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Während quer durchs Land Carrefour-Supermärkte besetzt werden und brennen – sieht ein regierender brasilianischer General in dem Mord durch weiße Sicherheitsleute keinen Rassismus

Mobilisierungsplakat der Volksbrigaden gegen rassistischen Mord in Porto AlegreNach dem Mord zweier uniformierter weißer Wachleute an João Alberto Freitas in einem Carrefourmarkt in südlichen Porto Alegre fanden nicht nur in zahlreichen brasilianischen Städten Proteste gegen, vor und in Carrefour-Supermärkten statt, bei denen oftmals Arbeitsplätze (nicht nur)  im Glaserhandwerk geschaffen wurden, sondern auch die Herrschenden des Landes sahen sich gezwungen zu reagieren: Wie üblich. Vizepräsident General Mourao sah darin natürlich wieder einmal kein Zeichen von Rassismus. Womit er ebenfalls einmal mehr die Position der regierenden Rechtsradikalen mit und ohne Uniform deutlich machte, dass die serienweisen Polizeimorde in Brasilien Ergebnis der versprochenen intensiven Bekämpfung der Kriminalität seien, die halt nun mal Opfer fordere. Solche „Tatsachen am Rande“, wie dass es sich bei Carrefour um ein Unternehmen handelt, das (schon von den Orten her, die für neue Läden etwa der eigenen Stadtteil-Kette ausgewählt werden) im ganzen Land für rassistische Vorgehensweisen berüchtigt ist – kümmert solche Leute wenig… Siehe einige Materialien zum jüngsten rassistischen Mord und den darauf folgenden massenhaften Protesten in Brasilien:

„Im Parkhaus totgeprügelt“ von Niklas Franzen am 21. November 2020 in der taz online externer Link berichtet zu Mord und Protesten: „… Einer der Täter ist ein Militärpolizist außer Dienst, der nebenbei als Wachmann im Supermarkt arbeitete. Die beiden Männer wurden verhaftet, die Mordkommission ermittelt. Die leitende Polizistin in dem Fall erklärte jedoch, dass es keine Anzeichen für eine rassistische Motivation gebe. Der Vater des Opfers widerspricht in einem Interview mit der Tageszeitung Folha de São Paulo: Sein Sohn sei Opfer von Rassismus geworden. Auch in sozialen Medien sprachen viele Brasilianer*innen von einem „rassistischen Mord“ und verglichen den Fall mit dem Mord an George Floyd. Der schwarze US-Amerikaner wurde im Mai von Polizisten in Minneapolis getötet. Carrefour verurteilte das Vorgehen der Wachleute und kündigte an, die Zusammenarbeit mit der betreffenden Wachschutzfirma zu beenden. Es ist jedoch nicht der erste Skandal in einem Laden des Unternehmens: Im August machte der Fall eines Carrefour-Mitarbeiters die Runde, der in einer Filiale starb. Die Leiche des Mannes wurde mit einem Sonnenschirm bedeckt und der Supermarkt für mehrere Stunden offen gehalten. In sozialen Medien berichteten zahlreiche User*innen zudem von Rassismuserfahrungen in Carrefour-Filialen. Besonders zynisch: Der gewaltsame Tod von João Beto ereignete sich einen Tag vor dem Tag des Schwarzen Bewusstseins, einem Nationalfeiertag in Brasilien, der an die brutale Sklavenzeit erinnern soll. (…) Präsident Jair Bolsonaro meldete sich per Twitter zu Wort, erwähnte die tödliche Prügelattacke jedoch nicht direkt und erklärte, Brasiliens Probleme lägen „jenseits von Rassenfragen“. Zudem griff er antirassistische Demonstrant*innen an und schrieb: „Euer Ort ist auf dem Müll.“ Vizepräsident Hamilton Mourão erklärte derweil, dass es keinen Rassismus in Brasilien gebe…“

„Tödlicher Angriff auf Schwarzen in Brasilien“ am 21. November 2020 bei der Deutschen Welle externer Link meldet außerdem noch genauer zu Reaktionen von Bolsonazi & Co (ohne allerdings weiter auf das Unternehmen einzugehen): „… Brasiliens rechtsextremer Staatschef Jair Bolsonaro schrieb im Onlinedienst Twitter, ohne die tödliche Prügelattacke konkret zu nennen, Brasiliens Probleme lägen „jenseits von Rassenfragen“. Das „große Übel“ im Land sei vielmehr die „moralische, soziale und politische Korruption“. Bolsonaros Vize Hamilton Mourao erklärte, der Tod des 40-Jährigen in Porto Alegre habe nichts mit Rassismus zu tun. „Für mich gibt es in Brasilien keinen Rassismus“, erklärte er...“

„Homme noir tué par les vigiles de Carrefour : affrontements à Sao Paulo et Porto Alegre“ am 21. November 2020 bei Anthropologie du Présent externer Link ist eine aktuelle Sammlung von (meist: Video-) Berichten von den ersten Protesten vom Vortag in mehreren Städten – die „große Welle“ kam dann am Folgetag. Wer es unbedingt sehen muss: In der Sammlung ist auch das Mordvideo beinhaltet, auf dessen direkte Verlinkung wir verzichten.

