Es geht anders: Solidarische Landwirtschaft weltweit

Dossier

Netzwerk Solidarische LandwirtschaftBei diesem Konzept, bei dem Konsumenten Bauernhöfe mitfinanzieren, lernen auch Städter etwas über saisonales Essen, Kuhaktien, Feldarbeit und alte Lagertechniken. Eine fehlgeleitete EU-Agrarpolitik mit ihrer einseitigen Subventionierung treibt kleinbäuerliche Vollerwerbsbetriebe in den wirtschaftlichen Ruin. Dagegen setzen sich immer mehr Menschen mit einem neuen Modell zur Wehr: Gemeinschaftlich finanzieren sie die Produktion eines Landwirtschaftsbetriebes und teilen sich alle Erzeugnisse, die er im Laufe eines Jahres produziert…“ Artikel von Susanne Aigner vom 05.04.2014 in telepolis externer Link und mehr daraus/dazu:

  • Verstaatlichte Landwirtschaft als Teil des öffentlichen Dienstes oder Brandenburgs Kooperativen als Zukunftsmodell der Landwirtschaft? New
    • Bauern bilden Kooperativen: Für Umweltschutz, gegen EU-Bürokratie
      Gemeinsam für Klima und Artenvielfalt – Brandenburgs Kooperativen als Zukunftsmodell der Landwirtschaft  (…)
      Seit dem 1. Januar 2023 geht Brandenburg neue Wege im Natur- und Klimaschutz: Eine eigens überarbeitete Förderrichtlinie des Landes ermöglicht erstmals die kooperative Umsetzung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM), die in der Regel vom jeweiligen Bundesland und der EU kofinanziert werden. Landwirtschaftsbetriebe können sich zu Kooperativen zusammenschließen, um gemeinsam Maßnahmen für Biodiversität und Klimaschutz umzusetzen – ein Modell, mit dem Brandenburg bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt. Das Projekt nennt sich etwas umständlich »Kollektive Modelle zur Förderung der Biodiversität«, kurz: Kombi. Gefördert werden Kooperativen, die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in einem Projektgebiet planen und umsetzen. Diese Zusammenschlüsse bestehen aus mindestens drei einzelnen Agrarbetrieben.
      Seit 2023 fanden in Brandenburg 76 Einzelbetriebe in acht Kooperativen zusammen. Das Besondere dabei: Auch Landwirte, die zuvor keine Umweltprogramme umgesetzt haben, beteiligen sich erstmals. Und die Agrarbetriebe können Maßnahmen ergreifen, die auf die konkreten Bedingungen vor Ort zugeschnitten sind – jenseits der oft starren Vorgaben der EU-Agrarpolitik. Der Blühstreifen von Marco Hintze ist ein solches Beispiel. Die auf seine Fläche abgestimmte Bepflanzung mit insektenfreundlichen Arten war keine gelistete Maßnahme des EU-Förderprogrammes für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in Brandenburg.
      Das Kooperationsmanagement übernehmen je nach Region Landschaftspflegeverbände oder Kreisbauernverbände. Das Management entwickelt Fachkonzepte sowie einen jährlichen Nutzungsplan, in dem festgelegt wird, welche ökologischen Maßnahmen auf welchen Flächen umgesetzt werden. Diese Pläne werden beim Agrarministerium eingereicht. Darüber hinaus stellt das Management die Anträge und betreut die teilnehmenden Betriebe, die durchmischt konventionelle sowie ökologische Landwirtschaft betreiben. Das Projekt wird wissenschaftlich durch die Universität Gießen begleitet. Ein Monitoring misst beispielsweise die Zunahme von Insekten oder Vögeln auf den Flächen. Die Zusammenarbeit in Kooperativen entlastet Landwirte spürbar (…)
      Die Laufzeit einer Kooperative beträgt fünf Jahre. Derzeit können keine neuen Kooperativen mehr gegründet werden. Betriebe können sich aber schon bestehenden Strukturen anschließen.
