt Personaltausch nötig
      „Die EU-Kommission und die Innenminister*innen der EU-Staaten sind mitverantwortlich. PRO ASYL warnt vor zu kurz greifenden Maßnahmen nach dem Frontexskandal. Fundamentale Grundsätze von rechtsstaatlichem Handeln wurden von einer EU-Agentur systematisch missachtet. „Die Agentur ist eine Persiflage einer rechtsstaatlichen Polizei. Wir fordern einen Totalabriss. In der Europäischen Union darf es keinen Staat im Staat geben, der unkontrolliert die Grenzen zur Illegalität überschreiten kann. Der Austausch einer Person an der Spitze wäre ein Alibihandeln. Mit der Architektur von Frontex wurde ein rechtsfreies Handeln an der EU-Grenze ermöglicht. Auch das Versagen der EU-Kommission und der Innenminsterien der EU-Länder muss aufgeklärt werden. Sie kennen seit Jahren die illegalen Praktiken, nicht nur der Pushbacks zu Land und zur See, ohne zu handeln. Wer Frontex Personal zur Verfügung gestellt hat, ist mitverantwortlich“, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.“ Pressemiteilung von Pro Asyl vom 6. Februar 2021 externer Link
    • Frontex Files: Der militärisch-grenzpolizeiliche Komplex
  • Illegale Push-Backs: Frontex-Rückzug aus Ungarn war überfällig 
    Amnesty dokumentiert in den vergangenen Jahren immer wieder rechtswidrige Push-Backs von Schutzsuchenden externer Link an den EU-Außengrenzen. Die Grenzschutzagentur Frontex muss Menschenrechte, insbesondere die Einhaltung des Flüchtlingsrechts, wahren und endlich Transparenz herstellen. Auch die nationalen Parlamente stehen in der Pflicht. (…) Die Tatsache, dass Frontex die Tätigkeit in Ungarn einstellt, nachdem das Land weiterhin Schutzsuchende nach Serbien abschiebt, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „Angesichts der anhaltenden Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an der griechisch-türkischen und an der bosnisch-kroatischen Grenze, muss Frontex die Situation überprüfen und gegebenenfalls seine Operationen aussetzen oder beenden. So sieht es das EU-Recht vor.“ Beamtinnen und Beamte von Frontex machen sich auch dann an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig, wenn illegale Push-Backs durch andere Grenzbehörden unterstützt oder nicht gemeldet werden…“ ai-Pressemitteilung vom 29. Januar 2021 externer Link
  • Illegale Pushbacks: Frontex-Chef Leggeri behindert offenbar Ermittlungen 
    „Europas oberster Grenzschützer Fabrice Leggeri muss um sein Amt fürchten. Der Frontex-Verwaltungsrat prangert in einem internen Bericht Leggeris Informationspolitik in der Pushback-Affäre an. Europaparlamentarier fordern seinen Rücktritt. Der Frontex-Verwaltungsrat wirft Fabrice Leggeri, dem Chef der europäischen Grenzagentur Frontex, indirekt vor, die Untersuchung von Pushback-Vorwürfen zu verschleppen. Das geht aus einem internen Bericht einer Arbeitsgruppe hervor, der derzeit bei einer Sitzung des Verwaltungsrates besprochen wird und den der SPIEGEL einsehen konnte. Frontex habe Informationen »trotz wiederholter Anfragen« erst sehr spät geliefert, heißt es in dem 40-seitigen Bericht. Auch deshalb dauert die Untersuchung der Vorwürfe nun offenbar deutlich länger als geplant. Der Frontex-Verwaltungsrat hat die Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Verwicklung von Frontex-Grenzschützern in illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen, sogenannte Pushbacks, zu untersuchen. Im Rat sind die Staaten des Schengenraums vertreten, Frontex-Chef Leggeri ist ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. (…) In vielen Fällen verlässt sich die Arbeitsgruppe nun auf die wenig glaubwürdigen Ausflüchte der griechischen Küstenwache und die wenig detaillierten Informationen von Frontex selbst. So ist unter anderem davon die Rede, dass Flüchtlingsboote angeblich freiwillig abgedreht hätten, bevor sie griechische Gewässer erreichten. Angesichts der Bilder und Zeugenaussagen, die belegen, wie griechische Grenzschützer die Motoren von Flüchtlingsbooten zerstören und sie zurück in türkische Gewässer schleppen, scheint diese Argumentation fragwürdig. (…) Auch bei der Untersuchung eines Pushbacks am 8. Juni gibt sich die Arbeitsgruppe mit den lückenhaften Informationen von Frontex selbst zufrieden. (…) Den Pushback am 10. August, bei dem die Bundespolizei ein überfülltes Schlauchboot mit rund 40 Menschen an Bord stoppte und der griechischen Küstenwache übergab, tut die Arbeitsgruppe ebenfalls ab. (…) Derzeit laufen unter den Parlamentariern Gespräche zu dem Thema. »EU-Gelder müssen in Übereinstimmung mit den Werten der EU ausgegeben werden«, sagt der EU-Abgeordnete Bas Eickhout. Das sei bei Frontex derzeit nicht der Fall. Hinter den Kulissen sondieren Linke, Grüne, Sozialdemokraten und Liberale zudem, ob sie einen Untersuchungsausschuss oder eine parlamentarische Arbeitsgruppe einberufen können, die den Vorwürfen zügig nachgeht. Ein Großteil der Abgeordneten hat inzwischen das Gefühl, dass die stark wachsende Agentur außer Kontrolle geraten ist und der Frontex-Chef ihnen die Wahrheit verschweigt. »Herrn Leggeri bleiben zwei Optionen«, sagte die Linkenabgeordnete Sira Rego am Dienstag im EU-Parlament. »Entweder er tritt zurück oder wir schmeißen ihn raus.«“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 21. Januar 2021 beim Spiegel online externer Link
