- Automobilindustrie
- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Energiewirtschaft (und -politik)
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
- Holz, Papier, Glas und Kunststoffe
- Landwirtschaft und Gartenbau
- Lebens- und Genussmittelindustrie
- Maschinen- und Anlagenbau
- Medien und Informationstechnik
- Rüstungsindustrie und -exporte
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- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Abfall/Umwelt/Ver-/Entsorgung
- Banken und Versicherungen
- Bildungs- und Erziehungseinrichtungen
- Call-Center
- Dienstleistungen allgemein/diverse
- Gastronomie und Hotelgewerbe
- Gesundheitswesen
- Groß- und Einzelhandel
- Kultur und/vs Freizeitwirtschaft
- Öffentlicher Dienst und Behörden
- Reinigungsgewerbe und Haushalt
- Sex-Arbeit
- Soziale Arbeit, Kirche und Wohlfahrts-/Sozialverbände
- Sportwirtschaft
- Transportwesen: (Öffentlicher) Personen (Nah)Verkehr
- Transportwesen: Bahn
- Transportwesen: Hafen, Schiffe und Werften
- Transportwesen: Luftverkehr
- Transportwesen: Speditionen und Logistik
- Wachdienste und Sicherheitsgewerbe
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- Transportwesen: Hafen, Schiffe und Werften
- Transportwesen: Luftverkehr
- Transportwesen: Post- und Paketdienste
- Wachdienste und Sicherheitsgewerbe
[Nachunternehmerhaftung] Paketboten-Schutz-Gesetz soll in der Liefer- und Paketbranche die Subunternehmen ausbremsen
Dossier
„… Mit dem geplanten Gesetz soll den Angaben zufolge sichergestellt werden, dass die in der Branche weit verbreiteten Subunternehmen Sozialbeiträge für ihre Paketboten zahlen. „Damit sorgen wir für fairen Wettbewerb, soziale Sicherheit und bessere Arbeitsbedingungen“, sagte Heil. Konkret soll die sogenannte Nachunternehmerhaftung auf die Paketbranche ausweitet werden. Das bedeutet, dass der eigentliche Auftraggeber für die korrekten Arbeitsbedingungen bei allen Subunternehmern verantwortlich ist. Die großen Zustelldienste müssten also bei Verstößen ihrer Subunternehmer gegen die Sozialversicherungspflicht selber einstehen und die Beiträge zahlen. In der Baubranche, wo die Nachunternehmerhaftung schon seit 2002 gelte, habe man damit gute Erfahrungen gemacht, betonte Heil…“ Meldung vom 02.03.2019 bei tagesschau.de
, siehe zu Gesetz (für Arbeitsbedingungen und Forderungen siehe das Dossier: ver.di fordert entschlossenes Vorgehen gegen prekäre Arbeitsbedingungen in der Paketbranche):
- Keine frohe Weihnacht für Paketzusteller: Ausbeutung nimmt zu – Keine Änderung trotz Forderungen nach Gesetzen durch Minister und Gewerkschaften
„… Der Antrag wurde vom Bundestag an den Ausschuss verwiesen. Wie dringend ein Handeln ist, zeigt die Befragung durch den DGB-Index Gute Arbeit. Die Arbeitsqualität in der Branche liegt durchweg im Bereich „schlechte Arbeit“. „91 Prozent der Beschäftigten berichten, dass sie sehr häufig oder oft an ihre Leistungsgrenze gehen müssen. Auf lange Sicht ist das nur schwer erträglich“, sagt Soziologe und Studienautor Robert Koepp. Nur 17 Prozent der fast 3.000 befragten Beschäftigten geht davon aus, ihren Beruf bis zum gesetzlichen Rentenalter ausüben zu können. „Subunternehmen scheinen zum Teil dafür zu bestehen, um Kosten zu drücken, auch indem gesetzliche Vorgaben umgangen werden“, betont Koepp. David Merck fordert: „So wie jetzt kann und darf es in der Paketbranche nicht weitergehen“. Auch die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben die Bundesregierung aufgefordert, Subunternehmen in der Lieferbranche zu unterbinden. Bei allen Appellen ist klar: Vor Heiligabend 2025 wird es keine neue Regelung geben.“ Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 19. Dezember 2025 in Telepolis
- Paketboom auf dem Rücken der Beschäftigten – Ausbeutung in Subunternehmen stoppen! Appell von ver.di Bayern und Bundestagsantrag der Fraktion Die Linke
- ver.di Bayern appelliert: Paketboom auf dem Rücken der Beschäftigten – Ausbeutung in Subunternehmen stoppen!
„Mit Blick auf die bevorstehende Vorweihnachtszeit und viele Millionen erwarteter Online-Bestellungen warnt ver.di Bayern eindringlich vor den weiterhin schlechten Arbeitsbedingungen in der bayerischen Post- und Paketbranche. Besonders bei Subunternehmen häufen sich massive Verstöße gegen Arbeitsrechte. (…) Dort fehlen fast immer Tarifbindung, Mitbestimmung und wirksame Kontrollen. ver.di Bayern liegen dazu belastbare Dokumente und Zeiterfassungen von Subunternehmern eines großen deutschen Paketdienstleisters vor. In einer eigens ausgewerteten Teilgruppe sagen:
– 81 %, dass Verstöße gegen Arbeitsgesetze zum Alltag gehören,
– 61 % arbeiten mindestens einmal pro Woche über 10 Stunden täglich,reale Wochenarbeitszeiten bis zu 50 Stunden sind keine Ausnahme, – 65 % berichten, dass Überstunden nicht oder nur teilweise bezahlt werden, – mehr als die Hälfte hat Angst vor willkürlichen Lohnabzügen. Besonders betroffen sind Beschäftigte aus Drittstaaten oder osteuropäischen Ländern. 76 % der ausländischen Beschäftigten arbeiten in Subunternehmen – und sind überdurchschnittlich häufig von Rechtsverstößen, Abhängigkeiten und Ausbeutung betroffen. (…) „So wie jetzt kann und darf es in der Paketbranche nicht weitergehen“, sagt David Merck, Landesfachbereichsleiter Postdienste, Speditionen und Logistik bei ver.di Bayern. (…) ver.di Bayern fordert deshalb konkret: – deutliche Erhöhung der Bezahlung und eine Stärkung der Tarifbindung in der gesamten Branche, – ein sofortiges Verbot von Subunternehmerketten in der Paketzustellung, – den Stopp des zunehmenden Outsourcings, insbesondere auch bei Sortiertätigkeiten, wie etwa bei DPD, – die Einführung einer verbindlichen 20-Kilogramm-Gewichtsgrenze für Pakete im Einpersonenhandling, – deutlich mehr Kontrollen durch staatliche Behörden. Auch die Bundespolitik ist gefordert: Die Probleme sind seit Jahren bekannt – geändert hat sich bislang deutlich zu wenig. ver.di Bayern fordert daher die Bundespolitik auf, endlich wirksame gesetzliche Regelungen gegen Ausbeutung in der Paketbranche auf den Weg zu bringen: mehr Kontrollen, klare Haftungsregeln für Auftraggeber und ein konsequenter Schutz der Beschäftigten – unabhängig davon, in welcher Vertragsform sie arbeiten.“ Pressemitteilung von ver.di Bayern vom 12. Dezember 2025
- Bundestag: Antrag zur Situation in der Paketbranche beraten
„Paketzustellerinnen und Paketzusteller wirksam vor Überlastung und Ausbeutung schützen“ lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (21/2911
), der am Freitag, 5. Dezember 2025, auf der Tagesordnung des Bundestages stand. Nach halbstündiger Debatte wurde die Vorlage dem federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales zur weiteren Beratung überwiesen. (…) Die Abgeordneten halten es für weiterhin erforderlich, in der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche (KEP-Branche) „für klare Verantwortlichkeiten bei den großen Paketdienstleistern zu sorgen“. Hierzu sei gesetzlich zu regeln, dass künftig kein Fremdpersonal mehr im Kernbereich, der Beförderung von Paketen, eingesetzt werden darf. So würden auch den Kontrollbehörden effektive und effiziente Kontrollen ermöglicht, heißt es. Zudem ist es aus Sicht der Linksfraktion notwendig, wirksame Schritte zur Entlastung der Paketzustellerinnen und Paketzusteller bei ihrer täglichen Arbeit zu ergreifen. Neben dem hohen Zeitdruck stellten besonders schwere Pakete mit einem Einzelgewicht von über 20 kg eine hohe Belastung dar. Daher müsse gesetzlich verankert werden, dass über 20 Kilogramm schwere Pakete ausnahmslos von mindestens zwei Personen zugestellt werden müssen. Die Zurverfügungstellung technischer Hilfsmittel reiche hingegen nicht aus, schreibt die Fraktion.“ Antragsbegründung der Linksfraktion im Deutschen Bundestag vom 5. Dezember 2025 
- ver.di Bayern appelliert: Paketboom auf dem Rücken der Beschäftigten – Ausbeutung in Subunternehmen stoppen!
- Landesminister wollen Subunternehmen verbieten: Arbeits- und Sozialministerkonferenz fordert von der Bundesregierung ein Direktanstellungsgebot für Lieferdienste
„Die Arbeits- und Sozialminister*innen der Länder haben die Bundesregierung aufgefordert, Subunternehmen in der Lieferbranche zu unterbinden. Per Mehrheitsbeschluss (bei Ablehnung von Baden-Württemberg und Enthaltung von Bayern, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) stimmte die am Donnerstag zu Ende gegangene Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) einem entsprechenden Antrag zu. Die ASMK fordert damit von der Bundesregierung, »ein Direktanstellungsgebot für Plattformbeschäftigte im Bereich der Essenslieferdienste gesetzlich zu verankern«. Eine bindende Wirkung haben die Beschlüsse der Konferenz nicht, demnach auch keine unmittelbare Konsequenz weder für die Bundesregierung noch für Firmen wie Lieferando, Uber Eats und Wolt. Die Rolle der ASMK ist vor allem eine diskurspolitische. Wollen die Länder das Anliegen weitertreiben, bliebe ihnen der Gesetzgebungsweg über den Bundesrat. (…)
Uber Eats und Wolt setzen ausschließlich beziehungsweise mehrheitlich auf die Beschäftigung von Selbstständigen über Drittfirmen, sogenannte Flottenpartner. Lieferando will deutschlandweit 1500 seiner 10 000 Kurierfahrer*innen kündigen und sie ebenfalls durch Flottenpartner ersetzen. Laut einem Mitglied des Gesamtbetriebsrats seien den betroffenen Beschäftigten die Kündigungen am Freitag per Kurier zugestellt worden. Das Unternehmen begründet die Umstrukturierung unter anderem mit der finanziell günstigeren Beschäftigungspraxis der Konkurrenz. Eine Pflicht zur Direktanstellung sieht Lieferando kritisch. Dadurch würden sich die Preise für Händler und Verbraucher*innen erhöhen. Einige Beschäftigte wehren sich, in mehreren Städten legten die Rider ihre Arbeit nieder. In Berlin zeigte sich auch Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) an der Seite der Streikenden. Sie kündigte an, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Der nun erfolgte Beschluss der ASMK sei ein wichtiger Schritt, sagte die Senatorin. (…)
Inwiefern der ASMK-Appell nun Wirkung entfaltet, bleibt abzuwarten. Das Bundesarbeitsministerium entwirft gerade ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Plattformrichtlinie ‒ eine gute Gelegenheit, für Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas ihrer SPD-Kollegin Kiziltepe zu folgen und ihrer Grußbotschaft an die streikenden Rider Taten folgen zu lassen. Aus ihrem Hause hieß es zuletzt gegenüber »nd«, dass die EU-Plattformrichtlinie für Beschäftigte bei Subunternehmen lediglich einen Schutz äquivalent zu einer Festanstellung vorgebe. Ein Direktanstellungsgebot sei hierbei nur eine der denkbaren Maßnahmen, die aktuell geprüft würden.“ Artikel von Christian Lelek vom 28. November 2025 in Neues Deutschland online
- Black Friday & Cyber Monday: Wer zahlt den Preis für unsere Schnäppchen? Paketboom setzt Lieferkette und Beschäftigte unter Druck.
„Rund um Black Friday und Cyber Monday erlebt der Online-Handel einen regelrechten Boom. Die sprunghaft steigende Paketmenge bringt nicht nur die Lieferdienste auf der sogenannten „letzten Meile“ an ihre Kapazitätsgrenzen – auch die gesamte Lieferkette gerät unter enormen Druck. Besonders betroffen sind die Beschäftigten am unteren Ende der Lieferkette, die häufig unter prekären und teils ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen.
