»
Frankreich »
» »

Wachend durch die französische Nacht – Ein Weg aus dem europäischen Alptraum?

#NuitDebout: gemeinsame VV mit den Leuten aus Congo-Brazzaville. Das Plakat in der Mitte auf dem Boden, das französische Verbrechen in Afrika thematisiert, zeigt Vincent Bolloré (LabourNet berichtete) (Foto: Bernard Schmid)

So der Titel eines gemeinsamen Kommentars von Bernard Schmid und David Doell vom 13. Mai 2016 zur grundsätzlichen Bedeutung der Nuit Débout Bewegung, die jetzt Anstrengungen zur „Globalisierung“ unternimmt.  Diese Stellungnahme beginnt so: „Damit hätte niemand gerechnet: Auch nach anderthalb Monaten „wacht“ die am 31. März begonnene Platzbesetzung (Nuit debout) immer noch durch die französische „Nacht“. Wo sich am Anfang noch das pure – sich seiner z.T. selbst nicht bewusste – demokratische Aufbegehren manifestierte, hat sich inzwischen ein Prozess entwickelt, in dem um konkrete ökologische, antikapitalistische, feministische, postkoloniale… Inhalte gerungen wird

Wachend durch die französische Nacht – Ein Weg aus dem europäischen Alptraum?

Damit hätte niemand gerechnet: Auch nach anderthalb Monaten „wacht“ die am 31. März begonnene Platzbesetzung (Nuit debout) immer noch durch die französische „Nacht“. Wo sich am Anfang noch das pure – sich seiner z.T. selbst nicht bewusste – demokratische Aufbegehren manifestierte, hat sich inzwischen ein Prozess entwickelt, in dem um konkrete ökologische, antikapitalistische, feministische, postkoloniale… Inhalte gerungen wird.

Als Schritt nach vorne gegenüber vorangegangenen Bewegungen erschöpft sich Nuit debout nicht mehr in der Besetzung des Platz „als solchen“, gibt ihn sogar stundenweise auf (und kehrt doch dorthin zurück), sondern hat ein strategisches Verhältnis zu dem von ihr geschaffenen demokratischen Raum. Es entsteht Kollektivität, die Vereinzelung aufhebt und nicht mit einem vorstrukturierten Politikbetrieb vergleichbar ist, sondern darüber hinaus Grenzen überwindet. Das Neue ist nie dieser Nächte nie weit. In der Verdichtung, aus der Ablehnung der bestehenden Verhältnisse und dem Vertrauen zu den Anderen, entwickelt sich eine gemeinsame Suchbewegung.

Dieser Prozess ist nicht frei von Widersprüchen. Wo er Menschen zum ersten Mal mit kollektiven demokratischen Prozessen in Berührung bringt, bietet er zugleich eine Bühne zur Reproduktion des immer Gleichen. Das Elend und die verrohte Subjektivität der Mehrheitsgesellschaft schlagen auf den Platz durch; nicht wegen, sondern trotz des Neuen, das entsteht. Die Widersprüche und Fehler bedeuten nicht das Scheitern der Bewegung, sondern stellen sie vielmehr vor die Herausforderung, andere (und auch bessere) Antworten zur Veränderung der Gesellschaft zu finden.

Für eine Strategie der Bündelung der Kämpfe (#Convergence des luttes) muss die Bewegung den konkreten gewerkschaftlichen Kampf mit einem radikal-utopischen Horizont verbinden. Nur in dieser doppelten Bewegung zwischen konkretem antikapitalistischem Kampf – der Auseinandersetzung mit den französischen Kräfteverhältnissen – und dem Ringen um ein ganz Anderes, kann sich der Geist von Nuitdebout konkretisieren.

Gegenüber der nationalen Engführung der Gewerkschaften eröffnet sich mit dem internationalen Ratschlag vom Wochenende des 07. und 08. Mai eine neue strategische Dimension, die der „Synchronisierung der Kampfzeiten“. Der globale Aktionstag am 15. Mai, #GlobalNuitDebout, erlaubt den Einstieg in eine Auseinandersetzung auf europäischer Ebene, der gegenüber der Standortlogik der Herrschenden einer Verwirklichung internationale Solidarität vorgreift. Es ist Zeit, dass die Unterdrückten sich endlich so global zu organisieren beginnen wie die Herrschenden und eine (Gleich-)Zeitlichkeit der Aktion auf der Höhe des neoliberalen Herrschaftsprojekts entwickeln!

Bernard Schmid, David Doell
13. Mai 2016

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=98156
nach oben