Hertha BSC: Angst vor Entlassungswelle könnte ändern, dass der Klub bislang betriebsratsfreie Zone war

Dossier

Spruchband: »Solidarität mit allen Beschäftigten – Betriebsrat, jetzt!« unweit der Geschäftsstelle von Hertha BSC am Olympiastadion (Foto: Oliver Rast, danke!)Sie geht um: die Jobangst unter der Belegschaft der Profiabteilung bei Hertha BSC. Denn der Bundesligaabsteiger will drastisch kürzen, bangte zwischenzeitlich um die Zweitligalizenz. Wer zahlt die Zeche? Beschäftigte der Geschäftsstelle. Besonders die, die ohne Gewerkschaftshilfe dastehen. Das soll sich nun ändern. Kollegen haben zu einer Betriebsversammlung am Dienstag geladen – unterstützt von Verdi. Der Anlass: Vorstandswahl für die Wahl eines Betriebsrats (BR). Ein Novum, bislang ist Hertha eine betriebsratsfreie Zone. (…) »Hertha-Geschäftsführer Thomas Herrich hat bisher vieles unternommen, um einen BR zu verhindern« (…) Worum ging’s? Um ungeregelte Arbeitszeiten und deren Vergütung an Wochenenden; eine Praxis, die mit einem BR so nicht möglich wäre…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt  vom 18.07.2023 externer Link („Nebenplatz“) und dazu:

