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Der algerische Präsident ist zurückgetreten worden. Unabhängige Gewerkschaften rufen zu neuen Streiks auf, während die herrschenden Clans sich bekriegen

Eine Demonstration in Algier am 26.2.2019 - nicht nur an den Freitagen wird gegen das "5. Mandat" für Bouteflika protestiert...Gestern hatte Algeriens Präsident Bouteflika angekündigt, bis zum 28. April zurückzutreten. Nach erneuten Protesten reichte der 82-Jährige nun seinen sofortigen Rücktritt ein. Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika ist nach wochenlangen Protesten zurückgetreten. Er habe dem Präsidenten des Verfassungsgerichts offiziell das Ende seiner Amtszeit bekanntgegeben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur APS. Mit seinem Rückzug wolle er zur „Befriedung der Herzen und Gemüter“ seiner Landsleute beitragen, schrieb Bouteflika demnach. Im Stadtzentrum von Algier versammelten sich spontan Dutzende Menschen, um zu feiern. Erst am Montag hatte Bouteflika nach 20 Jahren an der Spitze des flächenmäßig größten afrikanischen Landes überraschend angekündigt, vor dem Ende seiner Amtszeit am 28. April zurückzutreten. Das genaue Datum ließ er dabei aber offen. (…) Laut algerischer Verfassung übernimmt im Fall des Rücktritts des Staatsoberhauptes der Präsident des Oberhauses das Amt. Derzeit ist das Abdelkader Bensalah, ein alter Weggefährte Bouteflikas. Binnen 90 Tagen muss ein neuer Präsident gewählt werden. Eine offizielle Erklärung seitens der algerischen Staatsorgane gibt es bislang nicht…“ – aus der Meldung „Bouteflika reicht sofortigen Rücktritt ein“ am 03. April 2019 in der tagesschau externer Link über die weitere Beschleunigung des Rücktritts… Siehe zum Rücktritt Bouteflikas eine aktuelle Analyse sowie zwei Meldungen über neue gewerkschaftliche Streikaufrufe und einen Beitrag über die Bedeutung der Selbstorganisation – und schließlich den Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge zu den Massenprotesten in Algerien:

  • „Rückzug auf Raten“ von Sofian Philip Naceur am 03. April 2019 in der jungen Welt,externer Link noch vor der Meldung vom nunmehr sofortigen Rücktritt verfasst, zeichnet dennoch die bestehenden politischen Auseinandersetzungen nach, unter anderem so: „… Mit diesem erneuten Manöver versucht die hinter Bouteflika stehende fragmentierte Staatsführung aus privaten Geschäftseliten, politischen Parteien und Teilen des Sicherheitsapparates den Eindruck zu erwecken, auf die Forderungen der Protestbewegung einzugehen. Dieser Schachzug setzt jedoch vielmehr die seit Beginn der beispiellosen Protestwelle verfolgte Verzögerungstaktik der Staatsführung fort. Diese will damit sicherstellen, den unumgänglichen politischen Übergangsprozess unter Kontrolle zu behalten und allzu umfassende Zugeständnisse an die Opposition zu vermeiden. Die seit Ende Februar ununterbrochen andauernden landesweiten Massenproteste dürften jedoch weitergehen. Nachdem der zum neuen Regierungschef ernannte ehemalige Innenminister Noureddine Bedoui am Sonntag nach dreiwöchigen Konsultationen sein neues Kabinett vorgestellt hatte, zogen nur Stunden später Tausende Demonstranten durch die Innenstadt von Algier und anderen Städten im Land und skandierten lautstark Parolen gegen die Staatsführung und die ihrer Meinung nach taktisch motivierten Beruhigungspillen der herrschenden Eliten. Auch Gaïd Salah und Bensalah waren zuletzt zur Zielscheibe der Protestbewegung geworden, gelten beide doch als Vertreter der alten politischen Ordnung.  (…) Derweil setzen mit dem Staatschef rivalisierende Fraktionen im Machtapparat zunehmend aggressiv dessen angezählte Seilschaften unter Druck. Erst am Samstag wurde der Geschäftsmann und Verbündete Bouteflikas, Ali Haddad, bei dem Versuch verhaftet, sich ins Nachbarland Tunesien abzusetzen. Algerische Justizbehörden bestätigten zudem Reiseverbote gegen Haddad und elf weitere mit Bouteflikas Clan verbündete Oligarchen – darunter Mitglieder der einflussreichen Kouninef-Familie. Offen bleibt, wie konsequent sie juristisch belangt werden und wer an ihre Stelle treten wird…“
  • „Workers in Algeria to stage further strikes“ am 02. April 2019 bei IndustriAll externer Link meldet den Streikaufruf der Öl- und Gasgewerkschaft SNATEG ab dem 07. April, worin auch noch weitere Streiks angekündigt werden, falls der Rücktritt nicht bis zum ursprünglichen Ende des Mandats am 18. April erfolgt sei – wobei diese Gewerkschaft für eine Übergangsregierung plädiert,  bei der dementsprechend auch Vertreter der bisherigen machthabenden Gruppen vertreten wären…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=146825
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