SLAPP: Wie (Agrar)Konzerne Kritiker zum Schweigen bringen und Pressefreiheit bedrohen

Dossier

Strategic Lawsuit Against Public Participation - SLAPPMenschen, die Missstände aufdecken, werden gemobbt. Auch durch missbräuchliche Klagen. Ein EU-Gesetz soll dies nun verhindern (…) Für alle möglichen Arten von Einschüchterungsklagen gibt es einen Fachbegriff: SLAPP, kurz: „Strategic Lawsuits against Public Participation“, was auf Deutsch „strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ heißt. Betroffen sind Journalisten, Aktivisten, Medien und NGOs und andere engagierte Personen – all jene eben, die Missstände aufdecken und die mächtige Konzerne, Lobbyisten oder Verbände zum Schweigen bringen wollen. (…) Das europaweite Bündnis CASE externer Link will die Rechte all derer schützen, die Missstände anprangern und für umfassende Reformen kämpfen. Nun endlich scheint sich etwas zu bewegen: Am 11. November 2021 votierte die Mehrheit des EU-Parlaments für einen besseren Schutz von NGOs, Zivilgesellschaft und Journalisten externer Link vor missbräuchlichen Klagen…“ Beitrag von Susanne Aigner vom 13. November 2021 in Telepolis externer Link mit vielen Beispielen und dazu:

  • [Studie] Agenda Cutting durch SLAPP als europaweites Phänomen und Geschäftsmodell: Einschüchterungsklagen bedrohen Presse- und Wissenschaftsfreiheit New
    „Eine Studie der Universität Leipzig hat am Fallbeispiel der Hohenzollern untersucht, wie Presseberichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollte. Dabei haben die Kommunikationswissenschaftler die Wirkung von Einschüchterungsversuchen durch strategische Klagen gegen kritische Berichterstattung, sogenannte SLAPP-Klagen, aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Die Ergebnisse wurden in der führenden Fachzeitschrift „Publizistik“ veröffentlicht. (…) In letzter Zeit haben SLAPP-Klagen zugenommen. 2022 wurden in Europa rund 160 missbräuchliche Klagen eingereicht, der höchste je gemessene Jahreswert. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher, sagt Dr. Uwe Krüger vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. „Seit mehr als zehn Jahren nimmt die Verrechtlichung des Journalismus zu. So ist es etwa für Politmagazine im Fernsehen immer alltäglicher geworden, dass sie schon während ihrer Recherchen presserechtliche Warnschreiben von einschlägig bekannten Anwaltskanzleien erhalten. Das ist zu einem Geschäftsmodell geworden und kein ausschließlich deutsches Phänomen.“
    Strategisches Vorgehen, um Öffentlichkeit zu verhindern
    Im Zuge ihres Reputations- und Krisenmanagements sind die Hohenzollern in den vergangenen Jahren mit über 120 Klagen beziehungsweise Abmahnungen massiv juristisch gegen öffentliche Äußerungen zur politischen Rolle der Familie beim Aufstieg des Nationalsozialismus vorgegangen. Adressaten waren Historiker:innen, Redaktionen und andere Beteiligte in der öffentlichen Berichterstattung. Auch aus diesem Grund haben sich für die Leipziger Studie, die im Rahmen der Masterarbeiten von Connor Endt und Max Beuthner entstand, lediglich zehn Betroffene zu Interviews bereit erklärt. (…)
    74 Organisationen der europäischen Zivilgesellschaft, darunter „Reporter ohne Grenzen“ und das PATFox-Projekt, hatten die europäischen Institutionen dringend dazu aufgerufen, eine Anti-SLAPP-Richtlinie auszuhandeln, um wirksamen Schutz für Menschenrechtsaktivist:innen und investigative Journalist:innen zu gewährleisten. EU-weit ist das Thema als Bedrohung für die Demokratie erkannt worden und es findet grenzüberschreitende und fachübergreifende Zusammenarbeit statt, unter anderem zu möglichen Verteidigungsstrategien. Ein Ziel ist, Gerichte, aber auch schon Jurastudierende frühzeitig zu sensibilisieren. In der Wissenschaft ist Agenda-Cutting durch SLAPPs ein relativ neues Thema, mit bislang wenig Forschung und Begriffsarbeit. Deshalb sei die aktuelle Veröffentlichung aus Leipzig ein wichtiger Baustein, um diese voranzubringen, so das Forschungsteam…“
    Pressemitteilung der Uni Leipzig vom 22.02.2024 externer Link zur Veröffentlichung der Studie von Max Beuthner und Connor Endt externer Link in open access: „Agenda-Cutting durch SLAPPs? Die Klagen der Hohenzollern und ihre Wirkung auf die Presse- und Wissenschaftsfreiheit aus Sicht der betroffenen Journalisten und Forscher“
  • Offener Brief vom No-SLAPP-Bündnis an deutschen Justizminister: EU-Rat verwässert Richtlinie gegen SLAPPs Bündnis gegen SLAPPs bittet, Zusagen während der Trilog-Verhandlungen in konkrete Maßnahmen umzuwandeln
    Das deutsche No-SLAPP-Bündnis, zu dem auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di gehört, hat einen Offenen Brief an den deutschen Bundesjustizminister Marco Buschmann geschrieben. Das Bündnis ist enttäuscht, wie sehr der Rat der Europäischen Union die Richtlinie der EU-Kommission gegen offensichtlich unbegründete oder missbräuchliche Gerichtsverfahren (SLAPPs) verwässert:
    Sehr geehrter Herr Minister, wir sind Vertreter*innen eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses aus Medien-, Menschenrechts- und weiteren Nichtregierungsorganisationen sowie Gewerkschaften gegen Rechtsmissbrauch zur Einschränkung der kritischen Öffentlichkeit (SLAPPs), sowie Teil des europäischen Anti-SLAPP-Bündnisses CASE. Wir sind enttäuscht über die allgemeine Ausrichtung, die der Rat der Europäischen Union am Freitag, den 9. Juni 2023 zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission „über den Schutz von Personen, die sich an der Öffentlichkeit beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren (SLAPPs)“ angenommen hat. Mit diesem Standpunkt macht der Rat einen Schritt zurück im Kampf gegen den zunehmenden Einsatz offensichtlich unbegründeter und missbräuchlicher Gerichtsverfahren, indem er den ursprünglichen Text erheblich verwässert. (…) Journalist*innen, Medienorganisationen und Aktivist*innen in Europa stehen unter großem Druck, und juristische Schikanen sind eine der größten Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind. Sie rauben ihnen Zeit und Geld, beeinträchtigen ihre Arbeit und verletzen somit letztlich das Recht der Öffentlichkeit auf Information…“ Offener Brief am 12.07.2023 bei der dju externer Link
  • Der Kampf gegen Union Busting und juristische Einschüchterung – SLAPP — strategische Prozessführung gegen unliebsame Öffentlichkeit
    Man nennt es SLAPP: Willkürliche Gerichtsverfahren bedrohen die unabhängige Organisierung von Arbeiter*innen im Betrieb sowie kritische Öffentlichkeit. (…) In den USA ist der Begriff SLAPP etabliert. Das ist einerseits die Abkürzung für „Strategic lawsuit against public participation“ (Strategische Prozessführung gegen öffentliche Beteiligung), andererseits heißt Slap „Ohrfeige“. Die Methode, kritische Berichterstattung zu unterbinden, ähnelt strukturell der Betriebsratsbehinderung. SLAPP zielt darauf, Kritiker*innen zu stressen, einzuschüchtern und bestenfalls finanziell zu ruinieren. Medienkanzleien setzen aktive Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Initiativen und Journalist*innen mit Hilfe von Unterlassungsaufforderungen, Vertragsstrafen, Androhung von Schadenersatz und Strafverfahren finanziell massiv unter Druck. Dabei handelt es sich um einen Kampf mit sehr unterschiedlichen Ressourcen.
    Wie im Union Busting können Unternehmen ihre Anwaltskosten als gewinnmindernd absetzen. Privatpersonen, Initiativen und Nichtregierungsorganisationen dagegen bleiben auf den Kosten sitzen, selbst wenn sie die von den Unternehmen provozierten juristischen Auseinandersetzungen gewinnen. Deren dicke Schriftsätze zu bearbeiten kostet Zeit, die oftmals perfiden, hahnebüchenen bis absurden Konstruktionen zu beantworten, kostet Nerven und erzeugt nicht selten Gefühlszustände zwischen Brechreiz und Hass. Das ist der Zustand, in dem sie dich haben wollen…“ Beitrag vom 31. Mai 2023 bei der Aktion gegen Arbeitsunrecht externer Link

Grundinfos zum Kampf gegen Strategic Lawsuits Against Public Participation:

Siehe auch: #Gegenrechtsschutz! Initiative in Österreich organisiert Schutz vor Angriffen von Rechts – auch in Deutschland von FragDenStaat

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=195141
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