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In Benin regiert ein Präsident, der „das Land wie ein Unternehmen führt“: Eben Diktatorisch und antisozial. Er braucht ja auch keinen öffentlichen Nahverkehr…

Zehntausende demonstrieren in Cotonou – drei Monate Streik für Demokratie 2014 in Benin„… Auf die Kolonialzeit folgten Jahre der politischen Instabilität. Es schwand das Vertrauen der Menschen in eine verantwortungsvolle Politik, auch weil die Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer wurde. So kam es, dass sich in der Bevölkerung der Wunsch nach einer starken Führungsfigur Geltung verschaffte. Patrice Talon, inzwischen 61 Jahre alt, der 2016 für die Präsidentschaftswahl kandidierte, schien der Ersehnte zu sein. Er wollte die Korruption verbannen und versprach Wohlstand durch Wachstum. Der Ertrag dieser Versprechen war ein überwältigender Wahlsieg – mit etwa 65 Prozent der Stimmen wurde er zum Präsidenten bestimmt. Seither regiert Talon wie ein Manager. Er baut den Staat auf Kosten von Grund- und Freiheitsrechten um. Alles muss dafür herhalten, dass es Ende des Jahres ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt zu verzeichnen gibt. Und wem dieser Stil von Governance nicht passt, der muss ins Gefängnis, der geht ins Exil oder verstummt. (…) Präsident Talon muss der Aufstand im Vorjahr beeindruckt haben. Kurzzeitig ließ er lang gehegte Pläne ruhen, die Verfassung zu ändern – bis zum 31. Oktober. Dann stimmten alle Abgeordneten einer Revision der Magna Charta zu, die nun unter anderem verfügt, dass es in Benin erstmals einen Vizepräsidenten gibt, dessen Aufgaben zwar nicht genau definiert sind, der aber in jedem Fall vom Staatschef ernannt wird. Letzterer kann ab sofort ohne Zustimmung des Parlaments im Namen des Staates Kredite aufnehmen. Zugleich wurde ein Amnestiegesetz erlassen. Eigentlich eine gute Nachricht – eigentlich, weil damit internierte Demonstranten nicht freigesprochen, sondern nur freigelassen werden. Die Amnestie schließt Polizisten und Militärs gleichermaßen ein, die nicht mehr belangt werden können, wenn sie Menschenrechte verletzt haben. Diallo freut sich, dass einige Mitbürger aus Tchaourou inzwischen wieder auf freiem Fuß sind, doch aufatmen kann er nicht. Es gehe ihm nicht nur um die Freilassungen, sondern ebenso um das Gefühl, in keinem Rechtsstaat mehr zu leben. Es komme zu willkürlichen Festnahmen, ständigem Streik- und Demonstrationsverbot...“ – aus der Reportage „Panzer in Tchaourou“ von Vera Deleja-Hotko in der Ausgabe 2/2020 des Freitag externer Link aus dem Land des reich gewordenen Baumwollhändlers, der lange Präsidenten finanzierte, bevor er beschloss es künftig selbst zu machen, und eben das Land zu führen wie ein Unternehmen. Im heutigen Kapitalismus eben sogar ohne Mitbestimmung… Siehe dazu auch einen aktuellen Beitrag über die alltäglichen Auswirkungen einer solchen Politik im Stile eines Unternehmensvorstandes…

  • „Wo Klimaschutz chancenlos ist“ von Beat Gerber am 01. Januar 2020 im Infosperber externer Link behandelt das Thema unter dem Blickpunkt, der in der Überschrift deutlich gemacht wird, hält aber generell auch folgende einmalige Errungenschaften des Unternehmens Benin fest: „… Grösste Stadt mit einer Million Einwohner ist Cotonou. Das Wirtschaftszentrum mit Hafen und Regierungssitz hat kein öffentliches Verkehrssystem. Bloss einige Male am Tag fahren auf einzelnen urbanen Hauptachsen Sammelbusse, doch die sind teuer. Das billigste Transportmittel sind Motorrad-Taxis. Deren Chauffeure, stets im gelben T-Shirt, laden ihre Passagiere auf den Hintersitz und brausen rasch zum verlangten Ziel. Meist reisen mehrere Personen mit, ohne Helm, dafür mit Körben, Kanistern und Schachteln bepackt. In den häufigen Kolonnen stocken bloss die Autos, die wendigen Motos kurven nebenher wie ein lärmiger Bienenschwarm. In Cotonou verkehren über 40‘000 solcher Zweirad-Taxis, ohne Katalysator, mit schlecht eingestellten Motoren und Benzin niedriger Qualität, geschmuggelt aus Nigeria. Die Luft ist übel verschmutzt, wozu ebenfalls die zahllosen Lastwagen mit stinkenden Dieselmotoren beitragen. Bronchien und Lunge leiden sehr, besonders in diesem feuchtheissen Klima. Bei der Elektrizität ist das Land völlig auf ausländische Lieferanten angewiesen. Die Versorgungslage ist unbeständig, Stromunterbrüche sind an der Tagesordnung. Grösstenteils wird die Elektroenergie in thermischen Kraftwerken mit Flüssiggas erzeugt, das aus Angola eingeführt wird. Dezentrale Solaranlagen sind generell noch zu teuer, der CO2-Ausstoss des Landes ist dementsprechend hoch, Tendenz steigend. Benin ist eine präsidiale Republik, getreu dem Vorbild der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich (1894 bis 1960). Der Einfluss der Grande Nation auf Politik und Wirtschaft ist geblieben. Offiziell wird denn auch französisch gesprochen und in der Schule gelehrt, doch die 46 registrierten Ethnien pflegen daneben verschiedene andere Sprachen. Vor der Kolonialisierung regierten in Benin drei Jahrhunderte lang die Könige aus dem Hause Dahomey. Sie waren eine treibende Kraft im Sklavenhandel mit den Europäern. Die schmerzhafte Epoche der westafrikanischen Geschichte wirkt bis heute nach. Politisch steht das Land in der Krise, damit verbunden ist auch die wirtschaftliche Stagnation. Benin kommt ökonomisch nicht vom Fleck. Es lebt vor allem von der Landwirtschaft, der Baumwolle und dem Umschlag im Hafen von Cotonou. Der Export von Agrarprodukten harzt, die Vorkommen von Bodenschätzen sind bescheiden. Der 2016 demokratisch gewählte Präsident Patrice Talon betreibt Nepotismus in Reinkultur. Die meisten Parlamentsmitglieder wurden von ihm selbst ernannt und sind seine Anhänger. Das erzählt man sich zumindest im Volk. Ausserdem soll das Staatsoberhaupt mehrere Firmen besitzen, unter anderem ein Grossunternehmen, das die meisten Tankstellen des Landes betreibt. Das dort verkaufte Benzin ist jedoch viel teurer als der von Nigeria eingeschmuggelte Treibstoff…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161298
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