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Wer will mit solchen Leuten sprechen? Boliviens Junta bietet „Gespräche“ an – nachdem die Repression gegen den Generalstreik nicht funktioniert hat

Democracy now!: Thousands of Bolivians March to Protest Delayed Presidential Election„… Boliviens selbsternannte »Interimspräsidentin« Jeanine Áñez hat zwei Wochen nach Beginn eines Generalstreiks, der von landesweiten Protesten und umfassenden Straßenblockaden begleitet wird, zu einem »nationalen politischen Dialog« aufgerufen. Die innenpolitische Situation war eskaliert, nachdem das Oberste Wahlgericht (TSE) einseitig den für den 6. September angekündigten und zuvor bereits mehrfach hinausgezögerten Termin für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, nochmals verschoben hatte. Gewerkschaften, soziale Bewegungen und die frühere Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) werfen der De-facto-Regierung vor, damit die Wiederherstellung der Demokratie verhindern zu wollen, die mit dem Putsch im November 2019 beseitigt worden sei. Das Regime hatte zunächst versucht, die Protestaktionen durch den Einsatz von Armee und Polizei zu unterdrücken. Örtlichen Medien zufolge sollen jüngst Scharfschützen in die Städte El Alto und Cochabamba verlegt worden sein. Nachdem sich die Demonstranten jedoch nicht durch die Repressionen einschüchtern ließen, lud Áñez Vertreter des Parlaments, der Parteien, einiger sozialer Bewegungen und der katholischen Kirche für Sonntag (Ortszeit) zum »Dialog« in den Regierungspalast ein. Ob ihr der Befriedungsversuch gelingt, ist allerdings fraglich. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes »Central Obrera Boliviana« (COB), Juan Carlos Huarachi, hatte am Sonnabend – nach einem Vorgespräch über einen möglichen neuen Wahltermin – bereits angekündigt, dass seine Organisation nicht an dem Treffen teilnehmen werde. Der von den Putschisten eingesetzte TSE-Präsident Salvador Romero habe keinerlei Dialogbereitschaft gezeigt und kompromisslos versucht, den 18. Oktober als Wahltermin durchzusetzen, erklärte Huarachi. Der Gewerkschaftsführer ließ noch offen, ob der Generalstreik und die Blockaden in der kommenden Woche fortgesetzt werden...“  aus dem Beitrag „Neuer Putsch befürchtet“ von Volker Hermsdorf am 10. August 220 in der jungen welt externer Link zum Versuch der Junta, den Widerstand auf eine andere art zu brechen, nachdem die blanke Repression nicht zum Erfolg geführt hat. Siehe dazu einen weiteren Beitrag über die Bedeutung der Auseinandersetzung in Bolivien – und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zur „Wahlflucht“ der Junta in Bolivien:

  • „Bolivien: Die bevorstehende kontinentale Schlacht“ von Gerardo Szalkowicz am 08. August 2020 bei amerika21.de externer Link zur Bedeutung der aktuellen Auseinandersetzung: „… Angesichts der Ergebnisse aller Umfragen, die die Bewegung zum Sozialismus (MAS) an führender Stelle sehen, setzt die Rechte auf eine erneute Verschiebung der Wahlen oder sogar auf einen Ausschluss der MAS. Das ist logisch: Niemand putscht, um danach ganz zahm die Macht wieder an die zu übergeben, die man mit Gewalt aus dem Amt gejagt hat. Und es gibt einen guten Vorwand: Das von der Pandemie hervorgerufene Desaster. Nicht mehr funktionsfähige Krankenhäuser und auf der Straße sterbende Leute sind die brutale Fratze eines zerstörten Gesundheitssystems. Die Infektionskurve steigt weiter an, und als ob in der aufgewühlten bolivianischen Gegenwart noch etwas fehlen würde, wurden selbst die De-Facto-Präsidentin, sieben Minister, sechs stellvertretende Minister, der Chef der Streitkräfte und ein Dutzend Abgeordnete positiv auf Covid-19 getestet. Unter den zahlreichen Krisen, die das Land fest im Griff haben, kann die Krise des Gesundheitswesens nicht mehr geleugnet werden. Auch die Medien, die den Putschverlauf begleiteten, können die Bilder der Leute nicht unsichtbar machen, die an der Unmöglichkeit verzweifeln, jemanden zu finden, der ihre infizierten Familienangehörigen versorgt, oder einen Ort, um sie zu begraben, wenn sie sterben. Unterdessen übernahm der Verteidigungsminister Luis Fernando López, ein Militär ohne irgendwelche Erfahrungen auf dem gesundheitlichen Sektor, die Leitung des Gesundheitsministeriums und verwaltet nun die Pandemie, genau wie im Brasilien Bolsonaros. Die offiziellen Appelle schwanken zwischen Aufrufen zu religiösen Gebeten und tragikomischen Erklärungen wie die des Innenministers Arturo Murillo: „Viele Leute sterben aus schlichter Unwissenheit“. Das Panorama mündet nur deshalb nicht in eine Tragödie, weil unter der Regierung von Evo Morales die Investitionen in das Gesundheitswesen um 360 Prozent gesteigert wurden (gegenwärtig lahmgelegt), sich die Anzahl der Arbeitsplätze in dem Sektor verdoppelte und 1.062 Gesundheitseinrichtungen geschaffen wurden. Aber es ist nicht die durch die Corona-Pandemie entstandene Notsituation, die Jeanine Áñez, Jorge “Tuto” Quiroga und Luis Fernando Camacho dazu brachte, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) um Hilfe zu bitten, die Wahlen weiter hinauszuschieben – die OAS des Luis Almagro, die ihnen half, den Putsch vom Zaun zu brechen –, sondern vielmehr sind es die Umfrageergebnisse. Die drei ultrarechten Kandidaten erlangen zusammen nicht einmal 20 Prozent, und trotz der Hetzjagd, der Verhaftungswelle und des Exils hat die MAS gute Aussichten, schon im ersten Wahlgang zu gewinnen, wenn es ihr gelingt, die Versuche zu stoppen, die darauf abzielen, ihren Kandidaten Luis Arce auszuschließen. Das Wahltableau wird vervollständigt durch den liberalen Ex-Präsidenten Carlos Mesa, der darauf spekuliert, mit Unterstützung der Mittelschichten aus La Paz in die Stichwahl zu kommen, die es vorerst ablehnen, mit den extremistischen Sektoren der Oligarchie aus Santa Cruz ein Bündnis einzugehen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176593
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