„Pervers: IG Metall-Betriebsräte für Rüstung mit Drohnen-Produktion!“ (aus den Briefen eines betroffenen und empörten IG Metallers an seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Werk)

Beitrag von Rainer Knirsch  (IG Metall, ehrenamtl. Bildungsreferent, ehem. BR-Vorsitzender BMW-Motorradwerk Berlin)

Gilt weiterhin die Satzung unserer IG Metall (§ 2, Aufgaben und Ziele), nach der sie sich „für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung“ einsetzt? – Ja, was denn sonst! Gibt es etwa neue Beschlüsse in der IG Metall, die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie durch mehr oder neue Kriegswaffen „zu erhalten, zu sichern“? – Natürlich nicht!

Sind hier einige „Metaller“ in Rüstungsbetrieben von der Rolle? Offensichtlich! – Wie pervers ist das denn: Arbeitsplätze „sichern“ durch Drohnen-Forschung, natürlich nur für „zivile“ Zwecke, während durch Militärindustrie, Bundeswehr und Politik nach und nach in den Medien für die Produktion von „Killer“-Drohnen der Weg bereitet wird, deren Einsatz bereits durch US-Militär und -Geheimdienste von Deutschland aus seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgt (wie gerade ein politisches TV-Magazin enthüllt hat).

Was ist das denn für eine abwegige Argumentation, man müsse unbedingt bei der Erforschung „zukunftsfähiger Waffen“ mitmachen, damit Deutschland bei den zukünftigen Kriegen demnächst auch bei dieser Technik wieder „gestaltend“ mitmachen kann? Die Panzer-, U-Boot- und Handwaffen-Exporte reichen noch nicht? – „Nach Rüstung kommt Krieg“ gilt allerdings weiterhin.

Wie weit sollen die Perversitäten noch getrieben werden? Soll demnächst gleich die eigene deutsche Atomwaffenproduktion gefordert werden, von wegen der Schaffung von Arbeitsplätzen? Und die Stationierung natürlich in der deutschen Heimat, was wieder Arbeitsplätze in und um die Bundeswehr für unsere Söhne und Töchter schaffen würde? Wenn die Amis auch heute noch Atomwaffen in Deutschland lagern, die nun auch noch modernisiert werden sollen – warum nicht gleich alles selber machen, weil das Arbeitsplätze schafft und Deutschland ja sowieso wieder eine Macht in der Welt sein soll und eine entsprechende „Friedens“-Armee selbst ausrüsten will?

Gibt es Widerspruch und Widerstand innerhalb der IG Metall gegen „Arbeitsplatzsicherung“ durch Kampf-Drohnen? – Das ist die Frage …

Leider habe ich in den vergangenen Tagen vergeblich Stellungnahmen aus unserer Gewerkschaft gesucht, wie die eigentlich selbstverständliche – allerdings bisher einmalige und darum herzvorzuhebend beherzte und mutige – der Kollegin Katinka Poensgen von der IG Metall-Bezirksleitung Hessen im Interview mit Gitta Düpperthal in der „Jungen Welt“ vom 8.7.2014.

Normal ist, dass Rüstungs-Konzerne ihre Produktion umstellen, wenn sie ihre Waffen nicht mehr loswerden durch Export-Verbot, ihre illegalen Waffen-Exporte auffliegen (wie in den letzten politischen TV-Magazinen berichtet über Heckler & Koch, Sig Sauer usw.) und sie dafür materiell zur Verantwortung gezogen werden. Für die Umstellung ihrer Waffenproduktion auf normale Konsumartikel brauchen die Rüstungskonzerne keine staatliche Unterstützung! Das machen sie aus Profitgründen, wenn sie auf den hergestellten Waffen sitzenbleiben und mit Waffen kein Geld mehr verdienen können.

„Kampfdrohnen-Forschung und Produktion sichert Arbeitsplätze“? Solche Forderungen von deutschnationalen IG Metall-Mitgliedern? Ich glaub, mich tritt ein Pferd! Da scheint einige wohl die Fußballweltmeisterschaft um den Verstand und dem Größenwahn (wieder einmal) näher gebracht zu haben. Die Herstellung von Killer-Drohnen sichere Arbeitsplätze? – perverser geht´s doch eigentlich nicht mehr!