  • Frontex-Skandal: Antibetrugsbehörde ermittelt gegen EU-Grenzschutzagentur
    „Recherchen des SPIEGEL zeigen, dass Frontex in illegale Pushbacks verwickelt ist – und Direktor Fabrice Leggeri die Verbrechen vertuscht. (…) Die EU-Behörde für Betrugsbekämpfung Olaf ermittelt gegen Frontex. (…) Nach SPIEGEL-Informationen wurden Anfang Dezember Frontex-Büros in Warschau durchsucht, darunter offenbar auch das Büro von Leggeri selbst. »Die Sache geht bis ganz nach oben«, sagt eine Person, die mit dem Vorgang vertraut ist, dem SPIEGEL. Nach Angaben von »Politico«, das sich auf vier anonyme EU-Beamte beruft, geht es bei der Untersuchung um mutmaßliche »Belästigung und Fehlverhalten auf höchster Ebene« sowie illegale Pushbacks, die der SPIEGEL im Oktober enthüllte. (…) Der SPIEGEL hatte gemeinsam mit den Medienorganisationen Lighthouse Reports, Bellingcat, dem ARD-Magazin »Report Mainz« und dem japanischen Fernsehsender tv Asahi enthüllt, dass Frontex in der Ägäis in sogenannte Pushbacks verwickelt ist. Die Europäischen Grenzbeamten, darunter auch deutsche Bundespolizisten, stoppen dort Flüchtlingsboote, bevor sie die griechischen Inseln erreichen können und übergeben sie an die griechische Küstenwache. Die griechischen Grenzschützer setzen die Geflüchteten anschließend regelmäßig auf dem Meer aus. (…) Sozialdemokraten und Linke im Europaparlament fordern Leggeris Rücktritt, die Grünen setzen sich für einen Untersuchungsausschuss ein, auch EU-Kommissarin Ylva Johansson macht Druck auf Leggeri. Neben Olaf und dem Frontex-Verwaltungsrat befasst sich auch die Ombudsfrau der EU mit den Vorwürfen. Ihre Untersuchung soll unter anderem klären, ob die internen Kontrollmechanismen bei Frontex ausreichend funktionieren. Am Mittwoch soll Leggeri zudem vor dem Innenausschuss des Bundestags aussagen.“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 11. Januar 2021 beim Spiegel online externer Link  siehe auch:
  • Der FRONTEX- Skandal: Direktor von Frontex im Innen- und Menschenrechtsausschuss des Bundestages – PRO ASYL fordert Abzug der deutschen Einsatzkräfte. Frontex muss auf den Prüfstand!
    „„Die Beweislage gegen den Frontex-Direktor Fabrice Leggeri und seine Agentur ist erdrückend. Frontex ist direkt und indirekt an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Der überfällige Rücktritt Leggeris reicht schon längst nicht mehr aus, Frontex muss insgesamt auf den Prüfstand“, kommentiert Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung von PRO ASYL die für heute angesetzte Befragung Leggeris im Innen- und Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundetags. Die Grenzschutzagentur ist an den EU-Außengrenzen Komplizin bei schweren Menschenrechtsverletzungen. Die interne Kontrolle der Agentur funktioniert nicht – und eine externe, unabhängige Instanz existiert nicht. „Deutschland ist an den Frontex-Einsätzen beteiligt, dementsprechend ist es an der Bundesregierung, endlich zu umfassender Aufklärung beizutragen“, so Kopp im Hinblick auf Berichte, die die Beteiligung der Bundespolizei an völkerrechtswidrigen Zurückweisungen – sogenannten Push-Backs – von Flüchtlingen in der Ägäis belegen. (…) PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf: 1.   das deutsche Kontingent mitsamt technischer Ausrüstung aus Frontex-Einsätzen abzuziehen, 2.   die Vorwürfe gegen deutsche Beamt*innen lückenlos aufzuklären, 3.   von Artikel 46, Absatz 2, der Frontex-Verordnung Gebrauch zu machen und als an der Operation teilnehmender Mitgliedstaat angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen „den Exekutivdirektor (zu) ersuchen, die operative Tätigkeit zu beenden.“ PM vom 13.01.2021 externer Link
  • Frontex-Skandal: Seehofer deckte offenbar griechische Verbrechen 
