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„Guten Tag, Angola, wir sind vom Internationalen Währungsfonds. Wir würden mit Ihnen gerne über unsere Bibel reden, besonders über Buch Eins – schmerzhafte Reformen“

Verkehrschaos in Luanda 24.12.2015 - der Busstreik geht weiterIn diesen Tagen macht vor allen Dingen das Verfahren gegen die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Isabel dos Santos auch außerhalb Angolas Schlagzeilen: Die reichste Frau Afrikas bekam ihre (besser wohl: Einige ihrer) Konten eingefroren wegen des laufenden Betrugsverfahrens gegen sie und ihren Ehemann. Ein Zeichen für zumindest zwei Dinge auf einmal: Die „Veteranen-Bereicherung“ der MPLA ist nach beinahe 4 Jahrzehnten offensichtlich ans beginnende Ende gelangt. Und die neuen Kräfte, die da am Werk sind, wollen die seit langem eingeschlagene Förderung der Privatwirtschaft wesentlich aktiver und systematischer vorantreiben als bisher – auch gedrängt von den Problemen, die die auf Erdöl basierende Wirtschaft erlebt. Weswegen man mit dem Internationalen Währungsfonds zusammen arbeitet – dessen Schreibtisch-Sturmtruppen ihr übliches Programm umsetzen wollen, ganz ohne auf Änderungen im Ton bei Sonntagsreden Rücksicht zu nehmen. Die jüngsten Streiks der Ölarbeiter bei Halliburton – einer der neuen wichtigen „Partner“ des staatlichen Ölkonzerns Sonangol – seien, so ein Sprecher der Regierung, nur der Anfang, man werde mehr davon erleben, wenn erst das Programm mit dem IWF „umgesetzt“ werde, aber damit werden man leben müssen – und können. Zur aktuellen Entwicklung in Angola eine kleine Materialsammlung, in der versucht wird, das Abkommen mit dem IWF in den Rahmen des Veränderungsprozesses nach dem Ende des Santos-Regimes zu stellen:

„Reformas dolorosas do FMI em Angola vão originar greves e protestos“ am 10. Januar 2020 bei Interlusofona externer Link meldet zu einem Gutachten der „Beratungsfirma“ EXX Africa, diese habe darauf hingewiesen, dass das Privatisierungsprogramm gefährdet werde durch Gruppen, die an Privilegien festhielten. Unter viel Tamtam um Korruption wird dann deutlich, worum es dabei geht: Die Abschaffung der staatlichen Unterstützung bei den Energiepreisen und eine Abwertung der Landeswährung, dem Kwanza. Dass dies natürlich keine von Korruption profitierende Gruppen betrifft, wird auch deutlich daran, dass diese sogenannten Berater hinzufügen, dass deswegen mit Streiks und Protesten zu rechnen sei, vor allem auch von hochqualifiziertem Personal (wozu entsprechend der Struktur der Wirtschaft Angolas vor allem beschäftigte des Erdölsektors gerechnet werden müssten) und im öffentlichen Dienst.

„Economista Alves da Rocha critica acordo entre Angola e o FMI“ am 29. April 2019 bei Africa Digital21 externer Link berichtet von der Kritik eines Wirtschaftswissenschaftlers – die von vielen seiner Kollegen geteilt werde – an dem kurz davor in Kraft getretenen Abkommen, das Kredite in Höhe von 2,7 Milliarden Dollar für Angola vorsehe. Eine Summe, die seiner Ansicht nach bei weitem nicht ausreiche, die seit 2014 in Abschwung befindliche angolanische Wirtschaft wieder zu beleben, dafür brauche es nach verschiedenen Berechnungen mindestens das Achtfache – stattdessen werde durch den damit verbundenen sozialen Kahlschlag die Situation mangels Nachfrage eher noch verschlechtert.

„Trabalhadores de petrolífera americana em Luanda continuam greve por reajuste cambial“ am 04. Januar 2020 ebenfalls bei Africa Digital21 externer Link ist eine Meldung über die Vollversammlung der über 500 Beschäftigten des US-Ölunternehmens Halliburton, die nahezu einstimmig beschlossen hätten, ihren seit zwei Wochen andauernden Streik fortzusetzen – mit dem sie erzwingen wollen, dass ihre Löhne, die in Dollar festgelegt, aber in Kwanza ausbezahlt werden, auch den wirklichen Kursen der Nationalbank entsprechend ausbezahlt werden, faktisch seien sie seit Jahren vom Unternehmen betrogen worden.  Darin wird auch der Sprecher der Gewerkschaft Sindicato das Indústrias Petroquímicas e Metalúrgicas de Angola (Sipeqma) (Chemie und Metallgewerkschaft) mit einer Aussage zitiert, die zwei Dinge deutlich macht: Zum einen sagt er, das Unternehmen habe von Beginn an allseits klar gemacht, es werde angolanische Gesetze nicht befolgen, was offensichtlich geduldet wurde. Zum anderen, was die Gewerkschaft betrifft, unterstreicht er – und zeigt damit die Rolle der Gewerkschaften in Angola deutlicher, als er es vielleicht meint – dass die Gewerkschaft „natürlich“ Verpflichtungen gegenüber Staat und Gesellschaft habe – aber eben auch (auch) gegenüber der Mitgliedschaft…

„Luanda: Elisal volta à greve e ameaça estender protesto ao aterro sanitário dos mulenvos“ am 13. November 2019 bei O Novo Jornal externer Link berichtet vom Streik der Müllwerker in der Hauptstadt, die seit August mehrfach in den Streik getreten waren um sich gegen Verzögerungen der Lohnauszahlung zur Wehr zu setzen, die seit Beginn der Krise 2014 immer größer geworden seien – diesmal dauerte der Streik der rund 300 Beschäftigten bereits fünf Tage an und es wurde auf einer Vollversammlung aller Beschäftigten beschlossen, diesen auszuweiten auf den ganzen Bereich der Müllverarbeitung.

