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Erfolgreiche „Ausbildungsoffensive Pflege“ muss mit attraktiven Bedingungen einhergehen

Dossier

Charite Kampagne „Berlin für mehr Krankenhauspersonal!“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht in der „Ausbildungsoffensive Pflege“ als erstes Ergebnis der Konzertierten Aktion Pflege der Bundesregierung ein wichtiges Signal, um mehr Menschen für die Pflegeberufe zu begeistern. (…) „Entscheidend ist, dass Auszubildende nicht nur gewonnen, sondern durch attraktive Bedingungen und eine faire Bezahlung nach der Ausbildung auch im Beruf gehalten werden.“ Der Personalmangel mache sich schon in der Ausbildung bemerkbar, so Bühler weiter. Überstunden, Zeitdruck, kurzfristiges Einspringen, Zeitmangel der Praxisanleiterinnen und -anleiter seien in vielen Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen tägliche Realität. „Auszubildende dürfen nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Viele leiden darunter, ihrem beruflichen Ethos im Alltag nicht gerecht werden zu können“, so Bühler. „Gute Ausbildung braucht Zeit, eine nachhaltige Stärkung der Praxisanleitung und zusätzliches, gut qualifiziertes Personal.“...“ Pressemitteilung vom 28.01.2019 externer Link, siehe weitere Infos und Kommentare:

  • Fachkräftemangel in der Pflege: Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt New
    Bundesweit weniger Azubis in der Pflege. Einrichtungen können Ausbildungsplätze nicht besetzen. Warum zieht es weniger junge Menschen in die Pflege?
    Die Coronapandemie hat Deutschland viel über die Arbeitsbedingungen in der Pflege gelehrt. Das Personal ist überlastet, zu schlecht bezahlt – kurz: Der Pflegeberuf erscheint vielen Menschen wenig attraktiv. Abhilfe wurde versprochen, doch junge Menschen strömen noch immer nicht in Scharen in den Beruf. Natürlich gibt es auch positive Nachrichten. Die Helios-Kliniken in der Region Süd (Hessen, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern) berichteten zu Beginn des diesjährigen Ausbildungsstarts von einem deutlichen Anstieg junger Bewerber für eine Ausbildung in der Pflege. (…) Bundesweit gibt es einen gegenläufigen Trend, wie das Statistische Bundesamt Ende Juli mitteilte externer Link. Demnach haben im vergangenen Jahr sieben Prozent weniger Menschen eine Ausbildung in der Pflege begonnen. Das sind rund 4.100 Personen weniger, die sich für diesen Beruf entschieden haben. Insgesamt wurden nur 52.140 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Ein Jahr zuvor waren es noch 56.259.
    Über einen Mangel an Ausbildungs- und Studienplätzen in der Pflege kann man sich hierzulande nicht beklagen. Das geht aus einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) externer Link hervor. Demnach können viele Einrichtungen ihre Plätze nicht vollständig besetzen: Nur 21 Prozent der befragten Pflegeschulen und 27,4 Prozent der Ausbildungsstätten wie Krankenhäuser und Pflegeheime waren voll ausgelastet. Die Hauptgründe für unbesetzte Stellen sind fehlende Bewerbungen, mangelnde Eignung der Bewerber oder kurzfristige Absagen aufgrund anderer Angebote. Insbesondere Krankenhäuser lehnten Bewerbungen wegen unzureichender schulischer Qualifikationen ab. Auch mangelnde Sprachkenntnisse wurden häufig als Ablehnungsgrund genannt…“ Beitrag von Bernd Müller vom 26. August 2023 in Telepolis externer Link

  • Das ist nicht gut. Zur Entwicklung der Ausbildung in den Pflegefachberufen am Beispiel derjenigen, die eine Pflegeausbildung anfangen 
    „Sie werden überall gebraucht und sie fehlen immer öfter: Pflegekräfte. Genauer: Pflegefachpersonen. Menschen, die eine qualifizierte dreijährige Ausbildung absolviert haben und die in den Krankenhäusern, in der ambulanten und stationären Langzeitpflege oder anderen Gesundheitseinrichtungen ihrer Arbeit mit einer durch die Fachausbildung grundgelegten fachlichen Expertise nachgehen (können). Es geht hier also, das muss man gerade in Deutschland leider immer wieder hervorheben, nicht um irgendwelche „Pflegekräfte“, denn darunter subsumiert man häufig auch un- und angelernte Kräfte (gerade in der Alten- bzw. Langzeitpflege ist das von großer Bedeutung).
