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McDonalds: Ist voll OK! Zumindest, wenn die gekündigte Belegschaft die Räumlichkeiten nutzt, Lebensmittel-Lieferungen in ärmere Stadtteile zu organisieren, wie in Marseille

McDonalds in Marseille: Von der Belegschaft im April 2020 einer vernünftigen Nutzung zugeführt...„… Seit dem Ausbruch der Corona-Krise haben sich die Verhältnisse in den ohnehin äußerst prekären Stadtteilen Marseilles verschlimmert. Die nördlichen Bezirke (3, 13, 14, 15, 16) hatten bereits eine Arbeitslosenquote von 25,5% (zum Vergleich: der nationale Durchschnitt beträgt 8,5%). 39% der Bevölkerung lebte schon vor Corona unterhalb der Armutsgrenze. Durch die Einführung der Ausgangssperre und die mit ihr verbundenen Entlassungen und Lohnausfälle hat sich diese Situation verschlechtert. Mittlerweile kann ein immer größer werdender Teil der dortigen Bevölkerung ihre Grundbedürfnisse, wie etwa Lebensmittel, nicht mehr decken. (…) Angesichts dieses Zustroms beschlossen die Mitarbeiter*innen von McDonald‘s Saint-Barthélemy, die Infrastruktur ihrer Filiale im Kampf gegen die Krise zu nutzen. Unterstützt werden sie dabei von einer Vielzahl von Kollektiven und Verbänden, insbesondere dem Syndikat der Arbeiter*innenviertel von Marseille. Von Händler*innen, Anwohner*innen oder den Tafeln gelieferte Lebensmittel werden im Kühlraum aufbewahrt. Lebensmittelpakete werden in der Filiale vorbereitet, verpackt und von dort aus verteilt. Die Pakete werden in Erdgeschossen von Wohnhäusern oder vor den Wohnungen abgestellt – alles unter Beachtung der hygienischen Schutzmaßnahmen: Masken und Handschuhe werden genutzt, die Produkte desinfiziert. Kamel Guémari, Mitglied der Gewerkschaft Force Ouvrière und Akteur im Kampf gegen das McDonald‘s‑Management, fragt: „Wenn wir in diesem Ausnahmezustand unsere Nachbarn nicht unterstützen, wer dann?“ Der McDonald‘s‑Konzern lehnt die Aktion ab, verurteilt sie sogar…“ – aus dem Beitrag „McDonald’s-Filiale besetzt: Arbeiter*innen verteilen Lebensmittelpakete an Leidtragende der Krise“ von Mateo Falcone am 14. April 2020 bei Klasse gegen Klasse externer Link (in deutscher Übersetzung von Kim Pollin), worin auch noch die sonstigen Geschäftspraktiken des Unternehmens Thema der Berichterstattung sind. Siehe dazu einen weiteren Beitrag, der die „Vorgeschichte“ dieser Filiale nachzeichnet – und damit auch die Vorgehensweise des Unternehmens deutlich macht…

  • „„Essen von McDonald’s zu liefern ist gesellschaftlich nicht unbedingt notwendig.“ – In Marseille beschlagnahmen Beschäftigte ihre McDonald’s-Filiale für die Versorgung der Nachbarschaft“ am 14. April 2020 von und bei solidarischgegencorona externer Link dokumentiert den oben verlinkten Beitrag und fügt unter anderem kommentierend hinzu: „… In dieser Situation kommt es weltweit zu einer Welle proletarischer Selbstorganisierung, sei es in wilden Streiks in den Fabriken und Callcentern, in der Nachbarschaftshilfe oder in Mietstreiks. Auch die Besetzung des McDonald’s in Marseille ist in diesem breiteren Zusammenhang zu verstehen. Wie Médiapart am 11. April berichtete, war die Filiale kein unbeschriebenes Blatt. Das Management lieferte sich seit längerem Auseinandersetzungen mit der kämpferischen, anscheinend gut organisierten 60-Köpfigen Belegschaft und schloss die Filiale im Dezember 2019, nach Zahlung von individuellen Abfindungen in Höhe von insgesamt über zwei Millionen Euro. Nun sind einige der Angestellten für eine Zweckentfremdung zurückgekehrt. Aktionen, wie die in Marseille sind mehrdeutig, weil sie Gefahr laufen, lediglich die Versorgungslücken auszufüllen, die der Staat durch seinen Rückzug sehenden Auges erzeugt hat. Auch die beteiligten Initiativen sind genervt davon, dass die Behörden ihnen stillschweigend die unbezahlte Arbeit zuschieben und sich selbst aus der Verantwortung ziehen. Die Ausnutzung des Altruismus und Opferbereitschaft. besonders von Frauen in der privaten Pflege von Angehörigen etc., kann eine Art des Outsourcings von öffentlichen Aufgaben sein. Gleichzeitig ist die autonome Umfunktionierung eines Fastfood-Lokals eine radikale, praktische Infragestellung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und der hierarchischen Arbeitsteilung. Wer bestimmt, für was Gebäude und Technologie genutzt werden? Das Management oder ArbeiterInnen und die Nachbarschaft? Wofür soll produziert werden? Für Profite, oder für die Bedürfnisbefriedigung Aller? Diese kollektive Politisierung der Arbeit und des Eigentums ermöglicht wichtige Erfahrungen einer wirklichen demokratischen Selbstbestimmung des Gemeinwesens, die über den unmittelbaren Notcharakter der Maßnahmen hinausweisen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=170479
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