Düstere Aussichten (auch ökologisch): Zehntausende Busfahrer:innen fehlen bis 2030

Dossier

ver.di-Kampagne: Rettet Busse und Bahnen!„… Die Busbranche hat ihre Prognose zum Fahrermangel bis 2030 auf Basis aktueller Unternehmensbefragungen deutlich nach oben angepasst. Inzwischen geht der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) davon aus, dass in den nächsten sieben Jahren rund 87.000 Fahrerinnen und Fahrer fehlen werden (…) Aktuell fehlten den Busunternehmen der Umfrage zufolge insgesamt fast 7800 Leute. (…) Der Verband fordert deshalb vor allem eine Vereinfachung und eine Entbürokratisierung der Ausbildung für Busfahrer…“ Meldung vom 12. Februar 2023 bei n-tv.de externer Link („Düstere Aussichten: Zehntausende Busfahrer fehlen bis 2030“) und zum Thema:

  • Verkehrswende durch Personalnot in Gefahr: Tausende BusfahrerInnen bald in Rente (für den Nachwuchs fehlen auch attraktive Tarifverträge) New
    Es müssten rund 8.000 Bus- und Straßenbahnfahrer eingestellt werden – stattdessen wird fast die Hälfte in Rente gehen. Die Lage wird noch durch die Verkehrswende verschärft. Vier von zehn Bus- und Straßenbahnfahrern in Deutschland sind älter als 55 und gehen in den nächsten Jahren in Rente – der Fachkräftemangel in der Branche wird sich voraussichtlich erheblich verschärfen. Das geht aus einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die jüngst veröffentlicht wurde. „Mehr als 54.500 Bus- und Straßenbahnfahrer verlassen in absehbarer Zeit den Arbeitsmarkt“, sagte Studienautor Jurek Tiedemann. Schon jetzt bekommen auch Fahrgäste den Mangel an Personal zu spüren. In Umfragen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) habe zuletzt jedes zweite Unternehmen angegeben, „aus personellen Gründen den Fahrplan zumindest zeitweilig eingeschränkt zu haben“, sagte der Vorsitzende des Verbandsausschusses für Personalwesen, Harald Kraus. Prominentestes Beispiel dafür sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die seit rund zwei Jahren das Angebot an Linienbussen einschränken müssen.
    Bus und Straßenbahn: Verkehrswende verschärft Personalsituation
    Im vergangenen Jahr verzeichnete die Berufsgruppe der Bus- und Straßenbahnfahrer verhältnismäßig den stärksten Anstieg beim Fachkräftemangel. Knapp 3.600 Stellen konnten nicht mit passend qualifizierten Kandidaten besetzt werden, das waren 89 Prozent mehr als im Vorjahr. Dies ist Studienautor Tiedemann zufolge auch auf einen erhöhten Personalbedarf infolge der Mobilitätswende zurückzuführen. Deutschlandweit gibt es aktuell rund 137.300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die als Bus- und Straßenbahnfahrer arbeiten. „Das Problem ist: Es rücken deutlich weniger junge Beschäftigte nach, als ältere in Rente gehen“, sagte Tiedemann…“ Beitrag vom 21.04.2024 im ZDF externer Link („Verkehrswende in Gefahr. Personalnot: Tausende Busfahrer bald in Rente“)