    Im Jahr 2022 haben rund 52.100 Auszubildende eine Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann begonnen. Damit ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Pflege gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent oder 4.100 zurückgegangen (2021: 56.300 Neuverträge), berichtet das Statistische Bundesamt unter der Überschrift 7 % weniger neue Ausbildungsverträge in der Pflege im Jahr 2022. Angesichts des heute schon überall beobachtbaren Mangels an Pflegefachkräften und mit Blick auf den weiter zunehmenden Bedarf an professionellen Pflegekräften ist das eine offensichtlich alarmierende Entwicklung, die sich hier hinter den nackten Zahlen verbirgt. (…)
    Man kann – neben aller Kritik am Niveau der Pflegeausbildungen insgesamt, gerade im internationalen Vergleich – durchaus konstatieren, dass es ein qualifikatorisches Gefälle gab zwischen den klassischen Krankenpflege- und der Altenpflegeausbildung. Das war neben anderen Aspekten auch ein bedeutsamer Streitpunkt bei der langjährigen Diskussion und der dann schlussendlich auch erfolgten Einführung einer generalistischen Pflegeausbildung. Ein Teil der Betreiber von Pflegeheimen und -diensten hat bis zuletzt Widerstand geleistet gegen die Aufgabe der (qualifikatorisch abgesenkten) eigenständigen Altenpflegeausbildung, weniger aus fachlichen Gründen, sondern weil die Abschottung der Altenpflege(ausbildung) eine wichtige Voraussetzung war und ist für das immer noch erhebliche Vergütungsgefälle zwischen der Krankenhauspflege und der stationären und ambulanten Altenpflege. Dem Druck der angesprochenen interessierten Kreise ist es dann auch zu verdanken, dass am Ende das Pflegeberufereformgesetz doch nicht in der eigentlich geplanten eindeutigen Reformvariante das Licht der Welt erblickt hat, sondern mit einer „Öffnungsklausel“ (nach unten) versehen wurde. Ob das allerdings den Heimbetreibern wirklich substanziell etwas bringen wird, sei hier mal dahingestellt. Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, wird eine generalistische Pflegeausbildung wählen, denn nur dieser Abschluss ermöglicht es, auch in den besser bezahlten Bereichen zu arbeiten. (…)
    Wie dem auch sei, die Träger von Altenpflegeeinrichtungen sind auch deshalb mehr als nervös, weil die (alte) Altenpflegeausbildung bis 2019 durchaus die stärkste Zunahme bei den Ausbildungsanfänger/innen-Zahlen zu verzeichnen hatte (…) In der Gesamtbilanz muss man nun nach drei Jahren der neuen, reformierten Pflegeausbildung neben den sektorspezifischen Fragen (die sich auch im Krankenhausbereich stellen) zur Kenntnis nehmen, dass wir quantitativ ein erhebliches Problem haben, das sich offensichtlich verschärft. Es werden schlichtweg viel zu wenig Nachwuchskräfte für die Pflegefachlichkeit ausgebildet (…) Man kann es drehen und wenden wie man will – die nackten Zahlen die Pflegeausbildung betreffend sind desaströs niedrig. Viel zu niedrig. Das wird sich rächen.“ Beitrag vom 15. August 2023 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Ausbildungsoffensive Pflege und ver.di-Aktionswoche für deutlich bessere Bedingungen für berufliche und hochschulische Pflegeausbildung
    „Anlässlich der heutigen Veröffentlichung des zweiten Berichts zur Ausbildungsoffensive Pflege fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) entschiedene Maßnahmen, um die Pflegeausbildung zu verbessern. Positiv bewertet die Gewerkschaft die steigenden Ausbildungszahlen in der beruflichen Pflegeausbildung. „Es ist sehr erfreulich, dass sich viele junge Menschen für diesen wunderbaren und sinnstiftenden Beruf interessieren“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Entscheidend ist am Ende allerdings, dass sie ihre Ausbildung auch erfolgreich abschließen und danach langfristig im Beruf bleiben.“ Die Gewerkschafterin verwies auf den im Oktober veröffentlichten ver.di-Ausbildungsreport Pflegeberufe, der unter anderem gravierende Defizite in der Praxisanleitung offenlegt. So berichten über 43 Prozent der befragten Auszubildenden, selten oder nie von Praxisanleiterinnen oder Praxisanleitern an ihre beruflichen Aufgaben herangeführt zu werden. „Es reicht nicht, einen Mindestumfang für Praxisanleitung ins Gesetz zu schreiben – er muss auch umgesetzt werden. Wo das nicht der Fall ist, müssen Ausbildungsbetriebe mit Sanktionen belegt werden“, forderte Bühler. Sie plädierte zudem für eine weitere Stärkung der Praxisanleitung durch die Erhöhung des im Pflegeberufegesetz festgeschriebenen Anteils auf mindestens 20 Prozent. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber in den neuen Pflegestudiengängen bleiben im Gegensatz zur beruflichen Pflegeausbildung deutlich hinter den Erwartungen zurück. „Die Gründe für das mangelnde Interesse liegen auf der Hand“, betonte Bühler. „Im Pflegestudium fehlt es an guten Bedingungen und Perspektiven. Hier muss dringend nachgebessert werden – am besten im Rahmen eines dualen Studiums mit betrieblicher Anbindung, angemessener Vergütung und verbindlichen Qualitätsstandards.“ (…) „Für eine gute Pflege braucht es gute Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsbedingungen“, erklärte Bühler. „Der Gesetzgeber muss hierfür den Rahmen setzen.“ ver.di-Pressemitteilung vom 14. November 2022 externer Link, siehe dazu:

    • ver.di-Aktionswoche in der Altenpflege für mehr Personal, Tarifbindung und solidarische Finanzierung
