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Der Streiktag 17. September in Frankreich: Fiel schwach aus. Warum?

Wenig erfolgreiches Mobbilisierungsplakat der CGt zum 17.9.2020Sei es in Toulouse, Marseille, Lyon, Nantes, Montpellier, Le Mans oder Perpignan, überall an diesen (und zahlreichen weiteren) Orten verlief die Mobilisierung für den Neustart-Tag gewerkschaftlicher Proteste eher deutlich enttäuschend. Auch im noch im Winter oftmals über lange Zeit stark bestreikten öffentlichen Verkehr gab es vergleichsweise wenige Aktionen. In dem Beitrag „Pourquoi beaucoup de salariés ont la tête ailleurs“ von Stéphane Ortega am 17. September 2020 bei Rapports des Forces externer Link wird versucht, den Ursachen dieser Schwäche auf den Grund zu kommen. Eine Schwäche im Übrigen, die auch im deutlichen Kontrast steht zu zahlreichen aktuellen betrieblichen Auseinandersetzungen – oder, wie der Autor meint, auch gerade deswegen, weil eben die aktuelle Situation so sei, dass die Sorgen sehr konkret gestaltet seien. Und neben Entlassungsplänen und Widerstand auch auf die Ängste um Wiedereinschulung von Kindern als Beispiel verweist – wie auch auf die Tatsache, dass die Mobilisierung im Winter ja auch keinen wesentlichen Erfolg erringen konnte. In der Verbindung der anwachsenden betrieblichen und behördlichen Kämpfe werden in dem Beitrag die Perspektiven für „bessere Zeiten“ gesehen… Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge aus Nancy und Paris sowie eine Bewertung aus Deutschland – und unsere Vorankündigung:

  • „Le cortège arrive sur la Place de la Nation. Fin de la manifestation de ce jeudi 17 septembre“ am 17. September 2020 im Twitter-Kanal von Charles Baudry externer Link ist ein Video vom Ende der Pariser Demonstration an diesem Tag – nahe liegend deutlich größer als anderswo, aber immer noch deutlich kleiner, als erwartet worden war
  • Geballte Wut. Zehntausende demonstrierten in Frankreich gegen Pläne der Regierung. Geschenke an die Konzerne soll es nicht geben
    Massenentlassungen, Subventionen für Konzerne ohne Gegenleistung, Gehaltskürzungen und die Rückkehr zur Rentenreform. Für den ersten großen Aktionstag der Amtszeit des neuen französischen Premierministers Jean Castex hatten die Demonstranten genügend Gründe, ordentlich einzuheizen. Zehntausende folgten am Donnerstag in mehreren französischen Städten dem Aufruf eines von der »Confédération générale du travail« (CGT) angeführten Gewerkschaftsbündnisses, sich gegen die Zukunftspläne zu wehren, die die Regierung im Kontext der Pandemie schmiedet. »Masqué-e mais pas muselé-e« und »Pour un autre avenir«. Zu Deutsch: »Maskiert, aber nicht mundtot gemacht« und »Für eine andere Zukunft«. Das waren die immer wiederkehrenden Parolen, die die landesweiten Proteste begleiteten. Laut Gewerkschaften waren insgesamt mehr als 50.000 Menschen auf der Straße, in Paris waren es 10.000 und in Marseille sogar bis zu 15.000. Obwohl die Maskenpflicht quasi ausnahmslos befolgt wurde und es keine Ausschreitungen gab, war die Polizeipräsenz vor allem in Paris bemerkenswert. (…) Für Nathalie Verdeil, Vorstandsmitglied der CGT, ist klar: »Die Regierung will alles dafür tun, eine Wiederbelebung der Proteste zu verhindern. Sie hat Angst, dass ›Gelbwesten‹, Gewerkschaften und Klimabewegung wieder zusammenfinden«, sagte sie am Freitag gegenüber jW. »Doch das wahre Problem, gegen das wir ankämpfen müssen, ist die Zukunftsangst, die viele Beschäftigte nahezu paralysieren kann. Wir wussten, dass es nicht leicht werden würde, zu mobilisieren, aber im aktuellen Kontext war das dringend