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Auch in Ecuador wird die Mär von der freien Wahl „in die Tonne gekloppt“

Corona in Ecuador und Unterstützung sozialer AktivistInnen„… Der Nationale Wahlrat (Consejo Nacional Electoral, CNE) in Ecuador hat die Partei des Ex-Präsidenten (2007-2017) Rafael Correa am Sonntag bis auf Weiteres aus dem Wahlregister gestrichen. Damit könnte der Gruppierung FCS (Fuerza Compromiso Social) die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen am 7. Februar 2021 versperrt bleiben. Die FCS und drei weitere betroffene Parteien haben nun zehn Tage Zeit, bestehende Vorwürfe gegen sie im Rahmen des Registrierungsprozesses auszuräumen. Hintergrund des Disputs sind Vorwürfe des Vorsitzenden des Obersten Rechnungshofes, Pablo Celi, aus dem Jahr 2019. Damals schon hatte Celi vom CNE gefordert, die notwendige Anzahl der Unterschriften zur Einschreibung der Correa-Partei in das Wahlregister zu überprüfen. In Ecuador müssen neue Parteien die Unterstützung von 1,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler vorweisen, um zugelassen zu werden. Der CNE hatte die Forderungen von Celi, einem engen Vertrauten von Amtsinhaber Lenín Moreno, zunächst zurückgewiesen, um nun auf wachsenden Druck offenbar nachzugeben…“ – aus dem Beitrag „Wahlbehörde in Ecuador schließt Correa-Partei aus“ von Harald Neuber am 21. Juli 2020 bei amerika21.de externer Link – aus dem deutlich wird, dass, wie in Brasilien und Bolivien, auch in Ecuador die Rechte gar nicht mehr in der Lage ist, die Mär von angeblich freien Wahlen aufrecht zu erhalten. Und das völlig unabhängig davon, wie weit die Begeisterung über ausgeschlossene Wahlbeteiligte in all diesen Fällen reichen mag (wenig weit). Siehe dazu auch vier weitere Beträge – auch zum antisozialen Vorpreschen der Regierung während der Epidemie, wodurch sie jetzt zu solch entlarvenden Schritten gezwungen ist…

  • „Zeichen der Schwäche“ von Frederic Schnatterer am 21. Juli 2020 in der jungen welt externer Link kommentiert dies unter anderem so: „… Die Entscheidung des Nationalen Wahlrats (CNE), die Partei des linken Expräsidenten Rafael Correa, »Fuerza Compromiso Social«, von der für den 7. Februar 2021 geplanten Präsidentschafts- und Kongresswahl auszuschließen, zeigt die Angst der 2017 wieder an die Macht gelangten Rechten des Landes. Correa, der sich im Exil in Belgien aufhält, genießt weiterhin großen Rückhalt in der Bevölkerung. Das liegt einerseits an der von ihm angestoßenen »Bürgerrevolution«, während der er mittels Sozialprogrammen viele Menschen aus der Armut holen konnte. Andererseits beweist sein Nachfolger Moreno seit seinem Amtsantritt 2017 Tag für Tag aufs neue, welch brutale Folgen der neoliberale Kapitalismus für die Mehrheit der Bevölkerung hat. Bereits bei den Lokal- und Regionalwahlen im März 2019 belegten Bündnisse, die dem ehemaligen Präsidenten treu geblieben waren, wie groß die Zustimmung in Ecuador für das Projekt der »Bürgerrevolution« weiterhin ist; die Kandidaten der »Fuerza Compromiso Social« gewannen neben der Hauptstadt Quito mehrere wichtige Provinzen. Der Aufstand gegen das vom Internationalen Währungsfonds diktierte Kürzungspaket im Oktober 2019 sowie die neuesten Angriffe auf Sozialprogramme und Arbeiterrechte inmitten der Coronapandemie, die teilweise zum Kollaps des Gesundheitssystems geführt hat, dürften zu einem weiteren Stimmgewinn für die linke Opposition führen...“
  • „Protest gegen Sparpolitik in Ecuador, Präsident reagiert mit Ausnahmezustand“ von Marius Weichler am 17. Juni 2020 bei amerika21.de externer Link zu den jüngsten wirtschaftspolitischen Attacken der Regierung Ecuadors: „… Darüber hinaus verabschiedete das Parlament ein sogenanntes Gesetz zur Humanitären Unterstützung (Ley de Apoyo Humanitario), das es ermöglicht, eine Vielzahl von Arbeits- und Sozialrechten auf Arbeitnehmerseite auszusetzen. Begründet wurden diese Maßnahmen mit der wirtschaftlichen Krise des Landes aufgrund der Covid-19-Pandemie. Der Internationale Währungsfonds hatte die Zahlung von Hilfsgeldern an den Andenstaat zuvor von Reformen des