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Die Räumungsoffensive in Athen: Ein Krieg für die kapitalistische Stadtentwicklung

Plakat Athener Hausbesetzer aus dem April 2019Syriza räumte während ihrer Zeit an der Macht viele Squats. Aber sie zielten auf die Migrant*innensquats, von denen sie behaupteten, dass sie Menschen beherbergen, die am Drogenhandel beteiligt waren, und die anarchistischen Squats, von denen sie behaupteten, dass sie zur Herstellung von Molotow-Cocktails verwendet wurden. In beiden Fällen versuchten sie, eine ethische Erzählung zu entwerfen, indem sie versuchten, eine Grenze zwischen “guten” und “schlechten” Squats zu ziehen. Im Gegensatz dazu hat die Neue Demokratie deutlich gemacht, dass sie einen langfristigen Plan hat, nicht nur die bestehenden Besetzungen in Exarchia zu beseitigen, sondern das Besetzen selbst, zusammen mit all den Geflüchteten, Migrant*innen, Anarchist*innen, Jugendlichen und anderen Menschen, die dem Viertel seinen weltberühmten Charakter verleihen. Sie zielen darauf ab, die Kultur zu zerstören, die Exarchia ausmacht. Dies wird kein schnelles Verfahren sein; sie haben einen langfristigen Plan, der wahrscheinlich mit der Einrichtung einer U-Bahn-Station auf dem Exarchia-Platz und der Rückkehr zu den guten alten Zeiten endet, als Exarchia mehr mit Colonaki gemein hatte. Neben der Regierung, die Familien inhaftiert, die in Exarchia ein selbst bestimmtes, friedliches Leben führten, war das auffälligste Element der Räumung vom 26. August der Zeitpunkt. Ende Juli 2019, etwa zur gleichen Zeit, als sie das Universitätsasyl offiziell aufhoben, entließ die „Neue Demokratie“ den Polizisten, der den jugendlichen Anarchisten Alexis Grigoropoulous ermordete; dies waren zwei dramatische Provokationen gegen die anarchistische und autonome Bewegung…“ – aus dem Interview „Der neue Krieg gegen Migrant*innen und Anarchist*innen“ am 01. September 2019 beim Anarchist Black Cross Wien externer Link (die Übersetzung eines Beitrags auf CrimeThinc). Siehe dazu vier weitere aktuelle Beiträge, darunter auch ein direkter Solidaritäts-Aufruf und ein Beitrag über die Planung der „Event-Metropole“ Athen, sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zur Offensive der griechischen Rechtsregierung:

  • „Das Pulverfass füllt sich – Der Angriff auf K*Vox in Exarchia“ von André Tzara am 30. August 2019 in der Hydra World externer Link berichtet unter anderem: „… Eine echte Cowboy Aktion wie aus dem wilden Westen: Die MAT Truppen griffen die Menge auf dem Platz von drei Seiten mit Tränengas an. Dann versuchten sie, ins K*Vox einzudringen, schlugen die Glastür ein und warfen Tränengasgranaten rein, während der Raum noch voller Menschen war. Die Menschen im K*Vox wehrten sich und berichten von einer direkten Konfrontation in der sie es geschafft haben die Polizeieinheiten ans Betreten des Gebäudes zu hindern. Ein Verletzter wurde mit einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus eingeliefert. Laut einer Eklärung der anarchistischen Federation wurde die gesamte Kulisse für diese Offensive schon früh aufgebaut.  