Durstexpress (in Leipzig): Nach dem Klatschen kommt die Kürzung

Dossier

J'ai (très) mal au travail. Ein 90minütiger Dokumentarfilm über die moderne Arbeitsorganisation und ihre Gefahren“Im Leipziger Standort des Getränkelieferanten Durstexpress versammelten sich am 15.10.2020 bei Schichtbeginn 17 Teilzeitbeschäftigte vor dem Niederlassungsleiter Patrick G., um gemeinsam aktiv ihre Arbeitskraft anzubieten. Nachdem noch vor wenigen Wochen infolge der Covid-19-Pandemie auch die Durstexpress-Mitarbeiter*Innen zu „Essential Workers“ erklärt und beklatscht wurden, erfolgte prompt eine Kürzung der angebotenen Schichten um bis zu 50 %, wodurch sie seit Oktober nicht einmal die ihnen garantierten Wochenstunden erarbeiten können. Es drohen existenzbedrohende Lohnausfälle. Gleichzeitig wurden Gewerkschaftsvertreter*Innen der FAU vom Standortleiter Patrick G. widerrechtlich des Geländes verwiesen, gewerkschaftliches Informationsmaterial verboten und eingesammelt. (…) Des Weiteren ist zu befürchten, dass die Durstexpress GmbH einen Teil ihrer Lohnarbeiter*Innen so zur Kündigung drängen will, wodurch Personalkosten gespart werden sollen – die sogenannte kalte Kündigung. (…) Um die Organisierung der Mitarbeiter*Innen zu verhindern, geht Durstexpress seit Längerem mit fragwürdigen Methoden vor. So verhinderte der Getränkelieferant in der Berliner Niederlassung 2019 eine Betriebsratswahl durch Entlassung der verantwortlichen Arbeiter*Innen…“ Pressemitteilung vom 25.10.2020 bei der FAU Leipzig externer Link, siehe dazu:

  • Arbeitsgericht: Keine gütliche Einigung bei „Durstexpress“ New
    „Bis zum 22. März 2021 läuft sie noch, die Entlassungssperre bei „Durstexpress“ Leipzig. Über das, was danach kommt, konnte man sich heute am 2. März 2021 schon mal einen ersten Eindruck am Arbeitsgericht Leipzig verschaffen. Quasi am Fließband sprechen da jetzt jene „Durstexpress“-Mitarbeiter als Kläger vor, welche zwar noch für die Firma arbeiten, doch ihre Entlassung bereits in der Tasche haben. (…) Noch sind es Güteverhandlungen, in welchen die Kläger versuchen, vom Getränkelieferanten „Flaschenpost“ zu ähnlichen Bedingungen übernommen zu werden oder zumindest irgendein Angebot von der Gegenseite zu hören, was ihre alten Arbeitsplätze beim Getränkelieferanten „Durstexpress“ betrifft. Doch die Gegenseite, vertreten durch die Berliner Kanzlei „Pusch Wahlig Workplace Law“, hat eine klare Marschroute. „Der Betrieb wurde stillgelegt“, so Rechtsanwältin Pauline Kuhn zu den Vorgängen bei „Durstexpress“ Leipzig, und „die Massenentlassungsanzeige an das Arbeitsamt ist ergangen“. Damit ist es für „Durstexpress“ zumindest hier, um zirka 16 Uhr im Verhandlungssaal 1 des Leipziger Arbeitsgerichtes klar: Es gibt keine Gründe, sich mit den ehemaligen Angestellten auf irgendetwas zu einigen. Es seien zulässige betriebsbedingte Kündigungen, welche hier ergangen seien – das Unternehmen gibt es bald nicht mehr. Das eigentliche Konstrukt, welches Anwältin Kuhn in einem Nebensatz andeutet, könnte diese Aussagen stützen: Es seien keine Bestandteile (Assets) zwischen „Durstexpress“ und „Flaschenpost“ gekauft oder verkauft worden. „Flaschenpost“ und „Durstexpress“ seien beides Tochterunternehmen der Dr. Oetker Gruppe und unabhängig voneinander.(…) Am 25. Juni 2021 ist am Leipziger Arbeitsgericht „Getränkeliefer-Tag“. Dann werden nahezu alle Fälle der bislang eingegangenen Klagen gegen die Kündigungen bei „Durstexpress“ mangels gütlicher Einigung verhandelt und entschieden.“ Kommentar von Michael Freitag vom 2. März 2021 in der Leipziger Zeitung online externer Link
  • Durstexpress: Arbeitsagentur erwirkt Entlassungssperre
    „… Der Onlinemarkt für das Liefergeschäft mit Getränken boomt in der Coronakrise. Davon profitiert haben auch Unternehmen wie Durstexpress und Flaschenpost. Die beiden Getränkelieferanten konkurrierten um die gleiche Kundschaft, am Ende gewann Flaschenpost. Das Tochterunternehmen von Dr. Oetker hat die Nase vorn und kaufte den Konkurrenten kürzlich auf – angeblich für die Rekordsumme von einer Milliarde Euro. (…) Durch die Zusammenlegung der Geschäfte, die zukünftig nur noch unter dem Namen Flaschenpost laufen sollen, werden einige Standorte von Durstexpress geschlossen. Das führte zu Hunderten Entlassungen, gegen die sich jetzt die Arbeitsagenturen wehren. Im Kündigungsschutzgesetz ist eine Klausel verankert, die Unternehmen dazu verpflichtet, eine derartige Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen. Die Behörde hat daraufhin die Option, dem Vorhaben im Einzelfall zu widersprechen oder zumindest einen vorübergehenden Aufschub zu erwirken. Von diesem Aufschub haben jetzt sowohl die Arbeitsagentur in Berlin als auch die Behörde in Leipzig Gebrauch gemacht. Das berichtet Gründerszene und beruft sich auf eigene Informationen. (…) Mit dem Aufschub wird zwar Zeit für die Mitarbeiter gewonnen; die Kündigungen gälten jedoch nach wie vor, würden nur zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden, bestätigte ein Flaschenpost-Sprecher. Für die ehemaligen Durstexpress-Mitarbeiter lässt Flaschenpost jedoch die Türen offen. Das Unternehmen wolle möglichst viele der betroffenen Durstexpress-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter auch weiterhin beschäftigen. Unter dem Strich soll es so keinen wesentlichen Personalabbau geben. Den gekündigten Mitarbeiten werde angeboten, sich direkt neu zu bewerben, teilte der Sprecher Gründerszene mit.“ Meldung von Brian Rotter vom 24. Februar 2021 bei t3n.de externer Link
  • [Mieser Job – Arbeiten bei Durstexpress] Kritik an Arbeitsbedingungen: Was läuft schief bei Durstexpress 
    “Das Geschäft mit Online-Bestellungen und schnellen Lieferungen nach Hause boomt in Zeiten der Corona-Pandemie. Das gilt nicht etwa nur für Amazon sondern auch für Getränkelieferungen. So beschäftigt Durstexpress mittlerweile über 3500 Mitarbeiter. Das Konzept: Getränkelieferung in 120 Minuten. Dazu das Versprechen in der Werbung: faire Löhne und ein Team auf Augenhöhe für die Beschäftigten. Doch die Realität sieht offenbar anders aus. „Man fühlt sich verarscht“, sagt ein Beschäftigter. Man werde mit schönen Versprechen hingelockt. „Aber davon ist nichts wahr.“ Der junge Mann arbeitet seit 1,5 Jahren für Durstexpress. Aus Angst um seinen Job will er anonym bleiben. Er schleppt Kisten voller Bier, Saft oder Wasser bis zur Wohnungstür der Kunden. Die können die Getränke zu Supermarktpreisen kaufen. (…) Ist diese Angst berechtigt? MDR exakt trifft einen Mann, der bei Durstexpress in leitender Position tätig war. Sein Urteil: Durstexpress gehe gegen eine gewerkschaftliche Organisierung der Belegschaft vor. „In Richtung Führungspersonal wird ganz klar kommuniziert, darauf zu achten, wer die Tendenz hat, einen Betriebsrat gründen zu wollen“, sagt er, der ebenfalls lieber anonym bleiben will. „Da geht es darum, Leute zu lokalisieren und tunlichst darauf zu achten, diese nicht zu verlängern.“ Es gibt an keinem der 14 Logistikzentren des Unternehmens einen Betriebsrat. „Das besondere an Durstexpress, ist die Radikalität, die da gefahren wird“, sagt Rafael Mota Machado von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Arbeitsbedingungen in der Lieferdienst-Branche. „Durstexpress versucht mit allen Mitteln Betriebsratswahlen zu zerschlagen und die gewerkschaftliche Organisation der Beschäftigten zu zerschlagen, indem Kündigungen ausgesprochen werden.“ Zu diesen Vorwürfen nimmt Durstexpress so Stellung: „[…] Mitbestimmung stehen wir offen gegenüber. Wenn unsere Betriebsabläufe jedoch durch Dritte gestört werden könnten, behalten wir uns vor, unangemeldete Besuche […] zu unterbrechen.“ Video und Beitrag aus der Sendung „MDR exakt“ am 02.12.2020 beim MDR externer Link , siehe auch das Manuskript des Beitrags von Leon Grüninger externer Link
  • Mitarbeiterin der Oetker-Tochter „Durstexpress GmbH“ in Leipzig: „Gestern war ich Corona-Heldin – heute kann ich meine Miete nicht mehr zahlen“
    So äußerte sich eine Mitarbeiterin der Oetker-Tochter „Durstexpress GmbH“ in Leipzig. Was war geschehen? Was geht uns das in Bielefeld an? Offener Brief an die Dr. August Oetker KG, Bielefeld: (…) Wir fordern die Inhaberin des Durstexpresses, die August Oetker KG, auf, zu den Vorwürfen und den Forderungen der Leipziger Kolleg:inn:en Stellung zu nehmen. Sollte sich die Unternehmensleitung nicht äußern, gehen wir von einem stillschweigenden Einverständnis mit den Maßnahmen der Leitung des Durstexpresses gegen die Kolleg:inn:en und unsere Gewerkschaft aus.Wir werden als FAU Bielefeld die Kolleg:inn:en im Werk in Bielefeld, den Betriebsrat und die Öffentlichkeit über diese skandalösen und unsolidarischen Vorgänge informieren…“ Offener Brief an die Dr. August Oetker KG, Bielefeld vom 12. November 2020 von und bei der FAU Bielefeld externer Link mit umfangreicher Schilderung der Hintergründe und Forderungen, siehe diese auch in:
  • Forderungen der Durstexpress-Betriebsgruppe der FAU Leipzig an die Unternehmensleitung
    Meldung vom 12. November 2020 bei der FAU Leipzig externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180305
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