Arbeitsmarktes und Einsparungen im öffentlichen Dienst abhängig gemacht. Währenddessen rief die Regierung am Montagabend erneut den Ausnahmezustand für 60 Tage aus. Man behalte sich vor, die Maßnahme für weitere 30 Tage zu verlängern. So kann die Regierung unter anderem Ausgangssperren erlassen und die Versammlungsfreiheit einschränken. Der Dachverband der ecuadorianischen Gewerkschaften FUT (Frente Unitario de Trabajadores) hatte für die vergangene Woche landesweit zu Protesten aufgerufen, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. Auf einer virtuellen Pressekonferenz erneuerte der Vize-Präsident der FUT, José Villavicencio, seine Kritik an der Regierung: „Sie waschen ihre Hände in Unschuld und behaupten, das Gesetz zur Humanitären Unterstützung betreffe nicht die Lehrer und die Arbeiter, dabei betrifft es uns sehr wohl.“ Die Gewerkschaften forderten Präsident Moreno auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen und sein Veto einzulegen. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich...“
  • „Zuhause bleiben, bedeutet Hunger leiden“ von Mayra Caiza, Patricia Yallico und Romano Paganini am 23. März 2020 bei Mutantia externer Link war eine Reportage über die Auswirkungen der Epidemie, worin unter anderem berichtet wurde: „… Entsprechend wenig hält der Präsident der Einzelhändler von der Kampagne der ecuadorianischen Regierung #Quedateencasa (#BleibZuhause). „Ambulanten VerkäuferInnen oder Arbeitslosen wird damit nicht Rechnung getragen“, sagt Castellanos. „Man kann nicht einfach tausende von Frauen und Männern ohne etwas zu essen zuhause einsperren“. Er hofft deshalb, dass bald staatliche Essenslieferungen organisiert werden. „Sonst wird dieses Zuhausebleiben sehr schwierig“. Wenige Stunden nach dem Gespräch mit ihm hat das zuständige Ministerium damit begonnen, landesweit 245.000 Lebensmittelkörbe an Familien zu verteilen, die in Armut oder extremer Armut leben. Der Korb enthält 16 Produkte, die eine vierköpfige Familie während fünfzehn Tage versorgen soll. Trotz dieser Nachricht ist Leónidas Iza, möglicher Präsidentschaftskandidat für die Wahlen in zehn Monaten, besorgt, weil andere Sektoren, wie etwa die Landwirtchaft, im Rahmen der Krise links liegen gelassen werden. Als Führer der Indigenen- und Bauernbewegung der Provinz Cotopaxi fehlt es ihm an Unterstützung für die Landwirtschaft. „Die Städte sind auf die Versorgung mit Produkten vom Land angewiesen“, sagt er. „Wir haben bereits unsere Preise gesenkt, aber der Verkaufspreis darf nicht dem subjektiven Gutdünken der Zwischenhändler überlassen werden. Denn dadurch entsteht Spekulation.“ Iza schlägt deshalb vor, dass der Zentralstaat via Notfall-Gesundheitsfond die Produktion der Bauern aufkauft, um sie dann kostenlos an jenen Teil der Bevölkerung weiterzugeben, der sich die Nahrungsmittel nicht leisten kann. Das Prekariat, sowohl der Bauern als auch der informellen VerkäuferInnen in den Städten, ist die Realität von tausenden Menschen in ganz Ecuador und von Millionen weltweit – unabhängig davon, ob Pandemie herrscht oder nicht. Sie leben von den Brotkrümeln, die der globalisierte Markt zurücklässt. Was das Corona-Virus derzeit verursacht, und sich für die wohlhabenderen Klassen wie eine Krise anfühlen kann, ist für viele Menschen Alltag. Einer von ihnen ist Cristian. Auf einem Trottoirrand sitzend wartet er bis der Tag zu Ende geht. Seit fünf Jahren lebt er auf der Strasse und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser: Kisten von einem Lagerhaus ins andere schleppen, Lebensmittel vom Markt herankarren oder auf geparkte Autos aufpassen. „Doch jetzt, da sämtliche Geschäfte geschlossen sind, haben wir nichts zu essen“, sagt er im Namen seiner compañeros. Am Donnerstagvormittag hatte ihm ein Autofahrer ein paar Cents in die Hand gedrückt, damit Cristian auf dessen Wagen aufpasst. Mit dem Geld kaufte er sich eine Packung Chips und teilt diese mit seinen drei Kameraden. „Etwas ist etwas“, sagt der 26-Jährige, „aber natürlich haben wir davon nicht gegessen.“ Seine letzte warme Mahlzeit liegt drei Tage zurück. Die Polizei habe sie zwar aufgefordert, in einer der Stadtherbergen Unterschlupf zu suchen, doch weder Cristian noch die anderen verfügen über einen gültigen Ausweis. „Und ohne Ausweis lassen sie uns nicht rein.“ Um solche Situationen zu vermeiden, hat das ecuadorianische Verfassungsgericht dieser Tage ausdrücklich festgehalten, dass der Staat zum Schutz von verwundbaren Menschen – etwa jene, die in der Strasse leben – entsprechende Schutzmassnahmen ergreifen muss. Bis zur Veröffentlichung dieses Textes hat sich die Regierung zu dieser Forderung nicht öffentlich geäussert…
