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Brasiliens Justiz gegen den Streik der Ölarbeiter – Verbot erneuert, Schlichtungsverhandlung angesetzt. Petrobras-Gewerkschaft setzt den Streik aus, nicht die Proteste

Brasilianische Ölarbeiter - hier in Minas Gerais - im Streik gegen Privatisierung ab 1.2.2020„… Der Richter am brasilianischen Obersten Arbeitsgericht (TST), Ives Gandra, entschied gestern, dass der Streik der Ölarbeiter*innen sofort beendet werden müsse. Dazu verhängte er eine Geldstrafe, falls der Streik fortgesetzt würde, und ermächtigte das Unternehmen, administrative Maßnahmen zu ergreifen, um die Streikenden zu bestrafen. Das Urteil ist ein gewaltsamer Angriff auf das grundlegende demokratische Streikrecht. Die Antwort muss die Verstärkung des Streiks durch die Basis und eine volle Unterstützung der Streikenden sein, insbesondere durch die Gewerkschaftsdachverbände, die politischen Parteien wie PT, PCdoB und die linken Organisationen. Die Entscheidung von Richter Gandra, der sich dem Amtsantritt des ultrarechten Präsidenten Bolsonaro als sein Handlanger erweist, ist monokratisch, d.h. nur von einem einzelnen Richter ohne demokratische Legitimation entschieden, was den diktatorischen und letztlich prokapitalistischen Charakter des Richters zeigt, der das Streikrecht einschränken will…“ – aus dem Beitrag „Brasilien ohne Streikrecht: Richter erklärt Streik der Ölarbeiter*innen für illegal“ am 19. Februar 2020 bei Klasse gegen Klasse externer Link (in deutscher Übersetzung von Stefan Schneider, ursprünglich in Izquierda Diario). Zur Entwicklung der bisher 19 Tage Streik und seiner Bedeutung und zu gewerkschaftlichen Reaktionen auf den Justizterror, sowie die Aussetzung des Streiks sechs aktuelle Beiträge – und der Hinweis auf unsere bisher letzte Zusammenstellung zum Streik:

„Conselho Deliberativo da FUP propõe suspensão da greve dos petroleiros“ am 19. Februar 2020 bei You Tube externer Link eigestellt, ist ein kurzes Video, in dem die Sprecherin der FUP die Entscheidung begründet, die Streikenden zu einer Abstimmung über die Aussetzung des Streiks wegen der am 21. Februar beginnenden Schlichtungsgespräche aufzurufen.

„Marcha dos petroleiros reúne 15 mil pessoas no centro do Rio de Janeiro“ am 19. Februar 2020 bei der Gewerkschaftsföderation FNP externer Link berichtet von der Streikdemonstration in Rio de Janeiro, an der sich rund 15.000 Menschen beteiligten – auch ein Zeichen dafür, welches Potenzial an Solidarität in diesem Kampf vorhanden ist. Oder: Wäre? Denn die „Armee in Orange“ (Farbe der Arbeitskleidung bei Petrobras) war zwar enorm – aber, wie auch aus zahlreichen Fotos zu erkennen ist, keineswegs alleine…

„Juristas lançam manifesto em defesa do direito de greve e em apoio aos petroleiros“ am 18. Februar 2020 bei Esquerda online externer Link berichtet von einem Juristen-Manifest, das sich gegen das Streikverbotsurteil des Obersten Arbeitsgerichts wendet. Dabei wird fachlich argumentiert, dass dieses Urteil juristisch nicht haltbar sei, selbst das bereits durchaus begrenzte Streikrecht stehe diesem Urteil entgegen. Dazu wird eine Petition zur Unterzeichnung angegeben, in der dieses Statement unterstützt wird und das Oberste Arbeitsgericht aufgefordert, sich an die Gesetze zu halten.

„Petroleiros desafiam Bolsonaro“ am 12. Februar 2020 bei der Brasilianischen Kommunistischen Partei externer Link dokumentiert, ist ein Offener Brief der in der FNP (dem kleineren der beiden Ölgewerkschafts-Verbände) zusammengeschlossenen Petrobras-Regionalgewerkschaften an den brasilianischen Präsidenten. Darin wird vor allem die Preispolitik der brasilianischen Bundesregierung kritisiert, die systematisch die Verteuerung von Gas (Küche) und Benzin (Transport) betreibe – und wenn er wirklich diese Teuerung vermeiden wolle (die er natürlich dem Streik zuschiebt) läge es ganz einfach in seiner Macht, dies zu ändern.

„Suspensão de demissões por 15 dias é manobra, mas mostra que greve petroleira pode vencer“ am 19. Februar 2020 bei Esquerda online externer Link berichtet von der einstweiligen Aufhebung der Entlassungen in der Düngemittelfabrik im Bundesstaat Paraná durch das Landesarbeitsgericht. Diese Aufhebung der 1.000 Entlassungen ist zwar einstweilen auf zwei Wochen begrenzt, und wird dementsprechend als ein politisches Manöver bewertet – dies zeige aber andrerseits die Kraft, die in der Streikbewegung stecke, die solche Manöver nötig mache.

„Erdölarbeiter streiken in Brasilien gegen Privatisierung“ am 19. Februar 2020 bei Blickpunkt Lateinamerika externer Link meldet unter anderem den ebenfalls begonnenen Streik von LKW-Fahrern, der sich gegen die Preispolitik der Petrobras richtet: „… Der Streik von Erdölarbeitern gegen die Privatisierung von Brasiliens staatlichen Energiekonzern Petrobras geht auf die dritte Woche zu. Angaben der Vereinigten Gewerkschaft der Erdölarbeiter zufolge seien rund 21.000 Petrobas-Angestellte in 13 Bundesstaaten in den Ausstand getreten, was rund 60 Prozent der Belegschaft ausmacht, berichtet die Nachrichtenagentur AP. In einigen Hafenstädten schlossen sich LKW-Fahrer dem Streik an. Laut Petrobras sei die Versorgung des Landes mit fossilen Brennstoffen nicht gefährdet. Auslöser der landesweiten Streiks war ein Protest gegen die Schließung einer Petrobras-Düngemittelfabrik im Bundesstaat Paraná anfing. Wegen wirtschaftlicher Probleme soll die Anlage stillgelegt und rund 1000 Arbeiter entlassen werden. Die angekündigte Schließung ist Teil der Privatisierungspolitik der Regierung von Präsident Jair Bolsonaro. Zuletzt hatte Wirtschaftsminister Paulo Guedes den Verkauf eines Aktienpaketes von Petrobras im Wert von sechs Milliarden Euro beschlossen. Zu Wochenbeginn hatte das Oberste Arbeitsgericht des Landes den Erdölarbeiter-Streik für illegal erklärt, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Als Strafe drohen streikenden Gewerkschaften ein Bußgeld in Höhe von 500.000 Reales (rund 106.000 Euro). Die Gewerkschaften kündigten derweil an, Berufung gegen das Urteil einzulegen…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163250
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