      „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft Beschäftigte aus der Altenpflege rund um den Buß- und Bettag zu Protesten auf. „Bei allem Verständnis für den Krisenmodus der Bundesregierung müssen jetzt auch die Probleme der Altenpflege angepackt werden, damit sich die Lage nicht weiter zuspitzt“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Beschäftigte aus der Altenpflege machen in der Aktionswoche deutschlandweit vor dutzenden Pflegeeinrichtungen mit Foto-Aktionen oder Kundgebungen auf die prekäre Situation aufmerksam. Vor 28 Jahren wurde der Buß- und Bettag in den Bundesländern (außer Sachsen) als Feiertag gestrichen, um die Arbeitgeber bei der Pflegeversicherung zu entlasten. „Die Pflegeversicherung muss 28 Jahre nach ihrer Einführung ertüchtigt werden, um ihre Aufgaben bewältigen zu können“, forderte Bühler. „Nötig ist in einem ersten Schritt die sofortige Deckelung der Eigenanteile, um zu verhindern, dass immer mehr pflegebedürftige Menschen in die Sozialhilfe getrieben werden.“ Perspektivisch müsse die Pflegeversicherung zu einer Solidarischen Pflegegarantie weiterentwickelt werden, zu deren Finanzierung alle Einkommensarten herangezogen werden und die sämtliche pflegebedingte Kosten in der ambulanten und der stationären Versorgung abdeckt. Auch bei der Personalbemessung bestehe großer Handlungsbedarf. (…) „Die Altenpflege muss wieder gemeinwohlorientiert organisiert werden. Eine bedarfsgerechte Personalausstattung und angemessene tarifliche Bezahlung müssen flächendeckend zur Regel werden. Das fordern wir am Buß- und Bettag und an jedem anderen Tag des Jahres.“ ver.di-Pressemitteilung vom 14. November 2022 externer Link
  • Ausbildungsreport Pflegeberufe: Weniger als 43 Prozent mit ihrer Pflegeausbildung zufrieden 
    Die Überlastung und Personalnot in den Gesundheitseinrichtungen hat auch deutliche Auswirkungen auf die Qualität der Pflegeausbildung. Das zeigt der aktuelle „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2021“ der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), an dem sich über 3.000 Auszubildende und Studierende beteiligt haben. Von diesen sind nicht einmal 43 Prozent mit ihrer Ausbildung zufrieden – weit weniger als in klassischen dualen Ausbildungsberufen. „Die hohe Unzufriedenheit von Auszubildenden in der Pflege ist ein Alarmsignal, das Arbeitgeber und politisch Verantwortliche nicht ignorierten dürfen“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Ziel muss es sein, dass sie ihre Ausbildung abschließen und langfristig im Beruf bleiben. Dafür braucht es gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen.“ Laut Befragung fühlt sich fast die Hälfte der Auszubildenden in der Pflege durch die Ausbildungsbedingungen häufig oder immer belastet. Viele klagen über hohen Zeitdruck (62 Prozent), mangelnde Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben (48 Prozent) sowie fehlende Pausen (43 Prozent). Über 58 Prozent berichten, dass sie immer oder häufig Probleme haben, sich in ihrer Freizeit zu erholen – eine Verdoppelung gegenüber der letzten Befragung im Jahr 2015 und weit mehr als in anderen Berufen. Bei der Praxisanleitung liegt ebenfalls einiges im Argen: Über 43 Prozent der Auszubildenden berichten, selten oder nie von Praxisanleiterinnen oder Praxisanleitern an ihre beruflichen Aufgaben herangeführt zu werden…“ ver.di-Pressemitteilung vom 13.10.2022 externer Link zum Ausbildungsreport Pflegeberufe in Zusammenfassung externer Link und Volltext externer Link
  • Chefin führt Luxusleben in Dubai – ihre Pflegeazubis bekommen sieben Euro pro Stunde 
    „Ein Arbeitstag als Pflegeazubi macht deutlich, wie schlimm die Situation im profitorientierten Gesundheitswesen ist. (…) Ich heiße Yunus und bin Pflege-Auszubildender im ersten Lehrjahr bei einer Berliner Klinik. Heute war ich bei meinem ersten Arbeitseinsatz in der ambulanten-häuslichen Pflege in der Wohngemeinschaft, die von einem privaten Unternehmen geführt wird. Als Azubis der großen Kliniken werden wie im Rahmen der Ausbildung zu solchen privaten Kliniken ausgeliehen, die häufig sehr stark unter dem Personalmangel leiden. Wir verdienen brutto nur sieben Euro pro Stunde und arbeiten in Vollzeit, während Kolleg:innen ohne eine Ausbildung doppelt so viel Geld bekommen wie wir, was immer noch zu wenig für diesen Job ist. Es ist also für diese privaten Unternehmen ein sehr gutes Geschäft, uns Azubis als billige Arbeitskräfte einzusetzen; besser als mehr feste Kolleg:innen einzustellen. (…) In Gesprächen mit Kolleg:innen hat sich herausgestellt, dass in vergangenen Jahren immer mehr Stellen abgebaut wurde. Viele Beschäftigte gingen auch, weil die Situation nicht auszuhalten war. Dies geht dann zulasten der noch verbleibenden Pfleger:innen, zum Beispiel gab es früher auch Putzkräfte. Heute sind sie nicht mehr dort, weshalb die eine Pflegekraft nun auch noch die Reinigung der Wohnung übernimmt. Die Belastung war ohnehin schon zu hoch, da auf diese eine Pflegekraft zu viele Tätigkeiten kommen. Sie muss von allen Personen die Körperpflege betreiben, sie morgens beim Aufstehen begleiten, die Medikamente verabreichen, die Dokumentation der verabreichten Medikamente führen, Prophylaxen machen, drei mal am Tag kochen und vieles mehr. Zusätzlich dazu, dass an Personal gespart wird, spart der Arbeitgeber auch noch Kosten daran, dass keine angemessene Dienstkleidung existiert. Es gibt auch keine Personaltoilette, was ein großes Problem für die Hygiene darstellt. Das Einführungstreffen fand in einer pompösen Villa in Berlin-Zehlendorf statt. Dort erschienen die Führungskräfte in schicken Anzügen. Ich fand heraus, dass die Geschäftsführerin der Firma durch den Personalmangel und die Kostenreduktion sowie die Bezuschussung durch Staat und Krankenkassen so viel Kapital akkumulieren konnte, dass sie sich ein Leben mit ihrer Familie in Dubai leisten kann – und dies sogar, obwohl die Firma verhältnismäßig klein ist, mit nur sechs Wohneinheiten und etwa 100 Pflegebedürftigen Personen. Besonders Azubis wie ich werden als super billige Arbeitskräfte eingesetzt, um den Personalmangel zu decken und dem Boss und der Führungsetage ein luxuriöses Leben zu ermöglichen. Die Lage ist katastrophal und eine Veränderung ist nur dann möglich, wenn wir uns organisieren. Alle Pflegeeinrichtungen sollten verstaatlicht werden mit einem absoluten Profitverbot und vollständiger Kostenübernahme seitens des Bundes…“ Bericht eines Pflegeazubis vom 17 Juni 2022 bei Klasse Gegen Klasse externer Link
