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Pflege. Die unsichtbar Berührten

Plakat der freiburger Protestaktion Pflege am Boden 2015“… Doch neben den Kranken existieren noch andere Menschen hinter diesen Mauern, die Sie wahrscheinlich bis jetzt nicht einmal mitgedacht haben. Gesunde, zumeist junge Frauen (annähernd 90% von ihnen sind weiblich), die einen Großteil ihres Lebens hinter diesen Mauern mit den Kranken zubringen. Auch für sie haben wir uns an wordings abgearbeitet. Sie waren Krankenschwestern, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und sind nun Pflegefachpersonen. Reframing statt Reformen hat hinter diesen Mauern Tradition. (…) So unberührt diese Frauen auch von unseren Gedanken und von Ereignissen des Lebens hinter den gesellschaftlichen Gardinen der Krankenhäuser zu sein scheinen: Ihre Körper sind es nicht. Denn gleich hinter den Mauern der Institutionen verschieben sich nicht nur die Wahrnehmungs- sondern auch die Rechtsgrenzen der Gesellschaft. Alles, was Sie über Freiheit, Emanzipation, Selbstbestimmung, Recht und Grundrechte wissen, geben jeden Morgen, meist ab 05:30 – die Dienstzeiten sind übrigens die Zeiten der Stundengebete der Klosterschwestern aus dem Mittelalter –, diejenigen am Eingangstor ab, die die Kranken versorgen. Sie wechseln vom Individuum Frau in eine weiß uniformierte Arbeitsmasse des Liebesdienstes, dessen Paradigmen sich die alten weißen Männer der Gesellschaft standhaft weigern, zu verändern. (…) In der Pandemie ist der pflegende Frauenkörper, wie auch sonst in der Pflege, der mit den besonderen Anforderungen. Er darf keine Ruhe haben müssen, er kann 12 h durcharbeiten ohne zu klagen und kommt mit drei freien Tagen im Monat aus. (…) Auch der Beruf selbst ist Körper. Fürs Händchenhalten dankte Pinar Atalay am 30.12. in den Tagesthemen den Coronahelden. Als hätten gut ausgebildete Pflegefachpersonen 3 Jahre Ausbildung, ein Fachjahr, 5 Jahre Studium durchlaufen, um Händchen zu halten. Das muss diese systemrelevante Arbeit sein, auf die die Gesellschaft nicht verzichten kann…“ Beitrag von Monja Schünemann vom 04.01.2021 auf ihrem Blog Pflegephilosophie externer Link

  • und besonders aktuell daraus: „… Erstaunen ruft in der Pflege hervor, wer sich derzeit nicht impfen lassen möchte. Kein Mensch kam vorher auf den Gedanken, dass die Pflegenden ein Anrecht darauf hätten, die Impfung zu verweigern, solange keine Impfpflicht besteht. Der im Schleudergang der Bürokratie untergehende Aufklärungsvorgang, der oft nur Sekunden dauert, wird oft nicht als Privileg empfunden. Deutlich verstehen nämlich Pflegende, dass es nicht um ihre Gesundheit geht, sondern um Utilitarismus. Arbeitsfähig sollen sie bleiben und allzeit einsetzbar. Wer, das beweist der Gesundheitsreport, seit Jahren zum Beruf mit dem höchsten Krankheitsstand mit Überbelastung im Bereich mental health zählt, der darf natürlich berechtigt fragen, ob man ihn mit dem Hinweis auf Gesundheit verarschen will…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=184789
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