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Zielscheibe Sozialstaat. Das Leben ist hart und es wird noch härter: Mächtige Kapitalinteressen und ihre politischen Verbündeten torpedieren unseren Sozialstaat.

Buch von Patrick Schreiner "Nichts für alle – Wie Politik und Wirtschaft uns den Sozialstaat kündigen" beim Brumaire VerlagMitte April veröffentlichte die FDP ein Papier mit dem Titel »12 Punkte zur Beschleunigung der Wirtschaftswende«. Mitte Mai folgten »Fünf Punkte für eine generationengerechte Haushaltspolitik«, die eine »Haushaltswende« vorantreiben sollen. Mit beiden Papieren knüpfen die Liberalen ersichtlich an Olaf Scholz’ Rede von einer »Zeitenwende« an. Das Wenden scheint zur politischen Dauertätigkeit zu werden – Verlust des Gleichgewichts nicht ausgeschlossen. Für die Zukunft des Sozialstaats verspricht das nichts Gutes. (…) Dass die Konjunktur in Deutschland schwächelt, spielt den Sozialstaatswendern in die Karten. Mit Schwarzmalerei erhöhen sie die scheinbare Dringlichkeit ihrer Vorschläge: Deutschland sei auf dem absteigenden Ast, es drohe der Absturz in die Zweite Liga – weshalb es eine radikale Umkehr brauche, eine Wende eben. (…) Beharrlich führen sie Deutschlands vermeintlichen Abstieg auf Bürokratie, Steuern und einen überbordenden Sozialstaat zurück…“ Artikel von Patrick Schreiner vom 20. Juni 2024 in Jacobin.de externer Link – ab da im Abo – zu seinem Buch „Nichts für alle – Wie Politik und Wirtschaft uns den Sozialstaat kündigen“ beim Brumaire Verlag externer Link und mehr dazu:

  • Wie der Sozialstaat untergraben wird: In seinem Buch lässt Patrick Schreiner die zu Wort kommen, denen selten zugehört wird: Menschen aus der Pflege, Sozial- und Erziehungsberufen New
    „… Von außen konnte man das Gebäude für ein Hotel mit Alpenblick halten: Balkone, landestypische Holzvertäfelungen und viel Grün. Hier am Schliersee begann der Tourismus – im Sommer wie im Winter – schon früh im 19. Jahrhundert. (…) Das vermeintliche Hotel war aber keines, sondern ein Pflegeheim – und von Genuss und Erholung konnte nicht die Rede sein. Die „Seniorenresidenz“ war ein Horrorhaus. Im Zuge von Corona-Untersuchungen kamen 2020 Zustände ans Licht, die zur behördlich angeordneten Schließung führten. Von verwahrlosten Bewohnerinnen und Bewohnern wurde berichtet, von mangelndem Personal und unhaltbaren hygienischen Zuständen. Ein Bewohner sei auf 44 Kilogramm abgemagert; einige hätten nur 100 Milliliter Flüssigkeit pro Tag getrunken. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf Körperverletzung in 88 Fällen und untersuchte 17 Todesfälle. (…) Die „Seniorenresidenz“ ist ein Extrembeispiel. Doch sie ist kein Einzelfall. (…) Die Politik hat den Sozialstaat in den vergangenen Jahrzehnten nicht klug entwickelt. Dass privaten Akteuren oft Vorrang vor gemeinnützigen oder öffentlichen gegeben wurde, ist dabei nur ein Teil des Problems. Das Vertrauen vieler Menschen in die Fähigkeiten demokratisch gestalteter staatlicher Einrichtungen ist gesunken – weil der Markt es angeblich besser kann. (…) Ein weiterer Teil des Problems: Die Politik hat den Sozialstaat finanziell ausgehungert. (…) Hinzu kommt: Soziale Ungleichheit verursacht Kosten, wenn wir verhindern wollen, dass Teile der Bevölkerung noch mehr abgehängt werden. In Deutschland sinken die Einkommensanteile der unteren 50 Prozent der Bevölkerung im Trend seit Jahrzehnten, während die Einkommensanteile der obersten 10 Prozent steigen. Und zwar vor und nach Steuern. Armut nimmt zu. Diese Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis politischer Entscheidungen. Wegen dieser wachsenden sozialen Ungleichheit braucht es den Sozialstaat. (…) Ein starker Sozialstaat wirkt aber auch gegen die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. Er stellt beispielsweise die Weichen am Arbeitsmarkt so, dass Diskriminierung bei Löhnen und Jobs zumindest erschwert wird. Und er entlastet bei Kindererziehung und Pflege, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöht. (…) Damit der Sozialstaat den wachsenden sozialen Bedarfen gerecht werden kann, braucht er mehr Geld. Insofern gehört auch zur Wahrheit, dass die Sozialausgaben heute sehr viel höher wären, würden die Bedarfe tatsächlich gedeckt. (…) „Wir haben seit Jahrzehnten jene Menschen und jene Kompetenzen vernachlässigt, die das Rückgrat dieses Sozialstaats sind – die in Pflege und Gesundheitseinrichtungen, in Kitas, Schulen und bei sozialen Trägern, in Schwimmbädern und Bibliotheken, in den Sozialverwaltungen und kommunalen Ämtern arbeiten. In vielen Bereichen ist Personal abgebaut oder in Billigfirmen ausgelagert worden. In Pflege, Kitas und Sozialer Arbeit, wo enorme Mehrbedarfe an Personal schon lange absehbar waren, hat man weder ausreichend ausgebildet noch konsequent genug die Arbeitsbedingungen verbessert. Dass sich die Löhne etwa der Pflege- und Kita-Beschäftigten seit einigen Jahren überdurchschnittlich entwickeln, mussten und müssen die Gewerkschaften gegen erbitterten Widerstand der Arbeitgeber und von Teilen der Politik durchsetzen.“ Aus der leicht überarbeiteten und aktualisierten Fassung der Einleitung von Patrick Schreiner in E&W vom 7. Juli 2025 bei der GEW externer Link aus seinem Buch „Nichts für alle – wie Politik und Wirtschaft uns den Sozialstaat kündigen“
  • »Nichts für alle« | Buchpremiere mit Patrick Schreiner und Wolfgang M. Schmitt
    Unser Sozialstaat steht auf der Kippe. Es mangelt an Geld, Personal und Wertschätzung. Die Politik muss handeln. Denn nur Reiche brauchen keinen Sozialstaat. Dieses Buch handelt von Menschen, die für den Sozialstaat arbeiten. Sie pflegen, erziehen, versorgen, beraten, unterstützen, retten, begleiten Geburten und helfen später in schwierigen Lebenslagen. Diese Menschen berichten über ihren Arbeitsalltag, über schöne und furchtbare Erlebnisse, über ihre Sicht auf die Probleme unseres Sozialstaats. Patrick Schreiner lässt die zu Wort kommen, denen selten zugehört wird. Er zeigt, warum wir den Sozialstaat brauchen und was besser werden muss…“ Video vom 21.05.2024 vom Jacobin Magazin bei youtube externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=229153
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