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Selbsthilfe der Abgeschotteten: Philippinische Migrant*innen in Griechenland leben oft prekär. Doch viele kämpfen für Verbesserungen

Working and retiring with dignity. A study of labour, social security and pensions of Pilipina/o workers in Greece. Studie von RLS GriechenlandCatalina de Torres kam nach Europa, um ein besseres Leben zu haben. Auch wenn sie dafür viel aufgeben musste. »Meine Kinder waren fünf und neun Jahre alt, als ich die Philippinen verließ. Ich arbeitete hier als Hausangestellte und lebte bei den Arbeitgebern. Viele, viele Jahre und ohne Sozialversicherung. Eine Rente bekomme ich nicht.« Jetzt ist sie Mitte 60 und hat eigentlich das Ende ihres Arbeitslebens erreicht. Sie sitzt im Gemeinschaftsraum des migrantischen Frauenkollektivs Melissa im Zentrum Athens und blickt zusammen mit vier anderen Frauen der Kasapi-Gewerkschaft auf ihr Schicksal. »Viele von uns lassen Familie, Ehemänner und Kinder in den Philippinen zurück, um hier in Europa auf die Kinder der Arbeitgeber aufzupassen«, erzählt sie…“ Artikel von Carolin Philipp vom 8. Februar 2023 in Neues Deutschland online externer Link und mehr daraus und dazu:

  • Siehe weiter im Artikel von Carolin Philipp vom 8. Februar 2023 in Neues Deutschland online externer Link: „(…) Die meisten der 12 800 philippinischen Arbeiter*innen in Griechenland sind weiblich und arbeiten als Hausangestellte. Debbie Valencia kam schon 1985 und gründete im Jahr darauf die Gewerkschaft Kasapi mit. Ursprünglich, um ein Solidaritätsnetzwerk für den Widerstand gegen Diktator Marcos aufzubauen, der in den Philippinen bis 1986 herrschte. Doch sie blieb im Exil, ihr Mann und ihr Sohn kamen nach. »Für uns war eine Organisierung der philippinischen Arbeiter*innen wichtig«, erzählt sie am Telefon. »Als wir 1988 eine Konferenz an der Panteion Universität organisierten, war dies das erste Mal, dass die Anliegen migrantischer Arbeiter*innen öffentlich diskutiert wurden.« Auch die Presse habe damals erstmals über ihre Anliegen berichtet. »Wir haben viel Unterstützung bekommen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir 1988 ein Büro im Gewerkschaftszentrum einrichteten. Der damalige Generalsekretär Nikos Gavras sagte zu uns: ›Dieses Büro werdet ihr für immer haben. Niemand wird euch jemals rausschmeißen.‹ Wir hatten einige Erfolgserlebnisse.« (…) Trotzdem gibt es auch 40 Jahre nach der Gründung von Kasapi noch viele Probleme. »Schlechte Arbeitsbedingungen wie extrem lange Arbeitstage, sehr niedrige Löhne, nur teilweise oder gar keine Sozial- und Rentenversicherung oder Arbeitsunfälle«, zählt Debbie Valencia sie auf. »Griechenland hat wenige Fortschritte gemacht, wenn es um die Rechte von migrantischen Arbeiter*innen geht. Ich bin mir nicht sicher, ob die griechische Regierung überhaupt weiß, dass eine ILO-Konvention für Hausangestellte existiert.« Die Konvention 189 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zu Hausangestellten stammt von 2011. Sie soll die Rechte von den Arbeiter*innen stärken. Denn nach Einschätzung der ILO verdienen sie weltweit weniger als die Hälfte des Durchschnittslohns jenes Landes, in dem sie arbeiten, oft nicht einmal ein Fünftel. Zudem haben 90 Prozent der Hausangestellten keine Sozialversicherungen. Das heißt auch: kein Arbeitslosengeld und keine Rente. Hinzu kommt noch, dass viele migrantische Hausangestellte in Griechenland kein sicheres Bleiberecht haben. Meistens sind die Aufenthaltsgenehmigungen nämlich an eine reguläre Anstellung und einen Arbeitgeber gebunden, der Sozialversicherungsbeiträge für die tatsächliche Arbeitszeit entrichtet. Wenn das Arbeitsverhältnis endet, verlieren die Menschen oft auch die Aufenthaltsgenehmigung. Zudem gibt es Gesetzesverschärfungen. »Ich hatte einmal eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung« erzählt Autora Roy. »Griechenland ist ja mein zweites Zuhause. Das Klima ähnelt dem der Philippinen. Aber dann wurde meine Genehmigung reduziert auf zehn Jahre.« Unbegrenzte Aufenthaltstitel gibt es nicht mehr. Sie fragt sich, warum es die griechische Regierung den Leuten nicht einfacher machen kann, »die legal einreisen, arbeiten und ihre Steuer zahlen«. Sie fühlt sich schikaniert. (…) Um auf die weiterhin bestehenden Probleme ihrer Community aufmerksam zu machen, haben die organisierten Frauen zu einer Studie über Arbeits- und Lebensbedingungen von philippinischen Arbeiter*innen in Griechenland angeregt. (…) Die Idee für die Studie kam von Joe Valencia, der viele Jahre Vorsitzender der Kasapi-Gewerkschaft war. Zweieinhalb Jahre dauerte es, bis sie umgesetzt werden konnte. Die Anbindung der Gewerkschaft an die Community half dabei, dass viele der umfangreichen Fragebögen ausgefüllt wurden. Die Ergebnisse der Befragung spiegeln die prekäre Lage: Über 65 Prozent der 110 Teilnehmer*innen haben keinen Arbeitsvertrag, mehr als 35 Prozent der Befragten arbeiten mehr als 40 Stunden in der Woche (8 Prozent sogar zwischen 14 und 15 Stunden am Tag). Und nur knapp 3 Prozent haben die griechische Staatsbürgerschaft, auch wenn sie bereits seit Jahrzehnten in Griechenland leben. Altersbezüge erhalten lediglich 22 Prozent in Griechenland oder werden bei Renteneintritt voraussichtlich welche bekommen. »Die Ergebnisse der Befragung wollen wir nutzen, um die griechische und die philippinische Regierung dazu zu bringen, ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen zu schließen«, sagt Aurora Tabangin. Missstände sollen damit unterbunden werden. Immerhin gab es ein erstes Treffen im philippinischen Arbeitsministerium, bei dem die Gewerkschaft Kasapi für ein solches Abkommen geworben hat.“
  • Die RLS Griechenland hat 2022 eine engl. Studie externer Link veröffentlicht: Working and retiring with dignity. A study of labour, social security and pensions of Pilipina/o workers in Greece

Siehe auch unser Dossier: Griechische Migrationspolitik (mit Syriza – und Nachfolgern)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=208824
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