  • Kein Betriebsrat für Blau-weiß: Unternehmensführung von Hertha BSC setzt zweifelhaften »Belegschaftssausschuss« gegen gewerkschaftsaktive Mitarbeiter durch New
    „Im Frühsommer 2023 wird klar: Der Hauptstadtklub muss runter, Hertha BSC Berlin steigt in die zweite Bundesliga ab. In Anbetracht anzunehmender Mindereinnahmen von 40 bis 50 Prozent kündigt Hertha an, Entlassungen vornehmen zu müssen. Von mindestens 13 Spieler und 50 bis 60 der etwa 300 Mitarbeiter*innen der Geschäftstelle ist im Juli die Rede. Die Angst vor dem Jobverlust treibt einige Beschäftigte dazu, die Wahl eines Betriebsrates zu erwägen. Sie holen sich Rat bei der Gewerkschaft Verdi. Doch das Vorhaben scheitert. (…) Am 1. Januar 2024 wird dann über die Hamburger Anwaltskanzlei Heuking bekannt, dass Hertha BSC einen Belegschaftsausschuss bilden werde. Geheime Wahlen sollen bereits Anfang 2024 abgehalten werden. In einer Pressemitteilung heißt es von Rechtsanwalt Johan-Michael Menke, der Ausschuss sei »schon per se eine im Vergleich zum gesetzlichen Modell des Betriebsrats flexiblere, unbürokratischere und kostengünstigere Lösung«. Menke hat in zahlreichen Verfahren – darunter auch etliche Kündigungen – die Unternehmensseite von Profiklubs vertreten. Für Hertha ist er seit längerem beratend tätig. Gegenüber »nd« will er keine Stellung nehmen. Über mit den Mandanten abgestimmte Pressemitteilungen hinaus äußere sich seine Kanzlei Heuking nicht. Die vertritt im Arbeitsrecht nach eigenen Angaben ihre »Mandanten gegenüber Betriebsräten, Gewerkschaften und weiteren Arbeitnehmervertretungen«, auch »die Lösung einzelvertraglicher und kündigungsrechtlicher Fragen« gehöre zu ihrem Repertoire. (…) Dazu meint Rechtanwalt Stähle: »Geht es um die Sicherheit der Belegschaft, ist es ratsam, sich von dem Vorhaben, einen Betriebsrat zu gründen, nicht abbringen zu lassen. Selbst wenn die größte Kündigungswelle nun vorüber ist, endet die Geschichte nicht notwendigerweise an diesem Punkt. Man weiß nie so genau, wann ein nächster Einschnitt kommt.« Im Profifußball gibt es sechs Verein mit Betriebsrat. Einer davon wurde während der Corona-Pandemie beim VfB Stuttgart gewählt, der in den letzten Jahren wie Hertha zwischen 1. und 2. Liga rangierte. Katerina Malliou, Mitglied im Betriebsrat und damals auch im Wahlvorstand, sagt zu »nd«: »Es gibt eine vermeintlich weit verbreitete Angst vor allem, was neu ist, sodass die Einrichtung eines Betriebsrats erstmal abgelehnt wird. Diese Angst halte ich für unbegründet.« Veränderte sich das Betriebsklima beim VfB? Das kann Malliou weder bejahen noch verneinen. Entscheidender im hochemotionalen Fußball sei ohnehin der sportliche Erfolg. Dennoch meint sie: »Die Einrichtung eines Betriebsrats, welches der Gesetzgeber als demokratisches Mittel im Arbeitsrecht einräumt, zu nutzen, halte ich für richtig und wichtig.«“ Artikel von Christian Lelek vom 26. Januar 2024 in Neues Deutschland online externer Link
  • Werktag unter Herthanern: Verdi-Betriebsratsinitiative beim Profiklub mit Hindernissen – Banneraktion von Fans
    Es wirkt fast so, als ob da jemand seine Truppen sammelt. 70, 80 Leute, vielleicht ein paar mehr, scharen sich am Seiteneingang der Verdi-Bundeszentrale in Berlin hinter dem, der vorangeht. »Hallo, wir sind von Hertha, wo lang zur Betriebsversammlung?« fragt der sportlich-dynamische Enddreißiger in zackigem Tonfall. Die hörbar zaghafte Stimme aus der gläsernen Empfangsbox antwortet: »Guten Tag, ja, Sie sind hier richtig, bitte rechts herum, Treppe runter, in den Aida-Saal«. Der Vorangeher bleibt an der Spitze, der Tross folgt lockeren Schrittes. Alle betreten Neuland kurz nach elf Uhr an diesem Dienstag vormittag. Der Anlass: Betriebsversammlung der Profiabteilung von Hertha BSC. Auf dem Programm steht die Wahl des Vorstands für eine spätere Betriebsratswahl. Standard betrieblicher Mitbestimmung in Unternehmen. Nur, die Firma des blau-weißen Erstligaabsteigers ist eine betriebsratsfreie Zone. Nach Ablauf der Versammlung dürfte das auch so bleiben. Vorerst zumindest. (…)Dort läuft vieles anders als von Verdi geplant. Statt der eingeplanten Stunde hocken rund 80 Beschäftigte mit Verdianern vier Stunden im »Aida-Saal«. Schlimmer noch aus Gewerkschaftssicht: Kein eigener Wahlvorschlag kommt durch. Regelmäßig wuseln ­Verdi-Funktionäre rein und raus, mit Zetteln in den Händen. »Voll unkoordiniert das ganze«, raunt ein Teilnehmer während einer Kaffeepause im Plausch mit jW. Und Keeperlegende Nello Di Martino beklagt beiläufig am Stehtisch nebenan auf Nachfrage: »Mist, den ganzen Tag hier, Torwarttraining fällt aus«.
    Das Ergebnis: Mangels notwendiger Mehrheiten besetzen die Hertha-Kollegen nur zwei von drei Posten für den Wahlvorstand – und eher mit geschäftsführungsnahen Personen, erfährt jW. Damit ist der Vorstand zur Durchführung einer potentiellen BR-Wahl nicht komplett und muss nun vom Arbeitsgericht nachbesetzt werden. Pleite statt Teilerfolg für Verdi? So sehen es die meisten Teilnehmer. Bloß, woran lag’s? Stimmungsmache im Saal? Möglich. Die Wortmeldungen waren vielfach betriebsratskritisch, bisweilen offen ablehnend. Schienen orchestriert, sagen Verdianer unter der Hand. Einer, der sich dabei besonders hervorgetan haben soll: Der Vorangeher aus der Einstiegsszene.“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 20.07.2023 externer Link (im Abo)
  • Verdi mit Teilerfolg. Hertha BSC: Betriebsversammlung endet ohne vollständigen Vorstand für Betriebsratswahl Es ist ein Routineakt betrieblicher Mitbestimmung, eigentlich: die Wahl des Vorstands für eine spätere Betriebsratswahl. Nicht so bei der Profiabteilung von Hertha BSC, der GmbH & Co KGaA. Verdi hatte am Dienstag zur Betriebsversammlung in die Berliner Bundeszentrale geladen. Rund 80 Beschäftigte von insgesamt etwa 350 der Hertha-Geschäftsstelle und Profiabteilung nahmen teil – trotz Sommerloch und Trainingslager der Profis in Österreich.
    Für gewöhnlich dauert das Prozedere eine Stunde, um drei erforderliche Kandidaten mit absoluter Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten zu wählen. Nicht so bei Herthas Profiabteilung. Mehr als vier Stunden zog sich die Sitzung hin – und endete lediglich mit einem Teilerfolg für die Gewerkschaft. Denn: Nur zwei von drei Posten des Wahlvorstands konnten personell besetzt werden. Bei der Stichwahl um den dritten erzielte keiner der beiden Kandidaten die absolute Mehrheit. Das heißt? Die Versammlung schloss ohne vollständigen Wahlvorstand.
    Was nun? Das Arbeitsgericht wird sich einschalten und mittels sogenanntem Ersetzungsverfahren den dritten Wahlhelfer benennen, erklärte der zuständige Verdi-Sekretär Hikmat El-Hammouri nach der Versammlung im jW-Gespräch. Offen sei hingegen, wann das passieren werde. (…)
    Jenen in der Hertha-Geschäftsführung, die betriebsratskritisch bis -ablehnend sind, ist es gelungen, die Wahl einer Belegschaftsvertretung zu verzögern. Mindestens. Nach jW-Informationen wurde während der Zusammenkunft von einzelnen Rednern mehrmals darauf verwiesen, sich bei der Stimmenabgabe für einzelne Wahlhelferkandidaten zu enthalten. Der Grund: Jede Enthaltung gilt als Ablehnung – und verringert die Chance auf eine notwendige absolute Mehrheit. Übrigens, kein von Verdi vorgeschlagener Kandidat wurde gewählt. Davon unabhängig, Gewerkschafter El-Hammouri bleibt zuversichtlich: »Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir beim Traditionsklub aus der Hauptstadt bald Betriebsratswahlen haben«. Das hoffen auch Herthaner aus der aktiven Fanszene. Bereits am Dienstag morgen hieß es unweit der Geschäftsstelle am Olympiastadion auf einem Spruchband: »Solidarität mit allen Beschäftigten – Betriebsrat, jetzt!«…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt Online Extra vom 18.07.2023 externer Link – siehe das Foto, wir danken Oliver Rast für die Freigabe!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=213623
nach oben