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Französische Faschisten: Globalisierte Finanzspekulation doch in Ordnung (…sofern wir die Nutznießer bilden)

Artikel von Bernard Schmid vom 11.4.2016

Panama Papers (ICIJ)Seit nunmehr einer Woche ist die rechtsextreme Medienlandschaft in Frankreich, die sich besonders im Interet ausgebreitet hat, schwer empört. Es geht um den internationalen Finanzskandal, der sich um Steuerparadiese rankt und weltweit unter dem Name Panama papers bekannt geworden ist. Er startete mit Enthüllungen in 110 Presseorganen weltweit, unter ihnen sie Süddeutsche Zeitung in München und Le Monde in Paris, ab dem vergangenen Montag (04. April 16). Der dadurch ausgelöste Skandal sorgte mittlerweile für den Rücktritt eines Regierungschef, des isländischen, und zwang den britischen Premierminister David Cameron zu scheibchenweise vorgetragenen Enthüllungen über seine privaten Finanzinteressen. In Frankreich ist der Name der Affäre besonders lustig, denn hat in der Geschichte des Landes bereits einmal einen als „Panama-Affäre“ bezeichneten Finanzskandal gegeben, der damals die Republik tüchtig erschütterte; dies war 1892.

Nun hätte man erwarten dürfen, dass die extreme Rechte den Skandal nutzen werde, um einmal mehr gegen die Gefahren der „Globalisierung“ zu wettern, die in ihren Augen ebenso einen gezielten Angriff auf die Nationen darstellt wie die Interessen der Arbeitenden gleichernmaßen schwächt. (Weshalb auch, angeblich, „nationale Frage“ und „soziale Frage“ zusammenfielen.)

Doch weit gefehlt. Gegenstand der Empörung auf der französischen extremen Rechten sind im Augenblick weitaus mehr die Enthüllungen selbst, als die Praktiken, die da enthüllt wurden. Stellvertretend sei ein Artikel aus der mittlerweile hardcore-faschistischen, ursprünglich vor allem anti-muslimischen Internetpublikation Riposte Laïque (ungefähr: „Die Säkularisten schlagen zurück“, ein Titel mit rein anti-muslimischer Stoßrichtung) zitiert, der dort am Wochenende des 09./10. April 16 publiziert wurde. Er erschien unter dem Titel: „Panama papers, Soros: eine gigantische Medienmanipulation zeichnet sich ab.“ Der täglich bestückten rechtsextremen Internetzeitung zufolge steckt hinter den Enthüllungen in 110 Zeitungen weltweit der US-amerikanische Milliardär George Soros, der eine Reihe von NGOs finanziell unterstützt und in rechtsextremen Kreisen ebenso als eine Art Zentralfigur der Weltverschwörung wie als Initiator von „Farbrevolutionen“ gegen an und für sich tolle Regimes betrachtet wird.

Und der Artikel kommt zu dem Schluss, durch die Enthüllungen – bei denen ansonsten tatsächlich auffällt, dass sie keine US-amerikanischen Interessen tangieren, die wahrscheinlich bei der Publikation der Panama papers ausgespart wurden – würden vor allem „Widerständler gegen die Neue Weltordnung“ getroffen. Tatsächlich enthalten die Panama-Dokumente unter anderem (zweifellos wahre!) Enthüllungen beispielsweise über die Anlage von Vermögenswerte Wladimir Putin nahe stehender, russischer Oligarchen in Panama. Riposte Laïque  behauptet nun, dies sei das einzige Zweck der Übung gewesen. Sämtliche Enthüllungen seien auf eine Manipulation zurückzuführen, die sich gegen so freundliche Zeitgenossen (respektive Helden aus Sicht der zitierten Publikation) richte wie Wladimir Putin, den syrischen Folterregimes-Chef Bascher Al-Assad – durch Riposte Laïque kurioserweise „El-Hassad“ geschrieben – oder gegen Marine Le Pen.