„Die Belastung für die Beschäftigten steigt in dieser Zeit enorm“, sagt Irene Knoke vom SÜDWIND-Institut in Bonn. „Doch während über Kinder- und Zwangsarbeit in Produktionsstätten inzwischen gesprochen wird, geraten die Menschen, die die Waren transportieren, noch zu oft aus dem Blickfeld.“…“ Pressemitteilung vom 27.11.2025 beim SÜDWIND-Institut
- Paketzustellung in Berlin: Einfallstor für illegale Praktiken. Wie sich Subunternehmerstrunkturen in der Berliner Paketbranche auf die Zusteller auswirken
„… 2022 waren in der gesamten Branche aber 48 Prozent der knapp 300 000 Zusteller*innen über Werkverträge für Subunternehmen unterwegs. Das geht aus Berechnungen der Gewerkschaft Verdi hervor. Wie sich die Vergabepraxis auf die Arbeit der Beschäftigten auswirken kann, erläuterte Svenja Ketelsen vom Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit (Bema) am Mittwoch im Abgeordnetenhaus. Demnach habe das aus Landesmitteln finanzierte Bema im vergangenen Jahr 300 Beratungen für Beschäftigte aus der KEP-Branche (Kurier-, Express- und Paketbranche) durchgeführt. Die Ratsuchenden zählten Ketelsen zufolge zu den am prekärsten Beschäftigten in Berlin, wobei in den letzten Jahren keine Besserung zu erkennen gewesen sei. »Wir haben Personen, die unter anderem Namen und mit falschen Papieren angestellt sind«, führte Ketelsen exemplarisch aus. Die Papiere würden durch die Subunternehmen zur Verfügung gestellt, um schnell Personallücken schließen zu können. Hierdurch entstehe eine Art Tagelöhnerstruktur, sagte Ketelsen. Sie berichtete weiter von Arbeitsverträgen, die über digitale Plattformen abgeschlossen und unterzeichnet würden. Diese könnten vom Arbeitgeber gelöscht werden, sodass die Beschäftigten dann keinen Zugang mehr zu ihren Papieren hätten. (…) Sie berichtete weiter von Arbeitsverträgen, die über digitale Plattformen abgeschlossen und unterzeichnet würden. Diese könnten vom Arbeitgeber gelöscht werden, sodass die Beschäftigten dann keinen Zugang mehr zu ihren Papieren hätten. »Wir haben eine Reihe von Arbeitszeitverstößen, die verbunden mit Pauschalvergütungen zu einer Aushebelung des Mindestlohns führen«, so Ketelsen. In seltenen Fällen hätten Ratsuchende von verbotenen Verträgen mit Akkordlohnvereinbarungen berichtet. Solche Vereinbarungen regen zu riskantem Verkehrsverhalten an und sind deshalb unrechtmäßig. (…)
Um die Effekte der Subunternehmerketten zu unterbinden, empfiehlt das Bema ein Direktanstellungsgebot analog zur Fleischindustrie. Ein Vorhaben, zu dem der Regierende Bürgermeister im Paketzentrum meinte: »Das muss man sich genau anschauen. Da geht es für mich auch immer um gute Arbeitsbedingungen. Es geht nicht, dass nach unten immer weiter gedrückt wird.«...“ Artikel von Christian Lelek vom 05.11.2025 in ND online
- Bundestag entfristet Schutzregelungen für Paketboten
„Die Situation in der Paketbranche stand im Mittelpunkt einer Bundestagsdebatte am Donnerstag, 16. Oktober 2025. Das Parlament beschloss nach 20-minütiger Debatte den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Neuregelung maschinenrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Paketboten-Schutz-Gesetzes“ (21/1507, 21/2071, 21/2146
Nr. 1.10). Dagegen stimmte nur die AfD-Fraktion, die übrigen Fraktionen stimmten dem Gesetzentwurf zu. (…)
Abgelehnt wurde auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Gute Arbeitsbedingungen und fairen Wettbewerb auf Post- und Paketmärkten sicherstellen – Zustellerinnen und Zusteller wirksam entlasten“ (21/1756
). Mit den Grünen stimmte Die Linke für den Antrag.
Mit dem Gesetzesbeschluss werden die Regelungen zur Verhinderung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in der Paketbranche entfristet, die andernfalls Ende 2025 auslaufen würden. Außerdem wird die Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung) der EU durch eine Neuregelung ersetzt. Unter anderem müssen dann Betriebsanleitungen für Produkte nicht mehr zwingend in Papierform beigelegt werden…“ Meldung bei Deutscher Bundestag
mit allen Dokumenten, siehe auch:
- Gesetz soll dauerhaft gelten: Sozialer Schutz für Paketboten
„Weniger Scheinselbstständigkeit und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: Das Paketboten-Schutzgesetz hat die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche verbessert. Der Bundestag hat deshalb jetzt die Entfristung des Gesetzes beschlossen. Was genau regelt es?…“ Beitrag vom 17. Oktober 2025
auf bundesregierung.de
- Gesetz soll dauerhaft gelten: Sozialer Schutz für Paketboten
- Lieferdienste zwischen Boom, Konzentration und dem Subcontracting als Kostensenkungsstrategie (auf Kosten der Beschäftigten)
Über die Entwicklungen bei Lieferando, dem Marktführer der Lieferdienste in Deutschland, wurde in dem Beitrag Aus den Untiefen der Lieferbotengesellschaft: Lieferando lässt liefern und entlässt 2.000 eigene Fahrer. Das wird erst der Anfang sein und die „Schattenflotte“ wird weiter wachsen
vom 20. Juli 2025 ausführlich berichtet. Wir werden hier konfrontiert mit einer Gleichzeitigkeit von Monopolisierung (des Marktes) und einer Zersplitterung der bislang noch halbwegs kollektiv strukturierten Belegschaft in Form ihrer Verlagerung in eine fragmentierte Welt der Subunternehmen. (…)
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit schreibt dazu
: »Im Zuge der Digitalisierung wird Arbeit zunehmend über digitale Plattformen organisiert. Diese vermitteln in der Regel zeitlich begrenzte Arbeitsaufträge, auch bezeichnet als „Gigs“, an Solo-Selbstständige oder beschäftigen eigenes Personal, das diese Aufgaben übernimmt. Plattformunternehmen nutzen dabei Smartphone-Apps oder Websites, um Kundenaufträge anzunehmen, die Arbeitsabläufe zu organisieren und die Bezahlung abzuwickeln. Besonders verbreitet sind sie in Deutschland im Bereich der Essens- und Lebensmittellieferung, doch auch App-basierte Fahrdienste, Reinigungsdienste, Betreuungsdienste sowie Plattformen für Gelegenheitsjobs haben sich etabliert. Für Konsumenten bieten die Dienste von Plattformunternehmen offensichtliche Vorteile. Zugleich stehen digitale Arbeitsplattformen regelmäßig in der öffentlichen Kritik. Löhne und Arbeitsbedingungen, so die Kritik, seien oftmals schlecht und gewerkschaftliche Organisation werde in vielen Fällen behindert.« (…)
Eine gute Nachricht: Die (Schein-)Solo-Selbstständigkeit bei Lieferdiensten auf dem Rückzug?
Im Juni 2025 haben Friedrich et al. eine weitere Veröffentlichung zu den Gig-Workern bei Lieferdiensten vorgelegt: Lieferdienste in Deutschland: Solo-Selbstständigkeit hat zwischen 2018 und 2021 stark abgenommen
. Das liest sich doch positiv. Während sich die Erwerbstätigkeit in der Lieferdienstbranche zwischen 2012 und 2021 verdoppelt hat, hat der Anteil der Solo-Selbstständigen deutlich abgenommen. Im Jahr 2021 waren mehr als 95 Prozent der Lieferdienstfahrer abhängig beschäftigt, so die IAB-Forscher. Das muss man auch vor solchen Schätzwerten lesen: »Schätzungen der Europäischen Kommission
zufolge haben 2022 rund 28 Millionen Menschen in der EU ihre Arbeitskraft über digitale Plattformen angeboten, mehrheitlich als Solo-Selbstständige. Die Kommission geht jedoch davon aus, dass davon rund 5,5 Millionen scheinselbstständig sind. (…)
Friedrich et al. (2025) geben allerdings einen wichtigen relativierenden Hinweis den Stellenwert der Solo- und nicht selten eben auch Schein-Selbstständigkeit betreffend: »Einschränkend ist zu sagen, dass der Trend hin zu anteilsmäßig weniger Solo-Selbstständigkeit in der Lieferdienstbranche keine Rückschlüsse auf die Entwicklung der Solo-Selbstständigkeit in der Plattformökonomie insgesamt zulässt. Solo-Selbstständigkeit kommt möglicherweise in anderen Bereichen der Plattformökonomie häufiger vor.« Sie verweisen hier beispielsweise auf Reinigungskräfte, die über eine App vermittelt werden (dazu die Studie von Gerold et al. 2022: Putzkraft aus dem Netz. Perspektiven und Erfahrungen von Reinigungskräften in der plattformvermittelten Haushaltsreinigung
).
Insgesamt können die Befunde aus dem IAB-Forschungsprojekt auch untermauern, warum es Gewerkschaften so schwer fallen muss, die bei Lieferdiensten Beschäftigten zu organisieren und mit ihnen gemeinsam beispielsweise für eine tarifvertragliche Durchdringung des Bereichs zu kämpfen. (…)
Auf der Basis von Fallstudien aus vier Ländern bilanziert Borelli [The Dark Side Of The Boom In Last-Mile Logistics
]: Die Vergabe von Unteraufträgen verschlechtert die Arbeitsbedingungen und erhöht die Zahl der Arbeitsunfälle. »In vielen Fällen bieten Subunternehmer niedrigere Löhne, wenden minderwertige (oder gar keine) Tarifverträge an und verlangen längere Arbeitsschichten. Schlechte Arbeitsbedingungen tragen zu einer hohen Personalfluktuation bei, was es wiederum für die Gewerkschaften immer schwieriger macht, die Logistikmitarbeiter zu erreichen, geschweige denn zu vertreten.« »Die Fallstudien verdeutlichen auch die Unbeständigkeit der Subunternehmer, von denen viele nur für kurze Zeit tätig sind, bevor sie ersetzt werden, manchmal durch Unternehmen, die von denselben Personen gegründet wurden. Bei einigen handelt es sich lediglich um „Briefkastenfirmen“, d. h. um Unternehmen, die keine wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben, sondern lediglich dazu dienen, die Arbeitskosten zu senken oder die Steuern zu optimieren.« Auch Borelli verweist auf die Zersplitterung der Belegschaft und die damit verbundene Schwächung gewerkschaftliche Aktivitäten: Die Zusteller sind verstreut und oft „unsichtbar“. Die Vergabe von Unteraufträgen vertieft diese grundsätzlich schon vorhandene Zersplitterung. Und auch der Arbeitsschutz und die Arbeitskontrolle wird zusätzlich geschwächt bzw. behindert – eine Problematik, die in Deutschland überaus ausgeprägt ist…“ Beitrag vom 21. Juli 2025 von und bei Stefan Sell
(„Über einen Ausschnitt aus der Welt der Gig-Worker“)
- Siehe auch: Silvia Borelli et al. (2025): Sorry we subcontracted you
, Brussels: European Trade Union Institute (ETUI), 2025
- Siehe auch: Silvia Borelli et al. (2025): Sorry we subcontracted you
- Veranstaltung am 10.07.2025 in Berlin über Lieferplattformen: Ausbeutung per App
Lieferplattformen wie Lieferando, Wolt oder Uber Eats setzen oft Subunternehmen ein, um die Arbeitsrechte der Beschäftigten zu unterlaufen. Bei der Veranstaltung wollen wir darüber diskutieren mit welchen Problemen die Beschäftigten bei den Plattform-Lieferdiensten konfrontiert sind und welche Strategien die Unternehmen anwenden, um die Organisierung der Arbeiter*innen zu verhindern. Außerdem wollen wir über Möglichkeiten des kollektiven Protests, der Selbstorganisierung der Rider und der Rolle von Gewerkschaften sprechen. Bei der Veranstaltung werden sich außerdem verschiedene Initiativen und Organisationen vorstellen, die auf unterschiedliche Weise Arbeitskämpfe unterstützen. Mit Beiträgen von Sharma (Klägerin im Prozess gegen Wolt), Samee Ullah (Lieferando Workers Collective) und Aju Ghevarghese John (Migrant*innen für menschenwürdige Arbeit), Moderation Johanna Schellhagen (Labournet TV) Die Veranstaltung ist auf Englisch und wird simultan ins Deutsche übersetzt.- [Bericht der Veranstaltung am 10.07.2025 in Berlin über Lieferplattformen: Ausbeutung per App] Schuldknechtschaft in Berlin
„Am 10. Juli 2025 fand in Berlin die Veranstaltung Ausbeutung per App statt. Es ging um die Arbeitsbedingungen bei den Essenslieferdiensten in Berlin und den Widerstand der Rider.