      Naturschutz ist im Dickicht strenger EU-Vorgaben schwer umzusetzen. Die Brandenburger Landwirte haben aber einen Weg gefunden, damit umzugehen. Kooperativen dieser Art finden sich mittlerweile auch in Hessen, Sachsen und Baden-Württemberg
      .“ Artikel von Laura Lückemeyer vom 25.07.2025 in ND online externer Link
    • Der verstaatlichte Bauer: Ein Plädoyer für die Kollektivierung
      „Wer sich an »Kostenehrlichkeit« orientiert, wird feststellen: Zwar vermag die gegenwärtige Landwirtschaft Agrarprodukte billig zu produzieren, zugleich verursacht sie genau dadurch aber auch hohe Folgekosten. (…) Monokultureller Anbau senkt zwar die Kosten – es sind weniger Arbeitskräfte erforderlich –, so dass ein Agrarunternehmen produktiver arbeiten kann als ein ökologisch ausgerichteter Betrieb. (…) Der Imperativ, die Agrarprodukte bzw. Lebensmittel möglichst billig zu produzieren, steht sehr oft im Gegensatz zu einer für die Menschen gesunden Landwirtschaft sowie zu gesunden Lebensmitteln. (…) Weit verbreitet ist auch die Vorstellung: »Die Verbraucher wollen wenig für Lebensmittel zahlen, also geht es den Bauern schlecht.« In Wirklichkeit hat der Preisanteil landwirtschaftlicher Produkte, der bei den landwirtschaftlichen Betrieben ankommt, kontinuierlich abgenommen. (…)
      Die Verfechter des bäuerlichen Privateigentums folgen der Glaubensüberzeugung: »Nur zu meinem Eigentum bzw. zu meinem Stück Grund und Boden habe ich ein intensives und sorgfältiges Verhältnis.« Gewiss entsteht durch einen bloßen Eigentümerwechsel (Nationalisierung von Grund und Boden) noch nicht notwendigerweise eine Mentalität, aus der heraus Arbeitende in öffentlichen Einrichtungen motiviert, qualifiziert und mit Einsatz »für die Sache« arbeiten. Dafür bedarf es objektiv einer anderen Organisation der Arbeit. Aber es bedarf eben auch subjektiv einer Wertschätzung sinnvoller Arbeit, damit es nicht bei einem desinteressierten und unengagierten Verhältnis eines Verwalters zu einer ihm fremden Materie (hier: zum öffentlichen Eigentum) bleibt. Dass viele Lehrer in öffentlichen Schulen oder viele Beschäftigte in öffentlichen Krankenhäusern gute und empathische Arbeit leisten, zeigt: Dafür ist es keineswegs zwingend notwendig, dass jemand nur die eigenen Kinder unterrichtet, Arzt in der eigenen Privatpraxis ist oder ausschließlich seine eigenen Angehörigen pflegt. (…)
      Insgesamt geht es also darum, dass Arbeitende es nicht dabei bewenden lassen, sich ausschließlich für ihr Arbeitseinkommen und ihre Arbeitsbedingungen zu interessieren. Diejenigen, die ihre Arbeit nicht nur als Job auffassen, haben Vorbehalte dagegen, dass die Gebrauchswertinhalte der Produkte und Dienstleistungen davon abhängen, was profitabel und verkaufbar ist. Das Problem lässt sich nicht individuell lösen. Wer sich Gewissensbisse über seine Arbeit bzw. deren Produkte macht, kommt nur weiter, wenn er ein Bewusstsein von den für sie maßgeblichen gesellschaftlichen Strukturen herausbildet. Friedrich Engels plädierte 1894 dafür, gegenüber den kleineren Bauern für eine Landwirtschaft in Produktionsgenossenschaften auf freiwilliger Basis zu werben: »Unsere Aufgabe gegenüber dem Kleinbauer besteht zunächst darin, seinen Privatbetrieb und Privatbesitz in einen genossenschaftlichen überzuleiten, nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel und Darbietung von gesellschaftlicher Hilfe zu diesem Zweck. Und da haben wir allerdings Mittel genug, um dem Kleinbauer Vorteile in Aussicht zu stellen, die ihm schon jetzt einleuchten müssen.« Diese Vorteile betreffen nicht zuletzt, die Zusammenarbeit der Bauern im Unterschied zu ihrer gegenwärtigen Einzelkämpferexistenz. (…)