  • Pflegen, lächeln – fighten! Wie junge Auszubildende sich durch das Krankenhaus kämpfen 
    „Lisa und Miran wollen sich um Menschen kümmern – und wagen es. Sie werden Pfleger:innen. Doch der Arbeitsalltag bringt auch sie schnell an ihre Belastungsgrenzen. Sie merken: Es braucht ein Sondervermögen für die Pflege (…) Ich treffe Lisa an einem trüben Nachmittag in einem Café am Nollendorfplatz in Berlin. Ins Krankenhaus darf ich sie nicht begleiten, auch nicht in die Schule. Es ist gar nicht leicht, Pflegeschüler:innen zu finden, die Auskunft über ihre Ausbildungssituation geben. Das Krankenhaus ist ein sehr hierarchischer Betrieb, das gilt bis heute. Und Lisa steht gerade kurz vor ihrem Pflegeexamen, hat wenig Zeit. Doch sie weiß sofort, worum es geht. Vor einem Jahr hat sie sich im Streik der Berliner Pflegekräfte engagiert, dem längsten Ausstand, den es in dieser Branche in Deutschland jemals gegeben hat. „Wir haben nicht für Geld gestreikt. Wir haben die Beschäftigten gefragt, was sie brauchen. Die sagten vor allem eins: Entlastung.“ (…) Lisa gehörte, als sie sich 2019 für die Profession entschieden hatte, schon zu den „Überzeugungstäter:innen“ Doch ihre Erwartung, sich nun nicht mehr alleine durchboxen zu müssen wie im Sport, hat sich nicht erfüllt: „Ab Tag eins musste man immer alles einfordern, sich darum kümmern, einen Schlüssel für die Station zu bekommen, man musste sich im Klo umziehen, weil man keinen Zugang zur Umkleidekabine hatte, und es wird einem ständig signalisiert, dass man als Azubi eine Belastung ist. Die Examinierten streiten sich, wer uns einarbeitet oder wer einen ,ausleihen‘ darf.“ Das sei von Anfang an „desillusionierend und demotivierend“ gewesen, setzt Lisa hinzu, obwohl sie voller Enthusiasmus in den Beruf gestartet ist. (…) Auch Miran Berwan* hatte, als er mit der Pflegeausbildung begann, schon Erfahrung. An den Mittleren Schulabschluss hing er ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Krankenhaus, dann bewarb sich der heute 18-Jährige bei Vivantes, neben der Charité der zweite öffentliche Krankenhausträger in Berlin. „Ich wusste, das ist mein Beruf“, sagt er. „Ich finde es superschön, Menschen helfen zu können und aktiv zu sehen, dass unsere Maßnahmen dazu beitragen, Menschen gesund zu machen.“ Dass es sich immer noch um einen „weiblichen“ Beruf handelt, stört ihn nicht, er hat die Ausbildung mit zwei Freunden begonnen, und in seinem Kurs sitzen sechs Männer. Er erlebt im Pflegealltag aber öfter, dass Auszubildende mit weniger guten Deutschkenntnissen diskriminiert werden. (…) Lisa und Miran berichten beide ausführlich über den „Praxisschock“, den Auszubildende erleben, wenn sie auf die Station kommen. „Oft sitzt man als 19-Jährige am Bett einer Patientin, die die eigene Mutter sein könnte. Ihr wurde gerade die Brust amputiert, und man soll beraten. Oder bei einem Sterbenden, und man ist hilflos, weil man nichts von ihm weiß. Mit dem Tod konfrontiert zu sein oder mit Menschen mit Demenz ist herausfordernd. Man fühlt sich total alleine.“ (…) Auf meine Frage, wo sie sich in 20 Jahren sehen, sagen beide, dass sie gerne an ihrem Beruf festhalten würden: „Ich bleib so lange im Beruf, wie es eben geht“, sagt Miran. „Vielleicht nicht im Krankenhaus, sondern doch lieber im ambulanten Dienst, wo ich selbstverantwortlicher arbeiten kann.“ Lisa hofft auf Veränderung und bessere Arbeitsbedingungen, dazu gehört auch, dass Beruf und Familie leichter zu vereinbaren sind. „Wenn man im Freundeskreis beobachtet, dass man als junge Person am wenigsten Freizeit hat, am wenigsten Geld und dann noch die Stunden reduzieren muss, wenn wir langfristig im Beruf sein wollen, das macht keinen Spaß.“ Deshalb fordert der Deutsche Pfegerat 4.000 Euro monatlich als Einstiegsgehalt. „Es macht mich betroffen“, sagt Lisa, „dass uns ständig gesagt wird, es sei kein Geld da, selbst um die Corona-Prämien mussten wir kämpfen. Aber für das Sondervermögen der Bundeswehr wird es plötzlich lockergemacht.“…“ Bericht von Ulrike Baureithel vom 6. Juni 2022 aus der Freitag Ausgabe 22/2022 externer Link
  • Neue Zahlen aus der neuen Welt der Pflegeausbildung 
