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Zustände, wie in anderen (kapitalistischen) Ländern auch: Wenn „Chinas Helden“ im Gesundheitswesen protestieren – knüppelt die Polizei

Dossier

Titel der Broschüre zur Selbstorganisation in China während der EpidemieAuch in Chinas Gesundheitssektor spitzt sich der Unmut unter Ärzt:innen, Pflegekräften und Medizinstudent:innen zu. Angesichts der Pandemie und der besonderen Herausforderungen, entsteht erst Recht Wut über fehlende ausgezahlte Löhne und Arbeitsschutz: „… Am 16. Januar marschierten Hunderte von Ärzten, Krankenschwestern und Angestellten des des Suixian-Krankenhauses für traditionelle chinesische Medizin in der Provinz Henan zum lokalen Regierungsgebäude und forderten die Zahlung ihrer ausstehende Gehälter. Viele von ihnen haben seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Die Regierung reagierte mit der Verhaftung von mehr als 20 Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Das Krankenhaus hat die Zahlung von Boni und Leistungszulagen seit Mai 2019 eingestellt. (…) Mehrere hundert Beschäftigte des Gesundheitswesens forderten zuvor die Auszahlung ihrer Löhne durch die lokale Regierung und das Gesundheitsamt und es wurde ihnen gesagt, dass bis zum 25. Dezember 2020 eine Lösung gefunden werden würde. Dies erwies sich als leeres Versprechen und löste die aktuellen Demonstrationen aus…“ – aus dem Bericht „Polizeieinsatz gegen protestierende Beschäftigte des Gesundheitswesens“ am 01. Februar 2021 im Blog des Forum Arbeitswelten externer Link. Siehe dazu auch weitere aktuelle Berichte:

  • Landesweite Proteste gegen geplante Einschränkungen im chinesischen GesundheitssektorAufstand der Rentner:innen New

„Die erfolgreichen spontanen Massenproteste gegen die Fortsetzung der Null-Covid-Politik in China, die die chinesische KP-Führung und Regierung zu einem Kurswechsel um 180 Grad zwangen und die restriktiven Maßnahmen kippten, haben sozialen und politischen Protesten in der „Volksrepublik“ offensichtlich Rückenwind verliehen, wie die jüngsten Rentner-Proteste in mehreren Großstädten zeigen. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Massen im „Reich der Mitte“ keineswegs die willfährige, gleichgeschaltete, gehorsame Ameisenarmee sind, wie im Westen (von einigen Dissidenten aus der Künstler- und Intellektuellenszene einmal abgesehen) gern suggeriert und geglaubt wird. Interessant ist dabei auch die politische Tendenz der Unzufriedenen. Die über eine Reform der Krankenversicherung zu ihren Ungunsten aufgebrachten Senioren skandierten – laut der „Financial Times“ vom 15.2.2023 – Parolen wie: „Nieder mit der reaktionären Regierung!“ und sangen „Die Internationale“…“ Kommentar vom Gewerkschaftsforum Hannover vom 21. Februar 2023 als Vorwort zu deren Übersetzung– wir danken!