  • „Nur die harten kommen in den Garten“: Die Berliner Verkehrsbetriebe zwischen Kulturkampf und Personalmangel
    Ohne BVG keine Mobilitätswende in Berlin. Der Nahverkehr muss ausgebaut werden, massiv. Aber schon jetzt schafft es das Unternehmen kaum, das bestehende Angebot zu halten und muss Taktzeiten auf vielen Linien einschränken. Es fehlt vor allem an Fahrer*innen: Allein um den regulären Fahrplan weiterhin anzubieten, bräuchte es 350 zusätzliche Beschäftigte. In den nächsten Jahren gehen aber sehr viele der knapp 5000 Fahrer*innen in den verdienten Ruhestand – viele fahren danach als Mini-Jobber weiter, um den Notstand zu lindern und zugleich die übersichtliche Rente zu verbessern. Für den dringend benötigten Ausbau wären also Tausende neue Beschäftigte nötig, die das Lenkrad übernehmen. Doch die BVG hat Schwierigkeiten beim „recruiting“. Der Job ist ein Knochenjob und stressig. (…) Stundenlanges Sitzen und Stress, dazu die Wechselschichten, die einen gesunden „Schlafrhythmus vernichten“ und die Alltagsplanung und Familienleben erschweren – die Krankenstände sind entsprechend hoch. Es sei dann doch eher ein „Job für alleinstehende und gesunde“ Menschen ohne Sorgeverpflichtungen. Seit der Pandemie hat sich herumgesprochen, dass es diese „systemrelevanten“ Jobs sind, die die Gesellschaft am Laufen halten, und nicht die Autofabriken oder die Banken. Demgegenüber ist das derzeitige Einstiegsgehalt von rund 2000 Euro brutto „recht bescheiden“, jedenfalls nicht attraktiv genug, um Beschäftigte für diesen belastenden Job zu gewinnen. Schon gar nicht Frauen, um die doch vermehrt geworben wird. (…) Noch immer werden die Fahrzeuge von recht wenig Frauen gefahren, auch gibt es wenig queere Menschen oder Männer, die nicht den üblichen Geschlechterbildern entsprechen. Das hat natürlich mit den schweren Arbeitsbedingungen und dem belastenden Schichtsystem zu tun, die schwer mit Sorgeverpflichtungen zu vereinbaren sind. Aber auch Sprüche, dass Frauen oder „Schwuchteln“ nicht hinter das Steuer eines 29-Tonnen-Busses gehören, tun ihr Übriges. Wenn frau Rat sucht, wird ihr schon mal empfohlen, sich „einfach ein dickeres Fell“ zuzulegen. Das geht schon in der Ausbildung los, etwa bei den Quereinsteiger*innen. Letztere sollen in wenigen Wochen diverse Prüfungen bestehen und werden dann sogleich in den Fahrdienst geworfen. Nach nur kurzer Zeit mit einem erfahrenen Lehrfahrer sollen sie teilweise mehr als 20 Linien fahren, mit ständigen Streckenveränderungen aufgrund von Baustellen. Da braucht frau harte Nerven. Nicht wenige versuchen, sich die Strecken in der Freizeit anzueignen.
    Schwäche zu zeigen kommt nicht gut an, schon gar nicht in der Probezeit. Schlimmer noch sind Krankschreibungen, die mitunter hart geahndet werden: Da der Krankenstand sehr hoch ist, versucht manch untergeordnete Personaler*in das Problem durch Härte zu lösen: „Zweimal krankgemeldet, da stimmt doch was nicht, bitte zum Personalgespräch“. Teilzeit gibt es, sie wird aber nicht gern gesehen, weil der Personalmangel so groß ist. Auch persönliche Bedürfnisse bei der Einteilung der Schichten gelten als „Extrawurst“. Auf den Betriebshöfen herrsche in Punkto Arbeitskultur die Devise „Nur die harten kommen in‘ Garten“, erzählt eine Beschäftigte. Ihren Namen möchte sie lieber nicht veröffentlicht sehen. Miese Zustände allüberall? Natürlich nicht, das Bemühen um eine Verbesserung ist deutlich. Doch zu häufig wird auf den Druck der Verhältnisse mit zusätzlichem Druck reagiert.
    In der Summe muss sich die BVG nicht wundern: „Die Fluktuation bei den fertig ausgebildeten Fahrern ist hoch“, so BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt jüngst im Tagesspiegel. Intern kursiert die Zahl, das bis zu 60 Prozent derjenigen, die eine Ausbildung bei der BVG absolviert haben, den Job wieder hinschmeißen. Um das zu ändern, ist eine bessere Personalbemessung zentral. Dafür muss sich die Kultur ändern, auch die Arbeitskultur…“ Artikel von Mario Candeias in der Zeitschrift Luxemburg vom Dezember 2023 externer Link

Siehe dazu:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=208921
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