Die Betriebsräte der Waffenindustrie müssten jetzt nicht jammern, sondern sich besinnen. Die Umstellung der Kriegswaffen-Produktion wäre ihr Ding gewesen schon seit Jahrzehnten! Für diese Umstellung hätten sie schon gestern aktiv werden müssen. Und heute müssten sie für Produkt-Konversion erst recht auf die Straße gehen! Wo sind die Kolleginnen und Kollegen der IG Metall mit den satzungs- und beschlussmäßigen Forderungen der Gewerkschaft „für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung“, auf Basis von „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“, nach Artikel 1 des Grundgesetzes? Welche Betriebsversammlung wird so gestaltet? Welche Demonstrationen finden dafür statt in den Regionen der deutschen Waffenfabriken? Wo sind sie dafür aktiv, die IG Metall-Mitglieder, Vertrauensleute?

Nach Rüstung kommt Krieg! Wer rüstet, bringt Tod – diese Erkenntnis von vor und nach 1914-1918 und von vor und nach 1939-1945 sollte doch endlich ernst genommmen werden, oder? Kriegsrüstung sichert Arbeitsplätze? – Und das nach 100 Jahren 1. Weltkrieg und 75 Jahren 2. Weltkrieg! – Wer will  denn da „schlafwandlerisch“ in Richtung eines Dritten?

Als ich einmal auf einer Betriebsversammlung Anfang der 80er Jahre als Vertrauenskörperleiter anlässlich des 1. September, des „Antikriegstags“ – der auch heute noch immer im „metall“-Kalender und auch im jährlichen Kalenderheft der Berliner Verwaltungsstelle steht -, den Wunsch der Belegschaft formulierte, in Zukunft weder „Krads nach Stalingrad noch JU 52-Bombenflugzeugmotoren“ bei BMW zu bauen und nicht wieder mitmachen zu wollen bei Krieg, Mord, Verschleppung und Flucht, Hunger und Elend, sondern nur noch Produkte zur friedlichen Nutzung herzustellen, da war ich sehr verdutzt, als mich der damalige (nicht der heutige) GBR-Vorsitzende beim anschließenden Besuch in Berlin fragte, ob das denn hätte sein müssen …

Tja, was lernen wir als Menschen und Metaller/innen aus der Geschichte? (Es ist alles relativ, an den Weltkriegen waren ja die anderen auch beteiligt, Interessen der Kriegsparteien gab es zwar, aber in den Krieg sind sie schlafwandlerisch – so der Relativierungsversuch „Die Schlafwandler“ des derzeit herumgereichten Historikers Clark, der die maßgebliche Kriegstreiberei Deutschlands zum 1. Weltkrieg bestreitet – hineingerutscht …) – Mensch, für wie blöde will man uns halten?

In der Ukraine findet derzeit ein Bürgerkrieg statt. Über den gibt es nur ausgewählte Informationen. (Aber Gefangene werde nicht mehr gemacht. Folter und Mord sind das Handwerk der Krieger. Die Zivilbevölkerung flüchtet oder wird getötet.) Über die Rolle Deutschlands, anfangs die Ukraine in die EU und dann – mit den USA – in die NATO zu treiben, anstatt ihre Neutralität zwischen EU und Russland zu stabilisieren, redet jetzt keiner mehr, das soll vergessen werden.

Aber über die Kriege im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien – da gibt es inzwischen Informationen über die Hintergründe, die die kriegstreibenden Kräfte nicht mehr unter der Decke halten können. Auch über die gegenseitige kriegstreiberische Bewaffnung, mal der einen Seite, mal der anderen, auch auf die ziemlich sichere Gefahr hin, dass die Gegenseite sich die Waffen für ihre Zwecke erobert und benutzt. Hauptsache, Zerstörung der Infrastuktur, nach der Eroberung kann ja wieder Geld gemacht werden mit dem Wiederaufbau. Und wenn das nicht klappt, bleibt es eben ein „gefallener Staat“, wird aufgesplittet, was auch sehr nützlich ist für die Eigeninteressen der anderen Mächte.