Die Fahrer*innen kommen überwiegend aus Indien und Pakistan und leben hier in Berlin oft in Schuldknechtschaft. Da ein Studentenvisum für sie die einzige Möglichkeit ist, um in Deutschland zu arbeiten, schreiben sie sich bei zweifelhaften Privatuniversitäten ein, die Gebühren in der Größenordnung von 15.000 Euro im Jahr verlangen. Mit dem Studentenvisum liefern sie dann in Berlin Essen aus. Die Platformen Wolt und UberEats stellen die Rider nicht direkt ein, sondern über Fleetpartner, die auf den Namen von Leuten laufen, die Geld dafür bekommen, dass sie ihren Namen und ihren Personalausweis für das Geschäft hergeben. Sobald das Finanzamt eine Steuererklärung sehen will, wird das Unternehmen aufgelöst und ein neuer Name wird verwendet. Falsche Lohnabrechnungen sind selbstverständlich an der Tagesordnung und die Rider wissen, dass sie ihren Job verloren haben, wenn sie sich nicht mehr in die App einloggen können.
Widerstand
Der wilde Streik der Gorillas Fahrer 2021
hat damit geendet, dass alle ihren Job verloren haben. Das wird also nicht als Option angesehen. Die NGG zeige aktuell kein Interesse an den Ridern, so die Podiumsgäste. Die einzige Anlaufstelle, die die Fahrer*innen de facto in Berlin haben, ist das Lieferando Workers‘ Collective. Sie kümmern sich auch um Wolt und UberEats Fahrer. Die stellen die Mehrheit im Betriebsrat bei Lieferando und haben freigestellte Leute und ein Büro. Lieferando war bisher der beste Arbeitgeber in Berlin unter den Essenslieferdiensten, weil er die Leute direkt angestellt hat. Jetzt werden die Leute gerade entlassen und danach zuhause aufgesucht oder angerufen, mit dem Angebot, bei einem Subunternehmer anzuheuern und weiter für Lieferando zu arbeiten (!).
Der Fall Wolt
Etwa 200 Rider, die über einen Fleetpartner angestellt für Wolt gearbeitet haben, wurden zwischen November 2022 und Januar 2023 nicht bezahlt, drei davon haben Wolt verklagt, ein Verfahren läuft noch, weil die Klägerin den Vergleich von 2.000 Euro abgelehnt hat. Man hofft auf die nächsthöhere Instanz, das Landesarbeitsgericht…“ Bericht vom 11.7.2025 bei Labournet TV
– die Aufzeichnung der Veranstaltung wird dort demnächst veröffentlicht - Veranstaltet durch: Berlin Workers Support, Labournet TV und andere – um 19:00 Uhr im Museum des Kapitalismus, Köpenicker Str. 172, 10997 Berlin
- [Bericht der Veranstaltung am 10.07.2025 in Berlin über Lieferplattformen: Ausbeutung per App] Schuldknechtschaft in Berlin
- Undercover-Recherche: So arbeiten Paketzusteller bei DPD
„Mit versteckter Kamera gibt sich unser Reporter als angehender Paketzusteller aus – und erfährt, was hinter den Kulissen von Paketdienst DPD passiert. Zu welchem Fehlverhalten die prekären Arbeitsbedingungen der Paketzusteller führen und welche politischen Entscheidungen dahinterstehen, erfahrt ihr im Video!...“ Video auf youtube des MDR-Beitrags vom 24.6.2025

- Bundeskabinett beschließt Zwei-Personen-Zustellung ab 23 Kilo – Mehrheit im Bundestag fraglich, echte Gewichtsbegrenzung ist es ohnehin nicht
- Regierung: Bei 23-Kilo-Paketen sind zwei Zusteller nötig
„Wer online ein Gartengerät, Tierfutter-Säcke oder Fitness-Hanteln bestellt, bekommt das bislang meistens von einem einzigen Paketboten geliefert. Künftig könnten zwei Zusteller vor der Haustür stehen. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, dem zufolge eine Ein-Personen-Zustellung nur noch bis einer Gewichtsgrenze von 23 Kilo erlaubt ist, beschloss das Bundeskabinett in Berlin. In der Spanne 20 bis 23 Kilo ist die Ein-Personen-Beförderung zwar erlaubt, dafür soll aber ein geeignetes technisches Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden. (…) Die Vorschrift benötigt allerdings noch die Zustimmung des Bundestags – ob die aktuelle rot-grüne Minderheitsregierung die bekommt, ist fraglich. Mit der FDP kündigte der frühere Koalitionspartner an, der Gesetzesänderung nicht zuzustimmen. «Es gibt durchaus geeignete technische Hilfsmittel, die eine Ein-Personen-Zustellung auch bei schweren Paketen zumutbar möglich macht, etwa eine Elektro-Sackkarre für Treppen», sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben. Mit Zustimmung der Unionsfraktion darf die rot-grüne Bundesregierung auch nicht rechnen (…) Der Post-Konzern DHL, der nur relativ wenige besonders schwere Pakete befördert, reagierte ebenfalls positiv, mahnte aber auch Kontrollen an. «Die Einhaltung des Gesetzes durch alle Marktteilnehmer sollte engmaschig von den Aufsichtsbehörden überwacht werden, damit das Gesetz auch tatsächlich allen Beschäftigten der Branche zugutekommt.» Der Branchenverband BPEX, der die DHL-Wettbewerber vertritt, äußerte sich hingegen kritisch. Eine Pflicht zur Zwei-Personen-Zustellung ab 23 Kilogramm würde zu Kostensteigerungen führen sowie die Effizienz und Geschwindigkeit der Paketlogistik beeinträchtigen…“ dpa-Meldung vom 11.12.2024 in den Weinheimer Nachrichten online
- Postgesetz: ver.di begrüßt Vorschlag für Gesetzanpassung durch das Bundeskabinett – Gewichtsbegrenzung für Pakete muss kommen
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt ausdrücklich die heute vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Anpassung des Postgesetzes, mit der eine echte Gewichtsbegrenzung für Pakete in der Ein-Personen-Zustellung vorgeschrieben werden soll. Nach dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Vorschlag für eine Anpassung des Postgesetzes sollen künftig Pakete mit einem Gewicht von mehr als 23 Kilogramm stets durch zwei Personen zugestellt werden müssen. Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, erklärt dazu: „Pakete zustellen, ist und bleibt Schwerstarbeit, nicht nur in der Weihnachtszeit. Die Politik ist gefordert, dafür zu sorgen, dass dies nicht zu Lasten der Gesundheit derjenigen geht, die die Pakete sortieren und zu den Haushalten und Unternehmen bringen. Eine echte Gewichtsbegrenzung für Pakete in der Ein-Personen-Zustellung ist dafür unabdingbar…“ Pressemitteilung vom 11.12.2024
- Siehe auch das Dossier: ver.di fordert entschlossenes Vorgehen gegen prekäre und krankmachende Arbeitsbedingungen in der Paketbranche
- Regierung: Bei 23-Kilo-Paketen sind zwei Zusteller nötig
- [RLS-Broschüre] Ausgeliefert. DHL, Amazon, Hermes & Co: Wachstum, Arbeitsbedingungen und Kämpfe in einer boomenden Branche
„Treppe rauf, Treppe runter. Bis zu 200-mal am Tag. Treppe rauf, Treppe runter. Das ist der Takt der Arbeit, die Paketzusteller*innen den ganzen Tag, oft mehr als zehn Stunden lang, oft sechs Tage die Woche verrichten. Rauf und runter beschreibt auch die beiden Richtungen, in die sich die Branche Kurier, Express- und Paketdienste (KEP-Dienste), mitunter auch die Postdienste, in den vergangenen Jahren bewegt hat. Die Anzahl der zugestellten Pakete ist enorm gewachsen, Umsätze und Gewinne gehen rauf. Bei Löhnen und Arbeitsbedingungen sieht es anders aus.
Boomende Branche
Die Kurier-, Express- und Paketdienste sind einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige des Landes. Zwischen 2012 und 2022 ist die Zahl der zugestellten Pakete von 2,5 auf 4,15 Milliarden gestiegen. Das ist ein Wachstum von 66 Prozent. Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum von 15,5 auf 26 Milliarden Euro, das heißt um knapp 68 Prozent.
Ein Knochenjob
Trotzdem ist die Paketbranche einer der Wirtschaftsbereiche mit den niedrigsten Löhnen überhaupt. Die Arbeit der Zusteller* innen ist hart und gesundheitsschädlich, der Krankenstand liegt weit über dem Durchschnitt. Vor allem in den vielen Subunternehmen, die die Pakete auf der «letzten Meile» zustellen, sind Lohndumping und Arbeitszeitbetrug zulasten der Beschäftigten weit verbreitet. Das Problem hat System. (…)
Die Lösung
Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Sicherung zumindest legaler Löhne sind unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich. Die gesetzlichen Mittel reichen nicht, gewerkschaftliche Organisierung hat in den oft nur wenige Jahre existierenden Subunternehmen kaum eine Chance. Der erste und einzige realistische Schritt, um eine Verbesserung zu erreichen, ist daher das Verbot von Werkverträgen und Subunternehmerketten in der Branche und die Überführung der dort Arbeitenden in die Direktbeschäftigung, analog zur Fleischindustrie. Nur so lässt sich das System der Überausbeutung beenden und die organisierte Verantwortungslosigkeit überwinden.“ Beitrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung
zur Publikation von Jan Ole Arps und Nelli Tügel vom April 2024
in der Reihe „luxemburg beiträge“ - IAB-Studie zu Gig-Work: Prekärst beschäftigt. Viele Kuriere verdienen unterdurchschnittlich und haben befristete Jobs
„Im Laufe des Jahres 2022 arbeiteten über das Jahr verteilt insgesamt rund 94.000 Personen mindestens einmal im Jahr als sogenannte Gig-Worker bei einem Lieferdienst. Zu den umsatzstärksten Unternehmen in diesem Sektor zählen hierzulande „Just Eat and Takeaway.com/Lieferando“ – mit einem Marktanteil von knapp zwei Drittel – sowie „Dominos“ und „Wolt“. Der Begriff „Gig“ steht im Englischen für einen kurzen Bühnenauftritt. Darunter fallen etwa Kurierdienste, aber auch einfache Tätigkeiten in der Lagerwirtschaft. Gig-Work unterscheidet sich von anderen Formen der digitalen Plattformarbeit, die ortsunabhängig durchgeführt und auch als Crowdwork bezeichnet wird. (…) Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) sind mehr als 90 Prozent der Fahrer:innen bei ihren Arbeitgebern als männlich registriert, gut 60 Prozent sind jünger als 30 Jahre. Zudem besitzt knapp die Hälfte der Beschäftigten keine deutsche Staatsbürgerschaft. Die meisten stammen aus asiatischen Ländern (51 Prozent) sowie aus Osteuropa (15 Prozent). Die Studie vergleicht die Lohnunterschiede zwischen Lieferdienst- und Helfer:innenberufen. Letztere ist eine Berufsklassifikation der Bundesagentur für Arbeit, die einfache Routinetätigkeiten beschreibt und für die in der Regel keine spezifischen Fachkenntnisse erforderlich sind. Demnach erhalten vollbeschäftigte Lieferdienstfahrer:innen für den Niedriglohnsektor vergleichsweise wenig Lohn. Laut Studie verdienen sie durchschnittlich gut 1.700 Euro und damit rund 800 Euro weniger als Vollzeitbeschäftigte in Helfer:innenberufen. Mehr als ein Drittel der Gig-Worker geht mindestens einer weiteren bezahlten Tätigkeit nach. Bei den Helfer:innenberufen sind es „nur“ knapp ein Viertel der Beschäftigten. Mehr als die Hälfte der Angestellten im Gig-Sektor ist zudem geringfügig beschäftigt. 57 Prozent von ihnen haben zu Beginn ihrer Tätigkeit eine befristete Anstellung. Bei den Helfer:innenberufen sind es nicht einmal halb so viele der Beschäftigten. (…) Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es sich bei der Beschäftigung bei Lieferdiensten „aus individueller Perspektive“ um prekäre Arbeit handeln könne. Allerdings könnte Gig-Work „insbesondere für marginalisierte Gruppen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen und ein Sprungbrett in stabilere Beschäftigungen sein“. Unter anderem dieser Frage will das IAB in künftigen Untersuchungen nachgehen…“ Beitrag von hekta vom 5. April 2024 bei Netzpolitik.org
zu:
- Gig-Work bei Lieferdiensten in Deutschland: Beschäftigung hat in den letzten Jahren stark zugenommen
„Die Fahrer*innen von App-basierten Lieferdiensten sind auch in Deutschland aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit kontrovers über die Arbeitsbedingungen in der sogenannten Plattform-Ökonomie diskutiert. Das IAB untersucht nun erstmals das Wachstum und die Struktur dieser Beschäftigungsform sowie die individuellen Merkmale der abhängig Beschäftigten bei zehn großen App-basierten Lieferdiensten in Deutschland. Fast die Hälfte dieser Menschen ist geringfügig beschäftigt und ihr Einkommen ist geringer als in vergleichbaren Helferberufen…“ Beitrag von Martin Friedrich, Ines Helm, Ramona Jost, Julia Lang und Christoph Müller vom am 3. April 2024 im IAB-Forum
- Gig-Work bei Lieferdiensten in Deutschland: Beschäftigung hat in den letzten Jahren stark zugenommen
- Neuer Bericht der Generalzolldirektion bestätigt „schwere strukturelle Kriminalität“ bei Paketdiensten
„Der NRW-Arbeitsminister verlangt vom Bund, das Subunternehmertum bei den Paketboten und Kurierdiensten zu stoppen – so, wie es schon in der Fleischwirtschaft passiert ist. Munition liefert ein brisanter Bericht der Generalzolldirektion.