„Angola dreht Präsidententochter den Geldhahn zu“ am 31. Dezember 2019 bei der Deutschen Welle externer Link meldete zum Angriff auf Afrikas reichste Frau, die laut Angaben der Staatsanwaltschaft nur eine, wenn auch besonders wichtige, von vielen Maßnahmen gegen zahlreiche einzelne Personen sei: „… Ex-Präsident José Eduardo dos Santos und seine alte Machtclique haben sich über Jahrzehnte bereichert, während die meisten Angolaner in Armut leben. Eine der Nutznießerinnen des Systems war die ältestete Tochter des Ex-Präsidenten, Isabel dos Santos. Ihr auf rund 2,2 Milliarden US-Dollar (etwa 1,96 Milliarden Euro) geschätztes Vermögen hat sie durch Beteiligungen an angolanischen Unternehmen, darunter Banken, die Telekommunikationsfirma Unitel und den zeitweisen Vorsitz in der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol angehäuft. In Angola brachte ihr das den Spitznamen „die Prinzessin“ ein. Jetzt hat ein Gericht in Angola die Vermögenswerte der 46-Jährigen wegen Korruptionsvorwürfen eingefroren. (…) Der Schritt folgt auf eine einstweilige Verfügung der Regierung in Luanda, die umgerechnet etwa eine Milliarde Euro von der Investorin und ihren Mitarbeitern zurückfordern will. Bei den Untersuchungen geht es um dubiose Geldtransfers. Hintergrund sind Korruptions- Ermittlungen in Verbindung unter anderem mit der Ölfirma Sonangol, als deren Direktorin dos Santos im Sommer 2016 von ihrem Vater eingesetzt worden war. Der Schritt war weithin als Fall von offensichtlicher Vetternwirtschaft kritisiert worden. Nach 38 Jahren an der Macht war José Eduardo dos Santos im September 2017 zurückgetreten. Schon zwei Monate später wurde seine Tochter durch den neuen Präsidenten João Lourenço als Sonangol-Chefin entlassen. Lourenço hatte im Wahlkampf versprochen, entschlossen gegen die grassierende Korruption vorzugehen und die stark gebeutelte Wirtschaft des Landes wieder aufzubauen…“

„Adriano Pascoal Neto: A Corrupção da Velha Guarda“ von Rafael Marques de Morais am 09. Januar 2020 in Maka Angola externer Link ist ein Beispiel für die lange Reihe von Artikeln, die seit dem Regierungswechsel 2017 erschienen sind, in denen die „Korruption der alten Garde“ Thema sind – in diesem Falle von einem Finanzverantwortlichen einer angolanischen Provinz. Der hatte mehrere eigene Unternehmen, und eines von ihnen lieferte der provinziellen Finanzverwaltung Arbeitsmaterialien und leistete Servicearbeiten für sie – die nicht näher beschrieben wurden, aber mit über 11 Millionen Kwanzas bezahlt, etwa 20.000 Euro. Auch mit anderen solchen Unternehmen machte er Geschäfte mit der Provinzregierung – wie auch anderen von deren Amtsträgern, von denen einige auch Lieferungen an Einrichtungen berechneten, die gar nicht existieren…

„Sobreviventes do 27 de Maio de 1977 pedem “reposição de justiça” a João Lourenço“ am 21. November 2018 im Esquerda.net externer Link (Portugal) war die Meldung über einen Offenen Brief von Überlebenden des Mai 1977 an den neuen Staatspräsidenten, nachdem dieser bei seinem Amtsantritt von „Aussöhnung mit der Geschichte“ gesprochen hatte. Der Zusammenschluss der Überlebenden verweist – erfreut und hoffnungsvoll – darauf, dass man fast 40 Jahre lang vergeblich versucht hatte vom Ewigpräsidenten dos Santos – der sich so sehr um seine Kinder „gekümmert“ hatte – eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum nicht wenigstens die Leichen oder Todesurkunden der damals getöteten AktivistInnen bekannt gegeben würden. Im Mai 1977 gab es einen angeblichen Putschversuch gegen die MPLA-Regierung, der extrem blutig niedergeschlagen wurde – und den viele Kritiker dieser Regierung keineswegs als Putsch, sondern als einen Versuch der linken (oft: trotzkistischen) Opposition sahen, den Kurs der Regierung zu ändern.

„For the first time, an Angolan president meets with the government’s staunchest critics“ am 19. Dezember 2018 bei Global Voices externer Link berichtet von einem Treffen des neuen Staatspräsidenten und MPLA-Vorsitzenden mit Aktivisten der demokratischen Bewegung in Angola (die zuvor mehrfach vor Gericht und im Gefängnis gewesen waren . Dies wurde als symbolischer Akt gegen seinen Vorgänger und dessen Klientelsystem gesehen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160868
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