      Angesichts des Umstands, dass die öffentlichen Kassen bereits die Kosten für die Beseitigung der Folgeschäden der konventionellen Landwirtschaft übernehmen, und in Anbetracht der Tatsache, dass sie diese Landwirtschaft stark subventionieren, muss man sich ehrlich machen. Insofern die Landwirtschaft sich ohnehin nur unter Voraussetzung von Subventionen rechnen kann, ist ihr eine andere Eigentums- und Besitzform zu geben. Die landwirtschaftlichen Betriebe würden dann zu Anstalten des öffentlichen Rechts und die Bauern zu Angestellten im (erweitert verstandenen) öffentlichen Dienst. Gewiss sind in ihm Veränderungen erforderlich, um Bürokratismus und Dienst nach Vorschrift zu überwinden. Der Schimmel soll nur auf der Weide wiehern und nicht im Amt. Aber trotz aller Mängel des bestehenden öffentlichen Dienstes ist eine Mehrheit der Bevölkerung erfreulicherweise der Auffassung, die Politik solle eher öffentliche Kliniken und Schulen fördern als Privatkliniken und Privatschulen. Da fehlt »nur« noch das Votum dafür, die Landwirtschaft in den öffentlichen Dienst einzugliedern.“
      Artikel von Meinhard Creydt in  der jungen Welt vom 24. Juli 2025 externer Link
  • Kooperative Landwirtschaft (KoLa): »Wir versuchen den Betrieb partizipativ zu gestalten«
    Die Agraringenieurin Eva Köhler über Mitbestimmung, die Arbeit auf dem Acker und den Gender-Pay-Gap in der Landwirtschaft
    Unser Hof gehört den Konsument*innen und Produzent*innen gemeinsam. Wir sind eine Genossenschaft mit 1800 Mitgliedern, die jede Woche einen Ernteanteil bekommen. Den baut ein professionelles Gärtner*innenteam an. Die Mitglieder tragen die Kosten für den Anbau zusammen, sie kennen den Etat, die Anbauplanung und können bei größeren Entscheidungen mitbestimmen. Wir teilen uns alle das Risiko. Die Mitglieder sind auch untereinander solidarisch: Durch ein Staffelpreissystem zahlen Leute mit weniger Geld weniger, Leute mit mehr Geld mehr.
    [Und was läuft in der konventionellen Landwirtschaft schief?]
    Der Einsatz von mineralischem Stickstoff ist gerade in Zeiten der Klimakrise sehr kritisch. Er ist in der Herstellung sehr energieintensiv und wirkt sich negativ auf den Boden und das Bodenleben aus. Ein anderer wichtiger Punkt sind die Arbeitsbedingungen. Die Löhne in der konventionellen Landwirtschaft sind schlecht, die Gewinnmargen niedrig, gerade bei Gemüsebaubetrieben. Zudem sind viele Betriebe sehr hierarchisch strukturiert. Vor allem Saisonarbeitskräfte, die nicht gut Deutsch sprechen, haben wenig Möglichkeiten, mitzubestimmen oder sich zu wehren. (…) Wir versuchen den Betrieb partizipativ zu gestalten, mehr Mitbestimmung zu schaffen, faire Löhne zu zahlen. Außerdem haben wir eine transparente Lohnmatrix. Es gibt zwar unterschiedliche Löhne, denn in manchen Positionen muss man flexibler sein und mehr Verantwortung übernehmen, aber wir legen Wert darauf, dass der Unterschied nicht zu groß sein darf. (…)
    [Was wünschen Sie sich politisch in Bezug auf die Agrar- und Ernährungswende?]