„“Justiça por João Alberto“: manifestantes destroem loja do Carrefour em SP“ am 20. November 2020 bei Brasil de Fato externer Link berichtet von einem der zahlreichen Proteste – hier ganz nahe am Herz des brasilianischen Kapitalismus, der Avenida Paulista in Sao Paulo. Für den Laden kam das gar nicht gut…

„Sete vezes em que o Carrefour atuou com descaso e violência“ ebenfalls am 20. November 2020 bei Brasil de Fato externer Link ist ein kleiner Überblick über die besonders rassistischen und reaktionären Vorgehensweisen der Carrefour-Kette – von dem Opfer eines Herzinfarkts in Recife, dessen Leiche mit Warenkartons versteckt wurde, um den Verkauf nicht unterbrechen zu müssen, bis zu den Prügeln für einen Rollstuhlfahrer, der keineswegs heimlich – eine der Bierdosen in seinem Einkaufswagen geöffnet hatte und weiteren Ereignissen der völlig un-netten Art…

„Dono do Carrefour defende seus lucros acima da saúde dos trabalhadores“ am 26. März 2020 bei Esquerda Diario externer Link war zu Beginn der Epidemie ein Beitrag über den brasilianischen Großaktionär von Carrefour Abílio Diniz, der da – wieder einmal – öffentlich sehr deutlich gemacht hatte, dass ihm Leben und Gesundheit „seiner“ Angestellten egal sind – wichtig ist der Profit. Im Bolsonaro-Land ist man eben ehrlicher Profitjäger –der jetzt (vermutlich grundlos) wohl fürchtet, seine Aktienkurse könnten leiden…

„“Não existe racismo no Brasil” diz Mourão sobre assassinato de João Alberto no Carrefour“ am 20. November 2020 bei Esquerda Diario externer Link berichtet von der Stellungnahme des unsäglichen (aber durchaus repräsentativen) Vize-Präsidenten General Mourao, der weiß, warum dieser Mord kein rassistischer Akt gewesen sein kann: Weil es in Brasilien keinen Rassismus gibt…

March for justice for João Alberto Silveira Freitas in PortoAlegre, the city where he livedam 21. November 2020 im Twitter-Kanal von sidereeal pilgrim externer Link ist ein Videobericht von der Demonstration in Porto Alegre – der Stadt, in der das Opfer lebte und ermordet wurde…

March anti racist and against the carrefourbrasil in BeloHorizonteam 21. November 2020 im Twitter-Kanal von sidereal pilgrim externer Link ist einer der zahlreichen Videoberichte von Demonstrationen überall im Land und steht hier als Beispiel für die beeindruckende Größe dieser meist spontanen Proteste

„Protestos por justiça a João Alberto ocorrem em 5 unidades do Carrefour em BH“ am 20. November 2020 bei Brasil de Fato externer Link berichtet ebenfalls aus Belo Horizonte, dass dort 5 Supermärkte besetzt wurden und verweist auch noch auf weitere Proteste im Bundesstaat Minas Gerais

Demonstrations against French supermarket chain Carrefour erupted in cities across Brazilam 20. November 2020 im Twitter-Kanal von The 1&1 externer Link ist ein Video von dem Carrefour Markt in Jardins (Stadtteil von Sao Paulo), der Feuer fing…

„PAREM DE NOS MATAR!“ am 20. November 2020 bei den Brigadas Populares externer Link („Hört auf, uns zu töten“) ist Stellungnahme und Aktionsaufruf des linken Basis-Netzwerkes, hier auch deswegen als Beispiel für zahlreiche ähnliche linke Stellungnahmen ausgewählt, weil die Organisation zu den wenigen gehört, die kontinuierliche politische und soziale Arbeit in Armenvierteln und mit den Opfern der Gefängnisjustiz (meist wohl welcher Hautfarbe?) in zahlreichen brasilianischen Städten organisieren.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181805
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