Chinas Senioren protestieren gegen Krankenversicherungsreformen
„Von leeren Kassen geplagte Kommunen suchen wegen hoher Kosten für die Covid-Bekämpfung nach Einsparmöglichkeiten – Zehntausende chinesische Rentner sind am Mittwoch auf die Straße gegangen, um gegen die Reform der Krankenversicherung zu protestieren, die eingeführt wurde, als die klammen Stadtverwaltungen versuchten, die Ausgaben nach Chinas kostspieliger Null-Covid-Politik zu kontrollieren. Videoaufnahmen, die der „Financial Times“ vorliegen, zeigen die überwiegend älteren Demonstranten, die sich in der zentralen Stadt Wuhan und der nordöstlichen Hafenstadt Dalian gegen Hunderte von Polizisten zur Wehr setzen, um gegen die Gesundheitsreform zu protestieren, die ihrer Meinung nach zu Leistungskürzungen führen wird. Die Demonstranten skandierten Slogans wie „Nieder mit der reaktionären Regierung!“ und sangen „Die Internationale“. Die Proteste folgten auf eine ähnliche Demonstration in der vergangenen Woche in Wuhan, wo sich Rentner versammelten, um sich gegen den Schritt der Regierung zu wehren, Gelder aus einem obligatorischen Gesundheitssparplan für Arbeitnehmer in einen staatlich kontrollierten ambulanten Versicherungsfonds umzuleiten. Die Reform trat am 1. Februar in Wuhan in Kraft. Die Demonstrationen verdeutlichen die finanziellen Herausforderungen, mit denen Peking beim Versuch, das unterfinanzierte chinesische Gesundheitssystem zu stützen und die schnell alternde Bevölkerung zu versorgen, die im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit Jahrzehnten schrumpfte, konfrontiert ist. „Die oberste Priorität der chinesischen Krankenversicherungsreform ist es, die Kosten zu senken, auch wenn dies zu Leistungskürzungen führen und die Öffentlichkeit verärgern könnte“, sagte Xu Yucai, ein ehemaliger stellvertretender Direktor der Gesundheitsbehörde des Bezirks Shanyang in der nordwestlichen Provinz Shaanxi.
Chinas Gesundheitswesen wurde während der Pandemie durch Pekings Null-Covid-Eindämmungspolitik mit Massentests, zentraler Quarantäne und rollenden Abriegelungen finanziell stark belastet. Während diese Maßnahmen seit Dezember größtenteils beendet wurden, sind die Budgets der lokalen Regierungen erschöpft. In Wuhan, wo Covid-19 zum ersten Mal nachgewiesen wurde, kämpft die staatliche Krankenkasse nach Angaben von Personen, die mit der Materie vertraut sind, schon seit Jahren mit einem Defizit. Um die Finanzierungslücke zu schließen, haben die Kommunalverwaltungen auf „Personal Spending Accounts“ zurückgegriffen, obligatorische Sparkonten, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert und von der Gesundheitsbehörde verwaltet werden. Chinas Guthaben auf diesen Konten hat sich in dem Jahrzehnt, das 2021 endete, mehr als verfünffacht und ist auf 1,2 Milliarden Renminbi (175,3 Mrd. US-Dollar) angestiegen, was zum Teil auf die zunehmende Zahl junger Teilnehmer mit geringen Gesundheitsausgaben zurückzuführen ist. Dies habe zu einem Überschuss an Ressourcen geführt, die für Bereiche mit dringenderem Bedarf eingesetzt werden sollten, so die Behörden. Seit Anfang dieses Jahres haben Dutzende von Städten (darunter Wuhan und Dalian) begonnen, einen großen Teil der PSA-Beiträge an einen staatlich kontrollierten ambulanten Versicherungsfonds zu überweisen. Zuvor konnten Arbeitnehmer, die über Guthaben auf ihren persönlichen Ausgabenkonten verfügten, dieses Geld zur Deckung aller Arztbesuche und Medikamente verwenden, während diejenigen, deren Konten leer waren, andere Mittel zur Deckung ihrer medizinischen Ausgaben finden mussten. Nach den Reformen sollen alle Erwachsenen und Rentner, auch diejenigen, die kein Geld auf ihren persönlichen Konten haben, Zugang zu bezuschussten Arztbesuchen haben. Die Stadtregierung von Wuhan erklärte letztes Jahr, dass die Änderungen die Belastungen der Menschen im Gesundheitswesen „effektiv“ verringern würden. Die Demonstranten argumentieren jedoch, dass die neue ambulante Versicherung mit einer hohen Selbstbeteiligung und einer geringen Deckung verbunden ist, was bedeutet, dass ein Arztbesuch für sie teurer wird. „Das ist Raub“, sagte ein Demonstrant in Wuhan. „Die Regierung will mein Geld verwenden, um andere ohne meine Zustimmung zu subventionieren.“ Die Demonstranten, die letzte Woche in Wuhan protestierten, gaben den Behörden sieben Tage Zeit, um auf ihre Bedenken einzugehen, aber die Stadtregierung hat kaum Anzeichen für ein Einlenken gezeigt. „Langfristig wird es allen besser gehen, wobei kranke und ältere Menschen mehr profitieren werden“, erklärte das Büro für Gesundheitssicherheit in Wuhan in einer Stellungnahme.