Die Vorsitzende des französischen Front National (FN) hatte sich ihrerseits zwei Tage zuvor zu Wort gemeldet. In einer Presseaussendung vom 07. April 16 unter dem Titel „,Le Monde‘, ein Schwindel“  (die Replik zu einem Leitartikel der Pariser Abendzeitung vom Dezember 2015: „Der FN, ein Schwindel“) schäumte und wütete sie gegen die Enthüllungen vom Wochenbeginn. Zornesentbrannt schrieb die rechtsextreme Politikerin, es handele sich um eine „gigantische Medienoffensive gegen den Front National“ und eine „ununterbrochene Flut von Behauptungen, unzulässigen Vermischungen und Unterstellungen.“

Was war los? Am zweiten Tag der Enthüllungen über die Panama-Affäre – also am Dienstag, den 05. April d.J. – berichtete die Pariser Abendzeitung über einen allgemein eher als unangenehm zu bezeichnenden Zeitgenossen, der ordentlich in Finanzmanipulationen mit Umweg über Panama verwickelt war. Es handelt sich um Frédéric Chatillon, einen persönlichen Freund von Marine Le Pen.

Er ist in der französischen extremen Rechten nicht „irgend wer“. Das frühere Mitglied der außerordentlich gewalttätigen rechtsextremen Studentengruppe GUD (Groupe Union-Défense), die in der Vergangenheit vor allem an der reaktionären Pariser Jurafakultät von Assas ihre Hochburg hatte – und noch immer existiert -, ist ein langjähriger Bekannter von Marine Le Pen. Beide studierten an ebendieser juristischen Fakultät von Assad. Im Februar 2003 berichtete die französische Regenbogen- und sonstige Presse darüber, dass Marine Le Pen (damals noch nicht Parteivorsitzende, sondern als „Tochter von“ prominent) sich einer Beamtenbeleidigung gegenüber einem Polizisten schuldig gemacht hatte, welch letzterer wegen nächtlicher Ruhestörung bei einer Party vorstellig geworden war. Die nächtliche Feier fand in der Privatwohnung von Frédéric Chatillon statt, und Marine Le Pen nahm an ihr teil.

Chatillon, ansonsten u.a. auch als aktiver Unterstützer und Propagandist der syrischen Folterdiktatur bekannt, ist aber auch ein offizieller „Dienstleister“ und Geschäftspartner für den FN. Sein Dienstleistungsunternehmen mit Namen Riwal (und dessen Klon unter dem Namen Unanime) übernimmt/übernehmen Aufträge für die Partei, etwa für die Logistik bei Großveranstaltungen. Gegen Frédéric Chatillon läuft aber auch ein Strafverfahren, bei dem es um handfeste Interessen der Partei geht. Seit  dem 23. Januar 2015 wird strafrechtlich gegen ihn ermittelt, wegen betrügerischer Machenschaften, Dokumentenfälschung, Missbrauch von Gesellschaftsvermögen und Geldwäsche – so lauten die offiziellen Anklagepunkte der Ermittlungsbehörden. Worum geht es? Um illegale Parteienfinanzierung zugunsten FN und  zu Lasten des Staates. Letzterem wurden rund um die Parlamentswahlen vom Juni 2012, für welche der FN ein Recht auf Wahlkampfkosten-Rückerstattung geltend machen konnte, erheblich übertriebene und aufgeblasene Kosten in Rechnung gestellt. So mussten Kandidatinnen und Kandidaten des FN zur Parlamentswahlen einen Argumentationsleitfaden für die stolze Summe von 16.500 Euros bei ihrer eigenen Partei abkaufen. Solche künstlich aufgeblasenen Unkosten wurden anschließend beim Staat zwecks Rückerstattung geltend gemacht. Den Profit erzielte dabei zunächst Chatillons Firma Riwal, doch natürlich tat er dies nicht (nur) für sich allein, sondern auch im Interesse der Partei. Letztere muss deswegen eventuell noch vor den Wahlen von 2017 mit einem Prozess rechnen.

