Stahl-Tarifrunde 2022: Für 8,2% als dauerhafte Entgelterhöhung

Dossier

Stahl-Tarifrunde 2022: Für 8,2% als dauerhafte Entgelterhöhung„… Die IG Metall fordert eine Erhöhung der Monatsentgelte um 8,2 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Darüber hinaus sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, über den Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung verlängert werden. Diese Forderungen hatten die Tarifkommissionen externer Link nach Diskussion in den Betrieben Ende April aufgestellt – der IG Metall-Vorstand fasste den Beschluss dann am 8. Mai. „Wir haben in der Verhandlung verdeutlicht: Einmalzahlungen sind nichts von Dauer. Sie werden ausgegeben und sind weg. Es braucht aber Sicherheit für die Beschäftigten nach vorne“, erklärt Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen und Verhandlungsführerin in der ostdeutschen Stahlindustrie mit Verweis auf die hohe Inflation. „Wir haben den Arbeitgebern sehr deutlich gemacht, dass die Belegschaften eine Anhebung der Tabellenentgelte erwarten. Dafür gehen sie auch vor die Tore und sind durchsetzungswillig.“…“ Aus der IG Metall-Meldung vom 24. Mai 2022 externer Link „Stahl: Warnstreiks ab 1. Juni“, siehe auch deren Sonderseite zur Tarifrunde Eisen und Stahl 2022 externer Link und hier dazu:

  • VKG zur Tarifrunde Stahlindustrie: Das Ergebnis bedeutet kräftigen Reallohnverlust New
    „Mit einer 8,2 %-Forderung für 12 Monate ist die IGM in die Tarifrunde gegangen. Der Arbeitgeberverband Stahl (AGV Stahl) hatte zuletzt 4,7% bei einer Laufzeit von 21 Monaten angeboten. Das Ergebnis: Am 1. August sollen die Löhne und Gehälter nun um 6,5 Prozent steigen, bei einer Laufzeit von 18 Monaten. Für die ersten zwei Monate bekommen die Beschäftigten insgesamt 500 Euro als Einmalzahlung, Auszubildende 200 Euro. Die Gewerkschaft ist zufrieden. „Das Verhandlungsergebnis ist die höchste prozentuale Entgeltsteigerung in der Stahlindustrie seit 30 Jahren«, so Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Wir als VKG halten dieses Ergebnis für viel zu niedrig. Umgerechnet auf 12 Monate sind dies gerademal 4,3 %, und dies bei einer Inflation von ca. 8 % und boomender Stahlbranche. Das bedeutet für die KollegInnen, dass ihre Reallöhne und damit der Lebensstandard kräftig sinken werden. Die letzte Tabellenerhöhung gab es im März 2019 mit 3,7 %. Dies ist schon länger als 3 Jahre her und das Geld ist längst aufgebraucht. Es besteht auch aus den vergangenen Jahren noch großer Nachholbedarf. Die Inflation ist so hoch, wie seit fast 50 Jahren nicht mehr. Da muss oberstes gewerkschaftliches Gebot sein, keinen Tarifabschluss zu machen, der unter der Inflationsrate liegt und keine Laufzeit zu vereinbaren, die über 12 Monaten beträgt, da die Entwicklungen unsicher und nicht absehbar sind. Notwendig sind zur Zeit Erhöhung zwischen 350 und 400 Euro, um Reallohnverluste zu vermeiden. Die Stahlbelegschaften haben sich sehr gut an den Streikaktivitäten beteiligt. Die Kampfbereitschaft war hoch, die Auftragsbücher sind voll und die Gewinne auf Rekordniveau – also gute Voraussetzungen für einen längeren Streik zur Durchsetzung der vollen Forderung bei 12 monatiger Laufzeit. Dass die Gewerkschaftsführung diese guten Bedingungen nicht genutzt hat, zeigt einmal mehr, dass ihnen die Sozialpartnerschaft mit dem Kapital wichtiger ist, als die Interessen der Kolleginnen und Kollegen. Wir als VKG verurteilen diese Verzichtspolitik zugunsten des Kapitals und zulasten der abhängig Beschäftigten…“ VKG-Statement vom 29. Juni 2022 externer Link
  • Tarifrunde Stahl: Nur eine Urabstimmung über das Ergebnis ist demokratisch!
    Das Tarifergebnis beträgt 6,5 % auf 16 Monate und 500 Euro Abschlag auf  Juni und Juli 2022 (Azubis 200 Euro). Die Preise stiegen im Mai um 7,9 %. Die Preisexplosion soll andauern, vielleicht sogar auf 10 Prozent steigen. 6,5 % Lohnerhöhung – 7,9 % Inflationsrate = -1,4% Entgelt. 6,5 % heißt Lohnabbau. Auf 18 Monate gerechnet, gehen Wirtschaftsanalysten von 4,3 % Entgelterhöhung aus (ntv 15.06.22). Das sind über 3 Prozent Lohnabbau. Das dicke Ende kommt mit der nächsten Strom- und Gasrechnung.
    Lohn-Preis-Spirale?
    Die Forderung von 8,2 % war für die bundesdeutsche Tarifpolitik hoch. Umgehend wurde die Stahltarifrunde von einer Kampagne der bürgerlichen Medien begleitet, die uns das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale präsentierte. Demnach sind steigende Löhne für die Preissteigerungen verantwortlich.Wären alle Kosten der Stahlkapitalisten Lohnkosten, dann würden bei 6,5 % Entgelterhöhung die Gesamtkosten tatsächlich um 6,5 % steigen.

