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[Buch] Revolte in Hongkong. Die Protestbewegung und die Zukunft Chinas

[Buch] Revolte in Hongkong. Die Protestbewegung und die Zukunft ChinasHongkong ist in Aufruhr: Eine neue Generation junger und politisch aktiver Bürgerinnen und Bürger erschüttert das Regime. Von der Regenschirm-Bewegung 2014 bis zur erfolgreichen Abwehr des Auslieferungsgesetzes im Oktober 2019 – und darüber hinaus – sind die Forderungen der Protestbewegung radikaler und ihre Aktionen drastischer geworden. Ihre Entschlossenheit ermutigte die Arbeiterbewegung und führte zu dem ersten erfolgreichen politischen Streik seit einem halben Jahrhundert und zu einer Ausweitung der demokratischen Bewegung. Die Hoffnungen reichen dabei weit über das Politische hinaus: Diese neue Generation hat sich einer Hongkonger Identität verschrieben, die Inklusivität mit Offenheit verbindet. Das Buch stellt die – sozial und ideologisch durchaus heterogenen – neuen Protestbewegungen in den Zusammenhang von Kolonisierung, Revolution und Modernisierung in China. Au Loong-Yu untersucht Hongkongs einzigartige Stellung in der chinesischen Geschichte und die Reaktion auf die Proteste in Festland-China. Mit einem vertiefenden Blick auf die Wurzeln und die Komplexität der Bewegung und durch einen Vergleich mit den weltweiten Jugendprotesten seit den 1960er Jahren werden Gegensätze wie »westliche Werte vs. Kommunismus« und »Hongkonger-Sein vs. Chinese-Sein« als Teil einer breiteren geopolitischen Entwicklung verstanden. Im Guten wie im Schlechten ist Hongkong ein Schlachtfeld geworden im großen historischen Wettstreit zwischen den USA, Großbritannien und China.“ Umschlagtext zum im Oktober 2020 erschienenen Buch von Au Loong-Yu, herausgegeben vom Forum Arbeitswelten e.V. beim Verlag Bertz + Fischer. Siehe weitere Informationen zum Buch und daraus – als Leseprobe im LabourNet Germany – das Kapitel „Die Klassenfrage“ – wir danken!

  • Das Buch: 320 Seiten, 31 Fotos, Paperback, 12 x 16,5 cm, ISBN 978-3-86505-765-5, erschienen im Oktober 2020, 14,- [D]
  • Siehe Infos und Bestellung beim Verlag Bertz + Fischer externer Link und dort u.a. auch das  Vorwort der Herausgeber externer Link und die Einführung externer Link von Au Loong-Yu
  • Au Loong-Yu arbeitet in Hongkong als Publizist und setzt sich für die Rechte von Arbeitenden ein. Mitte der 1980er Jahre war er Lehrer und gab die linke Zeitschrift »Pioneer« heraus, die für ein Selbstbestimmungrecht der Bevölkerung Hongkongs eintrat, in einer Zeit, als London und Peking hinter deren Rücken das Abkommen über Hongkongs Wiedereingliederung in die VR China vereinbarten. 1999 gehörte er zu den Mitbegründern der Organisation »Globalization Monitor« (GM), die zum Ziel hatte, die politische Bildung von Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen über Neoliberalismus und Globalisierung zu fördern. 2004 startete Au Loong-Yu das China-Arbeitersolidaritäts-Projekt von GM, das später ein Austauschprogramm zwischen chinesischen und deutschen Basisaktiven einschloss. 2010 verließ er GM, um sich ganz auf das Forschen und Publizieren über China zu konzentrieren. Er schreibt für lokale Medien wie »Ming Pao Daily« und »Stand News« sowie für englischsprachige Zeitschriften wie »WorkingUSA«, »New Politics«, »Jacobin« und »Made in China«. Sein jüngstes Buch trägt den Titel »China’s Rise: Strength and Fragility« (Merlin Press, 2012).