Dutzende von Städten haben in den letzten Tagen ebenfalls Erklärungen abgegeben, in denen sie die Vorteile der Reformen betonen. Gesundheitsexperten sagten, dass die Änderungen denjenigen zugute kämen, die häufig zum Arzt gingen, weil sie nach dem neuen System mehr abrechnen könnten. Dies ginge jedoch auf Kosten derjenigen, die ihre persönlichen Konten nicht ausgeschöpft hätten, wie z. B. gesunde ältere Menschen. Cai Jiangnan, Direktor der Chip Academy, einer in Shanghai ansässigen Gesundheitsberatungsfirma, und Regierungsberater, sagte, dass die lokalen Behörden, darunter auch Wuhan, mit der Umgestaltung der Versicherung zu weit gegangen seien. „Die Behörde sollte die Öffentlichkeit über die Herausforderungen des Krankenversicherungssystems informieren“, sagte Cai. „Sie sollte auch berücksichtigen, inwieweit die Öffentlichkeit die Reform verstehen und tolerieren kann.“ Artikel von Sun Yu in Peking vom 15. Februar in der Financial Times Online – aus dem Englischen übersetzt vom Gewerkschaftsforum Hannover

  • Nach 180 Grad Drehung: Corona überfordert Krankenhäuser – Medizinstudent:innen ersetzen erkrankte Pfleger:innen und protestieren gegen fehlenden Arbeitsschutz
    • Medizinisches Personal und Studierende, die in Krankenhäusern und Fieberkliniken arbeiten, sind mit dem Zustrom von Patient:innen überfordert. Einige Arbeitende werden angewiesen, normal zu arbeiten, wenn ihre Covid-19-Infektion nur leicht ausgeprägt ist, und in der verarbeitenden Industrie kommt es zu Produktionsausfällen und Entlassungen in der Zeit, in der die Produktion normalerweise ihren Höhepunkt erreicht. Medizinische Arbeitende sind von der Welle der Covid-19-Fälle in China überfordert – (…) Mit der plötzlichen Lockerung der Pandemiepräventionsmaßnahmen in China strömten die Patient:innen in die Krankenhäuser, die Schwierigkeiten hatten, den Zustrom von Patient:innen zu behandeln und Covid-19-positive Patient:innen von Patient:innen mit anderen Erkrankungen zu trennen. (…) Viele medizinisches Arbeitende haben sich kürzlich bei der Arbeit mit Covid-19 angesteckt. Einige Krankenhäuser berichteten, dass 20-60 Prozent des Personals positiv waren, was zu einem Personalmangel führte. In Peking berichtete eine Fieberklinik, dass Medizinstudent:innen die Einrichtung besetzten: „Die Krankenpfleger:innen sind weggelaufen.“ (…) Studierende der Medizin begannen gegen ihren fehlenden Arbeitsschutz zu protestieren, da sie in dieser kritischen Phase die medizinischen Einrichtungen besetzen müssen. Diese Medizinstudent:innen erhalten nur ein geringes Gehalt von etwa 200-1.000 Yuan pro Monat, aber sie verrichten die gleiche Arbeit wie Vollzeitbeschäftigte. Im Dezember 2022 verzeichnete die Streikkarte von CLB sieben solcher Vorfälle in Hunan, Sichuan, Jiangxi, Jiangsu und Chongqing; und unsere Karte der Hilferufe verzeichnete zwei Vorfälle, einen in Beijing und einen in Jiangsu. (…)
