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Während in São Paulo Massenproteste gegen den Polizeimord an einem Jugendlichen stattfinden – erschießt die brasilianische Militärpolizei in Bahia das nächste Opfer. In Natal auch…

Guilherme, von der Militärpolizei in Sao Paulo erschossenNach dem Tod eines Schwarzen 15-Jährigen kam es gestern in São Paulo zu Zusammenstößen zwischen Vorstadtbewohner*innen und der Polizei. Laut der Familie des Opfers wurde der Junge von Polizisten gefoltert und ermordet“ – so meldete es ein Tweet am 16. Juni 2020  im Twitter-Kanal von Niklas Franzen externer Link zum neuerlichen Polizeimord in Sao Paulo (siehe zur Paulistaner Militärpolizei auch „Die Party in Paraisópolis endete: Mit einem (weiteren) Polizeimassaker an neun afrobrasilianischen Jugendlichen – ein Mord in voller Absicht“ am 16. Dezember 2019 im LabourNet Germany). Die Proteste dagegen waren massiv – denn auch in Brasilien hat die weltweite Bewegung gegen Polizeigewalt nach den US-Morden mobilisierend gewirkt (obwohl nicht ganz erklärlich ist, warum das gerade in diesem Land „nötig“ war). Und die Reaktion der brasilianischen Militärpolizei fällt denn auch so aus, wie es von Polizisten in aller Welt (wofür man nicht über Grenzen schauen muss) gewünscht wird: Kritik ist Beleidigung und wird nieder geknüppelt – und ansonsten: Wird weiter getötet. Während der Proteste gegen den Polizeimord an einem 15-jährigen in Sao Paulo starben ein 11-jähriger in Bahia und ein weiterer Jugendlicher im nördlichen Natal unter Polizeikugeln… Siehe dazu zwei Videos aus São Paulo – in verschiedenen Phasen der Protestdemonstration – sowie zwei Meldungen über die gleichzeitigen neuerlichen Polizeimorde in anderen Städten, und zwei Hintergrundbeiträge zur rassistischen Polizeigewalt in Brasilien neben einer kurzen Analyse der Polizeimorde im Kontext allgemein verschärfter Repression…

„“Valeu menor”: ato na periferia de SP pede justiça pelo assassinato de adolescente“ von Brasil de Fato am 16. Juni 2020 bei You Tube externer Link eingestellt, ist ein Video von der Protestdemonstration gegen den Polizeimord an Guilherme Guedes – vom Beginn der Proteste, bevor die „beleidigte Polizei“ auf ihre bekannte Art reagierte…

„Protests after the murder of Guilherme Silva Guedes, a 15-year-old black boy, by the police, in São Paulo“ am 16. Juni 2020 im Twitter-Kanal Ubique externer Link ist ein kurzes Video von den Protesten in São Paulo – zu einem Zeitpunkt, da die Protestierenden bereits auf die Überfälle der Polizei reagieren mussten – was unter anderem einigen der (extrem überteuerten) Busse des Nahverkehrs nicht gut bekommen ist…

„Justiça para Gabriel!“ am 16. Juni 2020 ebenfalls bei den Brigadas Populares externer Link ist ein kurze Meldung über den Tod von Giovanne Gabriel de Souza Gomes in Natal (Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Norte), dessen Leiche am Vortag aufgefunden worden war. Zuletzt von Zeugen lebend gesehen: Als er auf dem Fahrrad von einer Patrouille der Militärpolizei angehalten und mitgenommen wurde…

„“Assassinaram pelas costas“, diz pai de criança morta durante operação da PM no Vale das Pedrinhas“ am 16. Juni 2020 bei Aratuon externer Link meldet die Aussagen des Vaters des 11-jährigen Jungen, den die Militärpolizei in der Nacht zuvor in Bahia erschoss: „Sie haben ihn in den Rücken geschossen…“