Die Klassenfrage

Der Aufstand von 2019 war sicherlich eine Volksbewegung. Reich und Arm, Chines*innen und Südasiat*innen, alle gemeinsam gegen das Auslieferungsgesetz. Doch hinter diesem großartigen Bild verfolgte das Gespenst der Armut viele junge Menschen. Jugendliche aus der Mittel- oder Oberschicht konnten sich der Bewegung in Vollzeit anschließen, arme College-Student*innen hingegen mussten vielleicht in Teilzeit arbeiten, um leben zu können. Erstere konnten sich teure Ausrüstung kaufen, von erstklassigen Gesichtsmasken bis hin zu stichfesten Westen, und es machte ihnen nichts aus, sie wegzuwerfen, wenn sie vor der Polizei flohen (wenn solche Gegenstände bei ihnen gefunden wurden, konnten (wenn solche Gegenstände bei ihnen gefunden wurden, konnten sie ein Beweis für »Ausschreitungen« sein).

Die armen Jugendlichen konnten sich keine teure Ausrüstung leisten, und es kam häufig vor, dass sie verhaftet wurden, weil sie Ausrüstung für die Demonstrationen in ihrer Tasche hatten, denn sie konnten es sich nicht leisten, diese einfach wegzuwerfen, oder sie mussten erst durch die Gegend fahren, um sie zu verstecken. Viele hatten auch Schwierigkeiten, sich gut zu ernähren, da sie häufiger auswärts essen mussten. Es war durchaus üblich, dass konservative Eltern ihre rebellierenden Kinder zu Hause rauswarfen. Die Jugendlichen aus der Mittelschicht kamen mit ihren Ersparnissen wahrscheinlich eine Zeit lang über die Runden. Arme Jugendliche hatten diese Möglichkeit nicht, und es bestand die Gefahr, dass sie obdachlos wurden und hungern mussten. Die Armut beeinträchtigte ihre Fähigkeit, am Kampf teilzunehmen oder dabei selbst sicher und gut ernährt zu sein.

Es gab Leute im Gelben Lager, die glaubten: »Zum Glück sind wir Hongkonger*innen jetzt eine Gemeinschaft und kümmern uns umeinander.« Daher gab es unter den Protestierenden »Eltern«, die bereit waren, in jeglicher Hinsicht zu helfen. Einige von ihnen waren so einfühlsam, dass sie im Bewusstsein des Stolzes der armen jungen Menschen ihre Art der Unterstützung ständig änderten, um dem Rechnung zu tragen. Sie verteilten Supermarkt-Coupons anstelle von Bargeld und fügten zwischen den Coupons aufmunternde Zettel ein, um nicht als gönnerhaft angesehen zu werden.

All dies war gut. Aber die unbequeme Wahrheit ist, dass die Armutsfrage in der Revolte selten diskutiert wurde. (…) Wenn man während der Proteste mit einfachen Leuten sprach, erfuhr man, dass viele Menschen unzufrieden waren, dass es Superreiche gab. Doch entwickelte sich daraus nie ein bewusstes Streben nach Veränderung. Im Unterschied zu einigen wenigen linken Bemühungen unternahmen die Liberalen nie die Anstrengung, den Stimmen der Armen Gehör zu verschaffen. (…) Die stark unternehmensfreundliche Stimmung in der Stadt machte jegliche linke Mobilisierung für Umverteilungsgerechtigkeit während der Revolte unpopulär. Als der Gewerkschaftsverband HKCTU einen politischen Streik gegen die Regierung unterstützte, war es deshalb keine Überraschung, dass er dabei nur Peking und nicht die Arbeitgeber ins Visier nahm. (…) Indem die Liberalen und Lokalisten sagten, dass die jungen Rebellen nur an »postmaterialistischen Werten« interessiert seien,  versuchten sie, die öffentliche Debatte in eine Richtung zu lenken, in der die sehr materialistischen Fragen wie die Wohlstandsverteilung, die langen Arbeitszeiten, die niedrigen Löhne und das Fehlen einer vernünftigen Rentenversicherung nicht gestellt würden. Es gelang ihnen…“ Inhaltsverzeichnis und das Kapitel „Die Klassenfrage“  (S. 206-212)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182866
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