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Sklavenarbeitsähnliche Zwangsarbeit in BASF-Lieferkette bei Reisanbau im Süden Brasiliens entdeckt – BASF kein bloßer Abnehmer, sondern de facto-Boss

Reporter Brasil. Titelseite einer Broschüre gegen Sklavenarbeit in Brasilien„82 Arbeiter:innen – unter ihnen elf Minderjährige im Alter von 14 bis 17 Jahren – wurden am 11. März dieses Jahres von zwei Reis anbauenden Fazendas, rund 50 Kilometer Entfernung der an der Grenze zu Argentinien liegenden Stadt Uruguaiana im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul, durch Beamt:innen der brasilianischen Bundespolizei PF, des Arbeitsministeriums sowie der Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeitsfragen laut Auskunft der zuständigen Ermittler:innen aus sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen befreit. Den Kontrolleur:innen zufolge erlitten die Arbeiter:innen infolge von Essen- und Flüssigkeitsmangels Ohnmachtsanfälle, ohne dass ihnen medizinisch geholfen wurde, zudem wurde ihnen in solchen Fälle für den Zeitraum kein Lohn bezahlt…“ Beitrag von Christian Russau vom 17. März 2023 bei KoBra – Kooperation Brasilien externer Link – siehe mehr daraus und weitere dazu:

  • Zwangsverhältnisse auf Reisfarmen in Brasilien: Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeit ermittelt nun gegen BASF New
    Arbeiter:innen auf Reisfarmen aus Zwangsverhältnissen befreit. Arbeitsministerium: BASF hatte Kontrolle über alles, was dort geschah (…) Der Verband der Reisbauernvereinigungen des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Federarroz, sprach von „sklavereiähnlichen Bedingungen“ und betonte, die Ermittlungen in diesem Fall zu verfolgen, um bei der Aufklärung mitzuwirken.
    Das Arbeitsministerium wies laut G1 darauf hin, dass BASF „die absolute Kontrolle über alles, was auf der Plantage geschah, einschließlich der Ausbildung und des Einsatzes der geretteten Arbeiter“ hatte. Das Unternehmen sei aufgefordert worden, die Arbeiter:innen sozialversicherungsrechtlich zu registrieren und die ihnen zustehenden Abfindungen in Höhe von umgerechnet 66.500 Euro rückwirkend zu zahlen. Das mit BASF verbundene Fachpersonal habe nicht nur technische Ratschläge erteilt und Schulungen durchgeführt, sondern „an der Einstellung von Arbeitskräften mitgewirkt, indem sie die Anzahl der einzustellenden Arbeitskräfte angegeben und das Arbeitsvolumen und die Form der Bereitstellung auf täglicher Basis kontrolliert haben.“ Ein Arbeitsinspektor sagte dazu: „Die Anwerbung von Arbeitskräften, die Überwachung und Kontrolle der Arbeitsschritte sowie die Genehmigung der Bezahlung nach Beendigung des Dienstes wurden von den von ihr [BASF] direkt oder indirekt beauftragten Agronomen durchgeführt und/oder bestimmt“. Bei der Untersuchung der Funktionsweise von Arbeitsverträgen in diesem Fall konnte festgestellt werden, dass BASF einen Saatgutproduktionsvertrag mit der Lieferfirma abschloss und versuchte, sich von den vertraglich vereinbarten Arbeitsverhältnissen zu distanzieren. (…) Nach bislang offiziell nicht bestätigten Medienberichten ermittelt nun in Brasilien die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeit gegen BASF, den nach Umsatz größten Chemiekonzern weltweit.“ Beitrag von Christian Russau vom 05.04.2023 in amerika21 externer Link („“Sklavereiähnliche Bedingungen“: Schwere Vorwürfe gegen BASF in Brasilien“)