    Griechische Grenzschützer setzen Flüchtlinge systematisch auf dem Meer aus. Ein internes Dokument legt nun nahe, dass Innenminister Horst Seehofer einen Rechtsbruch kaschierte. SPD-Vize Kühnert stellt ihm ein Ultimatum. (…) Bis heute haben die Bundespolizei und das Innenministerium nicht auf die Fragen des SPIEGEL geantwortet. Dabei finden sich die Antworten auf diese Fragen seit Wochen im Intranet der Bundespolizei, also in einem nur für Mitarbeiter zugänglichen Netzwerk. Anhand der elf SPIEGEL-Fragen legte die Bundespolizei-Führung ihre Sicht der Dinge ausführlich dar – noch am Tag der Veröffentlichung des Berichts. Die Fragen waren also längst beantwortet, nur abgeschickt wurden sie nie. Das Innenministerium erklärt das inzwischen auf Anfrage mit einem »Büroversehen«. (…) Sollten die Aussagen der Deutschen zutreffen, und davon ist auszugehen, bleibt keine andere vernünftige Erklärung als ein illegaler Pushback der griechischen Küstenwache. Horst Seehofer muss sich deshalb die Frage gefallen lassen, warum sein Haus die Verbrechen der griechischen Behörden deckt. Statt aufzuklären, führt er die Öffentlichkeit offenbar in die Irre. So fügt Seehofer sich in das System des Schweigens. Seit Juni hat SPIEGEL in gemeinsamen Recherchen mit der Medienorganisation Lighthouse Reports und »Report Mainz« genau dokumentiert externer Link, wie die griechischen Pushbacks ablaufen (…) Auch Frontex-Einheiten stoppen immer wieder Flüchtlingsboote und übergeben sie anschließend an die griechische Küstenwache. Seit Anfang März wird das so gehandhabt. Die Frontex-Einheiten, darunter deutsche Bundespolizisten, unterstehen in der Ägäis der griechischen Küstenwache. Sie werden so zu Gehilfen der Griechen, die bei ihren illegalen Praktiken nicht mal besonders verdeckt vorgehen. »Das Innenministerium scheint sich zum Komplizen der Griechen zu machen«, sagt der menschenrechtspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Frank Schwabe. »Dazu müssen sowohl Frontex als auch Innenminister Seehofer dem Bundestag Rede und Antwort stehen.« (…) Mit seiner Salamitaktik bei der Preisgabe von Informationen werde der Innenminister auch der Fürsorgepflicht gegenüber seinen eigenen Beamten nicht gerecht, mahnt Kühnert. »Wir müssen davon ausgehen, dass Seehofer die Regelverstöße der griechischen Küstenwache deckt, weil sie ihm politisch in den Kram passen. Alles daran wäre inakzeptabel.« Neben Seehofer gerät auch Frontex-Chef Fabrice Leggeri durch die Beobachtungen der deutschen Polizisten in Erklärungsnot…“ Artikel von Giorgos Christides, Jürgen Dahlkamp, Matthias Gebauer, Heiner Hoffmann, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 22.12.2020 im Spiegel online externer Link
  • Pushback-Vorwürfe: Frontex-Chef Leggeri sagte dem EU-Parlament die Unwahrheit 
    „Der Chef der europäischen Grenzmission gerät wegen der Verwicklung seiner Mitarbeiter in illegale Pushbacks unter Druck. Nun stellt sich heraus: Er hat sich vor dem EU-Parlament mit einer Falschaussage verteidigt. Als Frontex-Chef Fabrice Leggeri am Dienstag per Videokonferenz zum Innenausschuss des Europaparlaments sprach, wollten die Parlamentarier vor allem eines wissen: Waren Frontex-Einheiten tatsächlich in illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen durch griechische Grenzer verwickelt? So hatte es der SPIEGEL in einer gemeinsamen Recherche mit »Report Mainz«, Lighthouse Reports, Bellingcat und tv Asahi berichtet. Leggeri ergriff zweimal das Wort. Er wich aus, lenkte ab, minutenlang. (…) Nur auf einen Vorwurf ging Leggeri konkreter ein. Es geht um einen Überwachungsflug des Flugzeuges »G-WKTH«, das für Frontex über der Ägäis patrouilliert. (…) Die Frage steht im Raum: Was hat das Überwachungsflugzeug im Auftrag von Frontex von diesem illegalen Pushback mitbekommen? Leggeris selbstsichere Antwort im Parlament erstaunte so manchen Europaabgeordneten: »Tatsächlich gab es in dieser Nacht keinen Frontex-Flug. Das war vorher.« Es war das einzige Mal in der Sitzung, dass Leggeri die Berichte des SPIEGEL und seiner Recherchepartner klar zurückwies. Sein Satz fand sich später auch in Medienberichten über die Anhörung wieder. Keine 48 Stunden nach der Sitzung ist klar, dass Leggeri nicht die Wahrheit gesagt hat. Entweder hat der Frontex-Chef das Europaparlament bewusst belogen oder es aufgrund eines schwer erklärbaren Fehlers in die Irre geführt. Denn das Flugzeug flog nachweislich in der Nacht über dem griechisch-türkischen Grenzgebiet in der Ägäis. Frontex selbst kommt zu diesem Ergebnis – in einem internen Bericht an den eigenen Verwaltungsrat, der dem SPIEGEL vorliegt. (…) Sozialdemokraten und Linke im Europaparlament verlangen inzwischen Leggeris Rücktritt beziehungsweise seine Entlassung…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 3. Dezember 2020 beim Spiegel online externer Link
  • FragDenStaat: Frontex zieht gegen uns vor Gericht 