Chatillon ist nicht der einzige frühere Anführer des GUD, der beim Front National zwar nicht in formale Führungspositionen aufstieg (offiziell taucht er im Organigramm der Partei nicht auf), doch in dessen Hand entscheidende Fäden zusammenlaufen. Beobachter und Journalistinnen sprechen von einer regelrechten „GUD Connection“ in den Führungsetagen der Partei, insbesondere bei den für Finanzierungsoperationen zunständigen Strukturen. Eines ihrer Mitglieder ist Philippe Péninque; er war es, der dem früheren Haushaltsminister Jérôme Cahuzac (ein Strafverfahren gegen ihn läuft) jenes Konto in der Schweiz eröffnete, das bei seinem Bekanntwerden 2013 einen Riesenskandal löste – Cahuzac war zuvor offiziell für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung zuständig und stellte sich nun selbst als Steuerbetrüger heraus. Sein, Cahuzacs, Name taucht auch in den Dokumenten zum Panama-Skandal auf. – Anlässlich des „Strategieseminars“ des FN vom 05. bis 07. Februar 16 im südlichen Pariser Umland waren es insbesondere Angehörige der GUD Conncetion“, die lautstark für eine wesentlich stäkere Berücksichtigung von Unternehmerinteressen und durch die Partei plädierten.

Schlechtes Timing

Am Nachmittag des Montag, den 04. April 2016, infolge der ersten Welle von Enthüllungen über das Panamagate, hatte der FN zunächst in einem Pressekommuniqué über bzw. gegen die „ungezügelte Globalisierung“ (mondialsiation sauvage) gewettert, deren Ausfluss und Abbild der internationale Finanzskandal sei. Doch am frühen Abend warnte Chatillon dann seine Freunde und politischen Bekannten über seine Facebookseite vor: Am kommenden Tag werde er, Frédéric Chatillon, „die Ehre haben“, in Enthüllungen bei Le Monde aufzutauchen. Gut, dass er die Anderen vorsorglich gewarnt hatte…

Dem Artikel in Le Monde vom 05. April zufolge existierte „ein ausgeklügeltes Offshore-Finanzierungssystem, das zwischen Hongkong, Singapur, den Jungferninseln und Panama aufgespannt worden ist. Es war nützlich dafür, Geld aus Frankreich herauszuschaffen, mittels Briefkastenfirmen und fingierten Rechnungen, und mit dem Willen, den französischen Geldwäsche-Ermittlern zu entkommen.“ Frédéric Chatillon stand demnach „im Herzen dieses Finazierungsmechanismus.“ Er war es, der Gelder zunächst in Hong-Kong angelegt hatte, in Höhe von rund 300.000 Euro (die Zeitung spricht von einer Summe von 316.000 Euro). Diese wurden offiziell in eine Firma namens Time Dragon, welche inzwischen in „Unanime Asien“ umgetauft wurde, investiert. Letztere war die Filiale einer Muttergesellschaft, die von der mittlerweile berüchtigten panamesischen Kanzlei Mossack-Fonseca auf den Jungferninseln in der Karibik gegründet worden war, in 15.000 Kilometern Entfernung von Hongkong. Später wurde diese Briefkastengesellschaft aufgelöst und das Geld erneut transferiert, dieses Mal nach Singapur.

Um die Gelder dort parken zu können, griff Chatillon auf die Hilfe eines Finanzbuchhalters mit Namen Nicolas Crochet zurück, der ihm auch dabei half, den ersten Geldtransfer (in Richtung Hongkong) über eine unverdächtig wirkende Firma abzuwickeln – er nutze dazu eine durch seinen Bruder in Hongkong angemeldete Struktur, Ever Harvest Garments Limited. Doch auch Crochet ist bei der französischen extremen Rechten nicht „irgendwer“: Er war im Jahr 2012 mit der Ausarbeitung des Wirtschaftsprogramms für die Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen beauftragt worden.

„Globalisierungskritik“, wie die extreme Rechte sie ansonsten auf demagogische Weise übt? Pustekuchen! Einen der übelsten Aspekte, den die kapitalistische Globalisierung bereithält – einen planetaren Finanzmarkt mit zahllosen Nischen und Winkeln -, verstehen ihre Protagonisten für sich zu nutzen. Denn was die extreme Rechte in letzter Instanz interessiert, ist weder die Globalisierung noch sonst irgendeine gesellschaftliche Grundfrage. Sondern das Recht des Stärkeren, in diesem Falle: des wirtschaftlich Stärkeren oder Skrupelloseren.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=96384
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