    „Dass es einen enormen Mangel an Fachkräften in der Pflege gibt, sollte mittlerweile Allgemeingut sein. (…) Mit Beginn des Jahres 2020 – dem ersten Corona-Jahr – wurden dann auch noch nach einem langjährigen Prozess die bislang versäulten Pflegeausbildungen (also die Gesundheits- und Krankenpflege mit ihrem Fokus auf das Krankenhaus, die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie die Altenpflege) im Kontext eines an sich angestrebten Systemwechsels hin zu einer generalistischen Pflegeausbildung umgestellt. In der neuen Ausbildung, die mit dem Pflegeberufereformgesetz (PflBRefG) von 2017 begründet wurde, werden die bis dahin getrennten Ausbildungen in den Berufen Gesundheits- und Krankenpfleger/in, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in sowie Altenpfleger/in zum Berufsbild Pflegefachfrau/-mann zusammengeführt. Der Wechsel zwischen Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege soll erleichtert und den Pflegefachkräften ein breiteres Tätigkeitsfeld eröffnet werden. Wie so oft gibt es ein Aber: Der ursprüngliche Ansatz einer vollständigen Generalisierung der Pflegeausbildung wurde im Gesetzgebungsverfahren vor allem nach Interventionen von Seiten einiger Pflegeheimbetreiber wieder dahingehend aufgeweicht, dass es nun auch weiterhin die Option gibt, eine vom Niveau her abgesenkte Ausbildung zum Altenpfleger einzuschlagen, deren Abschluss sich von der einer generalistisch qualifizierten Pflegefachperson unterscheidet. (…) Nun wurden die neuen Zahlen das erste Jahr der generalistischen Pflegeausbildung betreffend gemeldet. (…) Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren zum Jahresende 2020 insgesamt 53.610 Frauen und Männer in der Ausbildung zu diesem neuen Beruf. (…) Wenn wir die mehr als 57.000 Ausbildungsanfänger/innen in den drei klassischen Pflegeausbildungen im Jahr 2019 in Erinnerung rufen, dann kann man nicht sagen, dass es 2020 eine Zunahme bei den neuen Pflegeausbildungen gegeben hat. Und man muss generell bei den Ausbildungszahlen berücksichtigen, dass nicht alle die begonnene Ausbildung auch beenden werden (Stichwort Ausbildungsabbrecher). Die Pflegeberufe waren, sind und bleiben ein Frauenberuf. Drei Viertel der neuen Ausbildungsverträge entfallen auf Frauen, der Männeranteil beläuft sich auf 24 Prozent. (…) Neben zahlreichen inhaltlichen Problemen und offenen Fragen, die mit der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung verbunden sind (…) zeigen die ersten Zahlen, die nun für das Jahr 2020 vorliegen, dass es zu einem nicht gekommen ist: zu einem starken Anstieg der Ausbildungszahlen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 3. August 2021 auf seiner Homepage externer Link
  • Pflegeausbildung nur noch mit Abstrichen möglich? Pflegeazubis auf dem Weg vom Ehrenpflega zum Corona-Ehrentesta? 
    “Die Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB) weist die neueste Idee von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey vehement zurück. „Auszubildende sind nicht dafür da, personelle Lücken zu füllen. Wieder einmal trifft fehlender Sachverstand der Politik auf Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die nur zu gerne bereit sind, Azubis noch stärker als bislang als billige Arbeitskräfte auszunutzen“, so Clarissa Fritze genannt Grußdorf. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin und stellvertretende Vorsitzende des BochumerBund fragt sich: „Ist die Pflegeausbildung künftig nur noch mit Abstrichen möglich?“ Auch BB-Beisitzerin Kerstin Paulus kann der neuesten Idee aus Berlin nichts abgewinnen: „Ein Blick in §5 des Pflegeberufegesetzes hätte Herrn Spahn und Frau Giffey verraten, dass das Sich-Ausbeuten-Lassen nicht zu den Ausbildungszielen zählt.“ Viele Auszubildende in der Pflege haben wegen der Pandemie wochenlang keinen theoretischen Unterricht erhalten: „Der versäumte Stoff muss erst einmal nachgeholt werden. Da bleibt für Corona-Tests überhaupt keine Zeit.“ Fritze genannt Grußdorf verweist auf einen weiteren Aspekt: „Die Bundesregierung ist bereit, freiwilligen Hilfskräften bei Corona-Schnelltests in Alten- und Pflegeheimen 20 Euro pro Stunde zu bezahlen. Von solch einer Vergütung können Pflegeazubis nur träumen.“ Herr Spahn und Frau Giffey planten offenbar nichts anderes als ein Sparprogramm auf Kosten derjenigen, die ohnehin schon katastrophalen Ausbildungsbedingungen ausgesetzt sind…“ Pressemitteilung vom 02.02.2021 der Pflegegewerkschaft BochumerBund externer Link
  • Nicht auf Kosten der Pflegeauszubildenden – DBfK erteilt Vorstoß aus den Ministerien eine Absage, diese u.a. zum Testen einzusetzen 
    “Bundesfamilienministerin Giffey und Gesundheitsminister Spahn wandten sich aktuell mit einem kurzsichtigen Vorschlag an die Partnerorganisationen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP): Die Ausbildung in der Pflege solle so umgestaltet werden, dass die Auszubildenden beispielsweise zum Testen in den Einrichtungen eingesetzt werden können. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) erteilt dieser Idee eine deutliche Absage. In ihrem Schreiben plädieren Giffey und Spahn dafür, die Auszubildenden in den Pflegeberufen stärker zur Entlastung des Personals in den Einrichtungen einzusetzen. So könnten sie beispielsweise die Testungen von Angehörigen in den Pflegeeinrichtungen übernehmen. „Dieser Vorschlag zeugt einmal mehr davon, welchen geringen Stellenwert die beiden Ministerien der Pflegeausbildung und damit auch der Professionalität unseres Berufs insgesamt beimessen“, ärgert sich DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. „Wir haben Ministerin Giffey und Minister Spahn bereits schriftlich unseren Unmut mitgeteilt. Aus unserer Sicht ist das einzig Richtige, dass wir trotz der Pandemielage in die Ausbildung und die Auszubildenden investieren müssen und sie nicht als billige Arbeitskräfte missbrauchen dürfen.