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Eine neue Generation in der chinesischen Arbeits-Migration: „Einen Tag arbeiten, drei Tage Party“ – und warum das gar nicht so toll ist, wie es klingt…

Wohnkaserne für MigrantInnen in Beijing 2020Will man den immer unscharfen Begriff der Generation verwenden, kann man sie die „dritte Migrations-Generation“ nennen: Junge Menschen in China, die mit dieser Lebensweise sozusagen aufgewachsen sind und sich dementsprechend orientieren, anders als ihre Vorgänger und Vorgängerinnen. Und wenn ihre Leben in den „großen Debatten“ über China wieder einmal keine wesentliche Rolle spielen (wie meist, wenn Oberlehrer wissen, wo es lang geht, sei es für Flüchtlinge aus Afrika oder eben Arbeiterinnen und Arbeiter in China), so würden sie vermutlich ihrerseits sagen, dass es ihnen reichlich egal ist, ob China kapitalistisch oder sozialistisch sei: In jedem Falle reichlich übel – und man muss sich darin einrichten und überleben. Dies betrifft die Jungen ebenso wie die Alten und die Arbeiterinnen – die „Schattenarmee“ in einigen ihrer verschiedenen Bestandteile. Zur Lebensweise und den Kämpfen in verschiedenen Bereichen einige Beiträge, die einen (sehr unvollständigen) Überblick über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Millionen Menschen geben, die eher nicht in Schlagzeilen stehen:

„‘Sit, Eat, Wait for Death’: Life in the Shenzhen Sticks“ von Tian Feng am 08. September 2020 bei Sixth Tone externer Link ist ein Beitrag über Tagelöhner in einem der Bezirke der Megastadt Shenzen und ihr Leben – und was in der Überschrift eher gut klingt ist in Wirklichkeit die Konsequenz aus einer Situation permanenter Unsicherheit, wie sie eben Tagelöhner überall gezwungen sind, zu durchleben. Auch und gerade, wenn sie nicht wieder „nach Hause“ wollen, sondern in der Stadt bleiben, weil sie längst ihre eigenen, oftmals in der Heimat weitgehend unbekannten, Auffassungen über ihr eigenes Leben entwickelt haben. Und wenn es schon so schwierig ist mit der Integration, dann eben: Sitzen, Essen, auf den Tod warten…

„Single and Proud: China’s Millennials Embrace a Solo Lifestyle“ von Wang Lianzhang am 27. August 2020 bei Sixth Tone externer Link berichtet von einer der wesentlichen Änderungen in der Einstellung zum Leben, die immer mehr junge Migranten und Migrantinnen vertreten: Keine Schande mehr, alleine zu leben, sondern, im Gegenteil anstrebenswert…

„The Shenzhen Gig Market Where Migrants Embrace Being Broke“ von Wu Yue and Chen Jin am 02. September 2017 ebenfalls bei Sixth Tone externer Link war der erste Beitrag dieser Reihe über MigrantInnen in Shenzen, worin unter anderem berichtet wurde, welche Art von Jobs sie ausüben – von den weltweit üblichen Kurierdiensten bis hin zu Tätigkeiten, die sozusagen „am Rande der Legalität“ ausgeübt werden, und auch, wie sie schlafen – in so genannten Hotels, wenn sie Geld haben. Oder sonst im Park.

„Is the Sky Falling in on Women in China?“ von Robert Walker und Jane Millar am 11. Mai 2020 bei Made in China externer Link (Ausgabe Januar-April 2020) berichtet (ausgehend von dem Slogan eines seit langem verstorbenen chinesischen Politikers, Frauen seien „die eine Hälfte des Himmels“) vom „Trendwechsel“ hin zur wieder wachsenden ungleichen Bezahlung für Arbeiterinnen. Deren Bezahlung 2006 bei etwa 79% der Männer bei gleichen Jobs lag – und heute bei 65% liegt. Dabei wird auch in diesem Beitrag ausführlich auf die jungen Frauen eingegangen, die in diesem Jahrausend als Arbeitsmigrantinnen in die Zentren kamen – und dies zunächst oftmals als Befreiung von patriarchalischen Strukturen empfanden, in die sie nun, durch die immer ungleichere Bezahlung auch wieder hinein gezwungen werden.

„China’s Hidden Crisis: A Growing Elder Care Gap“ von Ni Dandan am 18. August 2020 bei Sixth Tone externer Link befasst sich mit der Situation der älteren Menschen in Shanghai – wo mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt ist – ziemlich genau 5,2 Millionen Menschen. Und die Wartelisten für Pflegeheime sind so lange, wie anderswo, während die Einkommen in der häuslichen Pflege deutlich gestiegen sind – und die Preise entsprechender privater Unternehmen erst recht, sind immer mehr Familien darauf angewiesen billigere, nicht ausgebildete Pflegekräfte zu engagieren, die zumeist ebenfalls Migrantinnen und Migranten sind.

„Mutual aid and the rebuilding of Chinese society—Part 1“ von einem Autorenkollektiv am 07. Juli 2020 bei Lausan externer Link ist ein ganz ausführlicher und differenzierender Beitrag über den „Wiederaufbau“ der chinesischen Gesellschaft nach der Epidemie. Dabei wird an verschiedenen Stellen immer wieder die Arbeit offiziell registrierter Organisationen mit der selbstorganisierter Initiativen verglichen – die, nahe liegender Weise mehrheitlich von jungen Menschen organisiert und betrieben werden – die sich dabei ebenfalls nahe liegend: Selbst verändern. Darunter sind eben auch viele Migrantinnen und Migranten, deren Selbstbewusstsein dabei wächst.

„Construction worker protests on the rise as economic uncertainties persist in China“ am 15. September 2020 beim China Labour Bulletin externer Link berichtet von der seit Mai 2020 ansteigenden Welle von Streiks und Protesten in der Baubranche Chinas, die sich oftmals gegen das wieder aufgetretene alte Problem später (oder gar nicht) Auszahlung von Löhnen richten – diesmal aber sehr viel öfter als bisher „üblich“ in staatseigenen Unternehmen.  Und auch hier ist die Mehrheit der Beschäftigten aus der Migration kommend – und sie erleben es überdurchschnittlich oft, dass verspätet ausbezahlt wird, offenbar in der Hoffnung, sie würden irgendwann „verschwinden“…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178121
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