    „Die EU-Grenzpolizei Frontex ist in Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen verwickelt. Jetzt will sie diejenigen zum Schweigen bringen, die ihre Machenschaften aufdecken. Seit vielen Jahren kämpfen wir dafür, dass die EU-Grenzpolizei Frontex transparenter wird und öffentlich kontrolliert wird. Wir haben bisher über 1.000 interne Dokumente von Frontex veröffentlicht. Einige davon belegen die Verwicklungen der Behörde in Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen. Frontex steht derzeit in der öffentlichen Kritik, weil ihre Beteiligung an illegalen Pushbacks in Griechenland sowie Vertuschungen durch die Behörde bekanntgeworden sind. Als Reaktion auf die schwerwiegenden Anschuldigungen hat sich die EU-Agentur nun entschlossen, gegen diejenigen vorzugehen, die Kontrolle einfordern: Sie zieht gegen uns vor Gericht. Nachdem wir im vergangenen Jahr eine Auskunftsklage gegen Frontex vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg verloren haben, will die intransparenteste Behörde der EU mit Rechnungen in schwindelerregender Höhe sichergehen, dass wir sie nie mehr verklagen. (…) Bis auf weiteres können wir keine weiteren Details im Zusammenhang mit dem Fall preisgeben, da sie auf EU-Ebene während laufender Verfahren geheimgehalten werden müssen. Bereits im Januar, als uns Frontex erstmals eine Rechnung schickte, begründete die Agentur ihre überhöhten Anwaltskosten mit der Beauftragung von teuren Privatanwälten. Frontex, die mit einem Milliardenbudget ausgestattet und damit die am besten ausgestattete EU-Agentur ist, verfügt über eine gut ausgestattete interne Rechtsabteilung. Es ist auf EU-Ebene sehr ungewöhnlich, bei Auskunftsklagen private Anwälte zu beauftragen und diese Kosten dann von zivilgesellschaftlichen Organisationen einzufordern. Anders als in Deutschland und anderen EU-Staaten gibt es auf EU-Ebene keine gesetzliche Deckelung von Gerichtskosten. (…) Sollte Frontex mit dieser Einschüchterungstaktik Erfolg haben, können sich künftig nur noch Unternehmen und reiche Personen Klagen gegen EU-Behörden leisten – die kritische Zivilgesellschaft, Journalist:innen und Aktivist:innen bleiben außen vor…“ Meldung von Arne Semsrott vom 2. Dezember 2020 bei ‚FragDenStaat‘ externer Link mit Bitte um Unterstützung durch Spende
  • Beteiligung von Frontex und deutschen Einsatzkräften an Pushbacks muss Konsequenzen haben / Bundespolizei an illegaler Zurückdrängung von Migranten in Ägäis beteiligt 
    • Beteiligung von Frontex und deutschen Einsatzkräften an Pushbacks muss Konsequenzen haben
      Indirekte und direkte Beteiligung an Pushbacks: Der EU-Grenzschutzagentur Frontex wurden zuletzt mehrere Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen. Ihr Direktor hat dies bis zuletzt abgestritten. Jetzt stellt sich heraus: Auch Beamt*innen der deutschen Bundespolizei waren an der illegalen Zurückweisung von Schutzsuchenden in der Ägäis beteiligt. Am 26.11.2020 veröffentlicht ein journalistisches Recherchekollektiv den entscheidenden Ausschnitt aus einem sogenannten Serious Incident Report externer Link über einen Pushback im April dieses Jahres. Aus diesem wird deutlich, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex Zeugin von einem Pushback in der Ägäis durch die griechische Küstenwache geworden ist und dieser dem »Frontex Situation Centre« in Warschau ordnungsgemäß berichtet wurde. Wiederholt hatten Vertreter*innen der Agentur, allen voran ihr Direktor Fabrice Leggeri genau dieses Wissen abgestritten externer Link. (…) Nun belegen Berichte die Beteiligung der Bundespolizei externer Link, die im Rahmen der Frontex-Mission in der Ägäis eingesetzt ist. Am 10. August 2020 hält das Schiff »Uckermark« ein überfülltes Boot von Schutzsuchenden in griechischen Gewässern an. Doch anstatt diese aus Seenot zu retten und nach Griechenland zu bringen, warten die deutschen Beamt*innen auf die griechische Küstenwache, die sich des Falls annimmt. Die Schutzsuchenden werden zwei Stunden später in türkischen Gewässern durch die türkische Küstenwache gerettet. Artikel 46, Absatz 4, der Frontex-Verordnung sieht vor, dass der Exekutivdirektor jedwede Tätigkeit der Agentur aussetzen und beenden kann, wenn »im Zusammenhang mit der betreffenden Tätigkeit schwerwiegende oder voraussichtlich weiter anhaltende Verstöße gegen Grundrechte oder Verpflichtungen des internationalen Schutzes vorliegen«. Die Bundesregierung muss hier den Stein ins Rollen bringen und das deutsche Kontingent mitsamt technischer Ausrüstung aus dem Einsatz zurückziehen, die Vorwürfe gegen deutsche Beamt*innen aufarbeiten, weitere Einsätze deutscher Beamt*innen in Frontex-Operationen überprüfen. Wie in Artikel 46, Absatz 2, der Frontex-Verordnung festgeschrieben als an der Operation teilnehmender Mitgliedstaat, »den Exekutivdirektor ersuchen, die operative Tätigkeit zu beenden.«…“ Meldung vom 1.12.2020 bei Pro Asyl externer Link, siehe auch:
    • Horch und Push: Bundespolizei an illegaler Zurückdrängung von Migranten in Ägäis beteiligt, Truppe soll künftig im Inland Telekommunikation bespitzeln dürfen
      „Die Bundespolizei steht im Verdacht, der illegalen Zurückdrängung eines Flüchtlingsbootes durch die griechische Küstenwache Vorschub geleistet zu haben. Über diesen sogenannten Pushback aus griechischen Hoheitsgewässern hatte am Wochenende zuerst das Magazin Spiegel unter Verweis auf ein Schreiben des Chefs der EU-»Grenzschutzagentur« Frontex, Fabrice Leggeri, an die EU-Kommission berichtet. Demnach hatte das im Rahmen der Frontex-Mission »Poseidon« operierende Patrouillenboot »Uckermark« der Bundespolizei am 10. August ein überfülltes Schlauchboot mit 40 Migranten so lange blockiert, bis ein Schiff der griechischen Küstenwache eingetroffen war. (…) Selbst innerhalb der Regierungskoalition wächst das Unbehagen über den Frontex-Einsatz. »Deutsche dürfen sich auf keinen Fall an Pushbacks beteiligen, auch nicht indirekt. Und wenn Frontex das nicht sicherstellen kann, muss das deutsche Kontingent zurückgezogen werden«, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, gegenüber dem Spiegel. Er fordert den Rückzug der Bundespolizei aus der Ägäis. Während das Agieren der Bundespolizei an den europäischen Außengrenzen in der Kritik steht, soll die Polizeitruppe im Inland mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden. Die Regierungskoalition hat sich nach Informationen der FAZ vom Montag auf Eckpunkte für ein neues Bundespolizeigesetz geeinigt. So soll der Bundespolizei die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung zum Mitlesen von Nachrichten in verschlüsselten Chatdiensten erlaubt werden. Zukünftig sollen die Beamten zudem die Strafverfolgung bei »unerlaubtem Aufenthalt« selbst übernehmen, Platzverweise erteilen und Blutproben entnehmen können. Bislang musste sie dafür die Landespolizeibehörden einschalten…“ Artikel von Ulla Jelpke in der jungen Welt vom 1. Dezember 2020 externer Link – siehe aktuell unser Dossier zum Bundespolizeigesetz
  • Frontex-Skandal: Deutsche Bundespolizisten in illegalen Pushback verwickelt / Petition und Offener Brief: Umgehender Abzug deutscher Bundespolizisten aus Frontex-Einsätzen! Sofortige Abschaffung von Frontex 
    • Frontex-Skandal: Deutsche Bundespolizisten in illegalen Pushback verwickelt
      Griechische Grenzschützer haben Flüchtlinge auf dem Meer ausgesetzt – und deutsche Bundespolizisten dabei geholfen. Die SPD fordert nun den Rückzug der deutschen Frontex-Einsatzkräfte. Für Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist die Sache eindeutig: Griechische Sicherheitskräfte verteidigten an der Grenze zur Türkei die »Integrität Europas«, sagte er vor wenigen Monaten im Bundestag. Und deutsche Bundespolizisten sollten sie im Rahmen der Mission der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex dabei unterstützen. (…) Jetzt zeigt ein internes Schreiben von Frontex-Chef Fabrice Leggeri an die EU-Kommission, dass auch deutsche Beamte in mindestens einem Fall in diese illegale Praxis verstrickt waren. In dem Dokument, das der SPIEGEL und »Report Mainz« einsehen konnten, ist ein Einsatz vom 10. August detailliert nachgezeichnet (…) Die Bundespolizisten mussten gewusst haben, dass hier Unrecht geschah. Jedenfalls schickten sie kurz nach dem Einsatz eine E-Mail an das Maritime Koordinierungszentrum in Piräus, verantwortlich für die Einheiten auf dem Meer. Die Deutschen wollten wissen, was mit den Flüchtlingen passiert sei. (…) Was solche »Grenzschutzmaßnahmen« bedeuten, können Hunderte Flüchtlinge aus eigenem Erleben berichten, es ist in zahlreichen Videos dokumentiert: Die griechische Küstenwache beschädigt oft den Außenbordmotor der Schlauchboote, um die Schiffe manövrierunfähig zu machen. Dann werden die Migranten mit gefährlichen Manövern Richtung Türkei zurückgedrängt. Teils werden die Boote mit Seilen gezogen, die Flüchtlinge mit Waffen bedroht, nicht selten fallen Schüsse. (…) Doch die deutsche Besatzung der BP62 hat die Flüchtlinge weder gerettet, noch ein Asylverfahren sichergestellt. Sie haben das Schlauchboot an die Griechen übergeben. Dabei ist Beobachtern seit Monaten klar, dass in der Ägäis systematisch Pushbacks stattfinden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex selbst hat mehrere solcher Vorfälle eindeutig dokumentiert, wie SPIEGEL und »Report Mainz« berichteten. Doch für den 10. August haben die deutschen Frontex-Beamten nicht einmal einen »Serious Incident Report« angefertigt, wie bei mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen vorgeschrieben. (…) Die Bundespolizei bringt das in Bedrängnis. Jedes Flüchtlingsboot, das sie den griechischen Behörden melden, droht auf das offene Meer zurückgeschleppt zu werden. Die deutschen Grenzschützer könnten sich womöglich sogar nach internationalem Recht mitschuldig machen, sagt die Völkerrechtsexpertin Nora Markard: »Die Bundespolizisten haben womöglich Beihilfe zur Menschenrechtsverletzung geleistet.«…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 28.11.2020 beim Spiegel online externer Link
