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Das ägyptische Regime rüstet (mit bundesdeutscher Hilfe) auf – es „stören“ wieder einmal streikende TextilarbeiterInnen

Sisi not welcome - Kampagne in England, Juni 2015

Während im Ägypten des Herrn al Sisi jegliche Opposition von der Justiz, der Polizei, dem Geheimdienst – dem gesamten Staatsapparat – verfolgt wird, wird sein Regime von Seiten der Bundesrepublik massiv unterstützt: Erst jüngst, bei seinem Berlinbesuch, großartig empfangen, wird jetzt der schon früher vereinbarte Aufrüstungspakt verwirklicht. Das Regime bekommt U-Boote aus Kiel. Störend wirken dabei – einmal mehr – die TextilarbeiterInnen von Mahalla, von denen erneut 6.000 in den Streik getreten sind. Dass die BRD nicht der einzige Staat ist, der solch ein Regime ebenso unterstützt, wie früher das Mubarak-Regime unterstützt wurde, ist auch klar: Auch andere wollen mit Diktatoren Geschäfte machen. Selbst, wenn sie nicht so fest „im Sattel“ sitzen, wie es auf den ersten Blick scheint, denn Berichte, nach denen sich der Wunsch nach Veränderung ausbreitet, häufen sich. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge und einen Hintergrundartikel:

  • „Over 6,000 Mahalla workers strike over delayed bonuses“ am 08. August 2017 beim Egypt Independent externer Link ist die Meldung über den erneuten Streik eines Teils der Mahalla-Belegschaft, einmal mehr auch wegen Nichtauszahlung des Jahresbonus. Diese Zulage ist in Ägypten Bestandteil des Lohns – und wird alljährlich von der Regierung in der Höhe festgelegt. Al Sisi hatte 10% des Jahreslohns versprochen – aber seit über einem Monat nicht gehalten. Der Meldung zufolge hatte es bereits in den Tagen zuvor spontane Arbeitsniederlegungen gegeben, jetzt wurde die Aktion organisiert begonnen. Die Behörden und der Gouverneur reagierten darauf im al-Sisi Stil: Armeeeinheiten wurden in die Stadt Mahalle verlegt und – ausdrücklich in der Meldung genannt – Agenten des Geheimdienstes entsandt.
  • „Kieler Werft übergibt U-Boot an Ägypten“ am 08. August 2017 bei den Rote Fahne News externer Link ist die Meldung über die Auslieferung von Kriegsgerät an die regierenden Militärs in Ägypten, in der festgehalten wird: „Die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) hat ein zweites U-Boot offiziell an die ägyptische Marine übergeben – laut Selbstlob eines Mitglieds der Geschäftsführung ein „Meisterstück deutscher Ingenieurskunst“. Insgesamt hat Ägypten vier U-Boote im Wert von rund einer Milliarde Euro bei TKMS bestellt. Die beiden anderen Boote sollen bis 2021 abgeliefert werden. Der Oberbefehlshaber der ägyptischen Marine, Vizeadmiral Ahmed Khaled, äußerte die dreiste Auffassung, die Marine garantiere nicht nur die Sicherheit im Nahen Osten, sondern sei sehr bedeutend für den Weltfrieden“.
  • „Egypt criminal court sentences 43 protesters to life“ am 26. Juli 2017 bei Jurist.org externer Link ist die Meldung über das jüngste Terror-Urteil des Regimes: 26 Angeklagte wurden zu lebenslanger Haft verurteilt – wegen ihrer Beteiligung an Protesten 2011. Das ägyptische Militär – ohnehin schon immer die entscheidende reaktionäre Kraft im Lande – vollzieht seine alltägliche Generalabrechnung mit den Aktiven des Arabischen Frühlings in aller Stille. Und mit aller Unterstützung von Seiten jener, die oft genug immer noch heucheln, sie würden jene Bewegung positiv betrachten.
  • „Die arabische Linke hofft auf Ägypten“ von Oliver Eberhardt am 29. Juli 2017 in neues deutschland externer Link ist ein ausführlicher Beitrag – mit vielen Aussagen, die Diskussionen erfordern würden – über die schwierige Situation der Linken in verschiedenen Ländern Arabiens und des Nahen Ostens, der unter anderem zur Situation in Ägypten unterstreicht: „Während des arabischen Frühlings haben junge Menschen überall in der Region ihr Bedürfnis nach Veränderung zum Ausdruck gebracht. »Dieser Wunsch sitzt in mir immer noch tief«, sagt Hassan, ein 19-Jähriger, der sich mit Freunden in der Nähe des Tahrir-Platzes in Kairo getroffen hat. »Doch wir alle hier haben, glaube ich, ein Problem damit, wenn uns jemand von oben ein neues System verpassen will.« Es ist eine Ansicht, die nicht nur in Ägypten, sondern auch andernorts geäußert wird, stets versehen, mit dem Hinweis, dass man im eigenen Land schon zu oft das Von-Oben-Herab erlebt hat: Nun will man lieber etwas Eigenes aufbauen, nach den eigenen Vorstellungen, vielleicht sozialistisch, vielleicht kapitalistisch, aber auf jeden Fall von unten nach oben. Im Fall Ägyptens kollidierten die Vorstellungen der Jugend mit denen der älteren Generation, die sich Stabilität wünschte – und sie mit der Machtergreifung von al-Sisi bekam, bezahlt mit der gerade erst erkämpften Freiheit plus Zinsen. Die meisten der Anführer der einstigen Proteste sitzen heute im Gefängnis, genauso wie der frei gewählte, aber islamisch-konservative Präsident Mohammad Mursi und einige zehntausend weitere Ägypter, denen politische Vergehen vorgeworfen werden. Doch trotz der tristen Gegenwart ruht hier weiterhin die Hoffnung der Linken in der arabischen Welt. Trotz massiver Bemühungen hat es die Regierung nicht geschafft, die Vielzahl von kleinen Gewerkschaften und Betriebsräten zu bekämpfen, die seit 2011 im Land entstanden sind. Und nun haben sich die fünf linken Parteien, die seit dem Arabischen Frühling gegründet wurden, zusammengeschlossen, um bei der Präsidentschaftswahl Mitte 2018 einen Gegenkandidaten für al-Sisi ins Rennen zu schicken. Der amtierende Präsident hat mittlerweile massiv an Beliebtheit eingebüßt – wie stark, zeigte sich, als vor einigen Wochen im eigentlich völlig auf al-Sisi eingeschworenen Parlament der Versuch scheiterte, die Amtszeit des Präsidenten per Verfassungsänderung zu verlängern“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=119869
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