Auf Twitter wurde berichtet, dass DIAS Mottoradeinheiten und MAT seit dem Nachmittag, als die Kundgebung in der Bouboulina Str. um 18 Uhr stattfand, im gesamten Exarchia-Gebiet stark vertreten waren und Kontrollen durchführten. Nach dem Angriff aus K*Vox kam es zu Zusammenstößen mit den MATs, die das Gebiet mit Tränengas überschütteten. Sie umkreisten dabei den ganzen Exarchia Platz von allen Seiten aus. Aktuelle Informationen gehen von mindestens vier (an manchen Stellen kursiert die Zahl sieben) Ingewahrsamnahmen aus. Wie auf dem Radiosender Radiofragmata um 00:56 Uhr veröffentlicht wurde, marschierten die MAT Truppen durch die Themistokleous Str. zum Exarchia Platz und riefen den Passant*innen zu: „Ihr Arschlöcher, sowas werdet ihr jetzt jeden Tag erleben!“. Ein Zitat, das durchaus die Stimmung dieser und der kommenden Tage einfängt. Im Moment bestätigt sich, dass der Staat jeden Grund/Anlass nutzen wird um gegen die verhassten Anarchisten und Linken im Viertel vorzugehen. Seit der neuen rechten Regierung von Konstantinos Mitsotakis scheint der Wind der Repression stärker zu wehen als je zuvor – es ist bemmerkenstwert zu beobachten was für einen enormen Effekt dieser Regierungswechsel auf die Strategie der griechischen Polizei hat. Sie sind zur Zeit immer noch im Viertel und die Stimmung gleicht einem Pulverfass – in diesem unvorhersehbaren Schachspiel kann jeder Funken, jede Missverständnis, jede Bewegung zu einer grossen Explosion führen…“
  • „Exarchia – Mon amour“ von: S.L. am 02. September 2019 bei de.indymedia externer Link zu den aktuellen Ereignissen, ihrer Bedeutung und der Solidarität: „… NO PASARAN heißt es in Exarchia auf den Plakaten, die in diesen Tagen die Wände des Viertels zieren. Die geschichtliche Analogie mag auf den ersten Blick anmaßend wirken, aber sie speist sich aus einem tieferen Bewusstsein der geschichtlichen Entwicklung, der Notwendigkeit, dem Aufziehen des Faschismus in Europa an diesem Ort entschlossenen Widerstand entgegen zu setzen. Wir haben Madrid nicht halten können, obwohl so viele von uns damals nach Spanien gegangen sind, wir weltweit Unterstützung für die Genoss*innen organisiert haben. Wir sind verraten worden von den Stalinisten, den bürgerlichen Demokratien des Westens. Wir alle wissen, was darauf folgte. Winter Is Coming. Exarchia braucht uns. Aber vor allem brauchen wir Exarchia. Brauchen wir Orte der Solidarität und der Selbstorganisierung, brauchen wir Orte, an denen wir uns wie der Fisch im Wasser bewegen könne, die Bullen als das demaskiert werden, was sie in ihrer Essenz sind, Besatzungstruppen des Empires zu Aufrechterhaltung der Verwertungslogik des Kapitalismus. Wir brauchen Exarchia, damit unsere Träume, unsere Sehnsüchte weiterhin einen Ort haben, an dem sie leben können. In aller Widersprüchlichkeit, die die nackte, kalte Realität des Erwachens am frühen Morgen mit sich bringt. Exarchia darf nicht fallen. Wir dürfen es nicht fallen lassen,weil es unseren eigenen Fall in eine tiefe Hoffnungslosigkeit bedeuten würde. Die Gefährt*innen aus Exarchia haben in den letzten Wochen wiederholt um unsere Solidarität, in jeglicher Form gebeten. Sie haben ein Recht darauf gehört zu werden. Von unseren Herzen. NO PASARAN…“