    • Petition und Offener Brief: Umgehender Abzug deutscher Bundespolizisten aus Frontex-Einsätzen! Sofortige Abschaffung von Frontex
      Petition – und dort neu ein Offener Brief – von Ursula Mathern bei change.org externer Link
  • Neue Vorwürfe gegen EU-Grenzschützer: Frontex vertuscht Menschenrechtsverletzungen 
    „Frontex-Chef Leggeri muss sich für die Verstrickung seiner Beamten in illegale Pushbacks in der Ägäis rechtfertigen. Interne Unterlagen zeigen nun, dass die EU-Agentur Verbrechen verschleiert hat. (…) Der SPIEGEL hatte berichtet, dass Frontex seit April bei mindestens sechs sogenannten Pushbacks in der Nähe und in mindestens einen selbst verwickelt war. Griechische Grenzschützer hatten Bootsflüchtlinge abgefangen und gewaltsam in türkische Gewässer zurückgezogen, so hatte es eine gemeinsame Recherche mit den Medienplattformen Lighthouse Reports, Bellingcat, dem ARD-Magazin »Report Mainz« und dem japanischen Fernsehsender tv Asahi ergeben. (…) Der Frontex-Chef bestreitet nicht nur die Beteiligung seiner Beamten an den Pushbacks, er deckt auch die Verbrechen der griechischen Küstenwache in der Ägäis. Die griechischen Behörden hätten seine Zweifel ausgeräumt, sagte Leggeri Ende Oktober in einem Interview, eine Woche nach den Enthüllungen des SPIEGEL. Und das, obwohl seine eigene Agentur in mindestens fünf Fällen von den eigenen Beamten auf mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in der Ägäis hingewiesen wurde. In einem Fall hat Frontex sogar aus der Luft festgehalten, wie griechische Grenzer Geflüchtete auf ein »Gummiboot« brachten und diese anschließend von der türkischen Küstenwache gerettet werden mussten. In den nächsten Jahren soll Frontex zu einer Art europäischen Superagentur werden. 2005 betrug das Budget von Frontex nur sechs Millionen Euro. 2021 könnte es auf über eine Milliarde Euro wachsen. Tausende bewaffnete Frontex-Mitarbeiter werden dann an den Außengrenzen der EU patrouillieren. Mit den Steuermilliarden verbindet sich eine vage Hoffnung: Die Frontex-Beamten könnten nicht nur die Grenzen kontrollieren, sondern auch die Einhaltung europäischen Rechts. Doch zahlreiche interne Dokumente und Berichte zeigen, dass Leggeri Menschenrechtsverletzungen lieber ignoriert und kleinredet, als sie anzuprangern. (…) Ein eigens eingerichteter Ausschuss des Frontex-Verwaltungsrats soll die Vorwürfe gegen Frontex nun genauer untersuchen. Vor der nächsten Sitzung des Verwaltungsrats am Mittwoch und Donnerstag hat die EU-Kommission Leggeri einen Fragenkatalog geschickt. Er liest sich wie ein Kreuzverhör. »Wir sind sehr unglücklich damit, wie Frontex die Sache handhabt«, sagt ein hochrangiger EU-Beamter.“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 25. November 2020 beim Spiegel online externer Link
  • EU-Grenzpolizei Frontex: Keine Untersuchung zu Verstößen gegen Menschenrechte 
    „Im März war die EU-Grenzpolizei Frontex in einen versuchten Verstoß gegen Menschenrechte verwickelt. Wie von uns veröffentlichte Akten zeigen, untersuchte Frontex den Vorfall aber nicht, sondern kehrte ihn unter den Teppich. (…) Ein interner E-Mail-Verlauf von Frontex, den wir per Informationsfreiheitsanfrage erhalten haben, zeigt jetzt […], dass die EU-Agentur in vergleichbaren Fällen offenbar kein Interesse daran hat, Verstöße gegen Menschenrechte zu untersuchen. EU Observer hatte zunächst darüber berichtet. (…) Bereits am 2. März diesen Jahres hatte Frontex in der Nähe der griechischen Insel Kos versucht, ein Boot mit 33 geflüchteten Menschen, die griechische Gewässer erreicht hatten, in die Türkei abzuschieben. Das griechische Frontex-Kommando befahl einem Schiff der Dänischen Marine mit dem Namen „Stela Polaris“, die Geflüchteten nicht an Land zu bringen, sondern wieder in ein Gummiboot zu setzen und aufs offene Meer Richtung Türkei zu schleppen. Der dänische Befehlshaber des Schiffes widersetzte sich dem rechtswidrigen Befehl jedoch und erreichte durch seine dänischen Vorgesetzten, dass er aufgehoben wurde. (…) Bemerkenswert ist, wie die Frontex-Zentrale anschließend mit den Informationen umging: Es schloss die Akten. Bereits vier Stunden nach der Meldung über Vorfall kamen die Frontex-Mitarbeiter:innen zu der Einschätzung, der versuchte Pushback sei ein „Einzelfall“. Er