In der Diskussion um die arbeitsrechtlich fragwürdigen Zustände in der Paketbranche liefert ein Bericht der Generalzolldirektion den Kritikern weitere Argumentationshilfen. In einem an das Bundesfinanzministerium gerichteten Schreiben der Kölner Behörde, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es unter anderem, die Kurier-, Express- und Paketbranche sei aufgrund komplexer und weit verbreiteter Subunternehmerketten für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigungsformen anfällig.
Die Ermittlungen erstreckten sich „in erheblichem Umfang auf Sachverhalte, die der schweren strukturellen Kriminalität zuzuordnen sind beziehungsweise die seitens der Staatsanwaltschaft als organisierte Kriminalität bewertet wurden“. Und weiter: „Die Täter agieren arbeitsteilig und schaffen planmäßig ein System von tatsächlich aktiven Unternehmen und gewerblich registrierten, aber tatsächlich inaktiven Unternehmen, die durch Strohleute geführt werden.“ Ziel des Systems sei es, Kontrollbehörden zu täuschen und dadurch die tatsächlichen Verantwortlichkeiten zu verschleiern, um fortgesetzt und in erheblichem Umfang durch Straftaten wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Dabei listet der Zoll zahlreiche konkrete Beispiele von jüngsten Prüfungen und Ermittlungen auf. So meldete das Berliner Hauptzollamt (HZA), dass Strohmänner bei einer Subunternehmerfirma aufgefallen waren…“ Artikel von Maximilian Plück vom 15.04.2024 in der Rheinischen Post online
(„Brisanter Bericht deckt auf: „Schwere strukturelle Kriminalität“ bei Paketdiensten“) - [Zu spät fürs Weihnachtsgeschäft] Arbeitsminister wollen bessere Arbeitsbedingungen für Paketboten
„Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz spricht sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Zustellern aus. Arbeitszeiten sollen stärker kontrolliert werden.
„Die Arbeitsbedingungen für Paketzusteller müssen sich aus Sicht der Arbeits- und Sozialminister der Bundesländer dringend verbessern, etwa durch ein Verbot von Werkverträgen. „Diese Menschen müssen geschützt werden“, sagte Berlins Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK). Bei Paketdiensten werde sehr viel „wirklich sehr prekäre Arbeit“ geleistet, wobei vor allem osteuropäische Werkvertragsarbeitnehmer betroffen seien, sagte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Mehrheitlich verabschiedete die ASMK einen Antrag, demzufolge es zu einer „vernünftigen“ Aufzeichnung der Arbeitszeiten kommen müsse. Das soll helfen, die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren…“ Agenturmeldung vom 7. Dezember 2023 in der Zeit online
, siehe auch:
- Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Berlin: ver.di bekräftigt Forderung nach einer Gewichtsbegrenzung für Pakete
Pressemitteilung vom 06.12.2023
- Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Berlin: ver.di bekräftigt Forderung nach einer Gewichtsbegrenzung für Pakete
- [Zum „Prime Day“ von Amazon] Ganz unten sind die Paketzusteller in einem „System der Ausbeutung“. Denen will der Bundesrat helfen
„… Aber es gibt da noch ganz andere Beschäftigte, gleichsam in der abgedunkelten Kelleretage des Beschäftigungsssystems rund um den Giganten des Online-Handels: Die Paketzusteller, die an der Lieferfront auf der letzten Meile die Kunden bedienen müssen. Und denen geht es noch schlechter, wenn man schon eine Hierarchie der Ausbeutung bemühen muss. (…) Ist der „weiße Ritter“, der den Paketzustellern beispringen wird, bereits unterwegs? Der Bundesrat schickt eine Botschaft an die Bundesregierung
Wenn es um Schutz für die schwächsten Glieder in der Ausbeutungskette geht, dann wird der eine oder andere einwenden, dass es doch vor gar nicht so langer Zeit ein vom (immer noch) amtierenden Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein- und durchgebrachtes „Paketboten-Schutz-Gesetz“ gegeben hat. Ja schützt das denn etwas doch nicht? (…) Aus dem Bundesrat erreicht uns diese Meldung vom 12. Mai 2023: Bundesrat für bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche
: »Bei der Zustellung von Paketen sollen Werkverträge zukünftig verboten sein. Mit diesem Ziel fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, das „Paketboten-Schutz-Gesetz“ zu ändern. Eine entsprechende Entschließung auf Initiative von Bremen, Niedersachsen, dem Saarland und Thüringen beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am 12. Mai 2023.« Es wird dann darauf hingewiesen, dass die Fleischwirtschaft als Vorbild für den Vorstoß des Bundesrates herangezogen wurde: »Ein Verbot von Werkverträgen in der Paketbranche – so heißt es in der Begründung für die Entschließung – würde die Verantwortung für die Einhaltung der arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Standards den großen Dienstleistern zuweisen – analog zur Fleischwirtschaft, wo der Gesetzgeber sich aufgrund ähnlicher Missstände veranlasst sah, Werkverträge bzw. den Einsatz von Fremdpersonal im Kernbereich der Fleischwirtschaft zu untersagen.« Der aufmerksame Leser wird allerdings stutzig, wenn er unter der Überschrift „Ausnahmen“ zu lesen bekommt: »Ausnahmen für das Werksvertragsverbot soll es nach dem Willen der Länder jedoch für Subunternehmen geben, die ausschließlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zu tariflichen Entgeltbedingungen einsetzen.«
Da müssen wir genauer hinschauen. Es geht um die „Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Zustellung von Paketen“, Drucksache 117/23 (Beschluss)
vom 12.05.2023. Und darin findet man eine gute Analyse der Situation und der Probleme – wie für ein Lehrbuch geschrieben:
»Unter der Vielzahl von Paketdienstleistern besteht hoher Wettbewerbsdruck. Neben dem Sendungsvolumen stieg auch die Kundennachfrage nach flexiblen und individualisierten Zustellkonzepten, wie zum Beispiel Echtzeitverfolgung und Zeitfenster-Zustellung. Zur Optimierung der Zustellung vor allem auf der letzten Meile setzen Dienstleister zunehmend auf digitale Steuerung und Überwachung. Dies führt zu Arbeitsverdichtung und Leistungsdruck bei den Zustellerinnen und Zustellern.
Die Paketzustellerinnen und Paketzusteller sind häufig nicht direkt bei den Paketdienstleistern beschäftigt, sondern bei deren Subunternehmen. Große Versandhändler arbeiten regelmäßig mit einem Netzwerk kleiner und mittelständischer Subunternehmen zusammen. Zum Teil erfolgt die Paket-Auslieferung entlang von Ketten mehrerer Subunternehmen. Einige Versandhändler lagern die Zustellung der Pakete über Werkverträge vollständig auf Subunternehmen aus. Die Beschäftigung im Rahmen dieser Werkvertragskonstellationen wirkt sich nachteilig auf die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Paketzustellerinnen und Paketzusteller aus. In den Subunternehmen bestehen in aller Regel keine Tarifverträge und auch Betriebsräte sind hier selten.
Immer wieder wird über schlechte oder rechtswidrige Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen der großen Paketdienstleister berichtet. Nach Erkenntnissen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und von Beratungsstellen für Arbeitnehmerrechte werden in vielen Fällen Verstöße gegen die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns sowie Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz beziehungsweise dem Arbeitnehmerentsendegesetz festgestellt … Weitere Verstöße, die regelmäßig bekannt oder durch Kontrollen des Zolls aufgedeckt werden, sind Scheinselbständigkeit und die Missachtung notwendiger Maßnahmen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Der Arbeitsalltag von Zustellerinnen und Zustellern ist neben Entgeltverstößen, überlangen Arbeitszeiten und fehlenden Pausen auch gekennzeichnet durch hohe Arbeitsverdichtung, mit Leistungsvorgaben von zum Teil 250 bis 270 Paketen an einem Arbeitstag. Begünstigt werden Rechtsverstöße in Subunternehmer-Konstellationen dadurch, dass in vielen Fällen Drittstaatenangehörige mit unsicherem Aufenthaltsstatus, ohne anerkannte Ausbildung und mit geringen Deutschkenntnissen die Arbeit als Zustellerinnen und Zusteller ausüben.
Paketzustellerinnen und Paketzusteller nicht unmittelbar bei den Paketdienstleistern. Bundesweit sind knapp 360.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei den Kurier-, Express- und Paketdienstleistern (Stand Juni 2022: 359.243) tätig. Insgesamt ist die Branche aufgrund der vielen Sub- und Sub-Subunternehmen hochgradig fragmentiert: 79,6 Prozent der Beschäftigten und damit circa 270.000 Personen arbeiten in Kleinbetrieben mit weniger als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dies hat auch Folgen für die Entgelte. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Bruttogehälter von Paketlieferantinnen und Paketlieferanten in den Jahren 2010 bis 2020 nur um 1,5 Prozent gestiegen.«
Dann geht die Begründung des Bundesrates ein auf das angesprochene Paketboten-Schutz-Gesetz: »Mit dem Gesetz zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten (Paketboten-Schutz-Gesetz) hat der Bundesgesetzgeber im Jahr 2019 Maßnahmen ergriffen, um die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Paketbranche sicherzustellen und positiven Einfluss auf die Beschäftigungsbedingungen zu nehmen.
Dieses Gesetz führte aber bislang nicht zu mehr direkter Beschäftigung bei den großen Paketdienstleistern oder zu einem Rückgang der Werkverträge bei Subunternehmen.«
Und was ist die Schlussfolgerung des Bundesrates?