Hunderttausende Tote und Flüchtlinge, egal. (Und die EU-Grenzen werden wir schon so verteidigen, dass die nicht alle zu uns kommen können. Was haben die auch in „unserem Deutschland“ verloren, die sollen doch in den Ländern an den Grenzen bleiben. Dass sie hier nicht in der Schule in Berlin-Kreuzberg bleiben sollen, dafür haben wir doch extra unsere Gesetze verschärft nach der Ausländerhatz in Hoyerswerda unter dem Beifall deutschnationaler Bürger und der Untätigkeit der Polizei. Also, ist doch alles rechtens. Was wollt ihr denn? – Asyl für Flüchtlinge aus Bürgerkriegs- und Kriegsgebieten, die Angst vor Bomben und Massakern haben? (Mit den Kriegen haben wir doch nichts zu tun … Im Übrigen wollen die nur Sozialhilfe abgreifen … Und außerdem ist das Boot hier voll.) – Wo ist unsere Würde geblieben, mit Menschen menschenwürdig umzugehen?

Auch die Tötungen von Zivilisten durch deutsche Soldaten, über die vom Bundeswehroberst Klein (jetzt befördert in höheren Rang) angeordnete Tötung von über 140 Afghanen (meist Zivilisten, darunter viele Kinder) hinausgehend, konnten nicht mehr verheimlicht, mussten inzwischen als „Kollateralschäden“ zugegeben werden.

Aber Waffenexporte, die sollen sein müssen? Sonst liefern doch die anderen, sowieso? Und wir haben keinen Profit und keine Arbeitsplätze? – Ist das wirklich die Lösung des Problems? – Rüstung bringt Krieg. „Soldaten sind Mörder“. – Wieso soll das denn falsch sein?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr merkt, hier habe ich meiner Empörung über die derzeitigen Kriege und die Positionierung Deutschlands als kommender, wieder neuen Macht in Europa und der Welt – durch Wirtschaft, Presse und Politik bis hin zum Bundespräsidenten – freien Lauf gelassen. Seht es mir bitte nach.

Das kommt auch daher, dass fast alle Männer in meiner Familie und in der Verwandtschaft im 2. Weltkrieg umgekommen sind. Mein Vater, 26 Jahre alt, wurde 1945 getötet auf dem Rückzug aus der vorher überfallenen Sowjetunion. Ich wurde zwei Monate nach Kriegsende geboren. Auch daher meine Ablehnung von Krieg und Faschismus.

Zurück zur Perversion, der Forderung nach Produktion von Kampfdrohnen „zur Arbeitsplatzsicherung“:

Was also macht der Frankfurter Vorstand unserer IG Metall in dieser Situation? Statt des Herumeierns in dieser Frage – wie auf den Gewerkschaftstagen – sollte endlich politisch klar und eindeutig Position bezogen und die Bezirksleiter – die ja vom Vorstand eingesetzt und nicht von den Mitgliedern über Delegierte gewählt werden – und die Angestellten der Vorstandsverwaltung – wenn nötig – an Satzung und Beschlusslage der IG Metall erinnert werden. Offensichtlich auch der „Arbeitskreis Wehrtechnik“ der IG Metall. Oder müssen wir dafür erst auf den nächsten Gewerkschaftstag hoffen?

Betriebsräte in Sorge um die Rüstungsindustrie“ lese ich heute in der „Berliner Zeitung“ vom 18. Juli 2014. „Wegen der geplanten strengeren Handhabung von Rüstungsexporten haben Betriebsräte beim SPD-geführten Bundeswirtschaftsministerium Alarm geschlagen. Ohne Exporte sei die Rüstungsindustrie nicht überlebensfähig, heißt es in einem Brief von 22 Betriebsräten der Rüstungsunternehmen an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). In dem Schreiben forderten sie von Gabriel ´Planungssicherheit´ für ihre Unternehmen. Es sei ´kurz vor zwölf für einige Untgernehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie´.“

Diese „Sorge“ um Kriegsproduktion anstelle der Forderung nach friedensstiftender Produktumstellung empfinde ich als einen Gipfel von Perversion! Angesichts der alltäglichen Berichte über weltweite Kriegshandlungen, allein heute – nach bereits über 200 getöteten Palästinensern – nun der Einmarsch der israelischen Panzer-Armee in Gaza, und der Abschuss eines Passagierflugzeuges mit 295 – jetzt toten – Menschen über der Ukraine … Es ist unglaublich! – Und das sollen IG Metaller/innen einfach so hinnehmen?

Betroffene und empörte Grüße, Rainer Knirsch  (IG Metall, ehrenamtl. Bildungsreferent, ehem. BR-Vorsitzender BMW-Motorradwerk Berlin)

Siehe zum Hintergrund: Drohnenprogramm könnte 1500 Arbeitsplätze sichern [„Lichtblick“ für die IG Metall]

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=62100
nach oben