Die Schlacht um die gar trutzige Doerriesburg nahe bei dem Flecken St. Ellingen

Ein modernes Märchen zum Streik bei Neupack von Jacob Grimmig,  anno domini 2013 (vom 14.2.2013)

Ein kleines Heer belagert seit drei Monaten eine Festung, eine große Burg, die Doerriesburg. Dieses kleine Heer besteht aus viel Landvolk, das viele Jahre dem Burgherren, dem alten Graf Krüger treu und willig gedient hatte. Der Graf aber war laut und jähzornig, wenn er sie überhaupt der Anrede würdigte, dann schimpfte er sie: „Ihr Nasen“. Hinter seinem Rücken nannte ihn das Gesinde deshalb Graf Nase. Sie arbeiteten auf seinen vielen Ländereien, weit in der Gemarkung St. Ellingen, einige Ländereien erstreckten sich bis hin zur Rotenburg.
Eines Tages aber, als die Wut und der Zorn immer mehr wuchs, weil der Graf schon seit zehn Jahren immer nur den gleichen Lohn gezahlt hatte trotz guter Ernten, da schickten sie den Energischsten unter ihnen, Bruder Muratus, der schon öfter Mut bewiesen hatte, dem Grafen und seiner Familie zu widersprechen mit der Botschaft auf die Burg: „Sage ihm von uns: Wir vergießen alle in gleicher Weise unseren Schweiß auf deinen Feldern, wir wollen dafür auch gleichen Lohn. Und wir wollen auch unseren Anteil von all den guten Ernten, die wir euch Jahr für Jahr gewissenhaft eingebracht haben. Das ist nicht mehr als Gottes Gerechtigkeit“. So wurde denn Bruder Muratus losgeschickt. Der richtete das Graf Krüger Wort für Wort aus. Der kriegte aber wieder einen Wutanfall, daß alles Gesinde in der Burg zusammenfuhr: „Das ist ja die größte Dreistigkeit, die ich je erfahren habe, ihr Nasen. Mein Prinzip ist, daß ich jedem den Lohn zuteile, wie es mir paßt! Weshalb bin ich denn Graf?“
Bruder Muratus kehrte zurück und berichtete alles. Da waren alle erschrocken und traurig und arbeiteten weiter wie bisher. Weil aber die Pein nicht nachließ, schickten sie Bruder Muratus im nächsten Herbst nach der guten Ernte wieder auf die Burg mit einer ähnlichen Botschaft. Wieder bekam er eine Abfuhr, Graf Krüger schrie nur laut: ICH bin der Graf.
Das Arbeitsvolk sah, wie sich die Reichtümer im Schloß häuften und der Graf für sich und seine Familie Lustschlösser bauen ließ, eines am lieblichen Strande der großes Stromes Elbe, eines am Ufer des kleinen Flüßchen Alster, mit herrlichem Ausblick.
Endlich, nachdem sie weitere Male Bruder Murat vergeblich aufs Schloß geschickt hatten und der Graf den Wachen Anweisungen gab, den Muratus nicht mehr einzulassen, falls er mit derartigen Belästigungen des Gesindes käme, war die Geduld aller zu Ende. Sie trafen sich zu einem großen Ratschlag, auch mit denen aus den fernen Gemarkungen nahe der Rotenburg und beschlossen, sich zusammenzutun und die Burg einzukesseln und ihn zu zwingen, ihre Forderungen zu erfüllen.

Da sie sich aber allein zu schwach wähnten, suchten sie sich einen starken Fürsten aus dem fernen Hannovera als Bündnispartner. Der sagte ihnen: Ich bin auf den Grafen Krüger gerade auch nicht gut zu sprechen, er ist sehr unbotmäßig, ich helfe euch: Koste es, was es wolle. Er schickte ihnen auch sehr zuverlässig Ausrüstung und Essen und alles, was sie brauchten. Sie schlugen Zelte auf rund um die Doerriesburg und zündeten Feuer an, die Tag und Nacht brannten. Die brauchten sie auch, weil es die Winterszeit war, als sie ihren Aufstand begannen. Der Schnee und Stürme setzten ihnen und den Zelten stark zu. Aber sie harrten aus und wurden immer wütender, denn Graf Krüger führte mit seiner zahlreichen Sippschaft nach wie vor in der Burg ein Leben in Saus und Braus. Als Graf Krüger nun aber fast allein war in seiner Doerriesburg, weil fast alle seine Knechte und Mägde aufständig geworden waren, hatte er eine schlaue Idee. Er sprach mit Herzog Pieningius aus Katowice in der fernen Provinz Silesia, der betrieb einen schwunghaften Handel mit fremden und eigenen Landeskindern. Der schickte ganz schnell per expreß etliche Sklaven zur Auffüllung der Burg. Da waren Graf Krüger und seine Sippschaft aber froh, auch wenn die Aktion viele Gold-Taler kostete. Sie glaubten: Jetzt besiegen wir die Aufständischen und gedemütigt kommen sie auf Knien wieder rein.

Aber die Aufständigen ließen sich nicht entmutigen und hielten durch.