»In Anbetracht der dargestellten Situation besteht nach Überzeugung des Bundesrates ein zusätzlicher Bedarf, Paketzustellerinnen und Paketzusteller vor arbeits- und sozialrechtswidrigem Verhalten von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu schützen. Ein Verbot von Werkverträgen in der Paketbranche würde die Verantwortung für die Einhaltung der arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Standards eindeutig den großen Dienstleistern zuweisen. Damit würde eine Analogie zur Fleischwirtschaft gezogen, wo der Gesetzgeber sich aufgrund ähnlicher Missstände veranlasst sah, Werkverträge beziehungsweise den Einsatz von Fremdpersonal im Kernbereich der Fleischwirtschaft zu untersagen.« Konkret bittet der Bundesrat die Bundesregierung um Vorlage eines Gesetzentwurfes (…)
Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Eine Umsetzung des Beschlusses des Bundesrates auch mit der Ausnahmeregelung wäre eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Status Quo. Nur man muss eben immer auch mitdenken, ob dann in der Praxis eine gut gemeinte Regelung auch umgesetzt wird bzw. die Umsetzung auch gegebenenfalls über staatliche Kontrollen und Sanktionen durchgesetzt werden kann. Man muss sich klar machen, um was für eine Branche es sich hier handelt: Es sind eben nicht nur eine Handvoll großer Paketdienste, die mit bei ihnen angestellten Paketzustellern arbeiten, sondern wir haben hier ein unüberschaubares Gelände an vielen oftmals kleinbetrieblich aufgestellten Subunternehmen. Auf dem Papier würde eine Tarifbindung dieser vielen kleinen Unternehmen auf alle Fälle eine Verbesserung darstellen und man kann das den betroffenen Arbeitnehmern nur wünschen. Aber das muss dann auch kontrolliert werden – und selbst wenn die zuständigen Kontrollbehörden in großem Umfang kontrollieren würden (was sie derzeit und absehbar gar nicht können aufgrund fehlenden Personals), dann müssten sie auch nachweisen können, dass möglicherweise den Beschäftigten Tariflohn vorenthalten wurde, wozu eine genaue und am Kontrolltag auch überprüfbare Arbeitszeiterfassung vorliegen müsste. Offensichtlich gibt es auch in den Reihen des Bundesrates hier Zweifel. (…) Wie es weitergeht? Wir werden abwarten müssen. Der Bundesrat schreibt selbst dazu: »Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich damit befasst. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.«…“ Beitrag vom 12. Juli 2023 von und bei Stefan Sell
, siehe auch:
- Paketboten am Limit: Keine Besserung in Sicht
„Der Bundesrat will die Arbeitsbedingungen von Paketboten verbessern. An einer entsprechenden Initiative hat auch das Saarland mitgewirkt. Doch der Vorstoß droht ins Leere zu laufen.
Große Logistik-Unternehmen liefern Pakete häufig nicht selbst aus, sondern lagern die Zustellung ganz oder teilweise an Subunternehmen aus. Doch Gewerkschaften und Beratungsstellen kritisieren dort häufig vorherrschende, prekäre Arbeitsbedingungen. Das hat zuletzt den Bundesrat auf den Plan gerufen. Gemeinsam mit Bremen und Thüringen hat die saarländische Landesregierung eine Prüfbitte an die Bundesregierung initiiert. Ziel ist es, das bereits bestehende Paketboten-Schutzgesetz zu verschärfen. Konkret ging es den Initiatoren unter anderem um ein komplettes Verbot des Subunternehmertums in der Paketbranche – so wie es bislang nur in der Fleischbranche besteht. Doch schon im Bundesrat regte sich nach SR-Informationen Widerstand. Und so enthält der nun im Hause von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf dem Tisch liegende Prüfauftrag eine kleine, aber entscheidende Einschränkung: Subunternehmer, die Tariflohn zahlen, sollen weiterarbeiten dürfen.
Von Gewerkschaften und Branchen-Experten gibt es dafür Kritik: Diejenigen, die bisher Löhne drückten und den Mindestlohn umgingen, „zahlen vermutlich auch nicht den geforderten Tariflohn“, fürchtet Tanja Lauer, bei der Gewerkschaft Verdi für die Paketdienste in Rheinland-Pfalz und dem Saarland zuständig. Und Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz ergänzt: „Kann ich denn auf der anderen Seite sicherstellen, dass die Behörden in der Lage sind, die Einhaltung der tariflichen Vergütung für die Paketboten auch wirklich zu kontrollieren?” Und er gibt seine Einschätzung gleich mit: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das nicht.” Der aktuelle Vorschlag des Bundesrats werde den Paketfahrern daher kaum helfen…“ Beitrag von Caroline Uhl und Niklas Resch vom 05.07.2023 beim SR
- Siehe zum angesprochenen Beispiel von Amazon v.a. unser Dossier: Paketzusteller von Amazon nach dem Ende von Flex: Miese Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen
- und das Dossier: ver.di fordert entschlossenes Vorgehen gegen prekäre Arbeitsbedingungen in der Paketbranche
- Paketboten am Limit: Keine Besserung in Sicht
- Bundesrat für Verbot von Werkverträgen in Paketbranche – und Gewichtsbegrenzung, aber mit Ausnahmen „Werkverträge sollen nach dem Willen des Bundesrates in der Paketbranche künftig verboten sein. Die Länderkammer beschloss dazu am Freitag eine Entschließung, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, das sog. Paketboten-Schutz-Gesetz entsprechend abzuwandeln. Konkret fordert die Länderkammer die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf „zur Änderung des Gesetzes zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten“ (Paketboten-Schutz-Gesetz) vorzulegen, der ein Verbot von Werkverträgen beinhaltet. (…) Nach Meinung des Bundesrates besteht daher „ein zusätzlicher Bedarf“, um Paketzusteller „vor arbeits- und sozialrechtswidrigem Verhalten von Arbeitgeber:innen zu schützen“. Ein Verbot von Werkverträgen in der Paketbranche würde insofern „die Verantwortung für die Einhaltung der arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Standards eindeutig den großen Dienstleistern zuweisen“.
Ausnahmen vom Werksvertragsverbot sollen aus Sicht des Bundesrates für solche Subunternehmen möglich sein, die „für die Ausführung des Auftrages ausschließlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zu tariflichen Entgeltbedingungen“ einsetzen. (…) Änderungen soll es nach dem Willen der Ländervertreter auch beim Umgang mit schweren Paketen geben: Man bitte „die Bundesregierung, eine Regelung auf den Weg zu bringen, mit der eine Gewichtsbegrenzung von 20 kg für Paketsendungen im Ein-Personen-Handling durch Paketbotinnen und Paketboten sowie eine Kennzeichnungspflicht von sogenannten schweren Paketen erreicht wird“, heißt es dazu. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte Medienberichten zufolge in diesem Punkt bereits offen gezeigt und einen Gesetzentwurf von Arbeits- und Wirtschaftsministerium in Aussicht gestellt.
Laut Bundesrat wurde die Entschließung der Bundesregierung bereits zugeleitet. Wann die sich damit auseinandersetzt und ob sich für ein Werkvertragsverbot in der Ampelkoalition eine Mehrheit findet, ist noch offen.“ Artikel von Frank Strankmann vom 12.05.2023 in betriebsratspraxis24.de
, siehe dazu:
- ver.di begrüßt Beschluss des Bundesrates zum Verbot von Werkverträgen in der Paketzustellung
„… „Wir fordern die Bundesregierung auf, dem Willen des Bundesrates zu folgen und zügig eine entsprechende Novelle des Paketboten-Schutz-Gesetzes vorzulegen.“ „Ausnahmen vom Verbot des Einsatzes von Werkverträgen dürfen jedoch nur für tarifgebundene Unternehmen gelten oder für Unternehmen, die uneingeschränkt alle für die Branche jeweils geltenden Tarifbedingungen erfüllen,“ so Kocsis weiter.“ Pressemitteilung vom 12.05.2023
- ver.di begrüßt Beschluss des Bundesrates zum Verbot von Werkverträgen in der Paketzustellung
- Paketbranche: „Heils Plan mit Haken“ – maximal 20 Kilogramm auch bei Subunternehmen? Deren Verbot nicht in Sicht…
„Mit der geplanten Gesetzesänderung ändert sich für viele Beschäftigte in der Paketbranche nur wenig. Denn hier wird vornehmlich auf billig arbeitende Subunternehmen gesetzt. (…) Bis zu einer Tonne müssen Zustellerinnen und Zusteller pro Schicht per Hand heben und tragen. Bandscheibenvorfälle, Schulter- und Knieprobleme sind die Folge. Von menschenfeindlichen Arbeitsbedingungen spricht die Gewerkschaft Verdi und fordert schon seit einiger Zeit eine Gewichtsbegrenzung von Paketen auf maximal 20 Kilogramm. Es ist lobenswert, dass sich Arbeitsminister Hubertus Heil dieser Forderung anschließt und per Gesetz die Beschäftigen in der Paketbranche entlasten will. Der Plan von Heil hat allerdings einen Haken. Es klingt zwar so, als sorge der SPD-Politiker tatkräftig für bessere Arbeitsbedingungen. Tatsächlich würde sich für viele Beschäftigte nur wenig ändern. Ein Teil von ihnen arbeitet nicht direkt bei den großen Paketdienstleistern wie DHL, Hermes oder DPD, wo Mindestlöhne, Arbeitszeiten und andere Schutzvorschriften in der Regel sauber eingehalten werden. Vielmehr wird in der Branche nach wie vor stark auf billig arbeitende Subunternehmen gesetzt, die die gesetzlichen Vorgaben nicht so genau nehmen und mitunter nicht einmal den Mindestlohn zahlen.“ Kommentar von Tim Szent-Ivanyi vom 10. April 2023 in der Frankfurter Rundschau online
- Neues Gesetz: Verdi spricht sich für Verbot von Subunternehmen auf der letzten Meile aus
„Um die hohen Sendungsmengen in der Weihnachtszeit bewältigen zu können, brauchen die hiesigen KEP-Dienstleister zusätzliches Personal. Häufig wird dann auf Subunternehmen zurückgegriffen, deren Arbeitskräfte allen voran für die Zustellung auf der letzten Meile eingesetzt werden. Dies will die Gewerkschaft jetzt verbieten und fordert ein entsprechendes „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmer*innenrechte in der Paketbranche“. Konkret geht es darum, Fremdpersonal im Transport sowie in der Auslieferung nicht mehr zu ermöglichen. Hintergrund sind die oft schlechten Lohn- und Sozialstandards bei derartigen Subunternehmen, die den Gewerkschaften und dem Zoll schon länger ein Dorn im Auge sind. Mit einem neuen Gesetz soll dagegen nun vorgegangen werden. (…) Das neue Gesetz soll laut Verdi drei wesentliche Punkte enthalten. Zum einen das Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal, außerdem mehr Kontrollen durch den Zoll, um Missstände und Schwarzarbeit aufzudecken. Zusätzlich hat Verdi noch einmal seine Forderung aus dem vergangenen Jahr wiederholt: Die Gewerkschaft pocht darauf, das Gewicht für Pakete auf 20 Kilogramm zu begrenzen. Alles darüber sollte als Sperrgut versendet werden. In diesem Zusammenhang sollte es eine Kennzeichnungspflicht für schwere Pakete geben. „Einem Paket sieht man schließlich nicht an, ob darin Watte verschickt wurde oder 20 Kilogramm Hundefutter“, schreibt die Gewerkschaft dazu. Damit sich die Beschäftigten auf das richtige Tragen der Sendung einstellen können, sollte es daher eine entsprechende Kennzeichnung geben.“ Beitrag von Corinna Flemming vom 22. November 2022 im Logistik-Watchblog
- Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche: ver.di sieht erste positive Wirkungen des vor einem Jahr in Kraft getretenen Gesetzes
“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge in der Paketbranche (Paketbotenschutzgesetz) erste positive Wirkungen durch die neuen Regelungen. „Die Nachunternehmerhaftung hat ein Umdenken in der Branche angestoßen; die Eigenbeschäftigung bei den Paketdiensten nimmt langsam zu“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Unternehmen wie Hermes und DPD setzten jetzt auch auf Eigenbeschäftigung in der Paketzustellung und stellten erste Beschäftigte fest bei sich an, statt auf Subunternehmen zurückzugreifen. Nur Amazon halte unbeirrt am Konzept des Sub- und Subsubunternehmertums fest. (…) Der Erfolg des Gesetzes „steht und fällt mit der Kontrolle“, so Kocsis weiter. Daher seien die Behörden zu mehr Kontrollen aufgefordert, um prekäre Arbeitsbedingungen in Sub- und Subsubunternehmen aufzudecken und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz oder Schwarzarbeit zu ahnden. „Der beste Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind Eigenbeschäftigung, Mitbestimmung und Tarifverträge.“ ver.di-Pressemitteilung vom 23.11.2020
- Paketboten-Schutz-Gesetz: „Das Gesetz ist gut, doch es allein kann nichts am Arbeitsdruck ändern“
“… Was bewirkt das neue Gesetz? Wenn ein Unternehmen ein Subunternehmen mit der Beförderung von Paketen beauftragt, dann haftet der Auftraggeber jetzt dafür, dass das Nachunternehmen die Sozialversicherungsbeiträge für die eingesetzten Beschäftigten abführt. Statt gegenüber einem möglicherweise insolventen Nachunternehmer können die Sozialversicherungsträger offenstehende Sozialbeiträge auch gegenüber größeren Paketunternehmen geltend machen. Das neue Gesetz schützt sowohl die einzelnen Paketboten als auch die Gemeinschaft der Beitragszahler davor, dass Sozialbeiträge verloren gehen. Zugleich dient es der Bekämpfung von Schwarzarbeit. An dem täglichen Arbeitsdruck in der boomenden Branche kann es nichts ändern. Weitere Bausteine müssen folgen. Abhilfe bedarf es beispielsweise bei der Bekämpfung von Mindestlohnverstößen, Befristungen und Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften. Dennoch ist das Gesetz ein wichtiger Schritt. Es orientiert sich an Regelungen, wie es sie im Baugewerbe schon seit 2002 gibt, in der Fleischwirtschaft seit dem Jahr 2017. In der Baubranche lässt sich zeigen, dass die Nachunternehmerhaftung die Situation der Beschäftigten verbessert hat. Gegen das Paketboten-Schutz-Gesetz wurde von mancher Seite eingewandt, dass der Staat seine Kontrollen verbessern müsse, anstatt Unternehmen mit neuen Haftungsrisiken zu belasten. Tatsächlich führt der Personalmangel bei den Behörden zu einem Kontrolldefizit, das behoben werden muss. Gleichwohl löst dies nicht das Problem, wenn Nachunternehmer in die Insolvenz rutschen und offene Sozialbeiträge nicht nachzahlen können. Ist es außerdem nicht zu leicht, zu sagen, dass nur der Staat eine Verantwortung trägt? Hat nicht auch ein Auftraggeber eine soziale Verantwortung dafür, welche Bedingungen in den Nachunternehmen bestehen, gerade in einer Branche, in der ein hoher Wettbewerbs- und Preisdruck herrscht? (…) Beim Paketboten-Schutz-Gesetz hat sich der Gesetzgeber im Übrigen selbst ein Schlupfloch offen gehalten: Das Gesetz ist bis Ende 2025 befristet. Vor dem Ablauf dieser Frist soll es evaluiert werden.“ Beitrag von Daniel Hlava im HBS-Magazin Mitbestimmung 01/2020
- Das „Paketboten-Schutz-Gesetz“ ist da. Jetzt wird alles gut. Oder?