wurde noch nicht einmal beim täglichen Treffen der Befehlshabenden in der Frontex-Mission besprochen. Weitere Informationen zu dem Vorfall finden sich in den Akten laut Frontex nicht. Die Frontex-Mitarbeiter:innen überprüften nicht die Kommando-Strukturen und prüften nicht, warum es keinen internen Bericht zu dem rechtswidrigen Befehl gab. Sie unternahmen auch sonst keine Versuche, um sicherzustellen, dass Pushbacks durch das Frontex-Kommando nicht mehr vorkommen würden. Im Sommer schließlich gab Frontex-Direktor gegenüber dem Europäischen Parlament zu Protokoll, der versuchte Pushback sei ein „Missverständnis“ gewesen. Einige Monate später fanden Journalist:innen Beweise dafür, dass es sich offenbar nicht um einen Einzelfall handelt und Frontex mindestens im Juni an weiteren Pushbacks beteiligt war. Die EU-Agentur hatte offenbar kein Interesse daran, Verstöße gegen Menschenrechte zu unterbinden.“ Exklusivbericht von Arne Semsrott vom 18. November 2020 bei ‚FragDenStaat‘ externer Link
  • Best of Informationsfreiheit: Frontex – Eine EU-Agentur außer Kontrolle 
    Frontex entfernt laut Mitarbeitern Menschenrechtsverletzungen aus den Behördenakten – und gerät außer Kontrolle. Das Geld könnte besser investiert werden. „Bis jetzt haben wir noch keine Dokumente gefunden, die eine Gesetzesverletzung belegen würden“, twitterte die EU-Agentur Frontex vor zehn Tagen, nachdem Spiegel, ARD und Bellingcat Belege dafür veröffentlicht hatten, dass Frontex an illegalen Pushbacks an der EU-Außengrenze beteiligt ist. Offenbar musste die Behörde aktiv wegschauen, um nichts zu finden: Hätte sie einfach die Videos der Veröffentlichungen analysiert, wäre ihr aufgefallen, dass die EU an ihren Außengrenzen Menschenrechtsverletzungen nicht nur duldet, sondern selbst daran mitwirkt. Schon lange werfen zivilgesellschaftliche Organisationen Frontex vor, an brutalen Einsätzen externer Link unter anderem in Griechenland, Kroatien, Ungarn und Bulgarien beteiligt zu sein. Jetzt wurden diese Vorwürfe weiter untermauert. Das ist deswegen eine wichtige Nachricht, weil Frontex bisher alles daran setzt, seine eigene Rolle an den EU-Grenzen zu verschleiern und die Verantwortung auf die EU-Mitgliedsstaaten abzuschieben. (…) Was aus den neuerlichen Vorwürfen folgen soll, ist bisher unklar. Am kommenden Dienstag trifft sich das Management Board von Frontex für eine Sondersitzung. Mit dabei ist neben Vertreter:innen der EU-Mitgliedsstaaten auch die EU-Kommission, die gemeinsam in den vergangenen Jahren diese größte Agentur in der Geschichte Europas geschaffen haben. Frontex darf, ausgestattet mit einem Milliardenbudget, einem neuen Hauptquartier in Warschau, eigenen Fahrzeugen und bald auch Waffen und Uniformen, an den Grenzen größtenteils machen, was sie will. Sie verteilt inzwischen Millionenaufträge an Rüstungsunternehmen, macht in Brüssel Lobby in eigener Sache und geht aggressiv gegen kritisch berichtende Journalist:innen vor. Eine effektive Überwachung ihrer Arbeit muss Frontex dabei bisher nicht fürchten. Die Kommission wirkt kaum direkt auf Frontex-Chef Fabrice Leggeri ein, das Europäische Parlament ist sowieso weitgehend machtlos und hat kurz vor den neuen EU-Wahlen 2019 noch eine neue Frontex-Verordnung durchgewunken, die der Agentur weitere Befugnisse zusichert. Mitverantwortliche in den EU-Mitgliedsstaaten wie Horst Seehofer können sich hinter der EU-eigenen Verantwortungsdiffusion verstecken. Die Öffentlichkeit hat eingeschränkte Auskunftsrechte. Und Flüchtlinge haben als Betroffene kaum Möglichkeiten, sich auf dem Rechtsweg gegen Frontex-Maßnahmen zu wehren. Die liberale Europaabgeordnete Sophie in’t Veld spricht von einem „Monster“, das „niemandem Rechenschaft schuldet und über dem Recht steht“. (…) Deswegen sind jetzt auch sämtliche Forderungen, Frontex müsse interne Untersuchungen zu den Vorwürfen anstrengen, Unsinn. Schließlich verpflichtet auch niemand Wirecard, seine Betrugsgeschichte selbst aufzuarbeiten. Die Probleme sind in der Struktur von Frontex angelegt…“ Artikel von Arne Semsrott vom 07.11.2020 bei telepolis externer Link
  • Frontex-Chef Leggeri gerät unter Druck 
    Frontex ist in der Ägäis in illegale Pushbacks verwickelt. Nun erwartet auch die EU-Kommission Antworten vom Chef ihrer Grenzschutzagentur. Erste Parlamentarier fordern seine Entlassung. (…) Sobald sie davon gehört habe, so Johansson im Deutschlandfunk externer Link, habe sie den Frontex-Direktor Fabrice Leggeri angerufen und ihn aufgefordert, die Vorwürfe zu untersuchen. „Wenn dabei herauskommt, dass es solche Pushbacks mit der Beteiligung von Frontex gegeben hat, ist das absolut inakzeptabel. Das sollte niemals passieren“, sagte Johansson. Der Direktor von Frontex müsse die volle Verantwortung übernehmen und ermitteln. Frontex hat in einer Pressemitteilung inzwischen eine interne Untersuchung angekündigt. Doch gleichzeitig betonte die Grenzschutzagentur, bisher keine Dokumente oder andere Materialien gefunden zu haben, die die Vorwürfe des SPIEGEL und seiner Recherchepartner untermauern würden. Dem SPIEGEL berichteten mehrere Frontex-Beamte, dass Berichte systematisch geschönt würden…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 28.10.2020 beim Spiegel online externer Link
