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Die Regierung Ecuadors muss das Dekret 883 des IWF zurück nehmen: Ein wichtiger Sieg – doch die Repression wird fortgesetzt

Am 17. September 2014 in Ecuador: Gewerkschaftsverbände, soziale Organisationen, Indigene: Gemeinsam gegen neues Arbeitsgesetz„… In Ecuador ist es nach einer vorläufigen Einigung zwischen der Regierung von Präsident Lenín Moreno und dem einflussreichen Indigenen-Dachverband Conaie zu einer Verhaftungswelle gegen Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalisten gekommen. Beobachter sehen in dieser jüngsten Entwicklung einen Strategiewechsel von Regierung und Sicherheitsorganen: Nach einer allgemeinen Repression gegen die Massenproteste gehen Regierung und Behörden nun offenbar gezielt gegen Kritiker vor. (…) Nach der Bekanntgabe des Abkommens zwischen Vertretern von verschiedenen Indigenenorganisationen und der Regierung am späten Sonntagabend gingen tausende Menschen auf die Straßen, um den Sieg zu feiern – die Rücknahme des umstrittenen Dekrets 883, mit dem Präsident Moreno zum Monatsbeginn eine massive Erhöhung der Treibstoffpreise verfügt hatte. (…) Am späten Nachmittag gaben die Indigenenorganisationen eine Pressekonferenz, in der sie die sofortige Absetzung der Innenministerin und des Verteidigungsministers forderten. Beide Kabinettsmitglieder seien für die Toten und Verletzten der vergangenen Tage verantwortlich. Die Sprecher der Indigenen verwiesen darauf, dass die Treibstoffpreiserhöhungen zurückgenommen werden. Die erhöhten Fahrpreise für Busse, die Senkung der Gehälter von Angestellten und die Flexibilisierung von Arbeitsverträgen erwähnten sie nicht. Am heutigen Dienstag soll eine erste Verhandlungsrunde zwischen Regierung und Vertretern der Gewerkschaft Einheitsfront der Arbeiter (Frente Unitario de Trabajadores, FUT) stattfinden…“ – aus dem Beitrag „Nach Deal mit Indigenen: Verhaftungswelle gegen Oppositionelle in Ecuador“ von Kerstin Sack und Harald Neuber am 15. Oktober 2019 bei amerika21.de externer Link, worin auch noch die Repressionsmaßnahmen gegen Aktive der früheren Regierungspartei Thema sind. Zur aktuellen Entwicklung in Ecuador vier weitere Beiträge, sowie zwei Beiträge, die die Bedeutung von Massenmobilisierungen eben gerade in Ecuador unterstreichen und der Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu diesen Protesten:

„Die Diktatur hat an die Tür geklopft“ von Marco Paladines am 15. Oktober 2019 in neues deutschland online externer Link zu den gescheiterten Versuchen der Regierung, die Massenproteste mit blanker Repression zu unterbinden: „… Doch die Intensität der Gewalt und der Repression hat in den letzten Tagen ein Maß erreicht, das für Ecuador neu ist. Nach der Ausrufung eines Ausnahmezustands, der Schließung von unabhängigen, kritischen Medien, der Verhaftung von politischen Gegnern und der Verhängung einer Ausgangssperre in unterschiedlichen Zonen der Hauptstadt hat Präsident Moreno nicht nur seine Legitimität als Regierungschef verloren, sondern die Demokratie Ecuadors in Gefahr gebracht (…) Die unter Druck gesetzte Regierung initiierte einen Dialog mit Repräsentanten des Dachverbandes der Indigenen Völker Ecuadors (CONAIE), der durch die Vereinten Nationen und die Bischofskonferenz vermittelt wird. Die Demonstranten fordern den Rücktritt der Innenministerin María Paula Romo und des Verteidigungsminister Jarrín, die verantwortlich für die Esklation und die Todesopfer gemacht werden. Erster Erfolg des Dialogs: Die Verordnung der Wirtschaftsmaßnahmen wurde ausgesetzt. Die Ausgangssperre bleibt jedoch in Kraft. Das Vertrauen in die Regierung Moreno ist aber längst verloren. Die Ecuadorianer, die seit Tagen nichts mehr von Ruhe wissen, begleiten den Dialog aufmerksam, erwartungsvoll aber misstrauisch. Von einer Regierung, die ihre eigene Legitimität verspielt hat, darf man wenig erwarten…“