“Die Botschaft des „Gesetzes zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten“, öffentlich besser bekannt als Paketboten-Schutz-Gesetz, ist klar. Endlich werden die schwächsten Glieder des Lieferwesens unter den Schutz des Staates genommen: die Tag für Tag mit einem immer beschwerlicher werdenden Verkehrschaos in den Straßen, nicht anwesenden Kunden und uneinlösbaren Mengen- und Zeitvorgaben kämpfenden Paketzusteller. (…) Der „Ausbeutung einen Riegel vorschieben“, so hat das zuständige Bundesarbeitsministerium seine Pressemitteilung zu dem neuen Gesetz überschrieben. Und wie will man das erreichen? „Ziel ist, die Nachunternehmerhaftung, die bereits seit Jahren in der Fleischwirtschaft und am Bau wirkt, auf die Paketbranche auszuweiten. Die Neuregelung soll künftig die korrekte Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen.“ (…) Eine gesetzliche Vorschrift führt bekanntlich nicht annähernd automatisch dazu, dass sie auch eingehalten wird. Gerade in einem Bereich wie den Paketdiensten mit den dort vorherrschenden Rahmenbedingungen wird sie nur dann eine Wirkung entfalten können, wenn die Einhaltung der Bestimmungen a) umfassend kontrolliert und b) damit verbunden eine die Unternehmen – sowohl die Auftraggeber wie die Subunternehmen – empfindlich treffende Sanktionierung erfolgt. Und diese muss eine möglichst starke abschreckende Wirkung entfalten. Und wenn a) oder b) – oder noch schlimmer, aber realistischer a) und b) – nicht erfüllt sind oder werden können, dann nützt jedes noch so schöne Gesetz nichts oder nur punktuell. Man muss ein Gesetz und seine Regeln nicht nur von der Absicht, sondern auch vom Ende her denken. Ansonsten bleibt man auf der Ebene der Symbolpolitik stecken. Außerdem sind in dem neuen Schutzgesetz zwei scheunentorgroße Ausweichmöglichkeiten für die Auftraggeber eingebaut worden: a) „Unbedenklichkeitsbescheinigungen beispielsweise von den Krankenkassen oder der Berufsgenossenschaft weisen Subunternehmen als zuverlässig aus und entlasten die Auftraggeber von der Haftung.“ b) Mittels unabhängiger Eignungsprüfung können Subunternehmen ebenfalls ihre Auftraggeber von der Haftung befreien. Der Generalunternehmer kann sich also entlasten. Was werden wohl die an der Spitze der Pyramide stehenden Unternehmen wie GLS oder Hermes machen? Die Gefahr, dass sich ein Teil der Unternehmen aus der an sich mit der Nachunternehmerhaftung beabsichtigten Verantwortungsübernahme wieder freikaufen kann ist groß…“ Beitrag von Stefan Sell aus Forum Migration vom Dezember 2019 beim DGB Bildungswerk
- Nachunternehmerhaftung für die Paketbranche: Reaktionen in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales
“An der Einführung der Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche scheiden sich die Geister. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Leitung von Dr. Matthias Bartke (SPD) am Montag, 21. Oktober 2019, deutlich. Während die arbeitgebernahen Verbände erwartungsgemäß das Ausmaß der Regulierung kritisierten und infrage stellten, ob diese ihren Zweck erfüllen wird, äußerten Arbeitnehmervertreter die Hoffnung auf positive Effekte. Zum Teil wurde das Gesetz auch als nicht ausreichend bezeichnet, um bessere Arbeitsbedingungen tatsächlich durchzusetzen. (…) Andrea Kocsis von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi begrüßte den Gesetzentwurf ebenfalls. Die Nachunternehmerhaftung werde helfen, den Sozialleistungsbetrug einzudämmen, sie könne aber nicht für bessere Arbeitsbedingungen sorgen. Dafür brauche es eine genauere Erfassung der Arbeitszeiten, betonte sie. Ähnlich argumentierte der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Sell. Als folgerichtig und dringend notwendig bezeichnet Dominique John vom Verein Faire Mobilität den Entwurf, denn die Arbeitsbedingungen der Zusteller bei Subunternehmen seien „unterirdisch“, viele ausländische Beschäftigte würden nicht nur die Sprache nicht richtig sprechen, sondern auch ihre Rechte nicht kennen, sagte John…“ Beitrag zur Anhörung vom 21.10.2019 bei Bundestag online
– Gegenstand der Anhörung waren neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/13958
) auch Anträge der Linken (19/14022
) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/13390
)
- Das »Paketboten-Schutz-Gesetz« bringt keine wirkliche Verbesserung für die Beschäftigten
“… [Warum sehen Sie die Nachunternehmerhaftung kritisch?] Die Nachunternehmerhaftung selbst ist nicht das Problem. Aber ihre Umsetzung. Um einen Betrug überhaupt nachweisen zu können, braucht es Kontrollen. Mehr Personal oder zusätzliche Mittel für den Zoll, um die Einhaltung überhaupt zu überprüfen, sieht der Gesetzentwurf aber nicht vor. Das ist ein entscheidendes Manko. (…) [Mehr Kontrollen wären also wichtig, sie führen aber nicht zwangsläufig zum Erfolg. Woran hapert es dann?] Das Gesetz eröffnet zwei Schlupflöcher für Betriebe. Die Unternehmen haben die Möglichkeit, sich über eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder unabhängige Eignungsprüfungen, von der Haftung freizukaufen. [Wie kann ich mir das vorstellen?] Die Unbedenklichkeitsbescheinigung stellt die Krankenkasse dafür aus, dass Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Allerdings wissen die Kassen nur, dass Beiträge abgeführt werden. Wenn es aber gleichzeitig Arbeitszeitbetrug gibt und die Beschäftigten mehr arbeiten, als für sie Geld abgeführt wird, kann das die Krankenkasse gar nicht wissen. Die Eignungsprüfung hält natürlich ein gewisses Level an Qualifizierung fest, sagt im Endeffekt nichts darüber aus, ob ich bei den Sozialbeiträgen trickse oder nicht. (…) Ich plädiere für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Branche. So könnte man verbindlich gute Löhne und Arbeitsbedingungen für alle schaffen. Der Unterbietungswettbewerb zu Lasten der Beschäftigten und die Anreize, Arbeit auszulagern, würde verschwinden. Dann würden wir über wirkliche strukturelle Verbesserungen für die Beschäftigten reden.“ Interview von Alina Leimbach mit Stefan Sell vom 17.10.2019 in Neues Deutschland online
- Mit dem „Paketboten-Schutz-Gesetz“ will der Bundesarbeitsminister den Wilden Westen der Paketzustellung einhegen. Die Nachunternehmerhaftung soll kommen. Aber das wird nicht reichen
„Das muss man dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lassen – er verzichtet auf die emotionalisierende Ummäntelung eines seiner neuen Gesetze und hat sich nicht zu einem „Gute-Arbeit-für Paketboten-Gesetz“ verführen lassen. Aber selbst der nüchterner daherkommende Titel „Paketboten-Schutz-Gesetz“ atmet noch etwas von diesem Geist, denn die Botschaft ist klar und unmissverständlich: Endlich werden die schwächsten Glieder am Ende einer langen Meile unter die Schutzfittiche des Staates genommen: die Tag für Tag einer immer beschwerlicher werdenden Don Quichotterie gegen Verkehrschaos in den Straßen, nicht anwesenden Kunden und uneinlösbaren Mengen- und Zeitvorgaben kämpfenden Paketzusteller. (…) Aber wie will man die allseits beklagte und täglich beobachtbare Ausbeutung der Paketboten beseitigen? Eine deutliche Lohnerhöhung? Mehr Zeit für die Zustellung? Mehr Zusteller und damit weniger Arbeitsdruck für diejenigen, die auf den Asphaltpisten unterwegs sind? (…) Man kann an dieser Stelle erkennen, dass bei dem neuen Gesetzentwurf offensichtlich mit Copy & Paste gearbeitet wurde, denn die Nachunternehmerhaftung für nicht-abgeführte Sozialbeiträge durch Subunternehmen gibt es schon seit 2002 in der Baubranche (die gleichsam die „Lehrbuch-Branche“ für das Subunternehmer-Unwesen ist). Und 2017 wurden wir alle Zeugen eines Transfers des Ansatzes auf eine Branche, die sich seit Jahren im Fokus einer kritischen Berichterstattung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen wiederfindet: die Schlachtindustrie. 2017 wurde eine Nachunternehmerhaftung in der Fleischwirtschaft durch das damals verabschiedete Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) vom 17.07.2017 eingeführt. Und es geht nun bei den Paketboten wie auch schon in der Bauwirtschaft oder der Fleischindustrie nicht um einen höheren Lohn und auch nicht um die Sicherstellung, dass wenigstens das Mindeste gezahlt wird, also der Mindestlohn. Denn für die den Arbeitnehmern zustehende Mindestlohnauszahlung gibt es bereits seit dem 1. Januar 2015 eine solche Nachunternehmerhaftung – und zwar branchenübergreifend. (…) angesichts der tatsächlich teilweise verheerenden Zustände bei der Paketzustellung wird jeder Versuch, etwas zu verbessern, lobenswert und zu begrüßen. Aber das entbindet nicht von der Aufgabe, zu prüfen, was am Ende hinten rauskommen kann und wird, denn das ist bekanntlich entscheidend. Und der folgende Hinweis in der Pressemitteilung des BMAS muss diejenigen skeptisch stimmen, die sich nur etwas in der Materie auskennen: »In der Baubranche und in der Fleischwirtschaft hat sich die Nachunternehmerhaftung bei vergleichbarer Problemlage bereits bewährt − im Bau seit gut 15 Jahren.« Die haben sich dort bereits „bewährt“? Eine These, die man durchaus kritisch bewerten kann und muss. (…) Wir haben schon auf der Ebene der Kontrollen ein ganz massives Problem. Und es hört ja in der Umsetzungswirklichkeit nicht auf bei der Frage, ob und wie viele Kontrollen man durchführt. Man muss einschränkend berücksichtigen, dass selbst wenn a) erfüllt werden würde, also eine deutliche Erhöhung der Kontrollintensität (was derzeit angesichts der Personalprobleme beim Zoll eine gewagte Annahme ist), die Umsetzung mit dem Nachweisproblem konfrontiert wird. Damit ist gemeint, dass der gerichtsfeste Nachweis von nicht gezahlten Beiträgen zur Sozialversicherung sehr kompliziert ist. (…) Es wäre sehr viel gewonnen, wenn die den von vielen beklagten Missständen zugrundeliegende Outsourcing-Strategie der großen Paketzusteller im Sinne einer Umkehrung verändert wird, dass also die Paketdienste (wieder) eigene, bei ihnen angestellte Zusteller beschäftigen. Die Beauftragung von Subunternehmen also nicht als Regel-, sondern als Ausnahmefall. Dies wäre angesichts der Besonderheiten in dieser Branche mit einem allgemeinverbindlich zu erklärenden Tarifvertrag zu verbinden…“ Kommentar vom 19. September 2019 von und bei Stefan Sell
- Einführung der Nachunternehmerhaftung für Paketbranche
„Das Bundeskabinett hat am 18.09.2019 den Entwurf des Paketboten-Schutz-Gesetzes
beschlossen, dessen Ziel es ist, die Nachunternehmerhaftung, die bereits seit Jahren in der Fleischwirtschaft und am Bau wirkt, auf die Paketbranche auszuweiten. Die Neuregelung soll künftig die korrekte Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen. (…) Mittlerweile seien die Paketdienste dazu übergegangen, einen Teil ihrer Aufträge aus Kapazitätsgründen an Subunternehmer abzugeben. Dabei komme es unter anderem zu Schwarzgeldzahlung, Sozialleistungs- und Sozialversicherungsbetrug zulasten der Beschäftigten. Ziel des Paketboten-Schutz-Gesetzes sei es zugleich auch, die ehrlichen Unternehmen vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Die Nachunternehmerhaftung (auch Generalunternehmerhaftung) stelle sicher: Wer einen Auftrag annehme und an einen Nachunternehmer weiter vergebe, hafte für die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge. Führe der Subunternehmer keine Beiträge ab und seien sie nach Kontrollen nicht bei ihm einzutreiben, stehe der Hauptunternehmer ein. Um Hauptunternehmer zu entlasten, ohne die Pflichten der Nachunternehmer zu vernachlässigen, könnten Krankenkassen und Berufsgenossenschaften dem Nachunternehmer, der die Sozialbeiträge bisher ordnungsgemäß abgeführt habe, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen. Wer einen Auftrag an eine Firma weitergebe, die solch eine Bescheinigung vorweisen könne, sei von der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge befreit, wenn diese Firma die Beiträge wider Erwarten doch nicht abführe…“ Pressemitteilung des BMAS vom 18.09.2019 bei juris
– siehe dazu DGB und ver.di:
- „Endlich greift die Bundesregierung bei unhaltbaren Zuständen in der Paketbranche durch“. Nachunternehmerhaftung Paketbranche: Buntenbach begrüßt Beschluss des Bundeskabinetts