„Sie kommen, um zu töten“ von Niklas Franzen am 16. Juni 2020 in der taz online externer Link ist eine Reportage – vom „Militärpolizei-Hotspot“ Rio de Janeiro, worin es unter anderem heißt: „Im vergangenen Jahr tötete die Polizei von Rio de Janeiro so viele Menschen wie nie zuvor. Trotz Corona nahmen die Fälle tödlicher Polizeigewalt im April 2020 noch einmal um 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu.Der Anstieg lässt sich auch mit dem fulminanten Aufstieg eines Mannes erklären. Ende Oktober 2018 stand ein runder, etwas tollpatschig wirkender Mann mit Halbglatze und randloser Brille am Hauptbahnhof von Rio de Janeiro und grinste in die Kameras. Wilson Witzel war wenige Stunden zuvor zum Gouverneur gewählt worden. Kaum jemand hatte den ehemaligen Richter auf dem Schirm gehabt, selbst Expert*innen war er weitestgehend unbekannt. Doch dann suchte Witzel die Nähe zu dem heutigen Präsidenten Jair Bolsonaro, überbot gar dessen Machosprüche. Einmal versprach er, bewaffnete Verbrecher durch einen Kopfschuss töten zu lassen. Ein anderes Mal schwadronierte er, Dealer in einer Favela mit einer Rakete in die Luft zu jagen. Der Bolsonaro-­Effekt trat ein, Witzel gewann die Wahl. „Mit Witzel“, sagt Correia und verzieht bei dem Namen das Gesicht, „hat sich für uns alles verschlimmert.“ Während sie redet, läuft im Hintergrund der Fernseher, ihr Neffe tobt durch das Wohnzimmer, in der kleinen Küche brät Correias Mann Speck an. Viele seiner Wahlkampfversprechen habe Witzel bereits umgesetzt, so etwa den Einsatz von Polizeischarfschützen und Hubschraubern. Auch Intensität und Dauer der Einsätze hätten zugenommen, meint Correia. Ende Mai wurde ein junger Mann aus der Favela von der Polizei durch einen Kopfschuss getötet. Der 23-Jährige, so hieß, sei mit einem Banditen verwechselt worden. Für Correia und viele Nachbarn ist klar: Die Polizei kommt in ihre Viertel, um zu töten...“

„Massive rassistische Polizeigewalt“ von Sunny Riedel am 08. Juni 2020 ebenfalls in der taz online externer Link zur weiter anwachsenden Mord-Statistik im Zeitalter des rechtsradikalen „Feuer frei!“ unter anderem: „… In derselben Woche, in der der US-Amerikaner George Floyd von einem Polizisten brutal getötet wurde, starb auch der 14-jährige Afrobrasilianer João Pedro in einem Vorort von Rio de Janeiro, ein Polizist erschoss ihn bei einer Razzia. Im vergangenen September war die 8-jährige Agatha im Auto mit einem Schuss in den Rücken getötet worden. Der Schütze war Militärpolizist, Agatha war Schwarz. Von Januar 2016 bis März 2017 wurden in der Olympiastadt Rio nach offiziellen Zahlen 1.277 Menschen bei Polizeiaktionen getötet. Fast 90 Prozent davon Schwarze Menschen. Brasilien hat ein massives Problem mit rassistischer Polizeigewalt. Die Bevölkerung des Landes, das als letzter amerikanischer Staat 1888 die Sklaverei offiziell abschaffte, setzt sich zu 56 Prozent aus Nachkommen von Sklaven zusammen. Sie verdienen mindestens 33 Prozent weniger als Weiße in vergleichbaren Jobs. 60 Prozent der Gefängnisinsassen sind Schwarz. Schwarze sind unterdurchschnittlich in öffentlichen Ämtern oder in Universitäten vertreten, obwohl es seit 2001 sogar eine Quote gibt. Obwohl es in Brasilien zahlenmäßig nicht nur mehr Opfer von Polizeigewalt gibt, sondern mit über 75 Prozent auch prozentual mehr Schwarze davon betroffen sind, brauchte es als Anlass für landesweite Demonstrationen am Sonntag den jüngsten Fall rassistischer Polizeigewalt in den USA, damit Brasilien aufwachte. Der Claim „Black lives matter“ („Vidas negras importam“) ist auch in Lateinamerikas größtem Land keine Selbstverständlichkeit...“

„O aumento da repressão em tempos de pandemia – a periferia quer viver!“ am 16. Juni 2020 bei den Brigadas Populares externer Link ist ein Beitrag aus Anlass des Polizeimordes in Sao Paulo, in dem das linke Basis-Netzwerk eine Gesamtbilanz der wachsenden Repression in Zeiten der Epidemie in Brasilien zieht und dabei unterstreicht, dass die Mordmaschine Militärpolizei die Spitze eines ganzen Eisberges darstellt.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174122
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