“ Laut DBfK findet die Pflegeausbildung während der Pandemie bereits unter erschwerten Bedingungen statt und es würden schon viele Kompromisse gemacht. Es müsse dadurch mit zunehmenden Ausbildungsabbrüchen gerechnet werden. Der theoretische Unterricht erfolge digital, Praxisanleitungen könnten aufgrund des Personalmangels nicht in der notwendigen Intensität stattfinden und alle an der Ausbildung Beteiligten suchten gute Lösungen, um dies zu kompensieren. „In dieser Situation zu fordern, dass flexibler Engpässe ausgeglichen werden sollten, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die pflegefachliche Kompetenz ernst nehmen und fördern“, so Bienstein. Die personelle Unterstützung der Einrichtungen bei den Testungen müsse dem DBfK zufolge von den angekündigten Bundeswehrangehörigen sowie geschulten Personen durchgeführt werden, die nicht in der Versorgung der Menschen mit Pflegebedarf eingesetzt sind oder diese gerade erst erlernen.“ Pressemitteilung vom 27.01.2021 beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe, DBfK e.V. externer Link
  • Konzertierte Aktion Pflege: ver.di fordert bedarfsgerechte Personalvorgaben und Verbesserung der Ausbildungsbedingungen
    “Anlässlich des heutigen Berichts der Bundesfamilienministerin und der Bundesminister für Gesundheit und Arbeit zur Umsetzung der Konzertierten Aktion Pflege fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) entschiedene Maßnahmen zur Entlastung des Pflegepersonals. „Die Überlastung der Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist endlich als gravierender Missstand anerkannt“, sagte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. „Jetzt braucht es mutige und wirksame Schritte, um mehr Personal zu gewinnen und zu halten. Es geht um Menschenleben – nicht nur während der Pandemie.“ Vor allem verbindliche und bedarfsgerechte Personalvorgaben müssten nun schnell auf den Weg gebracht werden. Die Bundesregierung habe gemeinsam mit den Partnern in der Konzertierten Aktion Pflege bereits einiges angestoßen, so Bühler weiter, doch die Beschäftigten spürten immer noch keine Entlastung. „Den Pflegekräften wird in dieser zweiten Welle der Pandemie wieder enorm viel abverlangt. Sie brauchen die Gewissheit, dass sich ihre Arbeitsbedingungen dauerhaft verbessern. Das geht nur mit mehr Personal.“ Konkret fordert ver.di, die vorliegenden Instrumente zur Personalbemessung baldmöglichst auf den Weg zu bringen. Für die Krankenhauspflege haben ver.di, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Deutsche Pflegerat bereits im Januar ein Personalbemessungsverfahren, die PPR 2.0, vorgelegt. In der Altenpflege hat Professor Heinz Rothgang von der Uni Bremen ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Personalbemessung entwickelt, das einen unmittelbaren Mehrbedarf von gut 100.000 Vollzeitstellen aufzeigt, also 36 Prozent mehr. Der Fachkräftemangel dürfe nicht als Ausrede dafür herhalten, die nötigen Maßnahmen weiter hinauszuzögern, betonte Bühler. „Es müssen nicht nur mehr Menschen für diese wunderbaren Berufe gewonnen werden. Es gilt, sie auch langfristig zu halten – und das geht nur mit attraktiven Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen.“ Die beste Werbung für die Pflegeberufe sei es, wenn Auszubildende und Beschäftigte sie guten Gewissens weiterempfehlen könnten. „Das Interesse unter jungen Menschen an der Pflege wächst. Diese gesellschaftlich sinnvolle und befriedigende Arbeit ist attraktiv – aber nur, wenn Arbeitsbedingungen und Bezahlung stimmen“, erklärte die Gewerkschafterin. Die Zahl der Pflegeauszubildenden müsse weiter gesteigert und das Potenzial für die Ausbildung von Fachkräften voll ausgeschöpft werden. Bühler verwies darauf, dass ein zunehmender Anteil der Auszubildenden vor dem Abschluss ausscheide oder ihn nicht schaffe. Sie müssten stärker unterstützt werden, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Es brauche Zeit für Ausbildung und eine weitere Stärkung der Praxisanleitung. „Gute Ausbildungsbedingungen führen zu gut ausgebildeten Fachkräften. Wenn Auszubildende hingegen als Lückenbüßer eingesetzt werden, um den Personalmangel zu kaschieren, bleiben sie oft nicht lange im Beruf“, warnte Bühler. „Die Zeit drängt. Jetzt müssen die Weichen in der Pflege richtig gestellt werden.“ ver.di-Pressemitteilung vom 13.11.2020 externer Link
  • Pflegeberufe: Mehr Auszubildende, vor allem in der Altenpflege. Mehr Männer. Endlich Erfolgsmeldungen, aus der Welt der Pflegeausbildungen. Wenn da nicht diese Fragezeichen wären 
    “… Was genau berichten die Bundesstatistiker? »Die Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege, seien es hohe Belastung oder fehlendes Fachpersonal, sind jedoch nicht erst seit der Corona-Krise im Fokus. Dennoch haben die Pflegeberufe nicht an Beliebtheit beim Nachwuchs eingebüßt, im Gegenteil: Im Jahr 2019 begannen 71 300 Menschen eine Ausbildung in einem Pflegeberuf, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Das waren 8,2 % beziehungsweise 5 400 mehr als ein Jahr zuvor. (…) Damit stieg auch die Zahl derer, die ihre Ausbildung erfolgreich absolviert haben: Im Jahr 2019 schlossen 25 % mehr Menschen ihre Ausbildung in einem Pflegeberuf erfolgreich ab als zehn Jahre zuvor (2009: 36 000).« Und vor dem Hintergrund, dass es überwiegend Frauen waren/sind, die in der Pflege unterwegs sind, wird berichtet: »Zwar wird der Pflegeberuf nach wie vor überwiegend von Frauen angestrebt – 75 % der Anfängerinnen und Anfänger waren zuletzt weiblich – doch auch der Männeranteil ist in den letzten zehn Jahren gestiegen: Während er 2009 noch bei 19 % lag, waren im Jahr 2019 ein Viertel (25 %) Männer.