Erst Gerste, dann Tomaten, Lachs oder Brokkoli: Monopole auf Nahrungsmittel

Initiative "Keine Patente auf Saatgut!"„Die abgelehnte Beschwerde gegen die Patentierung von Braugerste der Firma Carlsberg ist eine Grundsatzentscheidung, die auch andere Kulturpflanzen betreffen kann. Am 8. Juni wurde über die Beschwerde gegen ein Patent über Braugerste entschieden, das die Firmen Carlsberg und Heineken, die zu den größten Bierkonzernen der Welt gehören, 2009 beim Europäischen Patentamt angemeldet hatten. Konkret geht es um das europäische Patent EP2373154A2, für „Getränke aus Gerste und Malz mit niedrigem Gehalt an Dimethylsulfid“ externer Link. Letzteres ist ein Stoff, der zu einem unerwünscht krautigem Geschmack im Bier führt. Als Erfindung werden nicht nur die gentechnikfrei gezüchteten Gerstenpflanzen beansprucht, sondern auch die Ernte und das daraus hergestellte Bier. Dagegen hatte die Initiative „Keine Patente auf Saatgut!“ externer Link, ein Bündnis von rund 40 Organisationen, Beschwerde eingelegt. Das Europäische Patentamt wies diese Beschwerde nun zurück externer Link. (…) Heute die Gerste, morgen Lachs, Tomaten, Brokkoli – nach dem aktuellen Urteil ist davon auszugehen, dass es in Zukunft noch mehr Patente auf Kulturpflanzen oder Tiere geben wird. (…) Drei zentrale Punkte müssen geändert werden, um die bestehenden Verbote der Patentierung von „Pflanzensorten und Tierarten“ sowie von „im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung“ umzusetzen, fordert „Keine Patente auf Saatgut!“ externer Link …“ Beitrag von Susanne Aigner vom 10. Juni 2021 bei Telepolis externer Link, siehe dazu:

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    „… 2.000 Sorten zählen zum Bestand des Bonner Nutzpflanzengartens, einer der größten und ältesten seiner Art in Deutschland. Die meisten Sorten erhalten nicht mehr als etwa einen Quadratmeter zum Wachsen. Der Garten liegt mitten in Bonn auf dem Universitätscampus im Ortsteil Poppelsdorf. Am Wochenende schlendern hunderte Besucherïnnen durch das zunächst unscheinbar wirkende Areal. (…) Doch was hier wächst, ist ein unbezahlbarer Kulturschatz. (…) Auf den zwei Hektar im Bonner Nutzgarten kämpfen die Gärtnerïnnen um nichts weniger als die Sicherung der Welternährung. Denn ein Großteil der Pflanzen, die hier ihr kleines Plätzchen gefunden haben, sind außerhalb der Beete kaum noch zu finden. (…) Dabei enthalten die alten Sorten möglicherweise genetische Variationen, die noch wichtig werden können, wenn es im Zuge des Klimawandels trockener und wärmer wird. Dann werden wir Sorten brauchen, die beispielsweise hitzeresistenter sind und eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheitsphasen haben. (…) Mit UPOV 91 wurden geistige Eigentumsrechte auf Saatgut etabliert, damit Unternehmen pflanzengenetische Ressourcen gewinnbringend vermarkten können. (…) In der Praxis bedeutet das: Wenige große Unternehmen vermarkten leicht kontrollierbares Saatgut und synthetische Düngemittel. Sie setzen dabei oft auf Hybridpflanzen-Samen. Diese muss man für jede Aussaat nachkaufen, denn die sortenspezifischen Eigenschaften gehen bei der Vermehrung verloren. Dadurch unterscheiden sie sich maßgeblich von den alten Kultursorten, wie man sie im Bonner Nutzpflanzengarten findet. Die Samen der Pflanzen dort sind samenfest. Das bedeutet, dass sie sich vermehren lassen, ohne ihre sortenspezifischen Eigenschaften zu verlieren. Entsprechend kann das Saatgut gelagert und in den folgenden Jahren erfolgreich ausgebracht werden. Durch die Konzentration von wenigen Unternehmen, die nur wenige Nutzpflanzen vertreiben, nimmt die Vielfalt der Nutzpflanzen auf dem Acker und damit die Vielfalt des Saatguts kontinuierlich ab. „Das macht die Landwirtschaft noch verwundbarer für die Folgen der Klimakrise“, sagt Jan Urhahn, der das Programm Ernährungssouveränität bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung leitet. (…) Susanne Gura sieht einen Vorteil des Open-Source-Modells darin, dass es viele Menschen auf das Thema Geistiges Eigentum beim Saatgut aufmerksam mache. Seine Wirkung auf das bestehende Patentsystem sei jedoch begrenzt: „Damit kann man nicht verhindern, dass bereits bekannte Pflanzeneigenschaften genutzt und patentiert werden, wie etwa die Wassermelone von BASF“, sagt sie. Das könne nur durch eine direkte Kritik am herrschende Patentsystem gelingen. „Wir wollen nicht unser Saatgut mit einer Lizenz belegen“, sagt Gura. „Das ist zu bürokratisch und Kontrolle gibt es ohnehin nicht. Saatgut muss Gemeingut bleiben.“…“ Artikel von Christiane Schulzki-Haddouti vom 19. Juni 2021 bei den Riffreportern externer Link
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