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Flüchtlingscamp in Calais geräumt: Derweil sich der französische Notstandspräsident mit Polizisten trifft, die mehr Waffen wollen

Abmarsch! Polizei räumt Calais am 24.10-2016 - ab in den sonnigen Sudan...Es gab einmal den Spruch, wer solche Freunde habe, brauche keine Feinde mehr. Auf die heutigen Gesellschaften übertragen, die jede Entwicklung nur noch als Sicherheitsproblem behandeln können, angewandt, heißt der Satz: Wer solche humanitären Aktionen unternimmt – da möchte man die inhumanen erst gar nicht sehen. Die Räumung des Camps, nach verschiedenen Berichten „in einer Ruhe abgelaufen, die schon zynisch wirkt“ ist vollzogen, die Menschen werden verteilt – oder weg gejagt – und an ihren neuen Wohnorten quer durch Frankreich vom Front National empfangen oder seinen Ablegern à la Sarkozy. Begleitet von einer Polizei, die mehr Waffen will, und natürlich härtere Strafen für alle, die sich ihrem Regime nicht unterwerfen. Die aktuelle Materialsammlung  vom 25. Oktober 2016 von Helmut Weiss soll auch ein Beitrag dazu sein, die Entwicklung der (nicht nur) europäischen  „Sicherheitsdemokratien“ zu verstehen:

„“Dschungel“ zerstört – Flüchtlingsproblem ungelöst“ von Stefan Simons am 24. Oktober 2016 bei Spiegel Online externer Link vermeldet eben die Räumung (mit Fotos und Videos) und berichtet: „Anläufe und Ankündigungen, den „Dschungel von Calais“ zu beseitigen, gab es viele – nun machen Frankreichs Sicherheitskräfte Ernst. Zunächst brannten noch Mülltonnen, musste Tränengas gegen einige der Tausenden Bewohner des illegalen Camps eingesetzt werden. Doch insgesamt verläuft die Polizeiaktion in dem Hütten- und Zeltdorf, wo Flüchtlinge seit Jahren Zuflucht suchen, seit den frühen Morgenstunden weitgehend geordnet. Es ist ein logistischer Kraftakt: Für die Räumung des Lagers, hatten die Behörden 1250 Polizisten aufgeboten, zusätzlich zu den 2100 Sicherheitskräften, die bereits in Calais vor Ort waren“ und schließt mit einer deutlichen Dokumentation der organisierten Hysterie aus Belgien: „Entlang der flämischen Küste, die vorwiegend vom Tourismus lebt, werden kleine Straßen überwacht, Patrouillen sind in den Dünen unterwegs. „Man darf nicht zulassen, dass auch nur ein Zelt aufgeschlagen wird“, sagt der Kommissar einer lokalen Wache, „sonst sind es im Handumdrehen 50.““ Europa heute, eben.

„Räumung mithilfe des Notstandsgesetzes“ von Bernard Schmid am 25. Oktober 2016 in neues deutschland externer Link – worin hervorgehoben wird: „Doch nicht alle geplanten Einrichtungen dürften rechtzeitig fertig werden. Das liegt auch daran, dass es lokal zum Teil heftige Widerstände gibt. Deswegen und weil die Kapazitäten nicht immer mit den Planungen mithalten, dürfte die über mehrere Wochen hinweg vorgesehene und mehrere Tausend Polizisten umfassende Operation nicht ganz so reibungslos verlaufen, wie Cazeneuve sich das vorstellt. »2000 Migranten weigern sich, aus Calais zu gehen« und werden Widerstand leisten, kündigte Christian Salomé von der Nichtregierungsorganisation (NGO) »Die Herberge für Migranten« am Montag vor Ort an. Sie wollen sich nicht fügen, sich das Vorhaben einer Überfahrt auf die britischen Inseln endgültig aus dem Kopf zu schlagen“. Und zur politischen Konsequenz wird festgehalten: „Bei den NGOs und Initiativen geht es dabei vor allem darum, aus ihrer Sicht zu radikale Gruppen – wie die »No borders« – auszugrenzen und fernzuhalten. Institutionell ausgerichtete NGOs, die die Zerschlagung des »Dschungels« begleiteten und von denen elf jüngst sogar einen beschleunigten Abriss »vor der Winterpause im November« forderten, sind hingegen wohl gelitten.  Um die weniger gut angesehenen Kräfte draußen zu halten, greifen die Behörden auf das Notstandsgesetz zurück. Die Zufahrtsstraßen und -wege zwischen »Dschungel« und Hafengelände wurden auf der Grundlage der derzeit geltenden Bestimmungen zum Ausnahmezustand zum besonderen »Gefahrengebiet« erklärt. Damit können »widerrechtlich Eindringende« strafrechtlich verfolgt werden

„Destruction of the shantytown, the last eve“ am 24. Oktober 2016 bei den Passeurs d’hospitalités externer Link ist ein chronologischer Bericht vom Vorabend – versehen mit zahlreichen Kurzvideos – in dem auch die humanitären Maßnahmen im Einzelnen dokumentiert werden: Tränengas, Pfefferspray, Knüppel und andere integrale Bestandteile des neuen Humanismus kommen zum Einsatz