    Cem Özdemir, der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, hat sich dafür ausgesprochen, dass die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse abgeschafft wird. So etwas wäre toll, weil so eine Maßnahme gerade Leuten mit niedrigem Einkommen hilft, sich regionales Gemüse leisten zu können. Und in Schulen und Kindergärten sollte es ganz klar sein, dass dort lokales und ökologisch gesund produziertes Obst und Gemüse konsumiert werden. Das sollte staatlich gefördert werden, damit die Eltern die Kosten nicht tragen müssen. Wir müssen aufhören, unser Gemüse aus Gegenden zu beziehen, wo extremer Wassermangel herrscht. Es ist Wahnsinn, was in Spanien oder der Türkei los ist – da müssen wir den Leuten nicht noch das Wasser wegnehmen…“ Interview von Sarah Nägele vom 04.08.2023 in ND online externer Link mit Agraringenieurin Eva Köhler
  • Solidarität im Ackerbau – Netzwerk Solidarische Landwirtschaft 
    Denkt man an den Begriff Landwirtschaft, schleichen sich schnell Bilder von grünen Weiden, buntem Gemüse und glucksenden Hühnern in das Kopfkino. Dabei ist die Realität meist weit von solchen Assoziationen entfernt – Massentierhaltung, Monokultur und Pestizid-Einsatz führen uns täglich die Problematik der Ernährungsfrage vor. Die Bewegung der Solidarischen Landwirtschaft stellt sich den Anspruch, dieser Realität im Supermarkt zu widersprechen: Unter solidarischer Zusammenarbeit zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen sollen regionale und saisonale Produkte zur Verfügung gestellt werden, bei deren Genuss keinerlei Gewissensbisse mehr zu schmecken sind. Wir haben gesprochen mit Alina Reinartz, Vorstandsmitglied des bundesweiten Netzwerk Solidarische Landwirtschaft externer Link , über die Gegenwart und Perspektive des Netzwerks und der Bewegung.“ Interview vom 26. Oktober 2022 bei Radio Corax externer Link Audio Datei
  • Alternative Landwirtschaft politisieren: Deutsche Aktivisten diskutierten mit griechischen über solidarischen Ackerbau
  • Aus dem Artikel von Susanne Aigner vom 05.04.2014 in telepolis externer Link: „… Mittlerweile haben Menschen rund um den Erdball das gemeinschaftliche Wirtschaften für sich entdeckt. Werden in den USA auch Bio-Abokisten zum Teil unter CSA zusammengefasst, ist in einigen Ländern die solidarische Landwirtschaft sogar häufig der einzige Weg, an Bio-Lebensmittel heranzukommen. Gerade in den Industrieländern setzen Strukturwandel und fehlende Hofnachfolger die Bauernhöfe unter wirtschaftlichen Druck. Auf der anderen Seite ist das Bewusstsein für Umweltschutz und hochwertige Lebensmittel gestiegen. Nicht umsonst wirtschaften CSA-Betriebe in der Regel ökologisch, denn Ethik und Transparenz sind für eine wachsende Anzahl konsumkritischer Menschen wichtige Kriterien bei der Wahl ihrer Nahrungsmittel. (…) Der kleinbäuerliche Landwirtschaftsbetrieb steht und fällt mit seiner Vermarktungsstruktur. Gefangen in marktwirtschaftlichen Sachzwängen muss der Landwirt normalerweise zusätzlich zu seiner Arbeit auf dem Hof die Vermarktung seiner Produkte organisieren, sonst bleibt er darauf sitzen. Sich nicht um die Vermarktung kümmern zu müssen, bedeutet für Vollerwerbslandwirte der SoLaWi eine deutliche Entlastung. Sie haben Planungssicherheit und ein gesichertes Einkommen. Sie können ihre Arbeitskraft zu Hundert Prozent auf dem Hof einbringen. Sie kennen die Abnehmer ihrer Produkte persönlich, was ihre Arbeitsmotivation noch steigert. Gleichzeitig vergrößert sich ihr Gestaltungsspielraum: So werden die Bodenfruchtbarkeit gefördert, samenfeste Sorten angebaut oder mit neuen Anbauformen experimentiert. Und – soweit vorhanden – bleibt genug Zeit für die Betreuung der Tiere…“
  • Siehe das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=56962
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