„Das Bundeskabinett beschließt heute das Gesetz zur Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge in der Paketbranche. Damit werden Unternehmen, die Pakete nicht selbst, sondern durch Dritte befördern lassen, bei Sozialleistungs- und Sozialversicherungsbetrug haftbar. Dazu sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Mittwoch in Berlin: „Endlich greift die Bundesregierung bei den unhaltbaren Zuständen in der Paketbranche durch, wie es ver.di und DGB schon seit langem gefordert haben. Sozialleistungs- und Sozialversicherungsbetrug ist schließlich kein Kavaliersdelikt und trifft Arbeitnehmer hart. Es darf nicht sein, dass das starke Wachstum der Branche auf dem Rücken der Beschäftigten durch prekäre Arbeitsbedingungen weitergeht und tariflich und sozial geschützte Arbeitsplätze weiter unter Druck geraten. Der Bundestag muss das Gesetz jetzt schnell beschließen und dafür sorgen, dass es durch mehr Kontrollen auch richtig durchgesetzt wird. Nur so kann man den prekären Arbeitsbedingungen in der Paketbranche beikommen.“ DGB-PM vom 18.09.2019
- Nachunternehmerhaftung Paketbranche: ver.di begrüßt Beschluss des Bundeskabinetts
„ver.di begrüßt, dass das Bundeskabinett heute einen Gesetzesentwurf zur Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge in der Paketbranche verabschiedet hat. „Es ist richtig, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf auf die unhaltbaren Zustände in der Paketbranche reagiert. Wir erwarten, dass der Bundestag die Nachunternehmerhaftung zügig beschließt und mit erforderlichen Kontrollen gegen Ausbeutung in der Branche vorgegangen wird“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht eine Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen vor, die Pakete nicht selbst, sondern durch Dritte befördern lassen. ver.di fordert die Politik seit längerem auf, eine Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge einzuführen, wie sie bereits in der Bauwirtschaft und in der Fleischindustrie existiert. Es könne nicht hingenommen werden, dass das starke Wachstum in der Paketbranche überwiegend über prekäre Arbeitsbedingungen stattfinde und tariflich und sozial geschützte Arbeitsplätze weiter unter Druck gerieten.“ ver.di-PM vom 18. September 2019
- „Endlich greift die Bundesregierung bei unhaltbaren Zuständen in der Paketbranche durch“. Nachunternehmerhaftung Paketbranche: Buntenbach begrüßt Beschluss des Bundeskabinetts
- Exploitation postale – Die von der Bundesregierung initiierte sogenannte Nachunternehmerhaftung soll ausbeuterische Bedingungen in der Paketbranche beenden. Ob das gelingt, ist jedoch fraglich.
„Die Post- und Paketbranche in Deutschland boomt. Die etwa 200 000 Paketzusteller in Deutschland liefern pro Jahr über drei Milliarden Pakete aus. Mehr als 26 Milliarden Euro Umsatz und damit ein Wachstum von 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten die Postdienstleister 2017. Davon entfielen 16,6 Milliarden Euro allein auf den Paketbereich. Grundlage des Booms sind die niedrigen Löhne und katastrophalen Arbeitsbedingungen, die es den Zustelldiensten ermöglichen, ihre Dienstleistung so günstig anzubieten, und unter denen die Beschäftigten zu leiden haben. (…) Weil die ausbeuterischen Bedingungen bei den Zustelldiensten immer stärker öffentlich angeprangert wurden, sah sich die Bundesregierung nun zum Handeln gezwungen und initiierte nach Beratungen im Koalitionsausschuss ein Gesetz zur sogenannten Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche. (…) Ob das mit großem Getöse angekündigte Gesetz tatsächlich dazu beiträgt, die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Betroffenen zu verbessern, ist jedoch fraglich. (…) Das Problem ist vielmehr, dass der vielgerühmten unternehmerischen Kreativität kaum Grenzen gesetzt sind, wenn es um die Umgehung der gesetzlichen Mindestlohnregelungen geht, und das Gesetz zudem viele Lücken lässt, die die Unternehmen zu ihren Gunsten nutzen. (…) Tatsächlich sieht das geplante Gesetz keinen besseren Schutz der Beschäftigten vor solchen und anderen Betrügereien beim Mindestlohn vor. Die Nachunternehmerhaftung bezieht sich vielmehr auf die Sozialversicherungsbeiträge. Die großen Zustellunternehmen sollen künftig Sozialabgaben für Paketboten nachzahlen müssen, wenn ihre Auftragnehmer das versäumen. Das Problem des flächendeckenden Mindestlohnbetrugs wird mit dem Gesetz, allen Ankündigungen zum Trotz, also nicht gelöst. (…) Ihr lukratives Geschäftsmodell des Lohndumpings werden die Unternehmen allerdings kaum freiwillig aufgeben. Hierzu bräuchte es die Organisierung der Beschäftigten und den gemeinsamen Kampf für bessere Löhne.“ Kommentar von Stefan Dietl vom 1. August 2019 aus Jungle World 2019/31
- Wahltricks gegen Lohndumping. Koalition einigt sich auf Nachunternehmerhaftung für Paketbranche und will Wirtschaft von Bürokratie entlasten
„Die Bundesregierung will etwas gegen die miserablen Arbeitsbedingungen bei den Paketzustellern unternehmen. Nach wochenlangem Streit haben sich die Spitzen von Union und SPD am späten Dienstag abend auf die Einführung einer sogenannten Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche geeinigt. Damit will man große Logistiker wie DHL, DPD, GDL und Hermes dazu verpflichten, Sozialabgaben für Subunternehmen nachzuzahlen, wenn diese gegen geltende Lohn- und Arbeitsstandards verstoßen. Ein Ende April durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegter Gesetzentwurf soll nun mit dem Einverständnis von CDU/CSU auf den Weg gebracht werden. Als Gegenleistung willigten die Sozialdemokraten ein, den »Bürokratieabbau« zugunsten kleiner und mittelständischer Betriebe voranzutreiben. Ziel sei es dabei, die Wirtschaft um Kosten im Umfang von »mindestens eine Milliarde Euro« zu entlasten, heißt es in der Abschlusserklärung des Koalitionsausschusses, der vier Stunden lang unter Vorsitz von Regierungschefin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt getagt hatte. Das angekündigte Bürokratie-Entlastungsgesetz (BEG III) soll daneben weitere Maßnahmen zur Entlastung der Bürger sowie der Verwaltung enthalten. Details zu dem von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forcierten Projekt blieben die Sitzungsteilnehmer allerdings schuldig. Zu den erforderlichen Schritten wollen die beteiligten Fachminister in Kürze eine Vereinbarung treffen. (…) Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, traut dem Frieden nicht. Die Nachunternehmerhaftung sei »ein längst überfälliger Schritt«, bei dessen Umsetzung es ganz entscheidend darauf ankommen müsse, »dass das Gesetz keine Schlupflöcher enthält, wie es sie in der Bau- und Fleischbranche gibt, und zugleich verstärkt Kontrollen in der Branche durchgeführt werden«…“ Beitrag von Ralf Wurzbacher bei der jungen Welt vom 16. Mai 2019
- Koalition will Paketboten etwas besser schützen: Zustellunternehmen sollen künftig haften, wenn beauftragte Subunternehmen für ihre Paketboten keine Sozialabgaben zahlen
„Die Große Koalition will die Arbeitsbedingungen von Paketboten verbessern und zugleich Unternehmen von Bürokratie entlasten. Auf diese zwei Gesetzesvorhaben einigten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Dienstagabend in ihren Beratungen im Koalitionsausschuss unter dem Vorsitz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die SPD setzte dabei die von ihr gewünschte Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche durch. Ein zweites Gesetz soll den Bürokratieabbau vorantreiben – ein Anliegen vor allem der Union. Die Parteien gaben die Einigung nach rund vierstündigen Beratungen im Berliner Kanzleramt bekannt. Die Einführung der Nachunternehmerhaftung bedeutet, dass große Zustellunternehmen künftig Sozialabgaben für Paketboten nachzahlen müssen, wenn ihre Subunternehmen dies versäumen. Für möglichen Betrug ihrer Vertragspartner werden damit also die Unternehmenr in Haftung genommen, was letztlich die Lage der Beschäftigten in der Branche verbessern soll. (…) Zwar erkannten auch die Unionsparteien die Notwendigkeit an, die Arbeitsbedingungen von Paketboten zu verbessern, ihre Zustimmung zu dem SPD-Vorhaben machten sie allerdings abhängig von einem Gesetz zum Bürokratieabbau. Auf eine solche Doppellösung einigten sich nun die Koalitionsspitzen. Sie beschlossen, parallel zu dem Gesetz zur Paketbranche ein Gesetz zur Bürokratie-Entlastung vor allem für kleine und mittlere Unternehmen auf den Weg zu bringen, wie es die Union gefordert hatte. Dieses solle »spürbare Entlastungen für die Wirtschaft« enthalten, die sich auf mindestens eine Milliarde Euro summieren, heißt es in einem Ergebnispapier der Koalitionsrunde. Profitieren sollen davon auch Bürger und Verwaltung…“ Agenturmeldung vom 15.05.2019 beim ND online
- Subunternehmer: Paketfahrer-Gesetz lässt Hintertür für Schummler offen
„Paketdienste sollen in Zukunft für Arbeitsbedingungen bei ihren Subunternehmern haften. Doch mit einem Hebel könnten sie sich von der Gesetzesregel befreien lassen – und neu eingestellte Fahrer weiter in einem Graubereich beschäftigen. (…) Denn nach den jetzt bekannten Plänen dürfen sich die Zustellfirmen unter bestimmten Bedingungen von der neuen Gesetzesregel befreien lassen – um anschließend bei Neueinstellungen mit ihren teilweise miserablen Arbeitsbedingungen weiterzumachen. (…) Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa will Kramp-Karrenbauer im Koalitionsausschuss am 14. Mai einen Kompromiss aushandeln lassen. Ziel ist es demnach, die Nachunternehmerhaftung zwar vorzuschreiben – die betroffenen Firmen jedoch durch bestimmte Auflagen gleich wieder davon zu befreien. Zudem sollen die Dokumentationspflichten über den Mindestlohn verringert werden, indem die Verdienstgrenzen neu festgelegt werden. (…) „Das neue Gesetz wird ins Leere laufen und nichts verändern“, sagte der Vorsitzender des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste, Andreas Schumann. Der Subunternehmer aus dem Beispiel würde dann einige korrekt beschäftigte Angestellte und daneben weitere Fahrer auf Tour schicken, die wie früher in einem Graubereich der Lohnzahlung und Jobabsicherung arbeiten würden. Der Verband schlägt eine weitaus höhere Hürde vor. Subunternehmer sollten im Rahmen einer sogenannten Präqualifizierung umfangreiche Kenntnisse zur Firmenführung und Gesetzeskenntnis nachweisen müssen. Prüfgesellschaften wie TÜV oder Dekra ebenso wie die Handelskammern könnten eine derartige Eignungsprüfung vornehmen. Erfahrungen mit eben diesem Verfahren gibt es bereits. So existiert auf dem Bau sowie in der Fleischindustrie eine Nachunternehmerhaftung mitsamt der beschriebenen qualifizierten Befreiungsmöglichkeit. Die Folge ist, dass die Zahl der durch den Zoll beanstandeten Verstöße wesentlich zurückgegangen ist…“ Beitrag von Birger Nicolai vom 2. Mai 2019 bei der Welt online
- Miese Arbeitsbedingungen – Bundesrat will Ausbeutung in Paketbranche stoppen
„Schlechte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung in der Paketzustellbranche sollen nach dem Willen der Bundesländer per Gesetz eingedämmt werden. Die Länder forderten bei der Sitzung im Bundesrat die Einführung der sogenannten Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge. Damit wäre der eigentliche Auftraggeber zuständig, dass Subunternehmer die Beiträge entrichten. Derzeit sei die „Grauzone zum Ende der Kette“ immer schwerer zu fassen und zu durchschauen, hieß es in der Bundesratsentschließung. Wenn Rechtsverstöße bekannt würden, zögen sich die von den Versandunternehmen beauftragten Logistikfirmen durch die Kündigung des Subunternehmens aus der Verantwortung. Mit der Nachunternehmerhaftung hingegen wäre dies nicht möglich, verwies die Länderkammer und bezog sich auf die Fleischwirtschaft, in der dieses Prinzip bereits gilt. Darüber hinaus kritisierten die Länder die Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz in der Paketbranche. Arbeitgeber müssten deshalb verpflichtet werden, Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit der Paketzusteller zu dokumentieren…“ Agenturmeldung vom 12.04.2019 beim ZDF
- Die „SubSubSub-Masche“ bei verdi und die „Wegwerfmenschen“ bei Prälat Kossens – Die DGB-Gewerkchaften: Sie geben sich eher selbst auf, als daß sie gegen das Kapital kämpfen.