„Destruction of the shantytown : In and Out“ am 25. Oktober 2016 ebenfalls bei den Passeurs d’hospitalités externer Link ist ein Beitrag, der einen Schwerpunkt hat auf der „Öffentlichkeitsarbeit“ – nämlich, welche Gruppierungen etwa auf das Gelände durften (nur mit Erlaubnis, sonst Anwendung des Notstandsrechts, bedeutet mindestens eine Geldstrafe von 7.500 Euro) – und welche nicht: Von Emmaus France über Human Rights Watch bis zu den Anwälten ohne Grenzen – rien ne va plus…

„Update zu den Räumungen in Calais“ am 23. Oktober 2016 bei linksunten indymedia externer Link hält fest: „Mit der Räumung wird auf die rechtspopulistischen und rassistischen Forderungen eingegangen, die Stadt von Migrant*innen zu leeren und «Calais den Calaisianern zurückzugeben». Zudem werden ökonomische Interessen bedient. Laut dem Calais Research Netzwerk, profitieren mehr als 40 Unternehmen vom Ausbau und der Verschärfung des französisch-britischen Grenzregimes. Ein Beispiel hierfür ist die Errichtung einer 2.000.000 Pfund teuren « Abschreckungsmauer » entlang der Autobahn, durch das französische Unternehmen « Vinci », welches auch das umstrittene Flughafenprojekt in der Nähe von Nantes durchführen soll. Die Regierung preist ihr Vorgehen als humanitäre Lösung für die Flüchtlingskrise in Calais an ; aber die Zerstörung von Häusern kann nie humanitär sein und von Freiwilligkeit kann bei der Wahl zwischen Abschiebehaft und Erstaufnahmezentrum keine Rede sein

„Updates on eviction in Calais“ am 24. Oktober 2016 bei der Calais Migrant Solidarity externer Link ist eine chrobologische Zusammenfassung diverser Repressionsmaßnahmen – inklusive all jener, die mit dem Notstandsregime begründet werden

„De l’Yonne au Vaucluse, le FN poursuit sa mobilisation anti-migrants“ von Dominique Albertini am 24. Oktober 2016 bei Libération externer Link ist ein Beitrag, der über die landesweite Mobilisierung des Front National informiert – gegen die „ankommenden Flüchtlinge aus Calais“. Die Lösung, so die mehrheitsfähige Rassistenbande sei nicht Umverteilung sondern: Abschiebung. Im Gefühl des Oberwassers mobilisieren sie nicht nur in zahlreichen kleinen Ortschaften, sondern verstärken auch ihren reaktionären ForderungskatalogForderungen erfüllt: Neue Waffen für Frankreichs Polizei - hier ein Laser-Blendgewehr aus dem Oktober 2016

„Hollande rencontrera les représentants de la police mercredi“ am 23. Oktober 2016 in Libération externer Link ist eine afp Meldung über das bevorstehende Treffen des Präsidenten Hollande mit Vertretern der protestierenden Polizisten beziehungsweise dafür zuständigen Gremien. Nach einer Woche mehrfachen Protestes der Polizei, begonnen in Paris und auf andere Städte ausgedehnt, werden die Forderungen der (oft: vermummten) Demonstranten diskutiert: Mehr Polizisten, mehr Waffen und Ausrüstung, härtere Strafen für all jene, die sich gegen die Polizei zur Wehr setzen

„LDI : une arme laser anti-émeute pour en mettre plein les yeux à Calais“ am 24. Oktober 2016 bei Brest.Medias Libres externer Link ist der kurze Bericht über eine neue Waffe, die die Einsatzkräfte auch in Calais bereits bekommen haben – ein Laser-Blendgewehr…aber sie wollen, natürlich, mehr…

„À Calais et partout ailleurs, solidarité avec les migrant‑e‑s !“ am 24. Oktober 2016 bei Rebellyion.info externer Link ist das Beispiel eines – von vielen möglichen – Aufrufs an vielen Orten, hier eben in Lyon, zur Solidarität mit Calais und allen MigrantInnen. In Lyon organisiert beispielsweise die Anarchistische Koordination tägliche Solikundgebungen…

„Démantèlement de la lande de Calais, une opération de tri que nous devons refuser et combattre“ am 24. Oktober 2016 bei SUD Solidaires externer Link ist Erklärung und Aufruf des alternativen Gewerkschaftsbundes zum Widerstand gegen die Räumung in Calais. Darin wird nicht nur kritisiert, dass alles, was als humanitär gilt, Polizeistaatslösungen seien, sondern auch unterstrichen, dass es für die Centres d’accueil et d’orientation (CAO), in und von denen die „verlegten“ Menschen aus Calais „beurteilt“ werden sollen keinerlei gesetzliche Grundlage gäbe, sondern dass sie eine veritable Notstandseinrichtung darstellen – wie auch die neuerlichen verschiedenen Demonstrationsverbote.

Siehe dazu auch: „Migrantencamp in Calais vor Räumung“ am 21. Oktober 2016 im LabourNet Germany und viele vorhergehende Berichte

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=106121
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