  • „Der griechische Staat greift an. Zeigen wir Solidarität!“ von ABC Jena am 30. August 2019 bei de.indymedia externer Link ist einer von mehreren aktuellen Solidaritätsaufrufen, in dem es unter anderem heißt: „… Am 26. August begann um sechs Uhr morgens eine polizeiliche Räumungsaktion im Athener Stadtteil Exarcheia. Die Polizei drang in zwei Migrantenwohnbesetzungen in der Spirou-Trikoupi-Straße und in die anarchistischen besetzten Häuser GARE und Rosa de Foc ein. Sie nahmen 134 Migrant*innen fest, die anschließend auf verschiedene Flüchtlingslager verteilt wurden. Außerdem verhafteten sie drei Anarchisten, die jedoch am Tag darauf bereits aus dem Gewahrsam entlassen wurden. Am 9. September ist ihr Prozess wegen Hausfriedensbruch, Strom- und Wasserdiebstahl. Am 10. September ist außerdem der Prozess gegen fünf Migranten aus der Trikoupi-Straße wegen derselben Vorwürfe und wegen Waffenbesitzes. Am 27. August brach die Polizei die Tür des besetzten Hauses Omokentro in der Tsamadhou-Straße 32 in Exarcheia auf und durchsuchte den Raum. Am 28. August wurden früh die Obdachlosen vom Stadtteilberg Exarcheias vertrieben. Der Staat will so zum einen den gesellschaftlichen Widerstand unterdrücken und zum anderen die Gentrifizierungspläne für Exarcheia endlich durchsetzen. Dabei kann er an die repressive Politik Syrizas anknüfen. Schon unter der linken Vorgängerregierung gab es derartige Vorstöße. So wurden unmittelbar nach dem anarchistischen No-Border-Camp 2016 in Thessaloniki drei besetzte Häuser geräumt, eine anarchistische Wohnbesetzung, eine Migrantenwohnbesetzung und eine frische Besetzung vom No-Border-Camp. Als unmittelbare Reaktion auf den staatlichen Angriff wurden am 27. August in der Nacht die Polizeieinheiten, die vor den geräumten Häusern stationiert worden sind, mit Molotow-Cocktails und Steinen angegriffen. Außerdem sind für die nächsten Wochenenden Proteste in mehreren griechischen Städten angekündigt. Die Räumungsaktion vom 26. August ist vermutlich nur der Auftakt zu weiteren Repressalien. Nun heißt es, auch in Deutschland Solidarität zu zeigen und Unterstützung zu organisieren!
  • „Polizeigewalt und Orbanisierung“ von Wassilis Aswestopoulos am 30. August 2019 bei telepolis externer Link weist unter anderem auch auf die „Stadtplanung“ hin: „… Tatsächlich stecken hinter dem Interesse der neuen Regierung für Exarchia nicht nur ordnungspolitische Motive. Exarchia, das Viertel rund um den Strefi Hügel, soll zu einer Art Montmartre Athens werden, so der Plan der Politik. Die Gentrifizierung von Exarchia ist keine Erfindung der Nea Dimokratia. Bereits unter der SYRIZA-geführten Regierung von Alexis Tsipras gab es Zwangsräumungen von Hausbesetzungen. Dies gab der frühere Direktor der Parlamentsfraktion und jetzige Abgeordnete von SYRIZA, Kostas Zachariadis, im Fernsehen anlässlich der jüngsten Räumungsaktionen der Regierung Mitsotakis zu. Am Exarchia-Platz, mitten im Viertel, soll eine neue Metro-Station für die perfekte Verkehrsanbindung sorgen. Das „Goldene Visa Programm“, was bereits unter Tsipras galt, hat besonders in Exarchia für Investitionen gesorgt. Mit dem Programm können sich Reiche, anders als die in Booten auf den Inseln ankommenden Flüchtlinge, mit genügend Geld ein Visum und in der Folge auch eine Staatsbürgerschaft Griechenlands kaufen. Den so gewonnenen Zugang zur Europäischen Union wollen viele der Investoren auch mit einem pekuniären Nutzen verbinden. Das Exarchia-Viertel, von zahlreichen Künstlern und Anarchisten bewohnt, bot sich an. Denn hier konnte Wohnraum, mitten im Zentrum einer europäischen Großstadt, für Preise um 400 Euro pro Quadratmeter erworben werden. Die reinen Baupreise für Wohnraum in Griechenland liegen nach den Aussagen von Bauunternehmern bei über 1000 Euro pro Quadratmeter...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153846
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