Von ihren Spionen in der Burg erfuhren sie, daß die Mauern und Verteidigungsanlagen schon sehr mitgenommen waren von ihrem Ansturm. Die Sklaven aus dem fernen, fernen Katowice waren eben keine Fachleute und arbeiteten sehr unvollkommen.

Fürst Vas Iliadis aus dem fernen Hannovera wurde wie seine Heeresleitung langsam ungeduldig, erst hatten sie noch gedacht, sie würden den kleinen unbotmäßigen Grafen Krüger bald in die Knie zwingen. Und Fürst Iliadis fühlte sich so stark, daß er die kämpferischen Aufständigen dauernd besänftigte und zur Mäßigung anhielt. Er glaubte nämlich, daß er nur mit guten Worten und Drohungen den unbotmäßigen kleinen Grafen zu Raison bringen würde. Der aber ließ trotzig ausrichten: “Du hast mir gar nichts zu sagen!”

Und als sich drei Monate scheinbar nichts in der Festung in der Festung tat, wurden Fürst Iliadis und seine Berater ganz ratlos. Dann aber kamen sie auf eine auf eine grandiose Idee: Wir schlagen eine Taktik ein wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. (Eigentlich stimmte das nicht ganz, denn sie hatten ein gar dickes Buch aus ihrer Bibliothek holen lassen mit dem Titel: “Wie stürme ich eine Burg?” In diesem Buch lasen sie viele Stunden, denn es war Generationen her, daß einer ihrer Vorfahren mal eine Burg erobert hatte. Dabei stießen sie auf eine Taktik, die sich Flexi nannte und die der Fürst von Düsseldorf kürzlich an der Burg Zamek angewandt hatte. Sie sagten sofort: Das machen wir auch!).

Sie dachten: Damit werden wir Graf Krüger verblüffen und durcheinander bringen.

Sie brauchten aber zwei Tage, um das eigene Lager von der Genialität der neuen Taktik zu überzeugen.
Die meisten Rebellen machten mit, weil sie es nicht anders gewohnt waren als zu gehorchen, einige auch, weil die Abgesandten der Obersten Heeresleitung sooo freundlich und geduldig waren, ihnen alles zu erklären. (Sie waren ja noch nie nett vom früheren Herren, dem Grafen Krüger und seinen Adjudanten behandelt worden).
Einige sagten aber auch: Das mache ich nicht mit!
Andere sagten trotzig: Ehe ich das mitmache, gehe ich lieber aufs Feld zurück und arbeite!
Andere wiederum wollten in die Ferne ziehen, anderswo ihr Glück versuchen!

Aber die oberste Heeresleitung ließ sich in ihrem genialen Plan nicht beirren: Die Belagerer gingen also rein und halfen den Belagerten, die Festung auszubauen, die bisher entstandenen Schäden zu beseitigen. Die Überraschung gelang wirklich.

Fürst Krüger und seine Berater stellten nur eine Bedingung: Ihr müßt uns 12 Stunden vorher Bescheid geben, damit wir uns darauf vorbereiten können, euch würdig zu empfangen. So geschah es dann auch.
Die ehemaligen Belagerer stellten sich vor der Festung auf, wurden nach Waffen durchsucht und zu fünft von bewaffneten Söldnern in die Festung geführt zu den Orten, wo dringend was zu reparieren war.

Ihnen wurde der Auftrag mitgegeben: Behandelt die Sklaven und Söldner recht freundlich, vielleicht könnt ihr ja einige überreden, mit raus zu kommen, denn ihr sollt ja nicht ewig drin bleiben. Und das Rauskommen soll wie das Reingehen den Gegner auch überraschen und durcheinander bringen.

Das klappte nicht ganz, denn keiner der Sklaven und Söldner hatte Lust auf Freiheit.
Und einige der Belagerer blieben sogar drin!
Schlimm war auch, daß Graf Krüger mit der Arbeit einiger Rebellen nicht zufrieden war und sie auspeitschen ließ.
Das alles stimmte viele der Aufständischen dann doch sehr bedenklich und sie begannen an der genialen Führungsweise von Fürst Iliadis zu zweifeln.

Aber nach einer Woche war die Festung wieder voll instand gesetzt!

Als sie wieder rauskamen aus der Festung, wurde das von der obersten Heeresleitung in der Hauptstadt sehr gefeiert: Fürst Vas Iliadis sandte Boten aus, überall im Lande die Botschaft kund zu tun: “Unsere geniale Taktik war erfolgreich: Wir haben nicht passiv gewartet sondern haben das Heft in die Hand genommen. Der Gegner war völlig überrascht!” “Wir haben mit dem Reingehen wie auch mit dem Rausgehen kämpferische Signale gesetzt. Bald wird Graf Krüger die weiße Flagge hissen!”.
“Arbeitet fleißig in der Festung und macht ja nichts kaputt, irgendwann werden wir gewinnen und Graf Krüger wird euch dann jeden Monat ein paar Groschen mehr auszahlen! Vertraut auf unsere Weisheit und Erfahrung”.

Den Belageren teilten sie mit: “Auch, wenn wir jetzt weniger Kämpfer sind als zuvor, wiederholen wir den Flexi-Kampf bis wir gewonnen haben, weil die Taktik so erfolgreich und genial ist”.

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