      Einige Arbeitende wurden aufgefordert, zur Arbeit zu gehen, auch wenn sie Covid-19 haben. Andere wurden angewiesen, zu Hause zu bleiben, aber sie sind verpflichtet, sich krankschreiben zu lassen oder ihren Jahresurlaub zu nehmen, um ihre Abwesenheit am Arbeitsplatz zu decken. Die plötzliche Lockerung der Pandemiepräventionsmaßnahmen hat viele arbeitsrechtliche Bedenken aufgeworfen, und die Unternehmen reagieren darauf auf unterschiedliche Weise.  (…) In den Anfang 2020 herausgegebenen Leitlinien des Ministeriums für Humanressourcen und soziale Sicherheit heißt es, dass eine während der Arbeit zugezogene Covid-19-Infektion für medizinisches Personal eine arbeitsbedingte Verletzung ist; für andere Arbeitende sollte während der Zeit der Covid-19-Infektion der volle Lohn gezahlt werden, auch wenn es sich nicht um eine arbeitsbedingte Verletzung handelt…“
      Bericht auf China Labour Bulletin vom 5. Januar 2023 externer Link („December 2022 labour news roundup: Fresh labour challenges arise with end of Zero Covid“)
    • Die Zahlen steigen, unklar ist, wie hoch
      „In der Volksrepublik breitet sich das Covid-19-Virus nach dem Fall der Quarantänemaßnahmen rasend schnell aus. China hat in den letzten Wochen eine bisher ungesehen hohe Zahl von Corona-Infektionen erlebt. Vielfach waren Krankenhäuser mit dem Ansturm von schwerkranken Patienten überfordert, sodass Notfälle abgewiesen werden mussten. Eine wachsende Zahl von Ländern hat inzwischen Einreisebeschränkungen oder obligatorische Tests für chinesische Touristen und Geschäftsleute eingeführt. In Südostasien hoffen einige Länder allerdings darauf, dass Besucher aus der Volksrepublik wieder Geld ins Land bringen. Ende November und Anfang Dezember hatte es im ganzen Land zahlreiche massive Proteste gegen die bis dahin sehr restriktiven Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus gegeben, die – wie berichtet – zu einem plötzlichen, schlecht vorbereiteten Umschwenken in der Pandemie-Politik führten. Seitdem häufen sich Berichte über eine schnelle Ausbreitung des Virus, die allerdings nicht so recht zu den offiziellen Zahlen passen wollen. (…) In Hongkong wird nach einem weiteren Bericht der South China Morning Post von etwa 200.000 Infizierten täglich ausgegangen – bei einer Bevölkerung von 7,4 Millionen. In den nächsten Tagen sollen dort die bisher erheblichen Beschränkungen für den Grenzverkehr mit der Volksrepublik fallen. Ab Februar wird in den Schulen wieder der reguläre Unterricht in voller Klassenstärke aufgenommen. Derweil scheint die chinesische Öffentlichkeit die wiedergewonnene Freiheit trotz der zum Teil dramatischen Lage in den Krankenhäusern zu genießen. Zu Silvester gab es in vielen Städten Straßenfeste und -märkte mit großen Menschenmassen, die dichtgedrängt durch die Häuserschluchten flanierten…“ Artikel von Wolfgang Pomrehn vom 03. Januar 2023 auf Telepolis externer Link („China: Krankenhäuser überfordert“)
  • „Henan: Beschäftigte in Krankenhaus kämpfen um Lohn“ am 25. Januar 2021 bei den Rote Fahne News externer Link berichteten: „… Hunderte Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten des Suixian Hospital in der chinesischen Provinz Henan demonstrierten am 16. Januar zu den örtlichen Behörden und forderten ihre ausstehenden Löhne. Einige Beschäftigte des Krankenhauses für traditionelle chinesische Medizin haben seit Wochen keine Löhne erhalten, alle sind von der Entscheidung betroffen, das seit 2019 keine Zulagen mehr gezahlt werden. Auch gibt es Unregelmäßigkeiten bei Rentenbeiträgen. Die Behörden reagierten auf den Protest mit der Festnahme von 20 Demonstranten“.

Siehe zum Thema auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=186216
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