    • Doch gab es in den letzten Jahren in der Stahlindustrie nur Lohnabbau.
    • Die Entgelterhöhung wurde noch gar nicht wirksam.
    • Fast 100 Prozent der bisherigen Kostensteigerungen wurden durch die Preisexplosion bei Eisenerz, Gas, Kohle, Strom usw. verursacht und an die Kunden weitergegeben.
    • Die Löhne machen nur ca. 10 Prozent der Gesamtkosten in der Stahlindustrie aus. Durch den Abschluss steigen die Gesamtkosten der Stahlkapitalisten nur geringfügig und werden ebenfalls an die Kunden weitergereicht.

    Umgekehrt bedeutet bei stark ansteigender Inflation die lange Laufzeit des Tarifvertrages bis zum 30. November 2023 die Einbetonierung des Lohnverlustes.
    Konzertierte Aktion
    Rechtzeitig hatte Olaf Scholz eine „konzertierte Aktion“ angekündigt. Staat, Kapitalverbände und Gewerkschaften sollen wieder am runden Tisch diskutieren, „wie wir mit der aktuellen Preisentwicklung umgehen“. Bei dem Rückgriff auf die Politik der SPD in der Großen Koalition mit der CDU Anfang der 1970er Jahre geht es um die Einbindung der Gewerkschaftsbürokratie, um Lohnabschlüsse zu mäßigen. Auch wenn Kanzler Scholz weiß, dass er sich auf sie verlassen kann, so wollte er doch eine relativ hohe Forderung von 8,2 Prozent herunterkochen und verhindern, dass ein hoher Abschluss bei Stahl zum Beispiel für andere Branchen wird. Auf den Wink mit dem Zaunpfahl reagierte die IGM-Bürokratie mit Zurückhaltung.

    Ohne Streik kein Ausgleich
    Die Wut über die Preisexplosion ist riesengroß. Doch was die Kolleginnen und Kollegen während der Warnstreiks als Abschluss erwarteten, waren eine 4, höchstens eine 5 vor dem Komma. Das steigerte die Wut noch mehr.  Die Stahlkocher rechneten mit Lohnabbau nicht etwa, weil sie vor den Stahlkapitalisten zurückschreckten, sondern weil sie von der IGM-Führung nicht mehr erwarteten. Die Kolleginnen und Kollegen wissen, was sie von der Gewerkschaftsbürokratie zu halten haben. Die Kampfbereitschaft war da. Aber ohne Streik gibt es nur den halben Inflationsausgleich.

    Null-Streik als zweite Natur
    Die IG Metall-Bürokratie spricht von einer „sehr guten wirtschaftlichen Situation der Branche“. Ein vernichtenderes Urteil kann man über sich selbst nicht fällen. Offensichtlich sind die  Gewerkschaftsbürokraten nicht fähig, die allerbeste wirtschaftliche Lage, die hohe Inflation, die hohe Kampfbereitschaft und die vollen Gewerkschaftskassen für einen Vollstreik auszunutzen. Die IG Metall-Bürokratie schreibt von „Begeisterung in der Tarifkommission“ über das Ergebnis. Begeistert kann nur sein, wer davor zurückscheut, einen richtigen Kampf zu führen. Selbst Kolleginnen und Kollegen, die seit 35 Jahren in der Stahlindustrie arbeiten, kennen keinen Vollstreik. Die allermeisten Beschäftigten der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen haben nie in ihrem Arbeitsleben erfahren, wofür eine Gewerkschaft da ist. In den 1980-90er Jahren mögen die Hauptamtlichen der IG Metall über Streikerfahrungen und über Verhandlungsgeschick verfügt haben. Heute ist der Nicht-Streik zur zweiten Natur der IGM-Bürokratie geworden, was auch jeder Verhandlung den Stempel aufdrückt. Dabei stützt sich die IGM-Bürokratie auf die Berufsbetriebsräte, die die Tarifkommission bevölkern. Wohin hohe Inflationsraten und Mäßigung bei den Tarifrunden führen? Die Kolleginnen und Kollegen werden ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen, dass auch unter den günstigsten Bedingungen in der Stahlindustrie die Gewerkschaftsbürokraten keinen Inflationsausgleich hinbekommen. Den müssen sie, wie in den „wilden Streiks“ 1969 und 1973, selbst erkämpfen
    .“ Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet, Duisburg, 19.06.2022 (www.riruhr.org)