nötig«, schilderte sie weiter. In der Tat: Die Aussichten für den Herbst, was die Jobsicherheit und die Gehälter der Beschäftigten angeht, sind nicht gut. Denn die Unternehmen wollen mehr denn je die Coronakrise ausnutzen, um Stellenabbau und Sozialkürzungen voranzutreiben. Vor allem Großkonzerne, die im doppelten Sinne zu den Krisengewinnlern zählen, stehen in den Startlöchern. Doppelte Gewinner, weil einerseits viele von ihnen ihre Profite durch die Krise steigern konnten und andererseits die Regierung ihnen nun Geld zur »Eindämmung der Folgen der Pandemie« schenkt. (…) Für die Gewerkschaftssekretärin steht jedenfalls fest: »Wir werden zusammen mit den anderen Akteuren in den nächsten Wochen eine Strategie erarbeiten, um zu erreichen, dass die Staatshilfen anders verteilt werden. Die Beschäftigten sind wütend. Gestern war nur eine Zwischenetappe.«“ Artikel von Raphaël Schmeller in der jungen Welt vom 19.09.2020 externer Link – sehr realistisch ist allerdings der Kommentar dazu von Marco Wenzel in den Hinweisen des Tages 21. September 2020 bei den Nachdenkseiten externer Link: „Obwohl sowohl die Rückkehr der Gelbwesten auf die politische Bühne am letzten Samstag als auch der Mobilisierungstag der Gewerkschaften am Donnerstag sehr wichtig und zu begrüßen sind, sind die Ergebnisse doch gemischt: nur die traditionellen Gewerkschaftsteams traten in den Streik, die Umzüge glichen einer Routineveranstaltung und mehrere Sektoren waren, obwohl sie an der Spitze der Gesundheits- und Wirtschaftskrise standen, fast gar nicht vertreten. Der lauwarme Neuanfang nach der Sommerpause und nach dem erzwungenen Lockdown spiegelt jedoch nicht das Fehlen von Wut der Bevölkerung in Frankreich wider, sondern vielmehr die fehlende Perspektive für den Kampf und das Fehlen eines durchdachten Kampfplanes. Dieser Tag der Mobilisierung wurde von den Gewerkschaften eher halbherzig organisiert. Es wurde nicht versucht, die Streikfront neu aufzubauen. Die Gewerkschaftsbosse, allen voran die CFDT und die FO, die gar nicht erst zu diesem Tag aufriefen, wollen lieber weiterhin die Schiene des “sozialen Dialogs” fahren, statt, angesichts der immer heftigeren Angriffe der Regierung und der Arbeitgeber, ein wirkliches Kräftegleichgewicht aufzubauen. Die Basis für einen solchen Dialog wird jedoch immer dünner, viel gibt es da nicht mehr zu verhandeln, wenn das Kräfteverhältnis nicht stimmt. Die Zahl der Arbeitslosen steigt auch in Frankreich weiterhin an. Der Einbruch der französischen Wirtschaft wird dieses Jahr um die 10% liegen. Die Arbeitgeber haben bereits Milliarden an Staatshilfen kassiert, obwohl sie massenweise Entlassungen getätigt oder diese bereits angekündigt haben. Viele Beschäftigte in diesen von Entlassungen bedrohten Sektoren haben dann auch den Tag der Mobilisierung genutzt, um ihren Zorn zu zeigen. Die Beschäftigten sollen die Zeche für die Wirtschaftskrise zahlen und die Regierung Macron will um jeden Preis eine explosive Wiederaufnahme des Kampfes vor den anstehenden Angriffen auf die Beschäftigten verhindern. In dieser Perspektive ist eine Koordinierung und Überwindung der Spaltungen zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern, zwischen Festangestellten und Leiharbeitern, zwischen Subunternehmern und Auftraggebern, usw. das Gebot der Stunde, nicht nur in Frankreich.“
  • Siehe unsere nkündigung vom 13. September 2020: Sie sind wieder da: Die Gelbwesten oder „Macrons Alptraum“. Generalprobe zum Streiktag am 17. September?
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178339
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