« Nun gibt es nicht „die“, sondern mehrere Pflegeausbildungen. Und auch hier scheint es bedeutsame Fortschritte zu geben vor allem in dem Bereich, wo die Not des Mangels am größten ist, also in der Altenpflege (…) Man muss bei einer Bewertung der neuen Zahlen-Nachrichten aus der Welt der Pflegeausbildungen berücksichtigen, dass es hier vor allem um die Zahl derjenigen geht, die eine der Pflegeausbildungen begonnen haben, also Auszubildende im ersten Jahr der Ausbildung. Aber sofort stellen sich eine Reihe von Folgefragen, die übrigens seit Jahren im Mittelpunkt der Diskussionen in der einschlägigen Arbeitsmarktforschung stehen, zu denen zwar Studien publiziert wurden, die aber einfacher gestellt als (derzeit) beantwortet werden können:  Wie viele von denen, die eine Ausbildung beginnen, brechen diese noch vor dem Ausbildungsende ab? Und wenn die Ausbildung abgeschlossen wird, wie viele der Absolventen arbeiten – wie lange – im Berufsfeld und damit umgekehrt: wie viele verlassen es wann und wenn, dann für immer oder können sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zurückgeholt werden? Wie sieht es aus mit der regionalen Einbettung? Dahinter steht der überaus bedeutsame Punkt, dass es eben keinen bundesweiten „Markt“ für Pflegekräfte gibt und geben kann und damit auch nicht für den Nachwuchs. Anders formuliert und wieder als Fragestellung: Werden die Auszubildenden in den Pflegeberufen auch in den Regionen ausbildet, in denen es den Bedarf gibt? Und was sind das eigentlich für Menschen, die eine der Pflegeausbildungen absolvieren? Also Fragen nach dem qualifikatorischen, biografischen Hintergrund der Auszubildenden. (…) Der Autor weist auf eine wichtige Besonderheit hin: »Eine der wesentlichen Initiativen zur Förderung neuer Ausbildungsplätze in der Altenpflege war die „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ externer Link, die zwischen Bund, Ländern und Verbänden vereinbart und zwischen 2012 und 2015 durch eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt worden ist … (…)Die Bundesagentur für Arbeit ergänzt diese Hinweise in ihrer im Mai 2020 veröffentlichten Analyse Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich externer Link : Mit dem Altenpflegegesetz und dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege wurde die Förderung der Ausbildung zur Altenpflegefachkraft weiterhin, wenn auch jeweils befristet, durch die Agenturen für Arbeit bzw. die Jobcenter ermöglicht. Die jährliche Zahl der Eintritte lag in der Folge stabil bei rund 7.000. Im Jahr 2019, mit Inkrafttreten des Qualifizierungschancengesetzes, wurde die Möglichkeit der Förderung der beruflichen Weiterbildung Beschäftigter erweitert und es gab einen erneuten Anstieg. Insgesamt begannen 9.700 Teilnehmende eine Umschulung im Bereich der Altenpflege. (…) Man muss bei der Altenpflege also in Rechnung stellen, dass 20 Prozent bis ein Drittel der Ausbildungen über die Förderung der Arbeitsagenturen und Jobcenter läuft und es sich oftmals um lebensältere Menschen handelt. (…) Derzeitiges Fazit: »Da die Ausbildung nach dem PflBG erst seit dem 1. Januar 2020 möglich ist, liegen der Bundesregierung die entsprechenden Ausbildungszahlen noch nicht vor. Dementsprechend lassen sich auch keine Schlüsse hinsichtlich eines Verlustes von Ausbildungsplätzen ziehen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 29.10.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik externer Link
  • Neues Pflegeberufe-Gesetz Risiken und Nebenwirkungen der generalistischen Ausbildung 
    Der allgemeine Abschluss „Pflegefachfrau/ -mann“ ersetzt künftig die bislang getrennten Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Die neue, generalistische Ausbildung ist EU-weit anerkannt und legt Wert auf Eigenständigkeit. Kritiker fürchten, sie könne zu anspruchsvoll sein. (…) Sicher ist: In der neuen generalistischen Ausbildung lernen Pflegefachkräfte, Menschen aller Altersstufen und Lebenslagen zu betreuen. Ob mit Kinderkrankheiten oder Altersschwäche, ob auf der Intensivstation oder zuhause in den eigenen vier Wänden. Das soll die Absolventen flexibler einsetzbar machen. Die Gesetzeslage sollen sie ebenso kennen wie den Stand der Wissenschaft, außerdem ihr Handeln ethisch reflektieren können. Doch mehr Theoriestunden gibt es nicht. Daraus folgt, so die Alzeyer Schulleiterin beim Deutschen Roten Kreuz: „Die Schüler sollen zum selbstgesteuerten Lernen, zum Entdecken kommen. Das heißt, wir werden exemplarisch arbeiten, mit nachgestellten Situationen, die in Heimen passieren. Und die Schüler müssen wir dazu befähigen, dass wenn sie zum Beispiel mit einem Krankheitsbild vom Herzen – wir können keine drei, vier mehr durchnehmen –, dass die in der Lage sind, das weiterzudenken.“ „Die zukünftigen Pflegefachmänner und -Frauen sind breiter aufgestellt. Es geht zu Lasten der Tiefe“, bestätigt die Trierer Pflegepädagogin Maria Maas. (…) Wer die anspruchsvolle generalistische Ausbildung bis zur staatlichen Abschlussprüfung nach drei Jahren durchzieht, kann sich dann aber die besten Jobs in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, im Pflegedienst oder der Psychiatrie aussuchen – EU-weit. Wem die Generalistik nach zwei Jahren zu schwierig erscheint, dem hat der Gesetzgeber zwei Auswege geöffnet: Für das letzte Jahr darf man doch noch einen spezialisierten Abschluss als Altenpfleger oder Kinderkrankenpfleger wählen. (…) Wer die anspruchsvolle generalistische Ausbildung bis zur staatlichen Abschlussprüfung nach drei Jahren durchzieht, kann sich dann aber die besten Jobs in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, im Pflegedienst oder der Psychiatrie aussuchen – EU-weit. Wem die Generalistik nach zwei Jahren zu schwierig erscheint, dem hat der Gesetzgeber zwei Auswege geöffnet: Für das letzte Jahr darf man doch noch einen spezialisierten Abschluss als Altenpfleger oder Kinderkrankenpfleger wählen.“ Beitrag von Anke Petermann vom 23.12.2019 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Bei der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung gibt es eine Menge praktischer Probleme. Im Mangelberuf könnte zusätzlicher Mangel entstehen