  • Schwerwiegende Vorwürfe gegen Frontex
    Die EU-Agentur Frontex ist in sogenannte Pushbacks verwickelt. Flüchtlinge, die nach Griechenland wollen, werden illegal in die Türkei zurückgeschickt. Frontex stritt bislang eine Beteiligung an solchen Vorgängen ab…“ Video des Beitrags in der Sendung FAKT am 27.10.2020 in der ARD externer Link (verfügbar bis 27.10.2021)
  • Verbrechen im Mittelmeer: Frontex in illegale Pushbacks von Flüchtlingen verwickelt 
    „… Jouma al-Badi wähnte sich in Sicherheit, als er am 28. April erstmals europäischen Boden betrat. Er war gemeinsam mit 21 weiteren Flüchtlingen in einem Schlauchboot aus der Türkei auf die griechische Insel Samos übergesetzt. Nun wollte der junge Syrer Schutz beantragen. Er dokumentierte seine Ankunft auf Videos, auch Anwohner erinnern sich an die Flüchtlinge. Griechische Sicherheitskräfte griffen die Migranten auf. Es wäre nun nach internationalem Recht ihre Pflicht gewesen, die Neuankömmlinge anzuhören, ihre Asylgesuche aufzunehmen. Stattdessen schleppten die Beamten die Schutzsuchenden zurück aufs offene Meer, setzten sie auf einem aufblasbaren Gummifloß aus. So berichtet es al-Badi, auch Videos, die dem SPIEGEL vorliegen, zeigen ihn auf dem Floß. Eine Nacht und einen Morgen lang drängten griechische Grenzschützer die Frauen und Männer ab, immer wieder fuhren sie Kreise um das Gummifloß. Die türkische Küstenwache filmte das Manöver. Über die Flüchtlinge zog zudem ein Flugzeug hinweg, das von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex genutzt wird. Die Besatzung des Überwachungsflugzeugs „G-WKTH“ war Teil einer EU-Operation in Griechenland. Zweimal überflog das Flugzeug die Meerenge von Mykali, in der sich al-Badi und die anderen Migranten befanden. Das erste Mal um 2.41 Uhr, das zweite Mal um 3.18 Uhr, das belegen Flugdaten, die der SPIEGEL einsehen konnte…“ Artikel von Giorgos Christides, Emmanuel Freudenthal, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 23. Oktober 2020 beim Spiegel online externer Link, siehe auch:

    • Frontex in illegale Pushbacks verwickelt
      „… Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex ist in der Ägäis in illegale Zurückweisungen von Migranten durch die griechische Küstenwache verwickelt. Das hat eine gemeinsame Recherche des ARD-Politikmagazins Report Mainz, dem „Spiegel“ und den Medienorganisationen „Lighthouse Reports“, „Bellingcat“ und dem japanischen Fernsehsender „TV Asahi“ ergeben. Demnach waren Frontex-Beamte seit April nachweislich bei mindestens sechs sogenannten Pushbacks in der Nähe. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Frontex-Schiff ein überladenes Flüchtlingsboot zunächst blockiert, die Insassen aber nicht rettet. Stattdessen fahren die Frontex-Beamten in einer weiteren aufgenommen Szene mit hohem Tempo an dem Flüchtlingsboot vorbei und verlassen daraufhin den Ort des Geschehens. Die dadurch entstehenden Wellen sind nach Angaben von zahlreichen Betroffenen weiterer Vorfälle eine typische Vorgehensweise bei so genannten Pushbacks in der Ägäis – sie lassen die Schlauchboote in Richtung Türkei zurücktreiben. Auf weiteren Videos ist zu sehen, wie die griechische Küstenwache das Schlauchboot später weiter in Richtung Türkei zurück schiebt. Die Juristin Dana Schmalz vom Max-Planck-Institut für Völkerrecht in Heidelberg sagt im Interview mit Report Mainz, dass Frontex die Flüchtlinge im seeuntüchtigen Schlauchboot sofort hätte retten müssen. Die EU-Grenzschutzagentur sei in diesem Fall in einen rechtswidrigen Pushback involviert. (…) Vertrauliche Gespräche mit Frontex-Beamten legen zudem nahe, dass diese ihre Berichte schönen, bevor sie an die Frontex-Zentrale in Warschau geschickt werden. Sie schildern, dass Flüchtlinge in sogenannten Debriefings – also Befragungen durch Frontex-Beamte – immer wieder über erlebte Pushbacks aussagen. Doch diese Vorwürfe würden am Ende nicht mehr explizit in den Berichten auftauchen, sie würden geschönt, so der Vorwurf der Beamten…“ Beitrag von Heiner Hoffmann vom 23. Oktober 2020 bei tagesschau.de externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176669
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