  • Tarifrunde Eisen und Stahl 2022: 6,5 Prozent mehr Geld für Stahl-Beschäftigte auch im Osten
    Höchster Tarifabschluss seit 30 Jahren in der Stahlindustrie: 6,5 Prozent mehr Geld für 18 Monate. Dazu kommt eine Einmalzahlung von 500 Euro. Fast 34000 Beschäftigte haben dafür mit Warnstreiks Druck gemacht. Jetzt hat auch die ostdeutsche Stahlindustrie den Abschluss übernommen…“ Meldung der IG Metall vom 15. Juni 2022 externer Link
  • Tarifabschluss für die nordwestdeutsche Stahlindustrie: 6,5 Prozent mehr Geld plus 500 Euro Einmalzahlung 
    Höchster Tarifabschluss seit 30 Jahren in der nordwestdeutschen Stahlindustrie: 6,5 Prozent mehr Geld für 18 Monate. Dazu kommt eine Einmalzahlung von 500 Euro. Zudem werden die Tarifverträge über Altersteilzeit, Beschäftigungssicherung und den Einsatz von Werkverträgen verlängert. Ab August gibt es 6,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten in der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie. Dieses Verhandlungsergebnis hat die IG Metall heute in der vierten Verhandlungsrunde nach neun Stunden Verhandlung erzielt. Für die Monate Juni und Juli wurde eine einmalige Zahlung von 500 Euro vereinbart. Die Auszubildenden erhalten 200 Euro. Die Laufzeit des Tarifvertrages beträgt 18 Monate und endet am 30. November 2023. Zudem wurde die Verlängerung der Tarifverträge über Altersteilzeit, zur Beschäftigungssicherung sowie über den Einsatz von Werkverträgen beschlossen. Bis 31. Juli 2022 wollen IG Metall und Arbeitgeber einen Tarifvertrag für Dual Studierende vorlegen. (…) Der Tarifabschluss betrifft 68 000 Beschäftigte in der nordwestdeutschen Stahlindustrie (NRW, Niedersachsen, Bremen, Hessen). In der ostdeutschen Stahlindustrie verhandeln IG Metall und Arbeitgeber am Freitag.“ Meldung der IG Metall vom 15. Juni 2022 externer Link – es werden sicher kritischere Bewertungen folgen…
  • Stahlindustrie: 8,2 Prozent oder die Hütte brennt!
    Die erste Welle der Warnstreiks in der Nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie ging heute zu Ende. In Duisburg-Hamborn zogen ca. 2500 Kolleginnen und Kollegen (offiziell 3500) der Thyssenkrupp Steel vor Tor 1. Es hätten mehr werden können, wären nicht einige Anlagen weitergelaufen und noch viele Angestellte im Homeoffice.
    Preise & Gewinne
    Die Themen aller Rednerinnen und Redner kreisten um enorme Preissteigerungen beim täglichen Bedarf und satte Gewinne der Stahlkapitalisten. Von der Tribüne wurde für einen Streik getrommelt. Je näher die Rednerinnen und Redner an der Basis stehen, desto mehr brachten sie die Lage auf den Punkt, desto kämpferischer redeten sie. Das Motto – 8,2 Prozent oder die Hütte brennt! – kam von der örtlichen IG Metall. Alle erklärten von der Bühne herab: Wenn nach dem gleichzeitigen Warnstreik am 13. Juni kein annehmbares Angebot vorliegt, dann geht es am 21. Juni in die Urabstimmung.

    Vom Warnstreik zum Vollstreik?
    In den letzten Tarifrunden tat die IG Metall-Bürokratie alles, um den Ball flach zu halten. Die Forderungen und Ergebnisse fielen bescheiden aus, wie an der Entgeltabrechnung abzulesen war. Gut möglich, dass durch die rapide Inflation und die hohen Gewinne der Stahlkapitalisten die IGM-Führung die Chance sieht, in einem Vollstreik ein besseres Ergebnis als durch die berüchtigten ´langen und zähen Verhandlungen` hinzubekommen.

    Erwartungen und Streikbereitschaft
    Allen ist klar: Eine Forderung von 8,2 Prozent wird bei einem niedrigeren Abschluss die enorme Inflation nicht ausgleichen. Die Erwartungshaltung ist gedämpft, obwohl die Wut der Stahlkocher über die Preisexplosion wächst. Nach allen Erfahrungen der letzten Tarifrunden rechnen viele Kolleginnen und Kollegen bei einem Abschluss mit einer 4, höchstens mit einer 5 vor dem Komma bei einer Laufzeit von über einem Jahr. Das würde für 59 000 Stahlkocher Lohnabbau bedeuten. Und genau das heizt die Empörung noch mehr an. Die Streikbereitschaft ist da.

    Selbst Kolleginnen und Kollegen, die schon seit 35 Jahren im Betrieb stehen, haben noch nie einen Vollstreik mitgemacht. Den Letzten erinnern sie aus Erzählungen als Streik 1978/79 für die 35 Stunden-Woche. Das könnte diesmal anders werden. Mit einem Vollstreik könnten auch jene IGM-Mitglieder wieder reintegriert werden, deren Erwartungen durch das Paktieren zwischen Gewerkschaftsführung und Arbeitgeberverband Stahl niedrig sind, die aber den Streikappellen ihren Beifall spendeten.
    Nach dem 13. Juni wissen wir mehr.“ RIR, Duisburg 09.06.22
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=201732
nach oben