„Volksaufstand in Ecuador erzwingt Rücknahme von IWF-Reformen“ von Harald Neuber am 14. Oktober 2019 bei telepolis externer Link zum Inhalt des Abkommens: „… In Ecuador hat Präsident Lenín Moreno am Sonntagabend (Ortszeit) die Rücknahme des umstrittenen Dekrets 883 angekündigt, mit dem er Anfang des Monats jahrzehntlange Kraftstoffsubvention abrupt abgeschafft hat. Es gehe nun darum, den politischen Dialog in dem südamerikanischen Land voranzutreiben, sagte Moreno, dessen Umfragewerte bei kaum mehr als 15 Prozent liegen. Die Proteste in Ecuador hatten mindestens sieben Todesopfer unter Demonstranten gefordert, tausende Menschen wurden verletzt oder inhaftiert. In der Nacht zum heutigen Montag nun akzeptierte Moreno die Forderung des mächtigen Indigenen-Dachverbandes Conaie, das umstrittene Dekret zurückzunehmen. Verhandelt wurde der Kompromiss unter Vermittlung der UNO und der ecuadorianischen Bischofskonferenz. Nun soll eine gemischte Kommission ein neues Dekret erarbeiten. „Wir haben eine Vereinbarung getroffen, die jeder der Parteien Entgegenkommen abverlangt hat“, sagte der Präsident. Allerdings soll auch eine Nachfolgeregelung Sparmaßnahmen beinhalten. Offenbar bleibt auch der für 60 Tage erklärte Ausnahmezustand aufrecht erhalten. Zuletzt hatte die Regierung mehr als 70.000 Polizisten und Soldaten auf die Straßen geschickt. Die Aufhebung des Dekrets war Voraussetzung dafür, dass die Conaie und andere soziale Gruppen in einem gemeinsamen Gremium mit der Regierung über wirtschaftliche Reformmaßnahmen verhandeln. Conaie-Präsident Jaime Vargas begrüßte das Zwischenergebnis der Verhandlungen und zeigte sich „erschüttert“ über die heftigen Proteste, die Ecuador über mehr als eine Woche hinweg erfasst hatten. Die Vereinbarung sieht nun auch ein Ende der Demonstrationen der indigenen Bevölkerung vor…“

„Ecuador’s people have a won a victory but government repression continues“ am 15. Oktober 2019 bei Peoples Dispatch externer Link ist ein Überblick, der ebenfalls die Erfolge der Massenproteste berichtet und die fortgesetzten Repressionsmaßnahmen – hier als Beispiel dafür, dass diese Sichtweise global verbreitet ist.

„El presidente de la confeniae sachacristo  pidió a las autoridades de control y justicia que no se criminalice a los ciudadanos“ am 14. Oktober 2019 im Twitter-Kanal von Voces Ecuador externer Link ist ein Video mit einem Auszug der Pressekonferenz der indigenen Organisationen nach dem Abkommen, worin der Sprecher einer der Föderationen, aus denen Conaie zusammengesetzt ist, nachdrücklich festhält, dass die Nicht-Verfolgung jener Bügerinnen und Bürger, die sich an den Massenprotesten beteiligt haben, eine Voraussetzung für die Einhaltung und Gültigkeit des Abkommen sei.

 „Lo han vuelto a hacer: el movimiento indígena tumba el ‘paquetazo’ de Lenin Moreno“ von Martin Cúneo am 14. Oktober 2019 bei Clajadep-LaHaine externer Link dokumentiert (ursprünglich in El Salto), ist ein Beitrag, der über das Ergebnis der aktuellen Proteste hinaus darauf verweist, dass solche Erfolge der Massenmobilisierungen in Ecuador sozusagen Tradition haben: Von dem Sturz mehrerer reaktionärer Regierungen durch solche Bewegungen bis hin zur Verhinderung der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens gehen die Ergebnisse der Mobilisierungsanstrengungen der letzten rund 20 Jahre.

„Indigènes équatoriens et gilets jaunes : ressemblances et différences“ von Camille Münzer am 14. Oktober 2019 bei Révolution Permanente externer Link ist ein interessanter Vergleich zwischen der Protestbewegung in Ecuador und den Gelbwesten in Frankreich, bei dem diverse Gemeinsamkeiten ebenso hervor gehoben werden (die Ursachen in den Auswirkungen politischer Maßnahmen auf das Alltagsleben vieler Menschen etwa), wie Unterschiede – die vor allem in der Rolle der Indigenen-Organisation Conaie als wesentlicher Akteur bestehen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155885
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