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Festspiel auf dem Feld: Tausende Teilnehmer aus ganz Europa feiern auf Einladung des Rassemblement National die französische Rechte und sich selbst

Proteste am 9.6.2025 in Frankreich: Auf nach Montargis. Wir haben einen Empfangskomitee für die faschistische Internationale organisiert„Ein Jahr nach dem starken Abschneiden bei der EU-Wahl, welches das Ende der nationalen Regierung Emmanuel Macrons bedeuten sollte, feierte die französische Rechte sich selbst. Aus mehreren Ecken Europas sind dazu am Pfingstmontag Anhänger zusammengekommen, als wollten sie beweisen, dass sich die Reaktion in Frankreich nach wie vor auf der Siegerstraße befinde – und dass sie sich international gut vernetzt hat. Laut eigenen Angaben versammelten sich dazu 5.000 Menschen auf einem Feld einige Kilometer entfernt von der Stadt Montargis in der nördlichen Region Centre-Val de Loire. (…) Drei- bis viertausend Menschen protestierten am Sonntag um die Mittagszeit im Zentrum von Montargis gegen die rechte »Siegesfeier«. (…) Die Gewerkschaftsverbände CGT und CFDT, die französische KP und die Grünen waren bei der Kundgebung gegen den RN und seine Gäste am stärksten vertreten….“ Artikel von Bernard Schmid in der jungen Welt vom 11. Juni 2025 externer Link – siehe die Langfassung des Autors – wir danken:

Auf ihre Weise wollte sie den ersten Jahrestag der Europaparlamentswahl vom vorigen Jahr markieren. Dieses hatte in Frankreich die damalige Auflösung der Nationalversammlung – am Wahlabend durch Staatspräsident Emmanuel Macron bekannt gegeben – und vorgezogene Neuwahlen ausgelöst. Aus mehreren Ecken in Europa zog die französische extreme Rechte am Pfingstmontag ihre Unterstützer zusammen, um zu belegen, dass sie sich angeblich immer noch auf der Siegerstraße befinde, und dass sie international zusammenzuarbeiten vermöge. Laut ihren Angaben 5.000 Menschen versammelte sie dazu auf einem Feld in einigen Kilometer Entfernung von der Stadt Montargis.

Die Siegerstraße verläuft dabei sicherlich nicht geradlinig. Denn zwar schnitt die extreme Rechte in Frankreich an jenem 09. Juni 2024 mit 31,4 % für den Rassemblement national (RN) unter Jordan Bardella und Marine Le Pen zuzüglich 5,5 % für die Partei Reconquête! (R!) von Eric Zemmour und Sarah Knafo, und ein weiteres Prozent für kleinere rechtsextreme Listen, in Rekordhöhe ab. Zusammengerechnet lag das Wahlergebnis der beiden neofaschistischen Parteien RN und R! nur ein halbes Prozent unter dem der NSDAP bei der Reichstagswahl in der Weimarer Republik vom Juli 1932 – sicherlich unterscheidet sich die brutale Dynamik des damaligen Nazifaschismus von dem der heutigen, den Bedingungen der Jetztzeit angepassten extremen Rechten.

Und doch verlor die französische extreme Rechte vier Wochen später die nationale Parlamentswahl, die Macron vorzeitig provoziert hatte, dank eines kurzfristig zustande gekommenen Linksbündnisses. Auch ihre nähere Zukunft ist derzeit nicht genau gesichert, wurde doch die frühere Partei- und jetzige Fraktionschefin des RN, Le Pen, am 31. März dieses Jahres wegen Hinterziehung von Millionengeldern aus Fraktionsmitteln des Europäischen Parlaments unter anderem zu fünfjährigem Entzug des passiven Wahlrechts verurteilt. Das Berufungsverfahren dazu soll laut Angaben der Justiz im Frühsommer 2026 stattfinden. Dessen Ausgang dürfte darüber entscheiden, ob die Tochter des im Januar verstorbenen Parteigründers Jean-Marie Le Pen ihre Partei in die Präsidentschaftswahl 2027 führen kann oder daran gehindert wird. An ihrer Stelle könnte Bardella antreten, doch gilt der derzeit 29jährige für das höchste Staatsamt in der Präsidialrepublik Frankreich in breiten Kreisen als zu jung und zu unerfahren. Außerhalb des Politikbetriebs arbeitete er noch nie im Leben.

Um diese Unbillen vergessen zu machen, erinnerten Le Pen und ihrer Unterstützer in dem kleinen Dorf Mormant-sur-Vernisson lieber an den Abend der Europaparlamentswahl. Den Ort hatten sie nicht zufällig ausgewählt: Er zählt zwar nur 144 Einwohner, diese stimmten aber bei der letzten Parlamentswahl zu stattlichen 89,9 % für den RN. Die Anmietung eines Ackers und den Aufbau der Infrastruktur für eine Kundgebung zahlte das Europaparlament.

Proteste am 9.6.2025 in Frankreich: Auf nach Montargis. Wir haben einen Empfangskomitee für die faschistische Internationale organisiertUnd so gaben sich Ungarns Premierminister Viktor Orban – er wetterte gegen den „Bevölkerungsaustausch“, einen Dauerbrenner der völkischen Agitation -, Spaniens VOX-Chef Santiago Abascal, der belgische Vlaams Belang-Häuptling Tom Van Grieken und Italiens Lega-Boss Mattheo Salvini ein Stelldichein. Aus Estland durfte der EKRE-Politiker Martin Helme behaupten, das nationale Erbe müsse man „in den Knochen“ haben, wo andere Völkische es eher im Blut verorten, und „um französischer Nationalist zu sein, braucht man die Knochen seiner Vorfahren in Frankreich“.

Drei- bis viertausend Menschen demonstrierten am Sonntag um die Mittagszeit durch das Zentrum von Montargis, einer Stadt mit starken Traditionen der Arbeiterbewegung. Damit zählte der Protestzug zu den größten in der jüngeren Geschichte der Stadt, in ähnlichen Dimensionen wie die gegen die Rentenreform 2023. Die Gewerkschaftsverbände CGT und CFDT, die französische KP und die Grünen waren in dem Umzug am stärksten vertreten. Neben ihnen sprachen auch Menschenrechts- und Antirassismusgruppen wie LDH und MRAP auf der Kundgebung, die den ganzen Nachmittag über im Stadtpark im Zentrum von Montargis andauerte. Am Bahnhof liefen sich ihre Teilnehmer mit Anzug tragenden, im Nacken tätowierten Rechte und starken Polizeikräften – Auge im Auge – über den Weg.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=228600
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