Monopoly bei Siemens: Technologiekonzern streicht 11600 Jobs

Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in junge Welt vom 31.5.2014

Umstrukturierung in Permanenz. So könnte man die Politik eines Großteils der Spitzenmanager charakterisieren. Das gilt auch und gerade für Siemens. Unter dem Motto »Vision 2020« betreibt der aktuelle Vorstandsvorsitzende des Technologie-Giganten, Joe Kaeser, einen erneuten Radikalumbau. Die erst unter seinem Vorgänger Peter Löscher etablierte Konzernstruktur soll komplett umgekrempelt werden.

Die Konzentration aufs »Kerngeschäft« ist angesagt. Was dazu zählt, ist allerdings äußerst variabel. Hieß es vor kurzem noch, der Bau von Schienenfahrzeugen gehöre dazu, soll er im Falle einer Übernahme des französischen Konkurrenten Alstom nun an diesen übergehen. Zu Recht fühlen sich die betroffenen Beschäftigten, wie es der Betriebsratsvorsitzende von Siemens Bocholt, Andreas Wendland, in der vergangenen Woche bei einer Protestaktion formulierte, »als ob sie bei Monopoly von der Schloßallee auf die Badstraße zurückfallen«.

Denn genau das ist es: Monopoly. Zockerei auf Kosten der Belegschaften. Der Fall Siemens zeigt exemplarisch die Unersättlichkeit kapitalistischer Verwertungslogik. Im zweiten Quartal 2014 strich der Konzern einen operativen Gewinn von 1,57 Milliarden Euro ein – ein sattes Sechstel mehr als im Vorjahreszeitraum. Doch den »Analysten« und Spekulanten reicht das längst nicht. Um mindestens 15 Prozent will Kaeser den Gewinn pro Aktie deshalb in diesem Jahr steigern.

Bezahlen sollen das die weltweit rund 362000 Beschäftigten, von denen einige einer ungewissen Zukunft entgegengehen. Laut Medienberichten vom Freitag sollen 11600 Arbeitsplätze Kaesers Plänen zum Opfer fallen – 7600 Stellen aufgrund der neuen Spartenstruktur, weitere 4000 bei regionalen Länder-Gruppierungen. »Mit Besonnenheit und Respekt« werde man den Stellenabbau angehen, so Kaeser. Von solchem Wohlfühlgeschwätz haben diejenigen, deren Job auf dem Spiel steht, freilich nichts.

Wie sich die Radikalkur auf den Übernahmepoker um Alstom auswirken wird, sei dahingestellt. Sicher ist: Auch für die Beschäftigten des französischen Konzerns könnte es bitter werden. Und zwar unabhängig davon, ob Siemens oder General Electric (GE) das Rennen macht. Der Alstom-Konzernbetriebsrat (KBR) bezeichnet den Siemens-Rivalen aus den USA mit gutem Grund als »Mutterkonzern der ›Diktatur der Zahlen‹ der Gewinnmaximierung«, in dem Tarifverträge und Mitbestimmung nicht gern gesehen sind. Bei einer Fusion mit Siemens stünden angesichts ähnlicher Geschäftsfelder allerdings ebenfalls Standortschließungen und radikaler Arbeitsplatzabbau auf der Tagesordnung.

Der Alstom-KBR zieht daraus die einzig richtige Schlußfolgerung: Unterstützung für keine Seite. Statt dessen: Standortübergreifende Solidarität der Belegschaften. Die Beschäftigten aller Unternehmen haben beim Kasino der Kapitalisten nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Ihre einzige Chance: Der gemeinsame Kampf um den Erhalt von Werken, Arbeitsplätzen und Tarifverträgen.

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