  • Weiter im Beitrag von Christian Russau vom 17. März 2023 bei KoBra – Kooperation Brasilien externer Link: „… Die Kontrolleur:innen stießen zudem auf „entwürdigende Bedingungen“, so der Beamte Vítor Ferreira gegenüber dem Portal UOL. Da es keinen Ort gab, um die Lebensmittel zu lagern, sind die Lebensmittel in den Rucksäcken mit den Lunchpaketen auf dem Feld teilweise sehr schnell verdorben, so dass die Arbeiter:innen unter sich solidarisch den Rest aufteilten, der noch nicht verdorben war. Den Beamt:innen erzählten sie dem Bericht bei UOL zufolge von Ameisen, die die Lebensmittel der Arbeiter:innen angriffen, während sie auf dem Feld waren. Mahlzeiten hätten stets aus kaltem Essen bestanden, warme Mahlzeiten gab es nicht. Es gab zudem keine Möglichkeit, das Essen aufzuwärmen. Agrargifte wurde teilweise ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, teilweise wurde Agrargifte auch durch minderjährige Arbeiter:innen eingesetzt, so der Bericht. Die Betroffenen bemängelten zudem fehlende Schutzausrüstung wie Stiefel, Sicheln, Hüte, Sonnencreme und die Anstellung erfolgte ohne Papiere und ohne offizielle Registrierung des Arbeitsverhältnisses. (…) Die ermittelnden Beamt:innen gaben bei den ersten Pressemeldungen die Namen der Farmen und Firmen zunächst nicht an, doch nach Medienrecherchen sickerten diese Informationen durch, genauso wie auch durchsickerte, dass das auf den Farmen von Arbeiter:innen in sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen geernte Reissaatgut auch einen international bekannten direkten Abnehmer hat: die deutsche BASF. Die wurde in brasilianischen Medien in Form einer Erklärung zitiert, die es uns nicht gelang, auf der Webseite der BASF selbst zu lokalisieren, deshalb zitieren wir die Übersetzung aus dem bei GaúchaZH wiedergegebenen BASF-Zitat: „BASF setzt sich in ihrer gesamten Wertschöpfungskette für eine nachhaltige Entwicklung ein, die auf der Achtung und dem Schutz der Menschen sowie auf der Transparenz ihrer Beziehungen zur Gesellschaft beruht. Das Unternehmen verurteilt vehement Praktiken, die die Menschenrechte missachten. Das Unternehmen hat von dem Fall der Farmen São Joaquim und Santa Adelaide in Uruguaiana-RS erfahren und bedauert zutiefst, was den Arbeitern widerfahren ist. BASF teilt mit, dass sie mit diesen Farmen einen Vertrag über die Produktion von Reissaatgut hat. Das Unternehmen hat beschlossen, sich proaktiv an die Behörden zu wenden, um zur Lösung des Falles beizutragen. BASF befolgt bei der Vergabe von Aufträgen an Zulieferer und Subunternehmer die Anforderungen, die unter anderem vorsehen, dass die beauftragten Unternehmen die Arbeitsgesetze einhalten und die Menschenrechte strikt respektieren. Das Unternehmen wird keine Mühen scheuen, um die Situation zu klären, mit den Behörden zusammenzuarbeiten und sich bei allen Dienstleistern für angemessene Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Wohlergehen der ausgelagerten und untervergebenen Arbeitnehmer einzusetzen. Das Unternehmen ist seit über 110 Jahren in Brasilien tätig und investiert in Innovationen, um die besten Verfahren für Landwirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu entwickeln. Die Basf bekräftigt ihre Verpflichtung, die Menschen in ihrer Produktionskette zu schätzen, zu respektieren und zu schützen.“ Augenfällig ist natürlich erstens, dass BASF die Verwendung der Begriffe „Zwangsarbeit“, „Slavenarbeitsähnlich“ etc offenkundig tunlichst vermeidet. Zweitens stellt sich natürlich die Frage, reicht eine solche Erklärung? Haben wir nicht seit dem 1. Januar in Deutschland ein wirksames Lieferkettengesetz? Muss jetzt nicht sofort die BAFA aktiv werden?“