    „Karl-Josef Laumann (CDU), der Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, ist ein Mann, der sich auskennt in der Pflege. Von Dezember 2013 bis Juni 2017 war Laumann Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Bevollmächtigter der Bundesregierung für Patienten und Pflege. (…) »Neben der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland will Laumann das Thema Ausbildung stärker in den Blick nehmen. „Wir wollen jedem, der den Pflegeberuf erlernen will, eine Ausbildungsgarantie geben“, kündigte Laumann an. (…) Hier soll es um die Ausbildung an sich gehen, denn neben der Tatsache, dass offensichtlich deutlich mehr Menschen zu Pflegefachkräften ausgebildet werden müssten, steht das bisherige System der Pflegeausbildungen vor einem fundamentalen Umbau. Die bislang getrennten Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege sollen zu einer generalistischen Pflegeausbildung umgewandelt werden. Also eigentlich sollten sie das ursprünglich, so dass alle Pflegekräfte erst einmal eine einheitliche Pflegeausbildung durchlaufen, wie das in anderen Ländern schon immer so war. Aber in Deutschland ist man ja ein Meister der Nicht-Fisch-Nicht-Fleisch-Lösungen. (…) Wieder einmal bekommt man den Eindruck vermittelt: Hier wurde in einem ganz zentralen Bereich der pflegerischen Versorgung seitens der Politik nichts weniger als ein Systemwechsel beschlossen (wenn auch mit den erwähnten Ausbruchstellen), die Umsetzung sollte dann wie eine schwere OP ohne Narkose bzw. nur mit leichter örtliche Betäubung erfolgen – und keiner verfolgt, ob und wie das flächendeckend auch umgesetzt wird (oder eben nicht). Das ist nicht nur beunruhigend, dass ist auch ein weiteres Beispiel für den Dilettantismus in der Pflegepolitik, der sich bitter rächen wird.“ Beitrag von Stefan Sell vom 3. Oktober 2019 auf seiner Homepage externer Link
  • Pflegenotstand in der BRD: Löhne statt Werbung
    Das klingt aktiv: Insgesamt 111 Maßnahmen haben die Bundesministerien für Gesundheit, Familien und Arbeit beschlossen, um mehr Menschen für eine Pflegeausbildung zu gewinnen. Konkret beinhaltet die am Montag von den Ministern Jens Spahn (CDU), Franziska Giffey und Hubertus Heil (beide SPD) verkündete »Ausbildungsoffensive Pflege« unter anderem das Versprechen, die Zahl der Pflegeazubis bis 2023 um zehn Prozent zu erhöhen. Das ist gut – aber auch reichlich spät. Denn in der Krankenpflege hatten die Einrichtungen im Zuge des Umbaus zum Wettbewerbssystem zwischen 1998 und 2007 zunächst über 10.000 Ausbildungsstellen gestrichen. Inzwischen ist das alte Niveau wieder erreicht, doch die Zahl und Schwere der Behandlungsfälle sind in den vergangenen zwei Dekaden dramatisch gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist der versprochene Zuwachs doch eher mickrig. Vor allem aber ist die Zahl der Ausbildungsverträge nur einer von vielen Aspekten. Was nutzt es, wenn junge Menschen mit viel Enthusiasmus eine Ausbildung zur Pflegekraft beginnen, aber noch vor dem Abschluss frustriert aufhören oder ausgesiebt werden? In der Altenpflege trifft das jeden vierten, in der Krankenpflege fast jeden dritten Auszubildenden. Ein Grund sind die miesen Bedingungen, über die Pflegeazubis in diversen Befragungen klagen: Keine Zeit für praktische Anleitung, unzureichende Verknüpfung von Theorie und Praxis, Missbrauch als billige Arbeitskräfte und Lückenbüßer…“ Kommentar von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 29.01.2019 externer Link
  • Ausbildungsoffensive Pflege schnell umsetzen
    Im Sommer 2018 hatte die Bundesregierung die „konzertierte Aktion Pflege“ ins Leben gerufen und damit eine Diskussion mit Gewerkschaften, Arbeitgebern, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Krankenkassen sowie Betroffenenverbänden angestoßen. Zur Zwischenbilanz und zum Start der „Ausbildungsoffensive Pflege“ als erstes Ergebnis sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Montag in Berlin: „Angesichts des Pflegenotstands in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen ist die Ausbildungsoffensive als Ergebnis der ‚konzertierte Aktion Pflege‘ ein unverzichtbares Signal, um die Qualifizierung der Fachkräfte von Morgen voranzubringen und für eine bessere Versorgung alter und kranker Menschen durch mehr Pflegepersonal zu sorgen. Die Ausbildungsoffensive muss jetzt schnell und mit Nachdruck umgesetzt werden. Der Pflegeberuf muss wieder attraktiv werden, um sich in der Konkurrenz um die Fachkräfte der Zukunft durchzusetzen. An diesem Ziel müssen sich alle laufenden und künftigen Maßnahmen messen lassen. Die Gewerkschaften setzen sich deshalb für hervorragende Bedingungen bei der Ausbildung nach hohen Qualitätsstandards ein. Aber Auszubildende müssen nicht nur gewonnen, sondern auch langfristig im Beruf gehalten werden: durch gute Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung…“ DGB- PM vom 28.01.2019 externer Link

Siehe zum Thema auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=143431
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