Mehr als 8 Monate Arbeitskampf bei Neupack: Prekär Beschäftigte wehren sich – Erfahrungen, Schlussfolgerungen, Lehren – ein erster Versuch

„Nach mehr als 8 Monaten ist der längste Arbeitskampf in der Geschichte der IGBCE zu Ende gegangen. Statt des geforderten Tarifvertrages gibt es ein Paket aus Betriebsvereinbarungen und Regelungsabreden mit dem Betriebsrat und einzelvertraglichen Zusagen. Mit 9 € liegt der Basislohn gut einen Euro über den niedrigsten Löhnen vor dem Streik. Es gibt ein höheres Urlaubsgeld, höhere Schichtzulagen und eine Arbeitszeitverkürzung auf 38 Stunden. Ein Teil der Kündigungen und Abmahnungen werden von der Geschäftsführung zurückgenommen. Das gilt allerdings z.B. nicht für den Betriebsratsvorsitzenden, der aber hoffentlich vor dem Arbeitsgericht Erfolg haben wird. Gemessen am Ziel eines Entgelttarifvertrages, wegen der demütigenden Maßregelungsklausel und wegen des Rachefeldzuges, dem die Kolleginnen und Kollegen derzeit ausgesetzt sind, wird das von vielen nur als Niederlage wahrgenommen. Angesichts der erreichten Verbesserungen, die ohne den Streik niemals durchgesetzt worden wären, angesichts der monatelang bewiesenen Standhaftigkeit, angesichts der sichtbaren Angst, die sie der Eigentümerfamilie bereitet haben und angesichts der erfahrenen breiten Solidarität haben die kämpfenden Kolleginnen und Kollegen aber allen Grund erhobenen Hauptes und gestärkt für einen sicher notwendigen zweiten Anlauf in den Betrieb zurückkehren. Der lange Arbeitskampf liefert viele Erkenntnisse über Kampfwillen und Kampfkraft einer von prekärer Beschäftigung geprägten Belegschaft und ihrer Gewerkschaft. Nach einem Überblick über Vorgeschichte und Ablauf des Arbeitskampfes versuche ich mich an ersten Schlussfolgerungen in Thesen…Artikel von Harald Humburg vom August 2013

Aus dem Text: „(…) In einer entscheidenden Phase des Arbeitskampfes bei Beginn des Wellenstreikes hatten viele streikende Neupackkollegen Kritik an der falschen, versöhnlerischen Streikführung. Sie hatten auch viele konkrete Vorstellungen davon, wie es anders hätte gemacht werden müssen. Was hauptsächlich fehlte war das Bewusstsein, selbst für die richtige Streikführung verantwortlich zu sein, ein schlüssiges Gesamtkonzept dafür und das Vertrauen in die eigene Kraft, dies auch in der Gewerkschaft durchsetzen zu können. All das entsteht nicht automatisch durch gewerkschaftliche Basisstrukturen, aber ohne gewerkschaftliche Basisstrukturen wird es nicht entstehen. Solche Strukturen können natürlich auch aus einem Arbeitskampf erwachsen. Für den konkreten Streikerfolg kann es dann aber, wie bei Neupack, bereits zu spät sein.“

Der Autor ist ein nur Arbeitnehmer vertretender Rechtsanwalt in Hamburg. Er begleitet die Neupack Kolleginnen und Kollegen seit vielen Jahren als Anwalt des Betriebsrates. Er war selbst 15 Jahre Betriebsratsmitglied in einem größeren Chemiebetrieb und ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

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