„… In der neuen Ausgabe von Publik, der Hauspostille für die verdi-Mitglieder, steht ein (…), bei dem verdi gut und die SubSubSub-Unternehmer schlecht wegkommen. Erwartungsgemäß. Das ist die übliche Schreibe in den Zeitschriften der DGB-Gewerkschaften. Denselben Artikel hätte Publik schon vor zehn oder 20 Jahren veröffentlichen können beziehungsweise kann ihn in zehn Jahren wieder hervorholen, nur der Name des Nachfolgers von verdi-Chef Bsirske müßte erneuert werden. Immer dieselbe Masche: Schimpfen auf die bösen Subunternehmer, viel Selbstlob und Appelle an den Staat und nebenbei noch Lob für SPD- und Schelte für die CDU-Minister in der Regierung. Kurz vor seinem Abgang traut sich Herr Bsirske noch mal was ganz Radikales, er redet von „mafiösen Strukturen“ in der Paketbranche. Und hat mit dieser Masche großen Erfolg, er wird nicht nur in Gewerkschaftszeitungen viel zitiert. Was wollen die Gewerkschaftsführer und die Gewerkschaftszeitungen mit ihrer Masche erreichen? Daß die Mitglieder ob der Verbalradikalität, des Verstandenwerdens und des sich-Kümmerns bei der Stange bleiben, das heißt nicht austreten, denn das ist das Wichtigste an ihnen: Ihr Beitrag. Und den Konzernen wird signalisiert: Wir tun euch nichts, wir sind für die Beibehaltung der Werkverträge, der Leiharbeit, wie seit Jahrzehnten. Wir haben alles im Griff, wir sorgen weiter für sozialen Frieden. (…) Ohne Widerstand von Seiten der DGB-Gewerkschaften, in Harmonie mit Regierung und SPD wurden die Sozialabkommen mit den ehemaligen Ostblockländern abgeschlossen, die nicht nur die Stammbelegschaften in Deutschland überflüssig machten sondern auch das ganze Mitbestimmungssystem ad absurdum führten. Das ist wahre Sozialpartnerschaft: Man opfert sich für die Profitinteressen der Konzerne und ihrer Subunternehmen. Und hat nur noch den Anspruch, Werkverträge und Leiharbeit mit zu gestalten. Wobei gestalten heißt, die Regierung zu bitten, Nachunternehmerhaftung bei Sub-, bei Sub- und Sub-Unternehmern einzuführen. Da freut sich aber der Zoll – wegen der Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme! Und in der Gewerkschaftszeitung (hier Publik) lamentiert man radikal gegen die bösen Sub-, Sub-, Subunternehmer. Nur gegen das System der Werkverträge geht man nicht vor, schon gar nicht gegen das kapitalistische System, das sich in Leiharbeit und Werkverträgen selbst verwirklicht. Dafür sind die Bedingungen in Deutschland als führender Wirtschaftsnation hervorragend.“ Ein Beitrag von Dieter Wegner, aktiv bei Gewerkschaftslinke Hamburg, vom 9. April 2019 bei Jour Fixe
- Arbeitssituation von Paketboten: 4,50 Euro pro Stunde, null soziale Absicherung
„… In drastischen Worten kritisiert die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles die schlechten Bedingungen, unter denen Paketzusteller in Deutschland arbeiten müssten. Insbesondere bei Subunternehmern liege „eine Menge im Argen“, sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. Zum Teil komme es in der Branche zu „handfester Ausbeutung“. An diesem Montag beschäftigt sich die SPD-Spitze in Berlin mit der Situation bei den Zustelldiensten. Die SPD will Angestellte von Subunternehmen besser schützen und dafür auch in der Paketbranche eine sogenannte Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge einführen. Paketdienste müssten dann für Verstöße ihrer Subunternehmer gegen die Sozialversicherungspflicht einstehen. Einen entsprechenden Vorstoß hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gestartet, er stößt damit jedoch auf Widerstand in Teilen der Union. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält ein solches Vorgehen für ungeeignet. (…) Auch wenn die Prüfungen noch dauern, förderte die Razzia bereits verheerende Zustände ans Licht: nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge, illegale Beschäftigung, Verstöße gegen den Mindestlohn. Teilweise hatten Fahrer nicht einmal einen Führerschein. Das Hauptzollamt Duisburg meldete als Zwischenergebnis, dass „im Durchschnitt jeder dritte Arbeitgeber im Bereich Paketzusteller und Kurierdienste“ zu wenig Lohn zahle. Die Angestellten haben Anspruch auf den Mindestlohn in Höhe von derzeit 9,19 Euro pro Stunde.Die SPD hat für diesen Montag Verdi-Chef Frank Bsirske als Gast eingeladen. Der Gewerkschafter hatte unlängst „mafiöse Strukturen“ in der Branche angeprangert. Teilweise würden ausländischen Fahrern nur Stundenlöhne von 4,50 bis sechs Euro gezahlt…“ Beitrag von Henrike Roßbach und Mike Szymanski vom 17. März 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online
- Paketzusteller: Die Spitze der Pyramide des Preis- und Lohndrucks soll in Haftung genommen werden können. Ein Schritt vorwärts mit einem Fragezeichen
„Immer wieder wurde hier in den vergangen Jahren über die teilweise nur noch als Wild-West-Zustände beschreibbare Welt der Paketzusteller berichtet. (…) Die Subunternehmer sind das zentrale Scharnier für die Profite oben und den massiven Lohndruck unten bei den Paketzustellern. Immer wieder und zugleich immer öfter das gleiche Muster: Vorenthaltener Lohn und die Ausbeutung südosteuropäischer Fahrer. (…) »Nun könnte man natürlich auf den Gedanken kommen, dieses offensichtliche Nicht-Zuständigkeitsspiel zumindest für die bislang gefahrlos profitierenden Auftraggeber an der Spitze dadurch zu erschweren, dass … eine Generalunternehmerhaftung in der Paketbranche eingeführt wird.« (…) Vorbild ist hierfür das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) vom 17.07.2017, das eine Nachunternehmerhaftung in § 3 vorsieht (Haftung für Sozialversicherungsbeiträge). (…) Das angesprochene Fragezeichen an dieser an sich richtigen Aktion wird besser verständlich, wenn man sich dann diesen Beitrag vom 18. Dezember 2018 anschaut: Billig-Schlachthaus Deutschland: Vertrauen mag gut sein, Kontrollen wären besser. Oder: Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht. Dort wurde das hier zu thematisierende Problem so eingeleitet: »Man hat eine gut gemeinte Absicht, macht sogar einen gesetzgeberischen Vorstoß – und nach einiger Zeit zeigt sich, das hinten was ganz anderes herausgekommen ist. Das bekommen wir derzeit mit Blick auf die deutsche Fleischwirtschaft serviert.« Was ist passiert? »Ein Gesetz zur Stärkung der Rechte von Schlachthof-Arbeitern tut genau das Gegenteil von dem, was es soll: Es schwächt sie. Kontrolliert wird nun noch seltener als zuvor und teils so, dass man gar keine Verstöße finden könne, so die Kritik. Dabei sind die schlechten Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen bekannt: Experten beklagen teils sklavenähnliche Zustände.« So Martin Balser in seinem Artikel Schlachthof-Kontrollen nehmen rapide ab (…) Und genau aus solchen Erfahrungen speisen sich auch die Zweifel, ob der einfache gesetzgeberische Transfer dessen, was man für die Fleischindustrie gemacht hat, auf den Bereich der Paketdienste wirklich zu einer Verbesserung führen wird. Wenn man nicht gleichzeitig eine (gerade am Anfang einer solchen gesetzlichen Neuregelung unbedingt erforderliche) spürbare Kontrolldichte sicherstellen kann. Und daran kann und muss man derzeit und auf absehbare Zeit mit Blick auf die Personalsituation beim Zoll zweifeln. Möglicherweise kommt am Ende für die Paketzusteller die Erfahrung heraus, dass eine sicher gut gemeinte rechtliche Regelung ohne entsprechende Kontrollen und Bestrafungsrisiken für die schwarzen Schafe unter den Unternehmen keine besondere praktische Relevanz entfalten wird, weil sie es nicht kann.“ Beitrag von Stefan Sell vom 4. März 2019 bei ‚Aktuelle Sozialpolitik‘
- Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche: ver.di begrüßt Gesetzvorhaben des Bundesarbeitsministers
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die Ankündigung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD), ein Gesetz zur Nachunternehmerhaftung für die Paketbranche auf den Weg zu bringen. „Die Branche steht hinsichtlich der Arbeitsbedingungen vielfach am Abgrund. Das entschlossene Handeln tut dringend Not und hilft den Beschäftigten, den Unternehmen sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Angesichts der zunehmend katastopalen Arbeitsbedingungen bei den Subunternehmen der Paketdienste fordert ver.di seit längerem vom Gesetzgeber, für die Paketbranche eine Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge einzuführen. Kocsis: „Eine solche Regelung folgt dem Prinzip: Wer Arbeit auslagert, bleibt dafür auchverantwortlich.“…“ ver.di-Pressemitteilung vom 02.03.2019