  • Brasiliens Arbeitsministerium: Kein Rausreden für BASF im Falle von Sklavenarbeit als bloßer Abnehmer, sondern de facto-Boss
    „… BASF wurde vom brasilianischen Ministerium für Arbeit und Beschäftigung MTE als „tatsächlicher Arbeitgeber“ der (laut G1 mittlerweile) 85 Arbeiter:innen benannt, die aus den sklavenähnlichen Bedingungen auf Reisfeldern in Uruguaiana im Westen von Rio Grande do Sul befreit wurden (KoBra hatte berichtet). Die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeit und das MTE hatte den Namen des Unternehmens zunächst nicht bekannt gegeben, um die Ermittlungen nicht zu behindern, aber der Bericht von RBS TV bestätigte den Namen des Unternehmens mit Quellen, berichtet nun das Infoportal G1. Die Behörde wies laut G1 darauf hin, dass das Unternehmen „die absolute Kontrolle und das Management über alles, was auf der Plantage geschah, einschließlich der Ausbildung und des Einsatzes der geretteten Arbeiter“ hatte. Zudem meldet G1, BASF sei vom Arbeitsministerium aufgefordert worden, die Arbeiter:innen sozialversicherungsrechtlich zu registrieren und die ihnen zustehenden Abfindungen in Höhe von insgesamt 365.516,55 Reais (derzeit umgerechnet 64.000 Euro) rückwirkend zu zahlen. Davon unberührt bleiben die nun noch von einem Gericht zu entscheidenden möglichen weiteren Haftungen und Strafzahlungen, sollte das Gericht der Ansicht der Behörden folgen, dass BASF juristische Verantwortung für den Straftatbestand der sklavenarbeitsähnlichen Zwangsbeziehungen, unter denen die 82 Arbeiter:innen litten. Nach Angaben des Arbeitsministeriums, so der Bericht bei G1 weiter, haben die mit dem multinationalen Unternehmen verbundenen Fachleute nicht nur technische Ratschläge erteilt und Schulungen durchgeführt, sondern „an der Einstellung von Arbeitskräften mitgewirkt, indem sie die Anzahl der einzustellenden Arbeitskräfte angegeben und das Arbeitsvolumen und die Form der Bereitstellung auf täglicher Basis kontrolliert haben.“ Ein von G1 zitierter Arbeitsinspektor sagte dazu: „Die Anwerbung von Arbeitskräften, die Überwachung und Kontrolle der Arbeitsschritte sowie die Genehmigung der Bezahlung nach Beendigung des Dienstes wurden von den von ihr [BASF, Anm.d.A.] direkt oder indirekt beauftragten Agronomen durchgeführt und/oder bestimmt“. (…) „Die Beziehung zwischen dem multinationalen Unternehmen und den ländlichen Erzeugern ist keine rein kommerzielle Beziehung. Dies wäre der Fall, wenn der multinationale Konzern lediglich der Käufer der Ernte wäre. Diese Beziehung kann als Partnerschaft bezeichnet werden, da sie die gemeinsame Verwaltung aller Produktionsphasen umfasst“, erklärte der Arbeitsinspektor gegenüber G1 weiter. Diese vom brasilianischen Arbeitsministerium festgestellte direkte Beziehung zwischen BASF und den aus der Sklavenarbeit befreiten Arbeiter:innen in Form des „tatsächlichen Arbeitgebers“ wird die brasilianischen Gerichte voraussichtlich ebenso beschäftigen wie sich die Beamt:innen des beim deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) angesiedelten Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das für die Kontrolle der Einhaltung des Lieferkettengesetzes zuständig ist, sich nun damit beschäftigen müssen…“ Beitrag von Christian Russau vom 18. März 2023 bei kooperation-brasilien.org externer Link

Siehe auch im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=210093
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