  • „DAS VIRUS HAT ALLE PROBLEME VERSCHÄRFT“ in Lateinamerika Nachrichten Ausgabe 551 externer Link (Mai 2020) ist ein Interview von Caroline Kim mit Yuliana Ortiz Ruano, in dem die Literatur-Aktivistin zur damaligen Entwicklung im „Hotspot“ Guyaquil unter anderem ausführte: „… Es kamen sehr viele Dinge zusammen. Menschen hatten Angst, in die überfüllten Krankenhäuser zu gehen. Der Notruf funktionierte nicht, Bestattungsunternehmen kamen nicht, um Verstorbene abzuholen. Das war ein sehr fahrlässiger Umgang mit der Situation. Alles ist in den ersten Tagen kollabiert, es gab Familien, die Leichen zuhause hatten, die nicht abgeholt wurden, bis zu zwölf Tage dauerte dies. Es gab Menschen, die die Leichen heraus auf die Straße gelegt haben, weil sie Angst hatten, sich zu infizieren. Es wurde nicht rechtzeitig reagiert. Das mit den Toten in den Straßen ist beschämend und schrecklich schmerzhaft. In Ecuador gibt es einen starken Bezug zum Tod, den damit verbundenen Ritualen des Abschieds. Durch unsere Schwarzen Vorfahren oder die indigene Kultur. Dass man sich nicht von seinen Familienangehörigen verabschieden kann und keine angemessene Beerdigung machen kann, ist ein schwerer Schlag für uns in Ecuador. / Warum ist das gerade in Guayaquil passiert? / Guayaquil ist eine sehr verarmte Stadt, es gibt sehr viele Menschen, die im Servicebereich und bei externen Dienstleister*innen arbeiten. Es gibt sehr viel, was auch normalerweise nicht innerhalb der Regeln abläuft. Der Philosoph Paul B. Preciado hat in einem Artikel geschrieben, dass das Virus all die Problematiken, die es schon vorher in einer Stadt gab, nochmal exponentiell ansteigen lässt. Guayaquil hatte schon viele Probleme. Es ist eine segregierte Stadt, die Armut ist überall sichtbar, es ist die Stadt, wo der Gegensatz von Zentrum und Peripherie am offensichtlichsten wird. Es gibt sehr viele wohnungslose Menschen in Guayaquil, sie schlafen im Zentrum auf der Straße, Menschen, die aus Venezuela gekommen sind, aber auch aus Guayaquil selbst, Sexarbeiter*innen oder Jugendliche, die Drogen konsumieren. Das Gesundheitssystem war schon vorher kollabiert. Das Virus hat all die Probleme verschärft, die schon vorher da waren. / Inwiefern zeigt sich die Problematik von Zentrum-Peripherie in Guayaquil besonders deutlich? / In Guayaquil kommen die meisten Migrant*innen vom Land in die Stadt. Aus der umliegenden Provinz Guayas, aber auch aus anderen Teilen Ecuadors. Aus den ärmeren Stadtteilen kommen viele, um in den Häusern der Wohnbezirke zu arbeiten, als Hausangestellte, Putzkräfte, Gärtner*innen, Chauffeure. Vor allem Frauen, Schwarze Frauen, Indigene, Cholas, angestellt von der weißen Bevölkerung. Bestimmte koloniale Relikte erhalten sich immer noch. Es gibt massenweise Menschen, die im Service arbeiten oder als Straßenhändler*innen, die zu Fuß verkaufen. Sie haben keine Lebensversicherung und auch keine sonstigen Versicherungen. Sie leben von Tag zu Tag. Sie sind diejenigen, die am stärksten durch das Coronavirus betroffen sind. Es gibt Viertel, in denen es kein Wasser gibt, keine Kanalisation, keine asphaltierten Straßen und andere, die sogar Golfplätze haben. All dies kommt in der gleichen Stadt zusammen. Abgrundtiefe wirtschaftliche Unterschiede…“
  • Siehe zuletzt: [25. Mai 2020] Neuer landesweiter Protest-Tag in Ecuador: Im „Zeichen des Oktober“ gegen eine Regierung, die das Land dem Internationalen Währungsfonds ausliefert
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=175838
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